[196] Die Dirne

Wie aus den Armen Gottes
glitt ich in den Arm der Welt:
Noch wars das Streichen seiner Hände,
das mir meine Brüste aufgeschwellt,
Und seiner Liebe Schwert,
das lustvoll sehrend meinen Leib durchstieß
Und das in Wollust weilend
sich im Dunkel meines Blutes niederließ,
Als schon mein Leib, den Vielen ausgeliefert,
sich auf armen Polstern streckte.
Und wenn ich unter Schauern mich vergrub,
war ers, dem sich mein Schoß entgegenreckte,
Und wenn mit rohem Wort
die Welt mich überfiel,
Floß selige Marter
und im Fernen leuchtete der Prüfung Ziel.
Und ekle Speise,
die aus Graun und Schmach an mich erging,
War die geweihte Hostie,
die mein Mund aus seiner Hand empfing,
Und jede Lust
war tief im Blute seiner Wunden eingekühlt,
Und jedes Wehe
vom Gefunkel seiner Liebe überspült,
Aus Kellern, Hafenkneipen, Dirnengassen,
wo die Seele wie vom Leib verirrt
dem Traum entgegenschlief,
Wuchs mailich schon die Stimme,
die zu Hochzeit und zu Auferstehung rief.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Stadler, Ernst. Gedichte. Verstreute Gedichte aus den Jahren 1910 bis 1914. Die Dirne. Die Dirne. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-1588-1