[435] [437]Willkomm an Ludovike auf Hohenasperg

Sie kommt! sie kommt! ich sehe Ludoviken!
Sie wallt herauf im Thal
Auf unsers Nebelberges Rücken!
Sie kommt – ein Sonnenstrahl!
Simanowiz, Du magst es mir verzeihen,
Wenn die mein Lied begrüßt,
Die unter deutscher Mädchen Reihen
Ein Stern der ersten Größe ist.
Nicht ihr Genie, der helle Gottesfunken,
Der sie ins Morgenlicht
Gelehrt hat ihren Pinsel tunken,
Der laut in bunten Farben spricht –
Nicht ihren Alt, gleich Silberglockentönen,
Nicht ihres Herzens Sympathie
Mit jedem Guten, Großen, Schönen,
Der Schöpfung des Genie,
Auch nicht die Anmuth, die in lichten Farben
Um Ludoviken strahlt,
Und sie, wie Ceres sonnbeflammte Garben,
Mit Himmelsgold bemalt,
Ihr Herz, ihr Herz – so voll von Engelsgüte
Verdient's allein, daß ihr
Ein Ossian entgegenglühte; –
O säng sein Geist aus mir!
[437]
Doch matt mit stumpfem Blicke
Bei rauhem Fesselnklang,
Begrüß' ich dich, o Ludovike,
Mit herzlichem Gesang.
Dich schrecke nicht das Klirren meiner Bande;
Umschlungen von Simanowiz,
Wall' einer Göttin gleich im himmlischen Gewande
Und segne unsern Sklavensitz.

Notes
Entstanden 1783 oder 1784. Erstdruck in: Ludovike. Ein Lebensbild, Stuttgart 1847.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schubart, Christian Friedrich Daniel. Willkomm an Ludovike auf Hohenasperg. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0065-7