[5] Hulda

Romanze.


So schön, wie die Rose im Morgengold glüht,
So sanft, wie das Veilchen dem Lenze entblüht,
An Tugend, an Adel der Seele so reich
War Hulda, der ersten der Grazien gleich.
Es liebt' sie ein Ritter, voll Hochsinn und Muth;
So edel wie Hulda, so bieder und gut;
Sie gab ihm erröthend voll Liebe die Hand:
Dann knüpfte ein Priester das selige Band.
Froh schwanden vier Jahre den Glücklichen hin,
Da kam es dem König der Franken in Sinn,
Zu winken Graf Robert mit huldvollem Blick,
Zum Dienste des Hofes, zu glänzendem Glück.
Ihn hatte das Schicksal nur kärglich bedacht,
Drum wurde das schmerzlichste Opfer gebracht:
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Schon wiegt' er zwei liebliche Knaben im Schoos,
Drum riß er vom Busen der Liebe sich loß.
Kaum war er an Hilderichs Hofe bekannt,
Da ward er der stattlichste Ritter genannt,
Bei allen Turnieren erhielt er den Preiß,
Nach Kampfes Gesetzen und Königs Geheiß.
Das wurmte den Schranzen; da pflogen sie Rath,
Sie legten ihm Fallen mit Worten und That;
Sie neckten ihn bitter mit höhnendem Blick,
Er lachte der Thoren und fühlte sein Glück.
»Was macht deine Hulda auf einsamem Schloß?«
Sprach einstens ein Ritter aus höfischem Troß.
»Wie konntest du's wagen, so jung und so schön,
So lang' von der lieblichsten Gattin zu gehn?«
»Wohl konnte ich's wagen, wohl konnte ich gehn,
Mein Weib ist so tugendhaft, sittsam, als schön;
Sie liebt mich so innig, sie liebt mich so warm,
Als hielt' ich sie glühend im bebenden Arm!«
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Deß lachten die Damen, deß lachten die Herrn,
»Ha! Robert, rief einer mit schimmerndem Stern,
Giebst du mir die Freiheit, dein Liebchen zu sehn,
Dann ist's um dich warlich auf ewig geschehn!
»Auch will ich verwetten Zehntausend dafür,
Daß ich sie gewinne zum Eigenthum mir!
Nur werd' ihr von unserm Vertrage nichts kund;
Komm, laß uns verbriefen, versiegeln den Bund!«
»O warlich auf Ehre versprech' ich es dir,
Sie höret indessen kein Wörtchen von mir;
Auch sei sie die Deine, gewinnst du das Spiel.
Nun tummle den Rappen, und eile zum Ziel!«
»Wohl habt ihr verlohren den Sinn und Verstand,
Rief zornig der König, der Mann ist gewandt,
Ist schön, und geübt im Verführen der Frau'n,
Wie könnt ihr dem Buben wohl Hulda vertrau'n?«
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»Und wär' der Verführer so schön wie ein Gott;
So hätt' ich doch warlich des Eitelen Spott.
Ich kenne die Reine, ich wage nicht viel;
Wohl waget der Ritter ein kostbares Spiel!«
Nun jagte Graf Reinhard durch Hecken und Dorn,
Er gab seinem fliehenden Rappen den Sporn,
Bald hielt er am Burgthor, bei dämmernder Nacht.
Dann ward er in's Zimmer vor Hulda gebracht.
Er ahnete nimmer, was schönes er fand;
Ein Engel an Reizen, ein Mann von Verstand,
Mit freundlicher Milde lud ein sie den Gast
Zu häußlichem Mahle, zu nächtlicher Rast.
Und als sie ganz Güte, ganz Frohsinn ihm schien,
Da wagt er's voll Liebe, vor Hulda zu knie'n.
Mit scheinendem Mitleid hob sie ihn empor,
Und lispelte leise dem Ritter in's Ohr:
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»Komm Morgen, mein Trauter, in jenes Gemach,
Ich folge dir leise und flügelschnell nach.«
Dann schob sie den Riegel des Schlafgemachs zu,
Und brachte die lieblichen Knaben zur Ruh.
Es wälzt sich der Ritter im schwellenden Flaum,
Ihm tanzen die Sinne im rosigen Traum,
Früh eilt er in jenes beschriebne Gemach,
Bald hüpfte die höhnende Zofe ihm nach.
Leis' schob sie den eisernen Riegel hervor:
Dann rief sie dem harrenden Ritter ins Ohr:
»Gott grüß euch, Herr Ritter, den mächtigen Herrn,
Mit schimmerndem Bande und stralendem Stern,
»Der mannhaft und tapfer, wie rühmlichst bekannt,
Es wagte, zu trennen das heiligste Band,
Die treu'ste der Frauen zu kränken mit Schmach,
Hier sollt ihr es büßen im öden Gemach;
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»Nur wenn ihr gehörsam und fleißig bemüht
Die Fäden dem silbernen Flachse entzieht,
Gewinnt ihr euch Freiheit, gewinnt ihr euch Brod;
Nun ruhig, Herr Ritter, sonst grämt ihr euch todt!«
Der Abend sank nieder, der Morgen stieg auf,
Noch thut sich das eiserne Gitter nicht auf,
Da nahm er die Spindel und dreh'te so leis'
Viel zierliche Fäden mit künstlichem Fleiß.
Da schob ihm die Zofe zum Inbiß herein
Ein kärgliches Essen und Wasser, statt Wein.
Dies trieb sie vier Wochen, trotz Bitten und Flehn,
Dann durfte der Ritter dem Kerker entgehn.
Mit hagerem Antlitz und funkelndem Blick
Kam Reinhard voll Ingrimms zu Robert zurück:
Dann zahlt er zur Stunde dem Grafen das Geld,
Verwünschte die Weiber, und floh in die Welt.
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Doch wurden im deutschen und fränkischen Land
Der Frauen ihm wenig, wie Hulda, bekannt.
Wenn allen Verführern so sollt' es ergehn,
Wie würden dann Spindeln um Spindeln sich drehn!

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TextGrid Repository (2012). Sommer, Elise. Gedichte. Poetische Versuche. Hulda. Hulda. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0E38-3