[261] [263]Der Siebente November 1812

1812.


An meinen Bruder.

Ode.

Spartacum si qua potuit vagantem.
Fallere testa.
Horat. L. III. Od. 14.

Hervor aus innerm Schatze, Bewährtester,
Du ächter Achtundvierziger! unentweiht
Wie Tiburs Nektar, unumleuchtet
Du, von des Spartacus Mordbrandsfackel.
Längst glomm ihr Zunder, mählig emporgefacht
Flammt Gluthenlohe, tanzet auf Trümmerschutt,
Im Saturnalgelage, trotzend
Heiligen Maalen, die freche Rotte!
Hervor! was säumst du? Auf! du Gebanneter,
Nun fünfundsechszig Herbste, du Lebenshauch,
In schwachen Scherben, doch selbst dieser
Saugt aus dem Gaste sich Kraft und Wärme.
[263]
Wißt, heut' ist Feier! Kränzet das Heiligthum
Der frommen Freude, zündet ihr Flämmchen, schließt
Der Halle Thore, nur das Pförtchen
Oeffne sich leise den Auserkohrnen.
Heil, Bruder, Heil Dir! Fülle des Segens – o,
Du ruhst an seiner Quelle! – beströme Dich!
Empor aus hochgehob'nem Kelchglas'
Athmet das Opfer der Herzenswünsche.
Klinget an, ihr Söhn' und Töchter und Eidame,
Mit Jedem leer' ich's! Enkel und Enkelinn,
Und's Hännschen dort im Keller! – Ha! zur
Schaar ist erwachsen der Hochgefeirte!
Auch meine Baucis bringet ihr Schärflein dar,
Im Fingerhütchen, klinget ertönend an,
Ein Tröpfchen, traun Gutedel, köstlich
Mehr als Kleopatra's stolzer Perltrunk.
Hör', Jahrgenosse! brüstest dich, feuriger
Und reger stets erglühe dein Traubenblut,
Erst Enkels-Enkel schlürf' aus deiner
Flasche den duftenden Götterbalsam.
[264]
So ich! es wallt mir immer und immerdar
Für meinen Pollur höher noch, flammender
Die Kastorbrust! Der Jahre Neige
Ebbet, doch freier und freier schwingt sich
Der Liebe Fittig, höhnet die schmählige,
Des Raumes Fessel! – Doch, o was netzet mir
Die Wange, hemmt des Sanges Flug? ist's,
Was mir die Saiten umschleicht, ist's Wehmuth?
In deinen Schleier hüll' ich, Sophia, mich,
Verzeih den Zähren, die ich an deinem Fest
Verbannte – Ach, sie schaut das Sonnen-
Auge, sie rinnen der Sterne Reigen!
Erstumme heut', o Klage! Des Wiedersehns,
Des oft erneuten Bilder, umschwebet mich,
Wenn nun der Wonne Stunde hertanzt,
Wir in die offenen Arm' uns stürzen.
Die Leyer schwieg. Da säuselt' es, gaukelt' es
Auf zarten Zehen, nahte mir, flüsterte:
»Grüß' Seine« – neigt' ein Köpfchen – »hohe
Muse, von deinem Camönen-Mädchen.«

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TextGrid Repository (2012). Stolberg, Christian Graf zu. Gedichte. Gedichte. Der Siebente November 1812. Der Siebente November 1812. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-199F-6