Den Naturforschern

Stuttgart, im Herbste 1834.


Ihr fragt, warum die Sonn' erschien
Auf einem goldnern Wagen,
Und sich den Wolkenhermelin
Der Herbst nicht umgeschlagen?
Nicht hat vergessen die Natur,
Daß ihre Freunde kommen;
Sie hat ihr Festkleid von Azur
Längst freudig umgenommen.
Durch unsre Gärten wogt ein Licht
Mit überird'schen Flügeln,
Und ein geheimes Feuer bricht
Aus unsern Rebenhügeln.
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Die Traube dieses Jahres quoll
Zum Ruhm der Wissenschaften,
Und unsrer Gäste Name soll
An diesem Weine haften.
Wenn er als Jüngling gärend braust,
Geschieht's zu ihrem Preise,
Und wenn als Mann im Keller haust,
Und wenn als Greis labt Greise.
Ja, bricht des Lebens Nacht herein,
Wird unsre Hütte morscher:
So schenkt uns noch ein Enkel ein
Vom starken Wein der Forscher.
Doch in den Gästen wird er erst
Gelangen ganz zu Ehren,
Und sich in ihrem Dienst zumehrst
Zum Zauberwein verklären.
Dort wirkt er mit Erweckungen
Lang als Gedankenzunder,
Dort schafft er in Entdeckungen
Gar manches neue Wunder.
Doch jetzo seht ihn schlummerstill
Noch hinter Blättern träumen,
Und wer den Knaben küssen will,
Der thu' es ohne Säumen.
Jetzt reicht er nur noch zarte Kost
Für unsrer Gäste Frauen;
Inzwischen soll vom alten Most
Das Herz der Männer thauen!

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schwab, Gustav. Den Naturforschern. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-071B-8