An Pauline

Zwar von stolzen Haargeflechten
Ist mir jüngst ein Wort entfahren; 1
Doch mit deinen blonden Haaren,
Liebes Kind! will ich nicht rechten.
Von der ächten deutschen Farbe,
In so schön gewundnen Glocken
Senken sich die goldnen Locken
Reich, wie unsrer Felder Garbe;
Wallen um die Schultern lieblich,
Ach! das will von Stolz nicht sagen;
Sicher war's in alten Tagen
So bei deutschen Frauen üblich!
Dazu, liebes frommes Mühmchen! –
(Was errötest du so züchtig?)
Leuchten blauvergißmeinnichtig
Deine Aeuglein, wie ein Blümchen.
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So voll Demut ist ihr Lächeln,
Jede Locke muß bescheiden,
Selbst die stolzeste, dich kleiden,
Dienstbar immer dich umfächeln.
Endlich, wenn dein Mund gesprochen,
Wenn aus der geweihten Stille
Nun die ganze Rosenfülle
Deiner Lippen aufgebrochen:
Wenn sich zu den sanften Tönen
Jetzt dein Haupt beginnt zu regen,
Sich die Locken mitbewegen,
Dein Bejahen hold verschönen –
Nein! den süßen Haargeflechten
Soll kein Tadel widerfahren!
Mit so schönen blonden Haaren
Wahrlich! wäre schwer zu rechten!

Fußnoten

1 Siehe das Lied: »An die deutschen Frauen,« unter den Zeitgedichten.


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schwab, Gustav. An Pauline. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0804-5