559. Holle.

a.

Wo jetzt das Wüstenland liegt, war früher offenes Wasser, und die Schiffer fuhren lustig darüber weg. Dort, wo auf einem ziemlich hohen Hügel die Holler Kirche liegt, pflegten die Schiffer mit dem Rufe: Holla! Halt zu machen und den Ballast auszuschütten, wodurch allmählich jener Hügel entstanden ist. Kleinere Sandhügel finden sich mehrere in der sonst gleichmäßigen Ebene des Kirchspiels. – Andere sagen, nahe bei der Kirche habe ein Wachthaus gestanden, wo ehemals die Hunte vorbeifloß. Weil die Schiffer dort Holla! angerufen wurden, nannte man den Ort Holle.

b.

Die Holler Kirche liegt auf einem Sandhügel mitten im Moor und ist von Ziegelsteinen gebaut. Die Ziegelsteine hat man weither von der Geest geholt, und um sie nach dem Sandhügel hinzuschaffen, legte man einen Knüppeldamm durch das Moor, der noch jetzt vorhanden, aber von Moor und Klei bedeckt ist. – Die bekannten Seeräuber Stortebeck und Gödeke Michael haben sich, wenn sie Ruhe haben wollten, manchmal nach Holle zurückgezogen, und die eisernen Ringe, welche sich ehemals an der Kirchhofsmauer fanden, dienten ihnen dazu, ihre Schiffe anzubinden. Vgl. 581h. – Spukerei in Holle: 180d, f, das schreiend Ding: 183s.

c.

Zwischen den Dörfern Holle und Oberhausen liegen mehrere Bauen, die einen besonderen Namen führen, nämlich Armenbüren. Ursprünglich hieß der Name »arme Buren«, weil die Bauen nur dreiviertel so lang sind wie die Holler und Oberhauser Bauen. Vor den Bauen der »armen Bauern« [375] schneidet nämlich die Hunte mit der Gellner Hörne tief in das Kirchspiel Holle ein.

d.

Am Brokdeich ist der Stammsitz der berühmten Münnichschen Familie gewesen, und zwar soll das Haus da gestanden haben, wo jetzt die Alte Brake nahe dem Köhlerschen Wirtshause ist. In dieser Brake sollen zwei eiserne (oder silberne?) Tore liegen. Vgl. hierzu die kupfernen Siele: 34c, 584 f. – Auf Hattermanns Brake tanzen Hexen: 219i. – In Punken Brake sind Geister: 259g, h.

e.

In dem Wirtshause zu Iprump war ehemals eine Bettstelle, die man mit einer Winde in einen darunter befindlichen Keller hinablassen konnte. Wenn nun ein Gast im Hause übernachtete, wies man ihm dies Bett an und versenkte ihn, wenn er schlief, mit demselben in den Keller, wo man ihn gefangen hielt und sodann in die Sklaverei verkaufte. Der Keller ist noch da.

f.

Die Holler Wüsting ist viel später angebaut als das übrige Kirchspiel Holle und zwar von der Geest, hauptsächlich vom Kirchspiel Visbek aus, während Holle und Oberhausen von Holländern angelegt sind. Man meint, daß die Visbeker Einwanderer wegen ihrer Religion aus ihrer Heimat vertrieben seien.

g.

An dem Schottwege, der die Linteler und die Wüstinger Gemeinheiten von einander scheidet, stand noch vor etwa 70 bis 80 Jahren der Arme-Sünder-Pfahl. Auf diesem Wege soll einmal die reitende Post von einem Sattlergesellen überfallen und der Postillon getötet sein, doch soll der Sattler das erwartete Geld bei ihm nicht gefunden haben. Des Postillons Bittruf: »Och Sadler, Sadler!« ist an jenem Tage weit vernommen. Sein lediges Pferd ist eine zeitlang hin und her gelaufen und letztlich im Linteler Kruge angekommen. Der Sattler ist nachher an derselben Stelle, wo er den Mord begangen, an dem genannten Arme-Sünder-Pfahl gemartert, indem er alle Stunde einen Schlag mit einem eisernen Stabe erhielt, und dann gehangen. Andere sagen, der Sattler sei dort gerädert, und der Pfahl entweder ein Überbleibsel des Gerüstes oder nur zum Andenken hingesetzt. – Wie die Grenze zwischen Wüsting und Lintel bestimmt ist: 518d.

h.

Das Kloster Blankenburg an der Hunte, das jetzt als Bewahranstalt für arme Geisteskranke benutzt wird, hat ehemals Nonnen zum Wohnort gedient. Von seiner Gründung [376] erzählt man sich folgendes. Vor langen Jahren hatte sich ein Edelmann aus dem Hannöverschen zum Hasbruch angekauft. Er besaß bedeutende Landgüter und mußte daher oft, namentlich in der Ernte, die Hilfe der umwohnenden, ihm bemeierten Bauern in Anspruch nehmen. Sie leisteten dieselbe gern, dafür waren sie aber auch gewohnt, von den Junkern in der Roggenernte einen Hasenbraten vorgesetzt zu bekommen. Diesem neuen Herrn kam es jedoch sehr unpassend vor, daß er seine Arbeiter mit Hasenbraten traktieren solle, und er bewirtete sie daher einmal statt mit einem Hasen mit einer gebratenen Katze, und in seinem Übermute schickte er ihnen nach beendigtem Mahle Kopf und Pfoten der Katze hinein, damit sie auch sehen könnten, was sie gegessen hätten. Darüber wurden die Bauern ergrimmt, rotteten sich zusammen, zündeten sein Haus an und würden ihn ermordet haben, wenn er sich nicht schnell auf flüchtigen Fuß gesetzt hätte. Und da er nicht zurückzukehren wagte, bat er den Erzbischof von Bremen um seine Vermittelung. Der Erzbischof brachte eine Ausgleichung auch wirklich zustande, aber der Edelmann mußte zur Buße das Kloster Blankenburg bauen und ausstatten.


Vgl. 520d.


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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 559. Holle. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-29AA-9