[13] 6.

Liebchen, wie hast du geruht nach der Lust des rauschenden Tanzes?
Ist dir das Köpfchen nicht noch schwer von dem wüsten Gelärm?
Tobte nicht lang' in der Nacht der Musik nachtönender Aufruhr
Disharmonisch und wild rings dir um's hüpfende Bett?
Oder belastete nicht dir die Brust, als quälender Rachgeist,
Welcher die Schwärmer der Nacht ängstet, ein feindlicher Alp?
Aber verzeih, holdseliges Weib, dem tückischen Spötter;
Gern an fremdem Genuß rächt man den eigenen Schmerz.
Nein, ein reizender Traum umgaukelte sicher die Stirn dir,
Führt' in ein Feengefild deinen entfesselten Geist,
Kränzte dein Haupt mit den Blüthen des Mays und wiegte behende
Auf hellblauem Gewölk über die Erde dich hin.
Früh schon sitzest du dort mir gegenüber am Fenster;
Zwar ist schmachtend dein Blick, aber doch heiter und mild;
Sinnend lehnst auf die zierliche Hand du das lockige Köpfchen;
Zählst du, Schelmin, vielleicht deine Gefangenen nach,
Die du bei'm fröhlichen Fest mit dem siegenden Zauber der Blicke
Und mit des Geistes Gewalt dir in die Netze gescheucht?
Ach, ich war dir ein Thor dem frevelnden Wahne zu folgen,
Welcher die Ruhe der Nacht, welcher die Träume mir nahm.
Untreu wähnet' ich dich, und ich zürnt' aufgrollend dem Herzen,
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Daß es aus deiner Gewalt nimmer zu fliehen vermag.
Unglückseliger, konntest du so dem eigenen Glücke
Gram seyn? konntest du so wünschen den eigenen Tod?
Stets war grauendes Dunkel der Freund tiefbrütenden Trübsinns;
Auf dem Gewölke der Nacht wiegte die Trauer sich stets:
Doch der erglühende Tag verbannt die verhaßte zum Orkus,
Und Aurorens Gespann leitet ein fröhlicher Geist.
Doch nicht blos die Natur, auch du gebietest der Dämmrung,
Und ätherisches Licht folget dir, Zauberin, gern.
Bin ich dir fern, ist schwarz mir die Sonn' und dunkel der Erdkreis,
Doch dein lächelnder Blick füllet mit Strahlen die Nacht.
Aber du winkst mir, du lächelst mir zu! Schnell flieg' ich hinüber!
Küssest du heute mich nicht, Frevlerin, nimm dich in Acht!
Kennst du den magischen Quell, der einst Rinaldo verwandelt,
Als Angelika ihm folgte mit sehnendem Blick?
Immer noch rieselt der Quell, und stets noch währt die Bezaubrung;
Reize nicht Amors Zorn, fürchterlich rächt sich der Gott.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Schulze, Ernst. Gedichte. Elegieen. 6. [Liebchen, wie hast du geruht nach der Lust des rauschenden Tanzes]. 6. [Liebchen, wie hast du geruht nach der Lust des rauschenden Tanzes]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-05E3-5