Yorik

Als Yorik starb, da flog
Sein Seelchen auf gen Himmel,
So leicht, wie ein Seufzerchen
Der Liebe himmelan fliegt.
Es standen schon in goldnen Kreisen
Die Engelein um ihn herum.
Auf ihren Wangen glänzte
Des himmlischen Lächelns Morgenroth.
»Komm doch, du sanftes Seelchen du,
Erzähl' uns! bringst du gute Botschaft?«
Und Yoriks Seele hauchte: »Ach,
Dort unten ließ ich meine Brüder
Im Staub zurück. O säht ihr sie
Erziehungslos und ohne Führer
In Büschen wandeln, wo die Hyder,
Die Sünde zischt. Wie sie sich mühen,
Die Schlange zu zerreißen,
Die sie umflicht! Es fällt
Der Jugend Blume, ach! vom Sturm gebrochen!
Es schlägt der graue Sünder
Verzweiflungsvoll an seinen Schädel, daß es hallt!
Und Ate schüttelt Seuch' und Tod herab.
Sie röcheln, sehn mit wildverrückten Mienen
Gen Himmel. Ach, dann strecken ihre Glieder
Sich fürchterlich dem Tode aus,
Die Decke ihres Sarges breitet
Graunvolle Nacht und Stille über'n Leichnam.
Es poltert hinab der Sarg;
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Die Stricke schnellen unter ihm hinweg,
Und Schädel und Gebein und Staub
Fällt von der Schaufel dumpf hinab.«
Der Freundschaft und der Liebe Thränen
Rieseln in den Sand; hinabgebückt
Erschallt der Heulenden entsetzenvolle Klage:
»O Vater, Mutter, Bruder,
O Freund, Geliebte, gute Nacht!«
Sie aber liegen stumm
Und fühllos, wenn der Wurm
Zu ihrer Leiche kriecht.
Und Yorik schwieg. – Es weinten
Die Engelein; und ihre Thränen fielen
Im Morgenduft herab und zitterten
Wie Thau auf junge Palmen
Und halb offne Veilchen,
Die dem Schoße
Des werdenden Frühlings entstiegen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Schubart, Christian Friedrich Daniel. Gedichte. Gedichte. Erzählungen und Verwandtes. Yorik. Yorik. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0000-9