184.

Die Gespenster verhalten sich gegen die Menschen in der Regel nicht sehr feindselig. Freilich beunruhigen manche unter ihnen Bewohner und Viehstand eines Hauses, andere necken den einsamen Wanderer durch Bewerfen mit Sand oder Begießen mit Wasser oder führen ihn in die Irre; die meisten aber machen sich dem Ohre oder Auge nur bemerklich, ohne eine weitere Schädigung zu verüben oder auch nur zu versuchen. Dafür muß man sie aber auch gewähren lassen. Wer sie herausfordert, verhöhnt und beleidigt oder feindlich angreift, dem fügen sie Übles zu, und nicht selten muß der Übermut mit schwerer Krankheit und Tod gebüßt werden. Auf der anderen Seite zeigen sich Geister den Menschen auch huldreich, beruhigen, warnen sie, helfen ihnen und unterrichten sie über die Zukunft.

a.

In dem herrschaftlichen Holze Holvedehusen, nicht weit von Visbek, soll früher ein Förster gewohnt haben, der ganz schlecht und gottlos gelebt hat. Nach seinem Tode ging er wieder und machte solchen Unfug, daß die Paters ihn in einen Wasserpfuhl mitten im Holze bannten. Dort muß er mit einem Eimer ohne Boden das Wasser austragen. Des Nachts wird aus diesem Wasserpfuhl oft ein furchtbares Gelärm und Gepolter gehört, und wer nicht grade muß, macht lieber einen Umweg und geht nicht an den Pfuhl vorbei, denn der [267] Wiedergänger hat das Recht, alle, die ihm nahe kommen, mit Wasser zu begießen.

b.

Zwischen Lutten und Vechta ist am Wege ein Wasserpfuhl, Tange genannt; dort ist es nicht richtig. Ein Bauer zu Lutten, welcher in seinem Leben viel Schlechtigkeiten begangen hatte, kam nach seinem Tode wieder und machte im Hause und auf dem Hofe viel Lärm und Spektakel. Deshalb holte man die Paters, die haben ihn in diesen Pfuhl gebannt und ihm aufgegeben, er solle mit einem Eimer ohne Boden das Wasser austragen, und wenn er damit fertig sei, solle er warten, bis wieder Wasser hineinkomme, und dann von vorn anfangen; wer ihm aber in den Weg komme, den möge er begießen. Deshalb wird diese Stelle des Nachts sorgfältig gemieden.

c.

Zwischen Lutten und Goldenstedt auf der Arkeburg soll früher ein Ritter namens Harke gewohnt haben. Die beiden Gräben und hohen Wälle der Burg sind noch vorhanden. Nachts soll einer dort mit vier Schimmeln fahren, die aber den Boden nicht berühren, und schon viele irre geleitet haben. Auch hört man oft einen Laut, als wenn jemand mit gedämpfter Stimme ruft »oh oho!« Andere haben dort Feuer oder ein großes Licht brennen sehen.

d.

Mein Sohn kommt neulich bei Nacht beim Kirchhof vorbei, da sieht er plötzlich einen sehr großen schwarzen Pudel hinter sich gehen. Mein Sohn begibt sich auf die andere Seite des Weges, aber wie er sich umsieht, ist der Pudel wieder hinter ihm. Mein Sohn sagt: »Wultu mit mi gahn?« und in demselben Augenblicke ist der Pudel verschwunden. Ich habe es meinen Kindern aber auch von klein auf gesagt, daß sie keinen Spuk erzürnen und namentlich nicht nach ihm schlagen sollten, denn sonst fliegt ihnen der Spuk an den Kopf oder auf den Rücken. (Oldenbg.)

e.

Im Ksp. Visbek, auf dem Wege zwischen Norddöllen und Wöstendöllen, soll sich des Nachts ein Mann sehen lassen, welcher greis gekleidet ist und deshalb »de grise Mann« genannt wird. Es soll dort einer wegen einer Grenze falsch Zeugnis abgelegt haben. Ein Einwohner von Norddöllen kam des Nachts diesen Weg. Als er an die Grenze kam, war auf einmal ein Mann hinter ihm, welcher ganz greis gekleidet war und immer hinter ihm herging, sodaß er jedesmal in die Fußtapfen trat, bis an den Norddöller Esch, da war er [268] verschwunden. Einmal ist der greise Mann von einem gesehen, wie er am Wege lag, und jener, welcher glaubte, es liege einer zu schlafen, sagte: »Was tust du da zu liegen?« Da springt er auf und steht vor ihm und geht immer vor ihm her bis vor Wöstendöllen, wo er verschwindet. Er tut aber niemand etwas zu Leide. Einer von Wöstendöllen fuhr mit einem Wagen diesen Weg, da sah er einen am Wege stehen. Der Fuhrmann fragte: »Will he mit?« Auf einmal war jener auf dem Wagen und so schwer, daß die Pferde ihn kaum ziehen konnten und weiß von Schaum wurden. Vor Wöstendöllen verschwand er, und der Wagen wurde wieder leicht. Deswegen heißt es, man darf den greisen Mann nicht anreden.

f.

Zwischen Rechterfeld und Hohenbögen im Ksp. Visbek geht nachts ein Mann, welchen viele gesehen haben. Man muß ihn ganz in Ruhe lassen, denn wenn ihn einer weckt, so geht es dem schlecht. Ein Bauer fuhr zu Nacht diesen Weg. Als er bei den Hogenböger Kämpen war, sah er einen Mann neben seinem Wagen gehen. Er fragte ihn, wer er sei und was er wolle, bekam aber keine Antwort. Da sagte der Bauer: »Wenn du nicht sprechen willst, sollst du auch nicht neben meinem Wagen gehn,« und schlug mit der Peitsche nach ihm. Aber da sprang der Mann auf einmal hinten auf den Wagen und war so schwer, daß die Pferde den Wagen nicht ziehen konnten. Der Bauer war in Angst und sprang vom Wagen, auch die Pferde schnoben und geberdeten sich wie toll, aber sie konnten keine zehn Schritte gehen, oder sie mußten wieder stehen und sich ausruhen. Zuletzt gelangten sie nach vieler Mühe an einen Kreuzweg, da war der Mann verschwunden, und die Pferde konnten den Wagen leicht weiter ziehen.

g.

Ein Knecht aus Norddöllen fuhr an einem Sonntag nachmittag mit einem Wagen nach Ellenstedt. Als er nun am Abend mit dem Wagen allein wieder zurückkehrte – nur einen großen Hund hatte er bei sich – und in dem herrschaftlichen Holze Stubbenkamp war, wurde es finster. Er stieg deshalb vom Wagen und setzte sich, um den Weg nicht zu verfehlen, aufs Pferd. Als er nun eine Strecke gefahren hatte, hörte er eine Stimme rufen. Er horchte auf, und es rief auch bald wieder, aber er konnte es nicht verstehen. Doch meinte er, es werde wohl jemand gerufen haben, er wolle mit, und rief deshalb zurück, wenn er mit wolle, solle er geschwind kommen. Aber sowie er dies gesprochen, sprang der große Hund, welcher [269] bis dahin neben den Pferden gegangen war, von ihm, und die Pferde fingen an zu schnauben und setzten in voller Kraft an zu laufen, sodaß er sie nicht halten konnte. Dabei wurde der Wagen so schwer, daß die Pferde ihn nicht mehr ziehen konnten und alle Geschirre zerrissen, und so kam er mit den ledigen Pferden zu Hause an. Als er am andern Morgen den Wagen wiederholte, stand derselbe auf ganz ebenem Boden, aber die Wagenbretter waren von der schweren Last durchgebrochen, obwohl er gar keine Ladung gehabt hatte.

h.

Die Knechte des Zellers Penkhus zu Repke, Ksp. Emstek, pflegten zur Winterszeit abends nach den Heuerhäusern zu gehen. Nun kommt in der Regel der rufende Kerl, welcher zwischen der Bauerschaft Repke und dem Gute Strohe hindurchgeht, etwa um neun Uhr bei diesen Heuerhäusern vorbei. Die Knechte beschlossen daher eines Abends, die Hunde mitzunehmen und, wenn der rufende Kerl sich bemerkbar mache, auf diesen zu hetzen. Sie begaben sich um neun Uhr hinaus und hörten den rufenden Kerl auch bald. Als er näher kam, gingen sie ihm mit ihren Hunden entgegen, und sowie sie ihn nahe bei sich hörten – sehen konnten sie nichts – hetzten sie die drei Hunde, die sie bei sich hatten, auf ihn los. Die Hunde liefen hin und fingen an zu bellen, waren aber gleich darauf wieder ganz still. Die Knechte machten sich davon, und als kein Hund wiederkam, sahen sie am andern Morgen nach, da fanden sie alle drei Hunde tot und ganz zerissen auf dem Boden liegen.

i.

Bei einem Bauern dienten ein Knecht und eine Magd, die einander treu liebten und sich zu heiraten gedachten. Aber das Schicksal wollte es, daß der junge blühende Bräutigam starb. Die Braut begleitete ihn zu Grabe und nahm sich vor, auch dem Toten die Treue zu halten und keines anderen jungen Mannes Bewerbungen anzunehmen. Nicht lange, so hieß es, daß der Bräutigam in dem Hause, wo die Magd diente, sich habe sehen lassen, bekleidet mit dem weißen Totenhemde und seiner weißen Schlafmütze. Die Magd beschloß, sich sobald wie möglich von der Wahrheit dieser Rede zu überzeugen. Als sie nun eines Abends an dem Kirchhofe vorbei mußte, begegnete ihr eine weiße Gestalt, eine weiße Mütze auf dem Kopfe, und schwebte stumm an ihr vorüber. Rasch griff sie nach der Mütze, erfaßte sie und eilte mit ihr nach Hause; dort untersuchte sie die Mütze und fand, daß es wirklich die Mütze [270] ihres Bräutigams war. In der nächsten Nacht klopfte der Geist an die Tür, aber niemand hatte den Mut, ihn anzureden. Dies wiederholte sich jede Mitternacht. Endlich nahm sich der Hausherr zusammen und fragte den Geist, was seine Ruhe störe. Der Geist antwortete, er könne eher keine Ruhe finden, bis ihm die Magd an seinem Grabe die Mütze wieder aufgesetzt habe. Die Magd überwand ihre Furcht und begab sich um die nächste Mitternacht mit ihrem Herrn auf den Kirchhof, um den Willen des Geistes zu erfüllen. Als sie hinkamen, stand der Geist schon stumm und regungslos an seinem Grabe. Sie trat herzu und setzte ihm die Mütze auf, da umfaßte sie der Geist, und mit dem Rufe: »Auf ewig mein!« zog er sie mit sich ins Grab. (Ostfriesld.)

k.

Eine Magd in Blexen kam eines Abends spät nach Hause. Als sie auf den Kirchhof gelangte, den sie passieren mußte, sah sie ein großes Gespenst mit einem weißen Laken. Sie glaubt, es ist der Knecht, der sie erschrecken will, reißt ihm das Laken weg und läuft nach Hause. Aber die nächste Nacht hörte sie eine Stimme, welche rief: »Gib mir mein Laken wieder!« indessen sie achtete des nicht. In der nachfolgenden Nacht kam die Stimme wieder. Jetzt hörte sie auch der Bauer und befahl der Magd, das Laken herauszugeben. Die Magd wollte das so nicht und ging anderen Tages zum Pastoren, um diesen um Rat zu fragen. Dieser sagte ihr, sie müsse das Laken zur selben Zeit wieder dahin bringen, wo sie es genommen. Die Magd ging in der Nacht wieder auf den Kirchhof und rief: »Da hast du dein Laken wieder!« »Wenn das mein Laken ist, so bist du mein!« rief das Gespenst und war mit der Magd verschwunden. Dies aber haben der Bauer und der Knecht, die der Magd gefolgt waren, alles mit angehört, ohne Schaden zu nehmen.

l.

Eine Magd in einem Kirchdorf hatte gewaschen und das Zeug auf eine Hecke, die neben dem Kirchhof stand, gehängt. Sie vergaß des Abends ihr Zeug hereinzuholen, und erst als sie in der Nacht erwachte, dachte sie daran. Sie sprang aus dem Bette, eilte hin und raffte ihr Zeug zusammen. Da sah sie, daß auf dem Kirchhof ein Mann stand, der ein Bettuch über dem Kopfe hatte. Sie lief hin, riß es zu sich und sagte: »Da komme ich wohl eben recht, du gedachtest wohl zu stehlen,« und ging heim. Aber es war ein Geist gewesen, der kam am anderen Abend wieder, um sein Laken zu [271] fordern, die Magd sagte jedoch: »Es ist mein.« Als er aber jeden Abend kam, sah sie nach und fand, daß es ihr nicht gehörte. Von nun an kam er des Nachts und erklärte, jetzt wolle er es nicht mehr holen, sondern sie solle es ihm bringen. Die Magd wurde ängstlich und ging zum Pastoren, und dieser sagte zu ihr, sie solle das Laken nur wieder hinbringen, er wollte mit ihr gehen, sie müsse aber dem Geiste so oft das Laken wieder aufhängen, als er es abschüttele. Um Mitternacht ging die Magd auf den Kirchhof, und der Geist stand auch schon da. Sie hing ihm das Laken über, er schüttelte es aber wieder ab. Als sie es zum dritten Male überhing, sagte sie: »Wenn du Satan es nun noch wieder abwirfst, so sieh zu, was du machst.« Augenblicklich war der Geist mit dem Mädchen verschwunden.

m.

In einem Kirchdorfe saßen einmal ein Zimmermann und ein Schneider zusammen im Wirtshause, disputierten über dies und jenes und kamen zuletzt ins Renommieren von ihrer Stärke und ihrem Mute und den großen Dingen, die sie schon durchgemacht hätten. Zuletzt sagte der Zimmermann zu dem Schneider: »Wollen wir mal eine Wette mit einander machen?« »Ja, nur zu,« antwortete der Schneider, »wenn was zu verdienen ist, bin ich gleich bei der Hand.« »Dann hör mal her,« sagte der Zimmermann, »ich will diese Nacht zwischen 12 und 1 Uhr im bloßen Hemde auf dem Kirchhof stehen, dann sollst du mir nicht das Hemd ausziehen können, und ich will mich gar nicht rühren, und wenn du es ausbringst, so gebe ich dir morgen eine Pistole.« »Das ist getippt,« erwiderte der Schneider, »ich will mal sehen, was ich mit dir zu tun kriege.« Der Zimmermann wußte aber, daß auf dem Kirchhofe jede Nacht zwischen 12 und 1 Uhr an einer bestimmten Stelle ein Geist stand, wie er selbst mehrmals gesehen hatte. Der Schneider aber wußte es nicht. »Es bleibt aber dabei,« sagte der Schneider, ließ sich noch ein gutes Glas geben und trieb den Zimmermann zum Weggehen an, damit er nicht zu spät komme. Der Zimmermann dachte nicht, daß es dem Schneider Ernst wäre, und dachte, wenn der wirklich dahin käme, würde er wohl wieder davon laufen, und begab sich nach Hause. Dem Schneider aber lag die Pistole am Herzen. Mit einem halben Rausch im Kopfe tappte er um Mitternacht nach dem Kirchhof und auf den bezeichneten Platz zu, wo richtig der Geistliche im bloßen Hemde stand. »Na bist du schon da, so komm mal her,« sagte [272] der Schneider und zog ihm sein Hemd aus: »Was sagst du nun? jetzt habe ich meine Pistole verdient.« Dann ging er mit dem Hemde nach Hause und legte es auf den Stuhl neben dem Bette. »Doch halt!« dachte er, »das ist unsicher, da kanns dir der Zimmermann noch wieder wegholen, lege es lieber unter den Kopf, dann ist's im sicheren Hafen.« Wie er eben im Bette war, kam eine Stimme vor die Tür und sagte: »Ich will mein Hemd wieder haben, sonst gehts nicht gut.« »Erst meine Pistole; hast du mir die mitgebracht, so kannst du auch dein Hemd wiederbekommen,« und damit schlief der Schneider ein. Andern Tags ging der Schneider zu dem Zimmermann und verlangte seine Pistole. »Was Pistole,« sagte der Zimmermann, »ich bin dir nichts schuldig.« »Nichts schuldig? weißt du nicht mehr, wie hoch die Wette war? Ich habe die Wette gehalten, nun halte du sie auch.« »Wieso gehalten?« fragte der Zimmermann. »Aber mein Gott, habe ich dir das Hemd nicht auf dem Kirchhof ausgezogen? Ich will es gleich holen.« Da geriet der Zimmermann in tausend Ängste und sprach: »Was hast du gemacht, nun sind wir beide unglücklich daran, was nun für Rat?« Sie gingen beide zu ihrem Pastoren, stellten dem die ganze Sache vor und fragten, was nun zu machen sei. »Das ist aber eine schlimme Geschichte,« erklärte der Pastor, »indessen ich will sehen, was zu tun ist.« Er sann hin und her und sagte zuletzt: »Wir wollen diese Nacht alle drei zusammen auf den Kirchhof gehen, ihr wißt ja, wo der Geist sich aufhält. Dann will ich mit ihm zu reden anfangen, und ihr müßt unter der Zeit sehen, ob ihr ihm das Hemd nicht wieder anziehen könnt, aber ja nichts dabei sprechen.« Sie gingen zusammen hin und als der Pastor mit dem Geiste zu reden begann, fingen sie an, dem Geiste das Hemd anzuziehen. Aber als der Geist das Hemd wieder anhatte, bekam der Schneider einen Backenschlag, daß er zu Boden fiel und gleich tot war, und der Zimmermann ist vor Schreck krank geworden und bald darauf auch gestorben. Der Pastor aber hat noch lange gelebt und diese Geschichte nachher oftmals erzählt. (Oldenbg.)

n.

In Damme war vor langen Jahren ein Mann zur Kirche gewesen. Er kehrte bei einem Verwandten ein und ging abends spät nach Hause. Als er nun an einem Acker vorbeikam, sah er einen spukhaften Menschen mit einem glühenden Pfluge pflügen. Der Mann redete denselben an: »Hättest du [273] bei deinen Lebzeiten so gepflügt, daß dein Nachbar sein Recht behalten hätte, so brauchtest du dich jetzt nicht so zu quälen!« Der Geist verließ den Pflug und kam auf den Mann zu, worauf dieser die Flucht ergriff. Er kehrte in das nächste Haus ein, um seine Pfeife anzuzünden, indem er dachte, nun werde der Geist fort sein. Aber als er seinen Weg fortsetzte, kam der Geist wieder hinter ihn und sagte: »Hättest du nicht heute von dem Herrn Pastor den Segen erhalten, so hätte ich dir das Genick umgedreht.«

o.

Als in früheren Zeiten der Bohnenburger und die anderen Groden bis zum Schilldeich eingedeicht wurden, mußten sämtliche Groden ausgemessen werden. Der Landmesser aber war ein Knauser und maß die Matten zu klein, sodaß noch jetzt alle Stücke Untermaß haben. Wegen dieser Ungerechtigkeit ist er verdammt und muß als ein großes Licht beständig von Sengwarden nach dem Schilldeiche wandern. Gewöhnlich erscheint er als ein großes Licht. Viele haben ihn aber auch in Menschengestalt gesehen. Er hat kurze Hosen an, am Knie ein Band mit dicken Quasten, der obere Teil brennt. Das Licht tut kein Böses, sondern begleitet die Leute nachts auf ihren Gängen und zeigt ihnen den Weg. Ein Arbeiter, der eine Viertelstunde weit von seinem Hause bei einem Bauern das Dreschen mit angenommen hatte, bekam jeden Abend ein Bund Stroh mit zu Hause. Er wartete jedesmal, bis das große Licht kam; dieses diente ihm dann als Leuchte bis an seine Tür. Blieb das Licht länger als gewöhnlich aus, so fluchte der Arbeiter, wartete aber stets, denn es kam sicher. Aehnlich ist es vielen Verstorbenen und Lebenden ergangen. Gottesfürchtige Leute begleitet das Licht besonders gern, setzt sich auch wohl mal auf die Häuser, sodaß es aussieht, als brennten dieselben. Der zweite Pastor zu Sengwarden, ein junger mutiger Mann, wollte das Licht einmal anreden, aber Crome, der erste Pastor, hielt ihn davon ab und sagte, das Licht würde ihm so viel aufgeben, daß er zeitlebens genug daran hätte. – (Zweite Aufzeichnung.) Vor Zeiten war das Sengwarder Licht eine im ganzen Jeverlande und darüber hinaus bekannte Erscheinung. Es zeigte sich des Nachts bald in Gestalt einer großen schimmernden Laterne, bald als feuriger Mann, als Mann mit blauen Strümpfen, feurigem Oberkörper und einem Dreimaster auf dem Kopfe, als Zwerg mit glühenden Augen, als brennendes Strohbündel usw. Viele soll es geneckt und [274] irre geleitet, manchen aber, der nachts etwas angetrunken aus dem Wirtshause gekommen ist, treu und sorgsam über Weg und Steg nach Hause geleitet haben. Besonders häufig zeigte es sich dem Pastor Crome und zwar am meisten auf dem Kreuzwege bei Gretthun. Dort pflegte es sich als kleines Licht auf die Kutsche des Predigers zu setzen, und dann war es den Pferden nicht möglich, dieselbe aus der Stelle zu bringen, bis Crome ausstieg und das Licht bändigte. War dies geschehen, so blieb das Licht dem Wagen getreu, von nun an aber als gern gesehene Leuchte, die den Pferden den Weg wies. Erst bei der Pastorei erlosch es. Einige sagen, es sei aus den Fenstern eines Hauses des kleinen Dorfes Westerhausen gekommen, in welchem um die Zeit, als Pastor Crome lebte, zwei alte Leute ermordet waren.

p.

Im 18. Jahrhundert lebte zu Ovelgönne ein Assessor Töpken, dessen Frau etwas ganz besonderes in ihrem Wesen hatte. Oft sah man sie abends von zwei weißen Gestalten begleitet im Garten wandeln, und es war wohl der Umgang mit diesen übernatürlichen Wesen, der sie so ernst machte, daß sie niemals lachte, so freundlich sie auch sonst mit allen Menschen verkehrte. Sie hielt es so, daß sie bei niemand und in keiner Gesellschaft länger als eine Stunde verweilte, und merkte sich stets genau die Zeit auf einer Uhr, die sie immer bei sich führte. Als sie eines Abends wieder auf einem Gange mit einer jener weißen Gestalten gesehen war, trug sie am anderen Morgen alle ihre Sachen zusammen und verfügte über dieselben, indem sie gegen eine Freundin äußerte, daß sie nun sterben müsse. Auf die scherzende Bemerkung derselben, daß ihr Mann in seinen jungen Jahren sich dann ja noch nach einer zweiten Frau umsehen müsse, antwortete sie ruhig: »Das ist nicht nötig, denn er wird mir in drei Tagen folgen; so ist mir gesagt worden.« An dem von ihr bezeichneten Tage starb wirklich die bis dahin ganz gesunde Frau, und am dritten Tage danach wurde der Mann tötlich vom Schlage gerührt, sodaß beide an einem Tage beerdigt wurden.

q.

Daß auch die alten Heiden der Vorzeit spuken und wiedergehen, beweisen die Sagen, die sich an die Hünensteine oder Steindenkmäler knüpfen. Daß sie nebenbei in Urnen, die blosgelegt sind, spuken, konnte bislang hierorts nicht festgestellt werden, (auch Strackerjan in der 1. Auflage spricht nicht davon), muß aber nach Mitteilungen aus nächster Nachbarschaft [275] (Kreis Berssenbrück) nicht unbekannt sein. Im III. Heft des Hasegaugeschichtsvereins (1894) wird Seite 42 erzählt, daß ein Knecht, der eine Urne gefunden, dieselbe zerschlagen habe in der Meinung, das Ding bringe Unglück ins Haus. Im Anschlusse daran heißt es: »Die Furcht vor den Urnen, Heidenpötten, ist sehr groß.« Vor einigen Jahren fand ein Kolon in Lintern auf dem Goldberge eine Urne, die er mit nach Hause nahm und in der sogenannten Anrichte aufstellte. Nachts wurde er von seiner Frau geweckt, die einen Heidenskandal gehört haben wollte. Viele Heiden seien im Haus und trieben allerlei Allotria, wie sie erzählte. Um seine Ehehälfte zu beruhigen, mußte der Bauer mitten in der Nacht die Urne forttragen und zertrümmern, alsdann war Ruhe im Hause. Vielleicht ist es der Angst vor den Urnen zuzuschreiben, daß bis auf den heutigen Tag so viele er halten geblieben sind.

[276]

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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 184. [Die Gespenster verhalten sich gegen die Menschen in der Regel nicht]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2F3D-D