[21] 10.

Bringst du vielleicht, was jetzt du mir sangst in traulicher Stille,
Einst in die Hände des Volks, zu der Gebildeten Ohr,
O dann tilge den Namen hinweg der Geliebten und jedes
Deutende Wort, denn hart richtet der kalte Verstand.
Also sprachst du zu mir, und ich zürnt' und sagte: du liebst mich,
Und doch scheust du den Spott, welcher nur Schuldige kränkt,
Gönnst die Freude mir nicht der Grazie Dichter zu heißen,
Nicht das verstohlene Glück, rings mich beneidet zu sehn?
Feindlich wandt' ich mich ab und schwieg. Du senktest das Köpfchen,
Doch bald hobst du den Blick schüchtern von neuem empor,
Regtest den rosigen Mund und wolltest reden, doch plötzlich
Floß dir ein höheres Roth über die Wange; du schwiegst.
Rasch nun ging ich hinweg, und zürnen wollt' ich, doch immer
Traf mich der eigene Pfeil, immer nur zürnt' ich mir selbst.
Sieh, da erhellte den düsteren Geist ein plötzlicher Lichtglanz,
Und ich erkannte des Worts süßen, verborgenen Sinn.
Ha, du reizendes Weib, wie fühlst du den Zauber der Liebe
Und ihr inneres Glück tiefer und zarter als ich!
Nur in der Dämmerung weht der Viol' erquickender Aushauch,
Und im dunkelsten Hain finget die Nachtigall nur.
So auch meidet die Liebe das Licht; im mondlichen Glanz nur
Und im Gesausel des Hains blüht sie verstohlen empor.
Wohnt doch Idalia selbst in verschwiegenem Schatten, und deckt doch
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Amorn, wenn er entschlief, immer ein Rosengebüsch.
Richtig erscheint mir ein Kuß und geschmacklos, wenn du im Kreise
Spähender Augen mir ihn giebst, im Getändel des Spiels:
Doch wenn ein heimlicher Druck ihn versüßt, wenn höher die Lippen,
Eng an die meinen gepreßt, schwellen, dann bin ich ein Gott.
O verzeih mir den thörichten Wahn, o strafe mich! schuldig
Steh' ich vor dir, doch sey streng und gelinde zugleich;
Banne mich fort aus deinem Gesicht zwölf traurige Monden,
Groß zwar wäre der Schmerz, aber ich duldet' ihn doch:
Nur laß deinen Namen mich nie, für solch ein Vergehen
Wäre die Strafe zu hart, nennen der spähenden Welt.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Schulze, Ernst. Gedichte. Elegieen. 10. [Bringst du vielleicht, was jetzt du mir sangst in traulicher Stille]. 10. [Bringst du vielleicht, was jetzt du mir sangst in traulicher Stille]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0586-6