Dank für die Harfe

An Gott.


Als ich ein Knabe noch war,
Als das Sommerabendlüftchen
Meine goldnen Locken noch hob,
Da ging ich oft an meines Vaters Seite
In dunklen Eichenwald.
Da sah der gotterfüllte Mann hinauf
Zu den schwärzlichen Wipfeln der Eiche.
Ihm schien's, der Wind
Brauche die Blätter der Eiche zu Zungen,
Um mit neuer Sprache zu sprechen
Dein Lob, Jehovah!
Da hob sich sein Geist. Ihn faßte
Die Nähe Gottes mit heiligem Schauer –
Er schwieg. Ich aber blieb zurücke,
Staunend vor der erhöhteren Würde
Des gotterfüllten Mannes.
Noch immer schwieg er, wie in Gesichte verloren.
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Bald aber trat er freundlich vor mich hin und sprach:
Sohn, dein Engel wird die Harfe dir reichen,
Mit Gold bespannt. O sei
Ein Sänger Gottes!
Da sprach er viel mit der Begeistrung Glut
Von Gottes Größe. Stutzt' oft und barg
Des Staunens berstende Thräne.
Auch sprach er viel mit der Begeistrung Glut
Von Christus, dem Knaben zu Bethlem,
Von Christus, dem göttlichen Lehrer,
Von Christus, dem Lamm am Opferaltare,
Dem Himmelerhabnen! dem Allbeherrscher!
»Und wie er dir itzt so nah ist, Sohn,
Und wie er itzt so nah ist deinem Vater« –
Das sagt' er und konnte nicht bergen
Der himmlischen Liebe niederstürzende Thräne.
Da weint' ich auch, ich glücklicher Knabe,
Wie der geritzten Birke Saft
Floßen unsre Thränen aufs Waldgras
Und tränkten den lechzenden Erdschwamm.
Ja, sprach ich freudeweinend, Vater,
Wenn mir mein Engel einst die Harfe beut,
Mit Gold bespannt, werd' ich
Ein Sänger Gottes.
Ein Jüngling ward ich. Schlürft' aus dem Kelche des Lebens
Der sprudelnden Freuden viel; doch sang ich auch
Dein Lob, Jehovah!
Dein Lob, du Bethlems Knabe!
Du göttlichster Lehrer, dein Lob!
Du Himmelerhabner, Allbeherrscher,
Naher, dein Lob!
Ich ward ein Mann, des Lebens Stürme
Wirbelten mich auf taumelnden Wellen.
Aber selbst auf des Lebens
Tosendem Meere, selbst im Bauche
Des Felsengrabs sang ich
Jehovah, dich!
Messias, dich!
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Siebenäugiger Allgeist, dich!
Mein Vater, der stattliche Mann,
Ist heimgegangen zu dir, du Guter,
Und ach! ich sah ihn nicht sterben,
Hörte nicht des Sterbenden Segen,
Den er dem fernen, irrenden Sohne
Mit dem Zeichen des Kreuzes zusandte!
Aber, Heil mir! ich komme zu ihm und zu dir –
Nicht wahr, du verheißest es mir,
Gott, mein erster, größerer Vater?
Ja ich komme zu ihm und zu dir,
Dann misch' ich nicht mehr die heisere Stimme
In den Preisgesang der zahllosen Schaar
Am krystallnen Meere. Dann sing' ich
In der Harfen Donner
In des Krystallmeers Getöse
Dein unentweihteres Lob, Jehovah!
Und ach! wenn einer deiner Blicke
Herab vom weißen Throne
Mit dem siebenfarbigen Bogen des Bundes gegürtet,
Ach, wenn einer deiner Blicke
Mich gnadelächelnd
Unter der zahllosen Schaar
Ansäh'; o würd' ich nicht
Die Harfe sinken lassen aus bebenden Händen?
Nicht sinken auf des Himmels Azurboden?
Nicht wonneschluchzend verstummen?
Vor dir, Jehovah!
Du Naher, vor dir?

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Schubart, Christian Friedrich Daniel. Gedichte. Gedichte. Zu Schubarts Leben. Dank für die Harfe. Dank für die Harfe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-018E-7