369.

Das Pferd ist das »fürnehmste und glückbringendste Tier« sagt man im Saterlande, es nimmt im Denken und Leben des Volkes, im Aberglauben einen breiten Raum ein, seine Verehrung läßt sich bis in das hohe Altertum verfolgen.


Bau an Bau. Von bunten Giebeln
Nickten nach dem Brauch der Alten
Holzgeschnitzte Pferdeköpfe,
Wicht und Kobold fernzuhalten.

(Auf dem Habichtshofe in Dreizehnlinden III.)


An verschiedenen Bauernhäusern laufen die hölzernen Windwehren am Vordergiebel nach oben in Pferdeköpfe aus und ragen über das Dach hinaus (Südliche Oldenburg [Geest], großer Teil Hannovers, Mecklenburg, Holstein, selbst im Spreewald und Oberbayern). Die Köpfe sind einmal nach auswärts, ein ander Mal nach innen gerichtet d.h. einander zugekehrt. Von dem letzten 1866 entthronten König von Hannover wird [136] erzählt, daß er sich immer gefreut habe, wenn er auf Reisen von seiner Begleitung hörte (er war bekanntlich blind), auf dem und dem Hause befänden sich Pferdeköpfe am Giebel. Diese Pferdeköpfe galten nicht als Zierraten oder Symbole der Ackerwirtschaft, sondern hatten eine religiöse Bedeutung. Als der römische Feldherr Cäcina 15 n. Chr. den Schauplatz der Niederlage des Varus betrat, sah er viele Pferdeköpfe oben auf den Baumstämmen befestigt. Pferde wurden der Gottheit geopfert und verspeist, nachdem man die Köpfe davon getrennt hatte. Diese Köpfe hing man auf an den Giebeln der Häuser, am Rauchfang, an den Viehställen, auf der Dreschtenne, in Stuben. Die Gottheit suchte dann ihre Verehrer nicht mit Viehseuchen heim. Später, als die Welt christlich geworden, sagte man, der Teufel werde mit seinen Hufen in den Köpfen, sobald er über das Haus fahre, hängen bleiben. Hufeisen werden noch jetzt auf Stalltüren und Schwellen der Türen genagelt und dürften aus demselben Ideenkreis gedeutet werden (Vgl. Mannhardt, die Götterwelt der deutschen und nordischen Völker). Beim Abbruch eines alten Bauernhauses in Klein-Roscharden (Gem. Lastrup) fand man in jeder der beiden Hauptstuben etwa einen halben Fuß unter dem Lehmfußboden Skelette eines großen Pferdekopfes (in jeder Stube eins). Die Augenhöhlen beider Köpfe waren nach oben, die Maulspitze nach Norden gerichtet (die Stuben lagen im Osten des Hauses). Die Lage der Köpfe war so, daß man annehmen mußte, sie wären mit Absicht und nicht durch Zufall an die Fundstelle gebracht. Auf den Bauernhöfen bei Hückeswagen findet man auch jetzt Roßschädel in den Firsten der Häuser aufbewahrt. Dort besteht der Glaube, das Heiligtum bewahre vor Wetterschaden, Krankheit und anderm Unheil. Pferde-und Kameelköpfe hangen noch heute über den Türschwellen zahlreicher Häuser in Jerusalem. Sie gelten als Beschwörer alles Übels. Somit sind die Pferdeköpfe ein Überbleibsel alten heidnischen Aberglaubens. Die Macht der Gewohnheit ließ im Christentum das Herkommen bestehen. Der damit verknüpfte Aberglaube verschwand, und es traten anstelle der wirklichen Köpfe die hölzernen. Die in Roscharden vergrabenen Schädel weisen ebenfalls auf einen alten Brauch hin. Die sie dort gebettet hatten, wußten aber nicht mehr warum. Sie taten, was ihre Voreltern getan hatten, die wieder nach dem Glauben ihrer Vorfahren meinten, daß solche Köpfe in den Stuben nicht fehlen[137] dürften. – Auch der noch bestehende Brauch, die Nachgeburt der Pferde (plattd. hâm hâmen, saderld.home) in die Bäume zu hängen (Kneheim, Goldenstedt, Schweiburg usw.) ist anfänglich ein religiös-abergläubischer gewesen. Die ursprünglichen Vorstellungen schwanden, der Brauch blieb und es mußten sich daraufhin neue Ideen mit demselben verbinden: 144, 148, 55 (Vgl. Rudorff »Die Pferdeköpfe an den Herdrahmen und Giebeln der niedersächsischen Bauernhäuser« im Archiv für Gesch. u. Altert. der Herz. Bremen und Verden, und Mannhardt »Die Götterwelt der deutschen und nordischen Völker«). Welcher Gottheit die Pferdeköpfe und die Nachgeburt geheiligt waren, ob Wodan oder dem Sonnengott, der mit vier Pferden fahrend gedacht wurde, ist bislang nicht festgestellt.

Der Widerwille gegen den Genuß des Pferdefleisches herrscht noch überall im Volke. Er stammt aus der ersten christlichen Zeit, in welcher das Verspeisen von Pferdefleisch verboten wurde. Das Verbot hatte seinen Grund erst in dem Pferdekult und den Pferdeopfern. Die vorchristliche Welt aß das Fleisch geopferter Pferde als Heiligtum, und darum galt die Teilnahme der Christen an solchen Mahlzeiten als Teilnahme an heidnischen Opfern. Bonifazius fragte bei Gregor II. an, ob der Genuß von Pferdefleisch den Christen zu gestatten sei, und dieser antwortete, man solle es nicht dulden. In demselben Sinn schrieb der Nachfolger Gregors, Zacharias. Er verbot den Genuß verschiedener unreiner Tiere und bemerkt, Biber, Hasen und wilde Pferde seien umsomehr zu meiden. Der zweite Grund des Verbotes war der alte kirchliche Gebrauch, den Genuß von wilden Tieren zu untersagen, weil man fürchtete, mit dem Genuß des Fleisches wilder Tiere gehe auch die Wildheit in die Gesinnung und das Leben der Menschen über, daher der Hinweis des Papstes Zacharias auf wilde Pferde, Biber, Hasen. Es mag hierbei noch bemerkt werden, daß der hl. Hieronymus in seiner Streitschrift gegen Jovinian die Sarmaten, Quaden und Vandalen als Pferdefleischesser hinstellt und hinzufügt, zahllose andere Völker hätten dieselbe Sitte. Pferdefleischessen und Barbarei und Wildheit fallen bei Hieronymus zusammen. In Schweden unterschied man in der ersten christlichen Zeit zwischen Roßessern (und damit meinte man die Heiden) und Nichtroßessern.

Mit der Zeit, als die Zivilisation immer mehr zunahm, konnten selbstverständlich die ursprünglichen Verbote fallen gelassen [138] werden. Wenn desungeachtet der Abscheu gegen das Pferdefleisch blieb und bis heute nicht überwunden ist, so kam dies daher, weil man glaubte, den Hexen sei das Roßfleisch ein Leckerbissen.

Das Pferd ist Glück verheißend: 5. Es sieht Vorspuk: 163, und man kann von ihm das Spuksehen erlernen: 164, auch ist sein Benehmen vielfach vorbedeutend: 5. Tüchtige Pferde dürfen nicht vor einen Leichenwagen gespannt werden: 48; Pferden, die vor einen Leichenwagen gehen, müssen die Schwänze aufgebunden werden. In den Zwölften dürfen die Schwänze nicht aufgebunden werden: 75. Unter dem Halse eines Pferdes dürfen schwangere Frauen nicht hindurchgehen: 48. Gegen verschiedene Pferdekrankheiten gibt es sympathetische Mittel: 75, 100, 108. Wenn der Hausherr stirbt, müssen Pferde und Rindvieh umgebunden werden: 72; Pferde sind Behexungen unterworfen und werden von Walridersken geritten, auch werden Menschen von Walridersken in Pferde verwandelt, um geritten zu werden: 251. Pferdefleisch: 218. – Der Pferdefuß ist ein Merkmal des Teufels: 193, kommt bei einem Wiedergänger vor: 179v. Das Hufeisen ein Schutzmittel gegen Hexen: 233. Ein Pferd, dem absichtlich ein Nagel in den Huf getrieben: 502h. Pferden werden die Hufeisen verkehrt angeschlagen: 258l, 529e, 519c usw. Pferde mit goldenen Hufeisen: 34c. – Pferde sind nicht selten Spukgestalten. Pferd ist Teufel: 194n, 196c, Wiedergänger: 179, erscheint in Spukgeschichten, und zwar lahm: 197 f, i. schwarz: 179w, y, weißbunt: 186e, weiß: 175c, 184c, 185a, 186b. Einer, der einen Schimmel schlägt, wird zeitweilig geblendet: 185b. In gutem Sinne kommt ein Schimmel zu dem hl. Martin: 326d, dem Knecht Rupprecht, dem heiligen Christ, Sünner Klas und Stephan: 289, 292, 327. Vier Schimmel vor einem Mistwagen als Zeichen höchster Üppigkeit: 34c. Heerführer reiten in Prophezeihungen auf Schimmeln. 158o, q. Sechs Schimmel können einen Fluch lösen: 152g. Ein Schimmel hilft eine Kirche bauen: 537a. Ein Schimmel auf Langlütjensand: 581g. Der wilde Jäger reitet einen Schimmel: 249. – Ein Pferd, Haß genannt, gibt Dörfern ihren Namen: 516b. – Ein unsichtbares Pferd: 185c. Zwei künstlich abgerichtete Pferde: 518b. Wie Anton Günther den Kranich erhält: 614a. Pferde, die einen Glasberg erreiten: 621. – Zwei Reiter auf einem Pferde [139] nehmen Warzen ab: 85. – Pferdenamen in Kinderreimen: Flassenstärt, Hawerstärt, Slär-um-Heerd: 368a. Pferde und Füllen ohne Kopf: 186c. Zauber- und spukhafte Pferdeköpfe: 151c, 186d. Vgl. 383a. – In Pferdekot verwandeln sich die Schätze des Teufels: 198a, c, der Zwerge: 257h, der Walridersken: 251d. Pferdekot als Medikament: 110.

a.

Veer Raeder röllen,
veer brune Fellen,
Pietsche pidel klippklapp,
ra mal, wat is dat?

(bespannter Wagen.)

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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Sagen. Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Zweiter Band. Zweites Buch. Vierter Abschnitt. C. Das Tierreich. 369. [Das Pferd ist das »fürnehmste und glückbringendste Tier«]. a. [Veer Raeder röllen]. a. [Veer Raeder röllen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2F63-6