Eversten.

a.

Das große Dorf Eversten bei Oldenburg ist erst seit etwa 300 Jahren nach und nach entstanden. Eins der ältesten Häuser daselbst ist das Wirtshaus zum weißen Lamm, welches ein Frachtfuhrmann namens Kaiser erbaut und zuerst bewohnt hat. Kaisers Wagen war gewöhnlich mit vier kräftigen Hengsten bespannt. Einst machte Kaiser eine Reise nach Lüneburg und nahm seinen zwölfjährigen Sohn mit. Nachdem sie an einem Nachmittag in die Mitte der vor Lüneburg belegenen großen Heide gekommen waren, trafen sie ein einsam stehendes Wirtshaus und kehrten dort ein. Der Wirt empfing sie freundlich und führte sie an den Feuerherd, wo unter anderen Fremden einige starke Kerle saßen und sie in verdächtiger Weise ansahen. Und als Kaiser in den Stall ging, um nach seinen Pferden zu sehen, flüsterte eine kleine Magd, die dort mit Fegen beschäftigt war, ihm zu: »Hütet euch.« [248] Da sprach Kaiser zu seinem Sohne: »Christian, der eine Hengst ist krank, ich reite mit ihm zu einem Tierarzte«, und heimlich fügte er hinzu: »Lege dich unter die Pferdekrippe und schlafe oder stelle dich schlafend, mag man dich anrufen oder schütteln«. Der Sohn tat, wie ihm geboten war. Darauf schlug Kaiser seinem schnellsten Pferde einen Nagel tief in den Vorderfuß, zog dann das hinkende Tier aus dem Stalle und rief den anwesenden Wirt und die Gäste zu Rate. Alle bedauerten das kranke schöne Tier. »Ist kein Tierarzt in der Nähe?« fragte Kaiser. »Drei Stunden von hier wohnt einer«, versetzte der Wirt. »So muß ich hin«, sprach Kaiser, nahm das Pferd beim Zügel und zog langsam damit fort. Als er so weit gekommen war, daß man ihn vom Wirtshause aus nicht mehr sehen konnte, zog er schnell dem Pferde den Nagel aus dem Huf, schwang sich hinauf und ritt im Galopp nach der Stadt Lüneburg. Am Tore der Stadt machte er sofort Anzeige, und mehrere Dragoner sprengten mit ihm nach der Heide zurück auf das einsame Wirtshaus zu. Es war Abend geworden, als sie da ankamen, und die Fenster des Hauses waren hell erleuchtet. Die Dragoner besetzten die Ausgänge und sahen durch das Fenster einen Menschen mit dem Kopfe auf einem Blocke liegen, und über demselben hatte ein Mörder eine blinkende Axt zum Schlage erhoben. Eine Kugel setzte dem Beginnen ein Ziel. Jetzt wollten die übrigen Mörder entfliehen, aber sie wurden gefangen genommen und empfingen samt und sonders ihren verdienten Lohn. Als Kaiser seinen Sohn fragte, wie es ihm in der Zwischenzeit ergangen sei, erzählte er: man sei mit einer Laterne zu ihm in den Stall gekommen und haben ihn beim Namen gerufen; da er sich aber schlafend gestellt, hätten sie gesagt: »Die Kröte schläft und wird uns nicht verraten.«

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Sagen. Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Zweiter Band. Drittes Buch. Erster Abschnitt. A. Stadt Oldenburg und die Gemeinden Ohmstede, Eversten. 502. Ohmstede. Eversten. a. [Das große Dorf Eversten bei Oldenburg ist erst seit etwa 300 Jahren]. a. [Das große Dorf Eversten bei Oldenburg ist erst seit etwa 300 Jahren]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2F0B-C