Der Greis

(Nach Salomo.)


Die bösen Tage sind kommen;
Da sind sie nun, die Jahre,
Von denen ich sagen muß:
Leer sind sie von Freuden!
Sonne, Licht, Mond und Sterne
Dunkeln um mich; ich sehe nur Wolken,
Und höre nur rasselnden Regen.
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Die Hüter meiner Leibeshütte, die Hände zittern.
Es krümmen sich die Starken, meine Füße.
Meine Zähne, die Mühlenmägde,
Haben Feierabend gemacht.
Aus den Fenstern der Augen blicken nicht mehr
Freundlich lächelnde Geister.
Verschlossen sind die Thüren nach der Straße;
Denn vergebens horcht das Ohr nach Vogellaut;
Verstummt sind ihm die Töchter des Gesangs.
Schwindelnd fürcht' ich mich auf dem Hügel,
Und schrecke beim Tritt auf ebenem Wege.
Gleich dem Mandelbaume blüht mein Scheitelhaar.
An meinem Stabe zusammengekrümmt,
Bin ich der Heuschrecke gleich.
Vertrocknet ist in mir die Lust.
Bald werd' ich beziehen mein ewiges Haus,
Und die Kläger werden beflort gehen auf den Gassen.
Doch einst wird des Lebens Silberstrick wieder geflochten,
Neugeschaffen mein Herz, die güldene Kugel.
Dann rasselt wieder am Rade des Brunnens der Eimer,
Und schöpft aus dem Quelle lebendes Wasser.
Geselle dich immer zur Erde, mein Staub;
Bist ja mit ihm verwandt.
Du aber, mein Geist,
Fleugst auf zu Gott, der dich gegeben hat.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schubart, Christian Friedrich Daniel. Gedichte. Gedichte. Zu Schubarts Leben. Der Greis. Der Greis. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-02C8-A