138. Henricus Rumel.

Von J.N. Vogl.Henricus Rumel der erste Buchdrucker in Nürnberg, erhielt daselbst Bürgerrecht im J. 1463.


Zu Mainz am grünen Ufer, im Sonntagsmorgenschein,
Da geht ein züchtig Mädchen, die schönste Blum' am Rhein,
Und ihm zur Seite wandelt ein Mann in Bürgertracht,
Umwallt den Spitzenkragen von dunkler Lockennacht.
Der spricht: »Es prangt die Erde in ihrem schönsten Glanz,
Doch kann ein Wort sie wandeln zum Paradies mir ganz,
O sprich das Wort, Brigitte, das kleine Wörtchen sprich,
Du, die mein Glück und Hoffen, o sag': ich liebe dich!«
Wohl zögert noch die Jungfrau mit holdverwirrtem Sinn,
Dann sinkt mit heißen Thränen an seine Brust sie hin,
»Henricus,« spricht sie leise, »was Gott will, mag gescheh'n,
Doch sprecht erst mit dem Vater, bis wir uns wiederseh'n.«
Drauf ist die Magd entschwunden; erfüllt von seinem Glück,
Bleibt lang' auf selber Stelle Henricus noch zurück,
Doch schon am nächsten Morgen zum reichen Pankraz tritt,
Er hin mit seiner Bitte, allein mit festem Schritt.
»Seid mir nicht ungehalten, dem ungeruf'nen Gast,
Dieweil mich mein Geschäfte antreibt zu solcher Hast;
Ich liebe eure Tochter, als rechtlich frommer Mann,
Und wünschte zur Gefährtin durch's Leben sie fortan.«
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»Auch, denk' ich, fühlt ein Gleiches für mich die fromme Magd,
Es hat mir's eine Thräne in ihrem Aug' gesagt,
Henricus Rumel heiß' ich, bei Sorgloch einst zur Lehr',
Und drucke selbst nun Bücher und Schriften so wie er.«
Da blickt der greise Pankraz den Werber lange an,
Und spricht: »Henricus Rumel, ihr seid sehr wohlgethan,
Von unbescholt'nen Sitten, einnehmend von Gestalt,
Auch, sagt man, wohl erfahren in Künsten mannigfalt.«
»D'rum will ich nicht verweigern euch meines Kindes Hand,
Obgleich es mir ein Kleinod, dagegen Alles Tand,
Und setze euch nur eines vorerst noch als Geding,
Und liebt ihr meine Tochter, so däucht's euch wohl gering.«
»O redet,« spricht Henricus, »was könnte das wohl sein,
Das ich nicht froh erfüllte, damit Brigitte mein?« –
»Wohlan,« erwiedert Jener, »so laßt von eurer Kunst,
Um die ihr eitel Sorge erwerbt statt Lohn und Gunst.«
»Zerschlagt die Druckertafeln, vernichtet eure Schrift,
Die allem Volk verdächtig, als wär's ein tödtend Gift,
Ergreift ein ander Handwerk, und gebt das Drucken auf,
Dann sind wir Handel einig, hier meine Hand darauf.«
Lang' steht Henricus Rumel, die Wang' wie Schnee so bleich,
Das war aus heit'rem Himmel ein unheilschwang'rer Streich,
Lang' steht er dort, dann rollt es ihm heiß vom Angesicht:
»Herr Pankraz, dieses Eine kann ich erfüllen nicht.«
»Wohl lieb' ich eure Tochter, wie sie kein Zweiter liebt,
Doch kann ich ab nicht lassen von dem was ich geübt,
Und mag mein Herz verbluten in namenlosem Gram,
Der Weisung muß ich folgen, die mir von Oben kam.«
»Buchdrucker muß ich bleiben, so will es meine Pflicht,
An der nun Lieb' und Hoffen, und all mein Glück zerbricht,
Doch schuld ich dieß dem Meister, der mich die Kunst gelehrt,
Dem Volk, dem ich entsprossen, dem väterlichen Herd.«
»Buchdrucker muß ich bleiben, auf daß im deutschen Reich,
Das Schöne nun gedeihe, so wie in keinem gleich;
Daß durch das Wort entfesselt, und frei von langer Haft
Ausgeh' nach allen Zonen des Geistes ew'ge Kraft.«
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»Drum bringt nun eurer Tochter mein letztes Lebewohl,
So wie ich's euch jetzt sage, des inner'n Kummers voll;
Und zürnet nicht der Thräne, die mir noch etwa fließt,
Und sorgt, daß sie vergesse den, der sie nie vergißt.«
Erstickt von heißen Thränen Herr Rumel spricht dieß Wort,
Und eilt zerriss'nen Herzens vom reichen Pankraz fort,
Allein wohin er eilet, mit noch so flücht'gem Schritt,
Der Harm ist sein Begleiter, den Gram, den nimmt er mit.
Der folgt ihm allerwegen, der geht mit ihm in's Haus,
Aus seinem mruckerkasten schaut der auf ihn heraus,
Er geht mit ihm nach Nürnberg, wo er von nun an weilt,
Jetzt nur der Kunst noch lebend, die nicht sein Sehnen heilt.
So schwinden Monde, Jahre, der Gram bleibt ihm getreu,
Doch wirkt und schafft der Wackre, ganz sonder Furcht und Scheu,
Wie sehr auch Neid und Mißgunst nach ihm die Krallen kehrt,
Er druckt so wie Johannes von Sorgloch ihn gelehrt.
Schon hat sich grau gefärbet sein Haupt im Lauf der Zeit,
Doch hat sich auch verbreitet sein Ruhm im Lande weit,
Geehret und geachtet ist er von Alt und Jung,
Doch ist sein Glück, sein einz'ges, nur die Erinnerung.
Längst schon ist sie begraben für die sein Herz erglüht,
Doch denkt er oft noch ihrer, mit Trauer im Gemüth,
Und als nach vielen Jahren der Herr auch ihn berief,
Da lispelte: Brigitte, er nochmals, und entschlief.

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TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. Sagen. Sagenbuch der Bayerischen Lande. Erster Band. 138. Henricus Rumel. 138. Henricus Rumel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-FB8F-C