[168] Νικα δε και σιδηρον –

Soll auch ich den Zauberkelch noch trinken?
Und vor Amors Pfeile niedersinken,
Der die Könige zu Bettlern macht?
Führet mich auch noch ein Rosenmädchen
Links und rechts an einem seidnen Fädchen,
Wenn sie zauberisch mir blickt und lacht?
Neue Gluth durchströmet meine Adern,
Heißer fühl' ich Hirn und Herz schon hadern;
Höher lodert mir die Phantasie,
Höher in des Paradieses Bildern,
Mir die Götterexistenz zu schildern,
Die Urania der Erde lieh.
Einsam schleich' ich nur mit Einem Bilde
Durch die weiten herbstlichen Gefilde,
Und der Männerstolz ergrimmt und bückt
Knirschend sich, wie der Magnet dem Pole,
Vor dem schönen lächelnden Idole,
Wenn ihr Auge reinen Himmel blickt.
[169]
Mädchen, wenn du leicht vorüber schwebest,
Und mich rund in deinen Zauber webest,
Steht der Cherub mit dem Flammenschwert
Nicht mehr schrecklich neben Edens Thüre,
Und ich schwöre hundert Feuerschwüre,
Unsre Erd' ist noch des Himmels werth.
Wie das Garn sich um die Spindel windet,
Drehet mein Gedanke sich, und findet
Magisch überall in der Natur
Einzig dich nur; merket, höret, siehet,
Wohin auch mein Fuß um Ruhe fliehet,
Wie im Lufthauch noch dein Bildniß nur.
Heißer Seele möcht' ich zu dir treten,
Glühend niederfallen anzubethen,
In der schönen großen Schwärmerey;
Möchte wonnetrunken hochvermessen
Ganz den Meister in dem Werk vergessen
Zu der heiligsten Abgötterey.
Alle meine Weisheit vom Katheder
Flog davon wie eine leichte Feder,
Wenn dein Blick nach meinem Auge schlich;
Seit ich diesen Pulsschlag mir erworben,
[170]
Ist die ganze Schöpfung ausgestorben,
Und nur du allein bist Weib für mich.
Und nur du, mir Einzige auf Erden,
Sollst und kannst und wirst mein Weib nicht werden:
Gähnend liegt die alte Kluft vor mir;
Knirschend heb' ich, ohne mich zu retten,
Tiefen Grimmes an des Schicksals Ketten,
Und durchbräche gern sie hin zu dir.
Wahrlich, wie ein glatter Rosenknabe
Wein' ich nicht an meines Glückes Grabe,
Starrten mich auch Todtenschedel an:
Aber wenn ich einst mein Herz entwöhne,
Ohne dich mit meinem Loos versöhne,
Dann hab' ich ein Männerwerk gethan.
Wie die Sonne lächelst du mir, Holde;
Aber fluchen möcht' ich deinem Golde,
Welches mir dein Sonnenlächeln bricht.
Muth hab' ich, im Gluthenkampf zu sterben;
Aber Muth, mir Schätze zu erwerben,
Liebstes, bestes Mädchen, hab' ich nicht.
[171]
Jetzt zum ersten Mahle könnt' ich wollen,
Daß mein Werth nur mit Ducatenrollen
Sich erwiese, nach gemeinem Sinn;
Oder wärst du arm, wie ich, und kämest
Sittig freundlich halb zu mir und nähmest
Herz um Herz zum herrlichsten Gewinn.
Mit gestähltem Muthe wollt' ich ringen,
Dir den kleinen Unterhalt zu bringen,
Den Natur den frohen Kindern beut:
Froh an deiner Seite wollt' ich sitzen,
Und um den Genuß des Lebens schwitzen;
Und die Mühe wäre Seligkeit.
Mit Madonnenanmuth würdst du fliegen,
Dich an meine Schulter anzuschmiegen,
Und ich spräche mit dem schönen Lohn
Allen großen königlichen Sündern,
Die für ihre Wollust Länder plündern,
Göttlich froh an deinem Nacken Hohn.
Dich mir noch im Kampfe zu ersiegen,
Wollt' ich über Andenschedel fliegen
Durch des Ozeanes Felsenbahn;
Mich zu deinem Liebling aufzuschwingen,
[172]
Durch des Krieges Todessaaten dringen,
Wechselnd Kluft hinab, und Himmel an.
Ha, ich wollte mit dem Würger schlagen,
Mich für dich hinab zur Hölle wagen:
Mädchen, kauf mit Golde, wenn es gilt,
Dir ein Herz, bereit für dich zu bluten,
Und das heiße Leben wegzufluthen,
Bis der letzte Tropfen von ihm quillt.
Unaufhaltsam rollen unsre Jahre;
Mit des Mannes erstem grauen Haare
Sinkt vom Weiberauge die Magie.
Werde glücklich, und ich will mein Leben
Selber hin für deine Ruhe geben,
Ohne Rausch der süßen Sympathie.
Rettet mich, ihr Götzen, Stolz und Ehre,
Wenn ich taumelnd die Vernunft nicht höre;
Drückt das schöne herrliche Gefühl,
Bräche gleich das Herz im Drucke, nieder;
Und nach tiefem Sturme bringet wieder
Feste kalte Ruh aus dem Gewühl.
[173]
In dem gelben glänzenden Metalle
Liegt für meine Seele keine Falle,
Wenn es blendend auf und nieder flockt;
Und ich wollte neben seinen Schimmern
Selbst mein letztes kleines Glück zertrümmern,
Eh es mir nur einen Wunsch entlockt.
Mädchen, wenn mein Herz in Wüsten narbet,
Und zum Grabe fastend einsam darbet,
Soll dein Nebelbild mich noch erfreun;
Und wie an dem Blumenkelch die Biene
Häng' ich an dem Nahmen Wilhelmine;
Und er wird mir noch Erquickung seyn.

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TextGrid Repository (2012). Seume, Johann Gottfried. Gedichte. Gedichte. Nika de kai sidhron -. Nika de kai sidhron -. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0A74-C