451. Der Schäfflertanz zu München.

Von F.G. Pocci. – A. Baumgartner der Schäfflertanz in München, München 1830.Westenrieder Beitr. VII., 281. Lipowsky Urgesch. II., 185. J.H. Wolf Geschichtsjahrbücher V., 88. Förster, Panzer, Marggraff u.A.


Zu München im Land Bayern
Ist eine schwere Zeit,
Man hört kein Freudenwörtlein
Und trauert weit und breit.
Die Häuser sind geschlossen,
Die Straßen öd und leer,
Kein froher Sang erschallet
Und still ist's ringsumher.
Geh nicht zu deinem Nachbar,
Schließ dich in's Kämmerlein,
Laß reichen dir mit Zangen
Das Brod durch's Fenster ein.
Und wär' dein Bruder draußen
Und auch dein eigen Kind,
Laß unberührt sie stehen
Und fliehe nur geschwind!
[469]
Man betet in den Kirchen
Man hält kein frohes Mahl,
Die Pest ist's, die mit Grausen
Durchzieht das Isarthal.
Die Reichen wie die Armen
Sie sterben alle hin,
Es müssen Jung und Alte
Schnell aus dem Leben ziehn.
Und wer will sie bestatten,
Die so gestorben sind? –
Kaum daß ein Todtengräber
Sich für die Leichen find't.
Da solch' ein gift'ger Odem
Durch alle Straßen weht,
Bedarf's wohl kühnen Muthes
Wenn man in's Freie geht.
Da wagten denn die Schäffler –
Die ersten – den Versuch,
Und dachten: Gott wird helfen,
Der Trauer war genug! –
Es kleideten sich festlich
Mit rothen Wämsen an,
Es schmückten sich mit Kränzen
Wohl an die dreißig Mann.
Sie zogen durch die Straßen
Mit Saitenspiel und Sang
Ein Schalksnarr an der Spitze
Oft ganze Tage lang.
Und vor den Häusern hielten
Sie einen lust'gen Tanz
Und schwenkten Gläslein Weines
Auf grün umwundnem Kranz.
Da lockten sie die Bangen
Bald an die Fenster vor
Zu treten wagten Viele
Herunter bis ans Thor.
Wohl gar auch auf die Straßen
Zu schau'n der Schäffler Tanz,
So daß auch Angst und Sorge
Verschwanden endlich ganz.
Da hört der Bayern Herzog,
Ein edler frommer Mann,
Auf was die Schaar der Schäffler
Zu Trost und Kurzweil sann.
Er hieß sie zu sich bieten,
Um ihren Tanz zu schau'n
Und hatte Wohlgefallen
An ihrem Gottvertrau'n.
Da sprach er: Hört ihr Leute,
Da ihr so wacker seid
Soll euer Schäfflerreihen
Besteh'n für alle Zeit.
Und alle sieben Jahre
Soll sich der Tanz erneun,
Und alle guten Münchner
Die Kurzweil hoch erfreu'n.
So tanzen denn die Schäffler,
Getreu wie's damals war,
Zu München auf den Straßen
Noch alle sieben Jahr.
Das Schurzfell um die Lenden
Sammt-Käpplein auf dem Haupt,
Schwingen sie bunte Reife
Und Kränze grünumlaubt.
Sie ziehn nach alter Sitte
Aus ihrer Herberg aus
Und machen ihre Sprünge
Auch vor des Königs Haus.
In Ehren soll'n wir halten
Was alter Brauch uns bringt,
Drum ists daß auch mein Liedlein
Den Schäfflertanz besingt.

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TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. Sagen. Sagenbuch der Bayerischen Lande. Erster Band. 451. Der Schäfflertanz zu München. 451. Der Schäfflertanz zu München. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-F8BC-D