[13] Am 1sten August 1813

Nächtlicher Gram umfing den Ermatteten, schwarz in des Abends
Nebel gehüllt, und dumpf schwieg das erstorbene Herz.
Thorheit schien und Wahn mir das Heilige, nichtig des Lebens
Gaukelgefild, und so klagte der düstere Geist:
Fruchtlos hast du gespielt und geträumt! Stets blühte der Hoffnung
Ueppiger Baum: doch nie reifte die labende Frucht.
Glänzend erhob sich ein herrliches Ziel dem begeisterten Jüngling:
Aber der Zufall nur lenkt die entgötterte Welt.
Sehnsucht dämmerte dir, und der Lieb' aufstrahlende Sonne
Goß jungfräulichen Reiz über den Traum des Gefühls.
Doch längst sank der erloschene Strahl, und schwärzere Nacht nur
Füllt, je heller er einst leuchtete, jetzt dir das Herz.
Was du gesä't, wird rauben der Sturm! Was kämpfst du vergebens
Gegen des Schicksals Spott? Ewig ist einzig der Tod!
Eins sind Grab und Wiege für dich; in des nichtigen Lebens
Zwecklos tändelndem Spiel ringst du, ein Nichts mit dem Nichts!
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Also zürnet' ich mir und der Welt; doch kalte Verachtung
Tilgte den Zorn, und laut lacht' ich im bitteren Hohn.
Horch, da schwamm, gleich lindem Gedüft, auf der sinkenden Dämmrung
Friedlichem Hauch leicht aufwogend ein lieblicher Ton;
Schwellend verkettete bald sich das zitternde Gold, bald rann es
Sanfthinschmelzend und oft leise verhallend daher,
Und süß wallte Gesang auf des Tons leichtflatternder Schwinge
Tröstend, gleich dem Gespräch freundlicher Engel, heran.
Ach, da regte sich still das erkaltete Herz, von des Wohllauts
Athem erwärmt, und hell tagte die dunkele Welt.
Bilder umgaukelten mich, süßschmeichelnde, zarte Gestalten,
Und in lebende Form schmiegte sich jedes Gefühl;
Dich nur nannte mir jedes Gefühl, und jeglichem Traum lieh
Dein holdseliger Reiz Wesen und blühende Kraft.
Doch zum Ganzen verkettete bald sich das Einzelne; kunstvoll
Trat ein klares Gedicht aus der verworrenen Nacht.
Vielfach lebt' in dem bunten Gebild dein wechselnder Liebreiz,
Neu stets warst du und stets holder in jeglicher Form:
Doch einträchtig erschien in der Schönheit stiller Verklärung
Alles verwebt; ein Glanz weilt' in dem irrenden Licht,
Und allmächtige Lieb' umwand mit der ewigen Kette,
Daß kein feindliches Bild nahe, den flüchtigen Traum.
Ha, da fühlt' ich die frühere Kraft; kühn blickt' ich empor, hell
Flammte der Geist, hochauf schlug das erweiterte Herz.
Herrlich enthüllte die Welt mir des Ruhms muthprüfende Laufbahn,
Und wohl schien mir des Kampfs würdig der ewige Kranz,
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Und ich empfand, noch leb' in der Brust mir der heilige Lichtstrahl
Göttlicher Kraft, und groß werd' ich und ruhig durch dich.
Bannt dein Wille mich auch in den Kreis schmerzvoller Entsagung;
Nie doch, ehe du selbst schwandest, entschwindet das Ziel.
Himmlische Schönheit flieht vor des Sterblichen kühner Umarmung;
Aber mit ewigem Wunsch lohnt sie dem hoffenden Geist.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Schulze, Ernst. Gedichte. Poetisches Tagebuch. Am 1sten August 1813. Am 1sten August 1813. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-049A-2