§. 25. Heidnische Seite des Teufels.

Das Volk glaubt wirklich noch, daß es einen Teufel gebe. Die Aufklärung hat zwar dekretirt: »Der Teufel hat aufgehört zu existiren.« Das Volk aber hat diesen Beschluß mit auffallender Kälte vernommen und nicht als rechtskräftig erkannt, und auch der Teufel ist dadurch nicht ausser Fassung gekommen und scheint gerade jetzt nach der Ansicht des Volkes seine Hand noch mehr bey menschlichen Händeln im Spiele zu haben als ehedem.

Wie schon mehrfach erwähnt, sind die Götter der Germanen, um den neuen Christen Abscheu vor ihnen einzuflössen, zu Teufeln herabgesunken, nicht minder die Halbgötter, Riesen und Zwerge, wenn es auch bey diesen nicht so ausgeprägt erscheint. Das Reich des Teufels ist somit ein weites geworden, da er zu seinem Anhange aus der Engel- und Menschenwelt das ganze Gebiet der heidnischen Götterwelt einbekommen hat. Damit selbst der Name der Götter verklinge, darf man den Teufel nicht bey seinem Namen nennen. Darin liegt der Grund des Vergessens der Eigennamen mythischer Gestalten beym Volke, welches sich fortan mit Gattungsnamen und Umschreibungen zu behelfen hatte. Möglichst habe ich mich bemüht, Eigennamen von Göttern, [92] Wasserfrauen, Riesen, Zwergen u.s.w. zu erforschen, vergebens.

So wird der Teufel nach einer Seite hin Stellvertreter der Götter, und alles, was zwischen diesen und den Menschen in höherer Geltung stand, nimmt den Charakter seines Gefolges an; damit gelangte auch der Teufel zu Thron und Hof und Dienerschaft.

Wie die alten Götter wandelt sich der Teufel beliebig in Gestalten, insbesondere in Thiere, welche den Göttern heilig waren, wie in Wodans Raben und Wölfe, Freyrs Schwein, Donars Bock u.s.w. oder nimmt wenigstens Theile davon als Kennzeichen an und deutet damit auf den Uebergang dieser Götter in ihn selber.

Vor Allem ist es Wodan, der das Gewand des Teufels anzieht, und für ihn ziemte es sich auch als Obersten der Götter. Als höllischer Jäger fährt er im wütenden Heere, zeigt er sich den Menschen in grüner Jägerkleidung. Hut und Mantel trägt der Teufel wie sonst Wodan, und wie dieser entführt nun jener die Menschen durch die Lüfte. Der heidnische Gott wie der Teufel verlieren ihre Gewalt beym Tone der Kirchenglocken, da Beyde unmächtig dem Christengotte weichen müssen. Wie Wodan den Mangel des zweyten Auges, deckt der Teufel sein Horn mit dem Hute. – Die verbrecherische Sitte, sich dem Teufel zu verschreiben, liegt wohl schon im Heidentume gegründet, wenn Helden für Sieg sich dem Schlachtengotte in Selbstweihe nach bestimmter Zeit, zu Eigen gaben (at gefaz Odhni). Auch jetzt noch wird der Bund mit dem Bösen auf eine [93] gewisse Zahl Jahre eingegangen, nach deren Ablauf der Mensch ihm verfällt. Mit Blut muß der Bund mit dem Teufel besiegelt werden, wie sonst durch Blut zwischen Nichtverwandten Bande des Blutes hergestellt wurden. Wer sich dem Teufel verschreibt, ist Wunschsohn des Wodan; denn dieser ist Wunschgott; im Märchen von Schmid und Teufel erscheint der kunstüberlegene Geselle, der dem Meister drey Wünsche erlaubt, unzweifelhaft als Wodan. Auch der Teufel wird vom verblendeten Menschen angerufen, ihm den Wunsch zu erfüllen: denn als Teufel soll jetzt noch Wodan den Wunsch oder Schätze und Glück gewähren. Dafür muß man ihm angehören und so macht sich der Mensch zum Teufelskind. Uebrigens halte ich die Zeit, wo das Christentum in Kampf lag mit dem Heidentum und wohl mancher junge Christ wieder zu dem Glauben seiner Väter zurückfiel, als besonders günstig für das Durchdringen dieser Sitte und ihre Verwerfung als Abkehr von Gott. – Wie Wodan Erfinder des Würfelspieles, ist es der Teufel bezüglich der Karten: die vom Teufel gestifteten Wirthshäuser standen als frühere Herbergen gleich den Heerstrassen wohl auch unter Wodan Schutz. – Dieser ist der Runenkundige gleichwie der Teufel die Zukunft enthüllt und zu enthüllen lehrt, in der Wahrsagekunst. – Zeigt sich der Teufel an gewissen Orten, wie in Wäldern, Höhlen, an Teufelssteinen, mag man auf alte Stätten des Götterkultus rathen, besonders wenn nebenan altergraue Bäume und Wasser sich finden: selbst das steinerne Roß fehlt dabey nicht. [94] Die Judensteine haben wohl nicht von den Jetten, den Riesen, den Namen, vielleicht von Wodan, fränkisch Gôdan, selbst, oder seinen Priestern, goth. Gudjans. – G undJ gehen in einander über, wie jetzt noch Gud = Jude, Geses Christes statt Jesus Christus, Jarkoch statt Garkoch, in nördlichen Mundarten jud statt gut gehört wird.

Neben Wodan steht in zweyter Stelle Donar als Teufel: es scheint, jener sey früher noch zum Bösen geworden als dieser: vielleicht war der Kampf um ihn, als den eigentlichen Volksgott, hartnäckiger; merkwürdiger Weise findet sich auch in den Teufelssagen weniger Anklang an den Donnerer, während er doch sonst überall in Leben und Sitte vortritt. Für ihn galt der Name: Urahnl = Großvater, und Fankerl der Feuerrothe, wie noch jetzt im Nordischen fan = Teufel. Von ihm ist auch der Teufel Wettermacher.

Für den einarmigen Schwert-Gott Tyr findet sich eine Spur, wenn des Teufels einer Arm als kürzer geschildert wird.

Als der wahre Feuerteufel tritt Locki auf: in ihm ist alles Feindselige des Teufels zusammengefaßt und die nächste Berührung mit dem christlichen Satan gegeben: erscheint er doch schon im Heidentum als Widersacher der Götter.

Von den Göttinen hat nur des Teufels Großmutter, die Göttin der Unterwelt, Hel, ihren Platz bey dem Teufel gefunden.

Dem Germanen stand das Weib in solcher Achtung, [95] daß er es nicht in die Gemeinschaft des Teufels aufnehmen mochte: auf anderer Seite stimmte auch die milde Gesinnung, die Güte und Schönheit der Göttinen weniger zu dem Boshaften, Groben und Häßlichen des Teufels; aber die Hel gehörte dem Götterfeindlichen Riesengeschlechte an. Von der schwarzen Henne, dem heiligen Thiere der Hel, von der rothen, jenem des Donnerers, führt der Teufel den Hahnenfuß, oder auch die ganze Gestalt des Thieres, wenn ich gleich lieber vermuten möchte, daß der rothe Hahn dem Verderber Locki zuständig war.

An die Riesen-Natur des Teufels mahnt sein Schicksal, wenn er vom Menschen um den für seine Dienste versprochenen Lohn betrogen wird: der dumme Riese ist zum dummen Teufel geworden. Wenn ferner der Mensch den Teufel in vielfacher Beziehung zu Schanden macht, ihn sogar mißhandelt, mit Hämmern bearbeitet, so hat schon im Heidentum Thor die Riesen in gleicher Weise bedient. Die Wetten, welche der Teufel eingeht und verliert, sind ächt heidnisch. Wie die drey Wünsche auf Wodan, gehen die drey Wetten auf den Donnerer, mit Bezug auf die Riesen, und wie die grüne Farbe auf jenen, weist die rothe auf diesen.

Der Zug, wonach der Teufel den Bau der christlichen Kirchen stören oder zerstören will, wenn auch ohne Erfolg, ist gleichfalls dem heidnischen Riesen, dem Feinde des Christentumes, der den Schall geweihter Glocken nicht ertragen mag, entlehnt.

[96] Als Zwerg erscheint der Teufel gewöhnlich in grünem, selten in rothem Röckchen, mit einem Hütchen auf dem Kopfe: das Röckchen ist eigentlich eine Kutte, ein Mantelrock, was auf Wodan deutet, besonders, da der Ort des Erscheinens meistens der Wald ist.

Der Name »Alp« weist auf die elbische Natur des Teufels, mehr noch, als der andere Name: »Schrödl.«

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Dritter Theil. Dreyzehntes Buch. Hölle. Erster Abschnitt. 2. Teufel. 25. Heidnische Seite des Teufels. 25. Heidnische Seite des Teufels. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-EC4A-0