[44] Wie der Junkherr Ebbelin die Nürnberger foppen tät

Ich weiß eine Märe, gut und kühn,
Von keckem Ritterwerk:
Es fingen den Junkherrn Ebbelin
Die Herren von Nürenberg.
Sie fingen ihn mit Hinterlist,
Sie schnürten ihm Hand und Fuß:
»Nun haben wir dich, du schlimmer Christ,
Der Galgen dir werden muß.«
Und jeder Ritter von Wag' und Ell',
Der machte ein stolz Geschrei,
Und jeder Schuster- und Schneidergesell,
Der hatte sein Wort dabei.
Fünf Schneider schleppten des Ritters Speer,
Wie Goliaths Weberbaum,
Sie keuchten gewaltig und schwitzten sehr
Und brachten ihn vorwärts kaum.
Die Sporen ein tapferer Fleischer hob,
Zwei Schreiner den Helm zugleich,
Und wenn der Helmbusch im Winde stob,
Da wurden sie blaß und bleich.
Und zwischen Mauer, Graben und Tor,
Da wollten sie hängen ihn;
Da sprach zu dem mannlichen Bürgerchor
Der Junkherr Ebbelin:
»Ihr Herrn, nehmt mir das Wort nicht krumm!
Es sei meine letzte Bitt':
Laßt reiten mich im Zwinger herum
Meinen allerletzten Ritt.
Rundum ist Schanze, Tor und Schloß,
Ich kann euch nicht entgehn,
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Laßt mich mein Roß, mein tapfres Roß,
Zum letzten Male sehn.«
Es brachten das Roß Gesellen vier,
Den Junkherrn banden sie los;
Wie schwang sich auf das schlanke Tier
Der Degen, kühn und groß!
Und wie er es trieb mit Hieb und Ruf,
Mit Zunge, Schenkel und Hand,
Da flogen ringsum von des Renners Huf
Da Männlein in den Sand.
Wild stampfte der Hengst und tanzte keck,
Zum Graben sprengt' er herum;
Die Herren befiel ein grimmer Schreck,
Sie standen betäubt und dumm.
Und über Graben, Schanz' und Wall
Hinsprang er wild und toll,
Indes herüber mit Donnerschall
Des Ritters Gelächter scholl:
»Eh' zwängt der Maulwurf in sein Loch
Den Adler, stolz beschwingt,
Eh' Krämerwitz und Krämerjoch
Den Ritternacken zwingt.«
So rief der freudige Rittersmann
Und wandte den wilden Gaul,
Die Herren sahen einander an
Und machten ein großes Maul.
Wohl oftmals schon mir's widerfuhr,
Wenn ich zu sehr getollt,
Daß Philistertum und Philisternatur
Mich fangen und hängen gewollt.
Da sprang ich auf mein schnelles Roß,
Aufs Roß der Phantasie,
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Sein Huf zerschmetterte Tor und Schloß,
Die Guten fingen mich nie.
Hei, Lumpengesindel, gib mir Platz,
Hinüber, mein Roß, hinaus!
Hei, Schenkeldruck und Sprung und Satz,
Ade, Philisterhaus!
Eh' zwängt der Maulwurf in sein Loch
Den Adler, stolz beschwingt,
Eh' Philisterwitz und Philisterjoch
Den Dichternacken zwingt.

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TextGrid Repository (2012). Strachwitz, Moritz von. Gedichte. Lieder eines Erwachenden. Romanzen und Märchen. Wie der Junkherr Ebbelin die Nürnberger foppen tät. Wie der Junkherr Ebbelin die Nürnberger foppen tät. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-1F36-9