Nachträge.

a.

Eine junge resolute Wirtsfrau erzählt: Meine Schwägerin war bei uns zu Besuch und schlief oben im Hause. Eines Abends ruft sie beim Zubettegehen von oben herunter, wer gestorben sei, vor dem Hause halte ein Wagen mit einem Sarge und ein zweiter Wagen halte dahinter. Ich dachte sofort an Vorgeschichten und wagte nicht aufzustehen und zuzusehen, in der Meinung, es könne sich um einen Hausangehörigen handeln. Gleich darauf kam die Nachricht von oben, die Wagen wären nicht mehr da. Ich konnte von da ab die Sache nicht aus dem Kopf kriegen, da von einem Todesfall im Dorfe oder nächster Nähe nichts bekannt geworden und dachte immer an einen Sterbefall im eigenen Hause. Meine Schwägerin reiste wieder ab und ich blieb mit schweren Gedanken zurück. Einige Zeit nachher ertrank in Wildeshausen ein junger Mensch aus Langförden, Schüler der Taubstummenanstalt. Die Verwandten holten die Leiche ab, um sie auf dem Heimatskirchhof beerdigen zu lassen. Die Fahrt ging[182] durch unser Dorf, und vor unserm Hause wurde für einige Augenblicke Halt gemacht. Es waren zwei Wagen, der eine mit der Leiche, der zweite für die Begleitung. Es war mir früher aufgefallen, daß meine Schwägerin gesagt hatte, die Pferde vor dem Wagen hätten nach Langförden hinaus gesehen, bei einer Leiche aus unserem Dorfe oder Hause hätten die Pferde umgekehrt stehen müssen, weil wir nach Visbek gehören. Nun es sich um eine Langfördener Leiche handelte, war mir die Sache klar. Die Pferde vor dem wirklichen Leichenwagen sahen nach Langförden hin. (Visbek.)

b.

Ein Kolon sieht eines Morgens vor der Tür seines Hauses aus nach Nordwesten hin ein Haus in vollen Flammen stehen. Er glaubt, es sei das Heuerhaus des Kolonen Bl. und macht diesem später Mitteilung von seinem Gesichte, infolgedessen Bl. sein Heuerhaus höher versicherte. Ein Jahr darauf brannte in der Morgenfrühe das nebenanliegende Wohnhaus des Kolon G. ab. (Neuenkirchen).

c.

Zeller T. aus Brokdorf kommt von Dinklage und nimmt den Weg über die Burg. Beim Mühlenkolk sieht er einen Mann am Boden liegen und eine Leiter daneben. Er erschrickt beim Anblick des Daliegenden und hemmt unwillkürlich seine Schritte. Als er sich vom ersten Schrecken erholt hat, sind Mann und Leiter verschwunden. Zwei Jahre darauf kommt er desselben Weges und genau an der Stelle, wo er vor zwei Jahren die Menschengestalt liegen gesehen, sieht er wieder einen Mann daliegen und eine Hillenleiter daneben. Verschiedene Menschen bemühen sich um den am Boden Liegenden. Was war geschehen? Ein Knecht war dort ins Wasser geraten und ertrunken. Fast im selben Augenblicke, als unser Wanderer den Unglücksort betrat, hatte man den Ertrunkenen aus dem Wasser gezogen. Was die Leiter dabei sollte, hat T. nicht erfahren oder keine Erkundigung darüber eingezogen. Vielleicht sollte sie als Bahre dienen, vielleicht auch hatte man sie benutzt, um die Leiche aufs Trockene zu bringen. T. kommt später nach Lohne und frägt einen guten Bekannten: »Glauben Sie an Vorgeschichten?« Der Angeredete gibt die Möglichkeit zu und T. bemerkt: »Hätten Sie die Möglichkeit bestritten, würde ich Ihnen nie wieder geglaubt haben.« Darauf erzählt er seine Erlebnisse (Lohne.)

d.

Ich besuchte das Gymnasium in Osnabrück und verbrachte wie gewöhnlich die Ferien zu Hause. Eines Tages [183] sagte meine Schwester: »Du wirst zu ungewöhnlicher Zeit, wenn keine Ferien sind, zu Hause kommen, zur Nachtzeit an mein Kammerfenster treten und mich wecken.« Ich lag wieder meinen Studien ob, da brachen in dem Hause, wo ich wohnte, die Blattern aus, und wir Schüler wurden vor der Zeit in die Heimat entlassen. Das Taschengeld war stark auf die Neige gegangen und ich ging zu Fuß nach Quakenbrück, um von dort mit der Post in die Heimat zu fahren, verfehlte jedoch den Anschluß, mußte die Fußreise fortsetzen und kam nach Mitternacht zu Hause. Mir war schon unterwegs die Prophezeiung meiner Schwester eingefallen und ich beschloß, nicht sie, sondern einen Bekannten, der im Elternhause schlief, zu wecken. Zufällig hatte dieser kurz vorher seinen Schlafraum mit dem meiner Schwester gewechselt, und so weckte ich die, die ich nicht wecken wollte (Löningen.)

e.

Mein Vater war Brenner und ließ eines Tages den Knecht mit einer Fuhre Branntwein nach Oldenburg fahren. Als dieser an einen Teich mit modrigem Wasser, nicht weit von meinem elterlichen Hause, vorbeifährt, bleibt er plötzlich erschreckt stehen, denn er sieht in dem Wasser einen Mann ohne Kopf liegen. Voll Schrecken treibt er die Pferde an, hält beim nächsten Wirtshaus und meldet dort die Entdeckung, die er gemacht hat. Leute, welche gleich darauf hinlaufen, finden nichts. Einige Monate nachher findet man unsern Pastor tot in dem betreffenden Teiche. Ein alter Mann, unsicher auf den Beinen, war er zur Abendzeit vom Wege ab in das Wasser geraten und in dem Schlamm erstickt. Der Kopf steckte vollständig in dem Morast, der übrige Teil des Körpers lag offen am Rande des Teiches (Lutten).

f.

Der Vikar in Holdorf hatte eine Kranke besucht, mit der es zu Ende ging. Draußen redet ihn ein Nachbar der Kranken mit den Worten an: »Wert ut de Sitendöre rutdragen«. Der Mann war ein lediger, älterer, wortkarger, in sich gekehrter Mensch, der sich gern allein hielt, etwas stotterte und als Schichtkieker bekannt war. So hatte er einst den nahen Tod eines Verwandten angekündigt als keiner aus der Verwandtschaft krank war, bis kurz darauf ein naher Angehöriger eines Morgens tot im Bette gefunden wurde. Der Vikar denkt: Ut de Sitendör dragen, das ist ja gegen allen Gebrauch, der Tote wird doch aus der Haupt-oder Einfahrtstüre getragen, und geht seines Weges. Die Kranke stirbt bald darauf [184] und der Tag der Beerdigung wird festgesetzt. Es war im Herbst, als der Roggenacker bestellt wurde. Vor dem Hause der Toten, unmittelbar vor der Einfahrtstüre, befand sich eine tiefe Düngerstätte. Man hatte kurz vorher den Dünger in zwei große Haufen innerhalb der Düngerstätte aufgeschichtet, damit das Wasser ablaufen könne, und so standen diese beiden Haufen in einem großen Loche. Am Tage vor der Beerdigung geht plötzlich ein heftiger Platzregen nieder, das Loch läuft voll Wasser, die Düngerhaufen bilden Inseln darin. Der Vikar, eingedenk der Worte des Nachbars, gibt sich alle Mühe, die Prophezeiung zu vereiteln. Er rät, Balken und Bretter über das Wasser zu legen, damit die Leiche aus der Haupttüre getragen werden kann. Die Nachbarn überlegen und sagen: Es geht nicht. Er meint, man solle die Düngerhaufen umstürzen und das Loch damit ausfüllen, um so eine Zufahrt zum Hause herzustellen. Man erwiedert, das dürfe man den Leuten nicht zumuten. Schließlich blieb nichts anderes übrig, als die Leiche aus der Seitentüre herauszutragen. (Von dem betreffenden Vikar selbst erzählt. Vgl. 166c.)

g.

Ein Mädchen aus Sütholte bei Bakum reinigt eines Morgens um 8 Uhr sein Schlafzimmer. Plötzlich hört es einen Wagen, es schaut aus dem Fenster und sieht vor demselben ein Gefährt mit einem Sarge stehen. Vier Personen stehen dabei, öffnen den Sarg und betrachten die darin liegende Leiche. Tags darauf wird des Mädchens kleine dreijährige Nichte krank, und der herbeigerufene Arzt stellt starke Diphteritis fest. Das Kind kommt zum Krankenhause und stirbt. Die Leiche wird am Begräbnistage morgens zum Elternhause gebracht. Gerade an der Stelle, wo das Mädchen den Sarg hat stehen sehen, hält der Wagen. Der Sarg wird vom Wagen gehoben und 4 Männer öffnen den Deckel, damit Verwandte und Bekannte die Leiche sehen und sich überzeugen können, ob die Verwesung schon eingetreten ist.

h.

Mein Vater gab mir auf seinem Sterbebette Ratschläge fürs Leben. Unter anderem sagte er: »Anton, unser Haus wird abbrennen. Ich erlebe es nicht mehr, aber du wirst es noch erleben. Damit du nun bei der Gelegenheit nicht bestohlen wirst, mußt du die Bettstücke nicht einzeln aus dem Fenster werfen, sondern alle zusammen in ein Bettuch packen und dieses dann hinauswerfen usw.« Der Brand trat später [185] ein. Den Rat meines Vaters habe ich nicht befolgt, ich hatte den Kopf verloren (Vechta).

i.

Die Köchin des 1856 gestorbenen Pastors Thole in Barssel fängt plötzlich in der Küche an zu rufen: »Herr Pastor, Her Pastor, kommen Sie doch mal rasch hierher!« Der Pastor eilt herbei und fragt: »Was ist denn los?« »Sehen Sie nicht, wie die Leute alle Ihre Betten, Stühle, Tische aus dem Hause in den Garten tragen?« »Ich sehe nichts,« entgegnete der Pastor, »du bist wohl von Sinnen?« und er begibt sich wieder in sein Zimmer. Einige Wochen darauf entsteht im Nachbarhause Brand, und da auch das Pfarrhaus in Gefahr kommt, eilen mehrere Männer herbei und tragen aus diesem Betten, Stühle, Tische usw. in den angrenzenden Garten.

k.

Der Nachfolger Tholes, Pastor Oldenburg, erzählte folgendes: Eine Frau redet ihn auf der Straße an: »Herr Pastor, wen haben Sie gestern Abend noch so spät versehen?« »Ich zum Kranken?« frägt der Pastor, »ich bin den ganzen Abend zu Hause gewesen.« »Das ist doch merkwürdig,« entgegnet die Frau, »ich habe klar und deutlich gesehen, wie Sie in dem tiefen Schnee fest fuhren, austiegen und darauf mit dem Sakrament zu Fuß um die Ecke unseres Hauses gingen. Wenn Sie wirklich nicht da gewesen sind, dann war es eine Vorgeschichte.« »Wollen sehen,« spricht der Pastor und geht weiter. Einen Monat nachher, als wieder hoher Schnee liegt, wird er spät am Abend zu einem Kranken gerufen. Er beeilt sich, steigt in den bereitstehenden Wagen und fort gehts. Die Wege sind schlecht, die Pferde haben ihre liebe Last, den Wagen fortzubringen. Plötzlich bleibt der Wagen stehen, die Tiere können nicht weiter. Der Pastor steigt aus und geht zu Fuß um die Ecke eines nahegelegenen Hauses. Als er das Haus im Rücken hat fällt ihn plötzlich ein, was ihm vor Wochen die Frau erzählt hat. Richtig es ist das Haus jener Frau, dessen Ecke er gestreift hat.

l.

Ein Mann tritt eines Tages an mich heran und sagt: »Der N. kommt nächstens gewiß noch wunderlich zu Tode.« »Wie kannst du das doch sagen?« »Ja, wie er zu Tode kommt, weiß ich nicht, aber er wird als Toter mit einem weißen und fuchsigen Pferde nach Hause gebracht, solche Pferde gibt es in ganz H. (so heißt der Ort, wo die Geschichte spielt) nicht. Mir gegenüber wurde später ein Haus abgebrochen. Die Sparren und Balken waren schon meist herunter. Einer [186] der letzten Balken kommt den Arbeitern aus der Gewalt und erschlägt den N. Zufällig war ein Eierhändler von auswärts, mit einem Fuchs und einem Schimmel vor dem Wagen, beim Wirtshaus. Dieser fährt den erschlagenen N. heim zu seinem Hause. (Emsteck.)

m.

Ein Einwohner aus Bunnen sagte zu S., einem Einwohner aus Essen: »Du kannst Deinem Schwager R. in Bunnen wohl mal sagen, er möge doch höher versichern, er wird abbrennen, erst wird aber noch ein anderes Haus abbrennen. Ich habe das Feuer gesehen und den alten R. auf seinem Hofe stehen, vorn und hinten mit vollen Säcken beladen, wie er die Hände zusammenschlug und rief: ›Nu liggt' doch alle in Aske.‹ Nun soll es mich doch mal wundern, sagte S. zu seinem Nachbar D. in Essen, ob das wohl auskommt.« – Eines Vormittags brennts in Bunnen. D. sagt zu S.: »Nachbar, jetzt gehts in Bunnen los.« Darauf S.: »Jawohl, das ist aber R. noch nicht, erst muß ja noch ein anderer abbrennen.« S. geht aber dennoch nach Bunnen und sieht, wie das Haus von W. abbrennt. Abends aber griff das Feuer auf das Haus seines Schwagers R. über. Beim Bergen des Inventars stopfte R. Flachs und Heede in Säcke, lud sie sich auf, und so traf ihn B.R. hatte sein Eingut nachträglich noch höher versichert. D. in Essen, der mir diese Erinnerung aus seinem Leben erzählte, lebt noch.

n.

»Eine alte Frau aus Lüsche kommt in der Osternacht von Essen, wo sie auf dem dortigen Kirchhofe für die Verstorbenen gebetet hatte, eine Sitte, die noch jetzt in dortiger Gemeinde und anderswo im Münsterlande besteht. Wie sie an der Stelle ankommt, wo jetzt die Kapelle in Bevern steht, vernimmt sie ein Klingeln, als wenn dort zur Wandlung geschellt werde. Sie fühlt sich angetrieben, niederzuknieen. Dieser Vorfall wurde damals sofort von der Frau erzählt, als der Kapellenbau noch gar nicht in den Bereich der Möglichkeit gezogen wurde. Erst recht glaubte damals kein Mensch, daß an dieser Stelle wohl noch eine Kapelle zu stehen käme. Und doch ist es so gekommen, wie die alte Frau gesagt hat, trotz der vielen Schwierigkeiten, die dem Kapellenbau an der Stelle gemacht worden sind.« (Aus der Münsterl. Tageszeitung im Herbst 1907).

o.

Eine ältere gebildete Dame erzählte mir: Ich war etwa 6jährig und saß mit meinen Eltern und Geschwistern[187] abends am Herdfeuer, wie es damals noch Sitte war. Plötzlich wurden wir alle aufgeschreckt. Ein Fenster wurde – so meinten wir – zertrümmert. Doch fanden wir es beim Nachsehen unverletzt, auch sonst war nichts zu entdecken. Nach mehreren Jahren entstand bei uns ein Waldbrand. Unser Haus kam in Gefahr und unsere Möbeln wurden ausgepackt. Dabei wurde das betreffende Fenster gewaltsam ausgestoßen, es konnte nicht geöffnet werden. Ich hörte dasselbe Geräusch wie ehedem. Unser Haus brannte ab. Auch von anderen Leuten waren wir vorher benachrichtigt worden, unser Haus würde brennen. Anfangs achteten wir nicht darauf, schließlich nahmen wir die Sache ernst und versicherten unser Mobiliar. (Lastrup.)

p.

In meiner Kinderzeit entstand in meinem Heimatdorf eine Art Panik. Ein Einwohner hatte ein Haus brennen sehen, eine ganze Häuserreihe würde vernichtet werden. Die Dorfbewohner richteten eine förmliche Wechselnachtwache ein, ich selber habe sie ein paarmal mitgemacht, indem ich einem Erwachsenen beigegeben wurde. Fragliches Haus ist bis jetzt nicht abgebrannt, vielmehr vor mehreren Jahren abgebrochen, desgleichen auch einige der nach der »Vorgeschichte« gefährdeten Häuser, doch nicht unter dem Drucke der Vorgeschichtenfurcht. (Lastrup.)

q.

Eine Dame kommt an einem finstern, stürmischen Abend aus dem Nachbarhause. Auf der Straße schaut sie nach oben, um sich zu orientieren. Da sieht sie plötzlich ein goldumrändertes Kreuz recht klar und scharf über sich hängen. Nach mehreren Jahren werden aus Anlaß einer kirchlichen Feier im Dorfe die Straßen und Häuser verziert. Auf Vorschlag eines Bekannten wird an jener Stelle ein Kreuz zur Dekoration angebracht. Die betreffende Dame verziert es selber mit Goldrand, ohne an die Vorgeschichte zu denken. Als alles fertig ist, besieht sie ihr Werk. Da plötzlich fällt ihr die frühere Geschichte ein, genau so hatte sie damals das Kreuz gesehen. (Von der betreffenden Dame dem Berichterstatter mitgeteilt.)

r.

»Ich schlief mit meinem Bruder in einer Kammer an der Werkstatt. Da hörte ich in der Nacht bei meiner Hobelbank ein Klopfen, als wenn an einem Sarge gearbeitet werde. Ich stand auf und sah nach. In der folgenden Nacht wiederholte sich das Klopfen. Diesmal hörte es auch mein Bruder. Er sagte ganz erschrocken zu mir: Hör mal, es wird in der Werkstatt an einem Sarge gearbeitet. Mir wurde ganz bange. [188] Bald darauf mußte ich einen Sarg machen. Nicht ganz lange danach hörten wir dasselbe Klopfen, diesmal aber an der Bank meines Bruders. Mein Bruder bebte im Bett. Ich mußte sonst immer die Särge machen. Diesmal wurde aber ein Sarg von meinem Bruder gemacht, weil ich an dem Tage eine Dreschmaschine aufstellen mußte.« (Märschendorf.)


Vgl. 157.

s.

Derselbe Berichterstatter erzählt: »Es war kurze Zeit vorher, als unser Röschen geboren wurde. Ich hatte mit meinem Bruder bis Mitternacht gearbeitet. Wir gingen beide nach Hause, um zu essen. Als wir die Tür anfaßten, war sie verschlossen. In der Küche und vor der Küchentüre brannten die Lampen. Es war aber kein Mensch zu sehen. Wir gingen deshalb nach der andern Seite des Hauses. In der Kammer meiner Frau war auch Licht. Eine Laterne brannte vor dem Waschkammerfenster. Diese Tür war unverschlossen. So wie wir die Tür aufmachten und in die Waschkammer traten, war alles dunkel. Ich machte Licht, und wir beide meinten, es könnte ein Dieb im Hause sein. Wir suchten die Küche und Diele ab, fanden aber nichts. Im Bette sagte mein Bruder zu mir: ›Du, wenn das man nicht wieder Vorgeschichten sind!‹ Am andern Morgen erzählte ich den Vorfall bei Tisch. Meine Frau wurde blaß im Gesicht, sodaß mein Bruder nachher sagte: ›Hättest du das nur nicht erzählt.‹ Als dann die Frau niederkam, mußte auch der Pastor geholt werden, und bei dieser Gelegenheit fand ich das Haus so erleuchtet, wie in der besprochenen Nacht.« (Lohne.)

t.

»Nach dem H. gehe ich nicht wieder hin. Gestern nacht gings da mal toll zu kehr. Das war ein Rufen und Schreien, daß man bange werden konnte. Sie warfen sich mit Dachziegeln und schossen mit Revolvern.« Kurze Zeit, nachdem ein Besucher des H.'schen Hauses diese Erklärung abgegeben hatte, brannte das Haus des H. nieder. Man hörte das beschriebene Schreien und Rufen und das Fallen der Dachziegel. Das Schießen rührte her von explodierenden Jagdpatronen. (Lohne.)

u.

Ich schlief mit meinem Vater in einer Kammer unseres Hauses. Eines Nachts im Sommer 1883 erwachte ich von einem eigentümlichen Geräusch. Es klang wie das Röcheln eines schwer Leidenden oder Zähneknirschen eines Zornigen, setzte ab und zu auf Augenblicke aus, um dann um so stärker wieder zu beginnen. Auch mein Vater wurde schließlich wach [189] und fragte, was da los wäre. Wir lauschten eine Weile und standen dann auf, um die Sache zu untersuchen. Wir gingen durch alle Zimmer, wanderten in Begleitung unseres Hundes um die Wohnung, entdeckten aber nichts. Zuletzt stiegen wir auf den Boden des Hauses und ließen diesen durch den Hund absuchen. Nirgends eine Spur eines Wesens, von dem das Geräusch herrühren konnte. Wir legten uns wieder zu Bett, hörten noch eine Weile das Röcheln und schliefen dann ein. Einige Monate später kam ein 13jähriges Mädchen zu uns ins Haus, das die Schule am Orte besuchen sollte. Ihre Schlafkammer lag neben dem Zimmer, in dem der Vater und ich schliefen. Da in der ersten Nacht, als das Kind in unserm Hause schlief, wurden wir wieder von den eigenartigen Tönen aufgeweckt, die uns schon einmal die Nacht verdorben hatten. Hörst Du was? fragte ich meinen Vater. Jawohl höre ich was, erwiderte er. Alsbald sprangen wir aus dem Bett, kleideten uns an und begaben uns auf die Suche. Als wir an die Kammer des Mädchens kamen, hatten wir den Sitz des Spukes entdeckt. Von dort kamen die Geräusche. Wir öffneten die Tür und hörten die Schlafende ganz mächtig schnarchen, es klang wie das Röcheln, das uns heute und früher erschreckt hatte. Beruhigt entfernten wir uns, wir wollten die Nachtruhe der Schläferin nicht stören, sorgten aber dafür, daß uns das Mädchen in der Folge nicht mehr den Nachtschlummer verdarb. (Vechta.)

v.

Hinter dem Feuerherde in meinem elterlichen Hause lagen nebeneinander 2 Zimmer, ein größeres, das als Wohnstube oder als sogenannte gute Stube diente, und ein kleineres, das meine Schlafstube war. Eines Nachts konnte ich nicht zum Einschlafen kommen. Während ich so dalag und auf das geringste Geräusch im Hause achtete, vernahm ich plötzlich in dem nebenanliegenden Zimmer Schritte, ich hörte deutlich, wie jemand die Tür desselben öffnete, heraustrat, auf mein Zimmer zuging, hier eintrat und sich an der neben meinem Bette befindlichen Truhe zu schaffen machte. Ich hörte wie er sie öffnete, mit Geräusch wieder zuschnappen ließ und sich darauf entfernte. Ich wagte vor Angst nicht zu atmen, hörte noch eine Weile zu, ohne etwas zu vernehmen, kroch schließlich tief unter's Bett und schlief ein. Gesehen hatte ich in der Finsternis nichts, ich hatte nur das Gehen, Öffnen und Wiederzuschlagen des Koffers vernommen. Im Hause wußte man am andern [190] Morgen von nichts. Nach Jahresfrist starb in der Nacht meine Mutter, man brachte die Leiche in das Wohnzimmer, und die Nachbarfrauen erschienen, um sie auszukleiden. Nachdem die Vorbereitungen getroffen waren, gab man mir den Rat, zu Bette zu gehen, helfen könnte ich nicht und nach den Aufregungen des letzten Tages täte mir die Ruhe gut. Ich fügte mich, suchte mein Lager auf, aber an Schlaf war nicht zu denken. Im Hause große Stille, von den Arbeiten im Nachbarzimmer drangen nur ab und zu unbestimmte Geräusche zu mir herüber. Da auf einmal geht dort die Tür auf, ich höre Tritte, sie nähern sich meinem Zimmer, jemand kommt herein, geht an die Truhe heran, öffnet sie, läßt sie wieder ins Schloß fallen und verläßt meine Kammer. Genau dasselbe hatte sich wiederholt, was mir vor Jahresfrist bange Stunden verursacht hatte. Damals führte alles Fragen zu nichts, diesmal aber erfuhr ich den Grund des nächtlichen Besuches. Man hatte aus der Truhe ein Hemd geholt, das als Totenhemd verwendet werden sollte. (Emstek.)

w.

Ein unlängst verstorbener Geistlicher aus dem Münsterlande erzählte folgende Begebenheit aus seinem Leben. Er sei nach Ende seiner Studien nach Ascheberg in Westfalen als Hülfsgeistlicher beordert. Am Tage nach seiner Ankunft dort macht er einen Gang nach draußen, kommt an ein Bauernhaus und kehrt hier ein, um stehenden Fußes den Leuten ein guten Tag zu bieten und dann weiter zu wandern. Mann und Frau empfangen ihn freundlich aber in sichtlicher Verlegenheit; beide sehen sich an und sprechen wie aus einem Munde: Das ist er. Auf die Frage des Besuchers, ob er ihnen nicht gelegen käme, erzählte der Bauer, auf ihren Hof münde ein Weg, den man vom Feuerherd aus weithin überschauen könne. Auf diesem Wege hätten sie einen Geistlichen in Weiß in Begleitung des Küsters mit Laterne und Schelle herankommen sehen, um einem Sterbenden die Sakramente zu bringen. Sie wären aus dem Hause gelaufen, um die Hake zu öffnen, als sie aber dort angekommen, wären der Geistliche und Begleiter verschwunden gewesen. Sie hätten deshalb geglaubt, die Phantasie habe ihnen einen Streich gespielt, umsomehr, als der Geistliche keiner von den ihnen bekannten Ortsgeistlichen gewesen, sondern ein Fremder. Fremde aber kämen doch nicht in fremde Pfarren. Jetzt aber stehe der fremde Mann vor ihnen, den sie damals gesehen. Der Besucher lachte, teilte den verblüfften Leuten mit, [191] daß er erst einen oder andern Tag in A. verweile und verließ darauf das Haus. Nicht lange darauf erkrankte einer der auf dem Hofe wohnenden Heuerleute, das Übel verschlimmerte sich und es wurde zum Pastoren geschickt. »Die Reihe war an mich,« erzählte der Geistliche weiter, »und ich machte mich auf den Weg. Als ich im Hause des Kranken meines Amtes gewaltet hatte, geleitete der vorhin genannte Bauer mich zur Hake, öffnete sie und entließ mich mit den Worten: es stimmte alles.«

x.

Ich war in ein Haus nicht gar weit von meinem elterlichen Hause hineingeheiratet. Eines Abends, es war im September, stehe ich draußen, als plötzlich ein eigentümliches Geräusch an mein Ohr schlägt. Es hörte sich an, als fahre eine Karre oder Wagen über festgefrorenen Boden. Ich gehe näher an den Weg und sehe nun den Tischler unseres Dorfes mit einer Karre, worauf ein Sarg steht, die Richtung auf meine elterliche Wohnung nehmen. Meine Mutter war damals krank, sie wurde alle Tage schwächer, und wir mußten auf ein baldiges Ende rechnen. Ich dachte: Gilt das unserer Mutter? Doch schlug ich den Gedanken gleich wieder aus dem Kopf. Die Karre war über gefrorenen Boden gerollt, und daß meine Mutter noch bis zur Frostzeit leben werde, schien mir eine Unmöglichkeit. So gab ich denn auf den Vorspuk nichts und tröstete mich damit, er werde einen späteren Todesfall bedeuten, da unser Tischler alle Särge für die verstorbenen Dorfbewohner machte und diese gewöhnlich auf einem Karren nach dem Totenhause hinfuhr. Was geschah? Meine Mutter erholte sich wieder etwas und lebte noch bis zum Winter. Es war eine kalte Zeit, als sie von uns schied, und als der Tischler den Sarg brachte, fuhr er damit über hartgefrorenen Boden. Ich paßte auf, als er kam, das Geräusch, das die Schiebkarre machte, klang so, wie ich es im September gehört hatte (Lindern).

y.

Ich war Informator in einem adligen Hause. Eines Tages komme ich nach Hause, öffne die Tür meines Zimmers und sehe vor mir eine Leiche auf dem Paradebette liegen. Ich war ganz sprachlos; als ich anfing, meine Gedanken zu sammeln, war die Erscheinung verschwunden. Das Gesicht verfolgte mich von da an Tag und Nacht. Ich glaubte zuletzt, darin den Finger Gottes sehen zu müssen, der mich auf einen baldigen Tod aufmerksam machen wollte, traf alle Vorbereitungen, [192] die man im Hinblick auf das kommende Ende zu treffen pflegt, und ergab mich in Gottes Willen. Nach einiger Zeit erkrankte einer der Söhne des Hauses. Die Krankheit nahm einen gefährlichen Charakter an, der Kranke wurde von Stunde zu Stunde unruhiger und verfiel bald auf diesen, bald auf jenen Wunsch. Zuletzt kam er auf den Einfall, in meinem Zimmer gebettet zu werden, dort werde er sich besser fühlen. Ich gab selbstverständlich meine Zustimmung, eilte sofort nach oben, um dorthin, wo ich früher die Leiche gesehen hatte, eine Kommode zu schieben, damit nicht das Bett des Kranken da zu stehen komme. Der Gedanke, der Spuk, den ich gesehen, könne sich auf meinen kranken Zögling beziehen, war mir unerträglich. Das Bett wurde nach meiner Anordnung aufgestellt, der Knabe hineingelegt und verhielt sich von da an ruhig. Einige Tage darauf war er tot. Nun wurde plötzlich die Frage aufgeworfen: Wo bahren wir die Leiche auf? Ich erklärte mich dahin, die Leiche dort aufzubahren, wo das Sterbebett stand. Da kommt die Mutter und sagt: »Nein, dort nicht, – wo die Kommode steht, da ist der beste Platz.« Ich durfte nicht widersprechen. Die Kommode wurde beseitigt, und wo ich früher die Leiche gesehen hatte, ruhte bis zum Begräbnis der junge Verstorbene auf dem Paradebette. (Der Erzähler ist Oldenburger und heute (1908) über 80 Jahre alt.)

[193]

License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Nachträge. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2B2D-4