6. Klugheit verbirgt die Liebe

1.
Es ist genug der Hände drükken/
der Füsse Tritt/ der Augen nikken/
wenn/ Büschgen/ wir bey Leuten sind.
Hör auff mit weitern Liebes Werken/
man wil es fast zu scheinbar merken
daß wir uns lieben/ gutes Kind.
2.
Sind wir denn in geheim beysammen/
so luffte frey die heisse Flammen/
bin ich doch/ Närrchen/ allzeit dein/
Denn können wir uns satt zu küssen/
und was wir ie zuweilen missen/
mit Wucher wieder bringen ein.
[94] 3.
Mein Buschgen/ kennstu nicht die Leute?
der dir ganz freundlich steht zur Seite/
gibt achtung auff dich/ als ein Feind.
Die sich am nächsten um dich stellen/
sind deines Nahmens Ruhm zu fällen
verräht- und mörderlich gemeint.
4.
Man kan sich nicht genugsam hüten/
straks ist des Neiders Gifft und wüten
auff Lieb' und Freundschafft für der Tühr.
Man muß iezt gar gelinde gehen/
es weiß ein Luchs-aug' auch zu sehen
stellt man ihm gleich nicht Brillen für.
5.
Ich werd' es nicht für übel deuten/
ob du mich gleich ie für den Leuten
verhaßt/ und heist mich von dir gehn.
Ein Spöttchen kan ich leicht verschmerzen/
lästu mich nur in deinem Herzen
für deinen Freund und Schaz bestehn.
6.
Drum sey genug dir Hände drükken/
der Füsse Tritt/ der Augen nikken/
wenn/ Büschgen/ wir bey Leuten sind.
Wer weiß ob nicht auß diesen Werken
die schlauen Neider ab- was -merken
daß wir uns lieben/ gutes Kind.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Stieler, Kaspar. 6. Klugheit verbirgt die Liebe. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-170F-7