p.

Ein Bauer von Lohausen ging um das Jahr 1820 über die Heide, die sich zwischen Damme und Lohausen erstreckt. Da hört er plötzlich ein Brausen hinter sich und sieht etwas mit unerhörter Schnelligkeit sprühend bei sich vorbeisausen. Er erzählte den Vorfall sogleich zu Hause, aber niemand vermochte die Erscheinung zu deuten. Später kam öfter wieder die Rede darauf, aber die Sache blieb unaufgeklärt, bis man jetzt die Eisenbahnen kennen gelernt hat. Viele glauben jetzt, daß jene Erscheinung eine Eisenbahn vorbedeutet habe. – Zu Bokelesch hat ein alter Bettler einen Wagen ohne Pferde durch den Klosterbusch fahren und sich nach der Hannoverschen Seite nach Ihrhove zuwenden sehen. Auch dieser Wagen wurde auf einen Dampfwagen gedeutet. Ebenso hat man schon vor langer Zeit bei Sandersfeld Eisenbahnzüge fahren sehen. Ferner bei Ahlhorn, Steinfeld, Vechta, Lindern usw. – Ein Mann erzählt (1866): Es sind 50 Jahre her, da traf ich mit einem alten Onkel zusammen, der mir mitteilte, er sei in die Wiesen zwischen Beverdiek und Darrel (Gem. Essen) gegangen, um nachzusehen, ob auch der Kuhhirt gut Acht gebe. »Auf einmal sehe ich einen Feuerwagen ohne Pferde, welcher mehrere Wagen nach sich zieht, dahin rasen. Gleich darauf war alles aus.« Seit 1874 oder 75 läuft die Bahn Oldenburg-Osnabrück dort, [152] wo der Spuk gesehen ist. – »Frau D. in Lüsche bei Vestrup erzählte mir vor 6 Jahren: Eines Tages stand ich in der Nähe unseres Hauses und sah einen Dampfwagen vom Rosengarten her nach Ruhen Fellaken in der Richtung Carum fahren. Damals hatte Dinklage noch keine Bahn. Jetzt spricht man vom Weiterbau derselben; wird dann Lüsche oder Carum davon berührt werden?« – »Am 23. Mai 1885 fuhr ich mit meiner Mutter, meinem jüngsten Bruder und unserm Knecht von Löningen nach Herzlake. Dicht hinter Helmighausen, dort wo dessen letzten wallumgebenen Kämpe aufhören und die ausgedehnte Heidefläche beginnt, zeigte meine Mutter scherzend mit den Worten: ›Dort fährt nächstens die Eisenbahn‹ rechts in die Heide. Ich frug lachend: ›Woher weißt du das?‹ ›Unser Hinnerk hat sie schon vor 20 Jahren gesehen‹ war die Antwort. Hinnerk, mit scharfem Gehör begabt und neugierig auf unsere Unterhaltung lauschend, drehte sich auf dem Bock um und sagte lebhaft und energisch: ›Dät häb ick uck.‹ Im Brustton der Überzeugung erzählte er nun, daß er schon als Knabe rechts in der Heide, etliche hundert Schritte von der Chaussee entfernt, mit vollster Deutlichkeit die Lichter der Lokomotive, die Lokomotive und hinter dieser 4 oder 5 Wagen durch die Heide habe dahinfahren sehen. Er wies mit Entschiedenheit zurück, damals schon eine Eisenbahn oder auch nur das Bild eines Eisenbahnzuges jemals gesehen zu haben und wollte die Möglichkeit einer Täuschung nicht zugeben. 1885 war die Bahn Meppen-Haselünne-Herzlake noch nicht gebaut. Ich glaube, daß auch die Strecke Essen-Löningen nicht gebaut war. Wenn ich in späteren Jahren in der Zeitung las, wie die Ansichten auseinander gingen, ob und wo die Strecke Löningen-Landesgrenze gebaut werden sollte, habe ich manchmal in überlegener Weisheit gelächelt: ›Ich weiß es ja seit vielen Jahren, unser Hinnerk hats mir gesagt‹. Dennoch bin ich etwas neugierig, einmal zu erfahren, ob unser ›Schichtkieker‹ auch die Richtung recht gesehen hat. Vielleicht fahre ich noch selbst einmal in Helmighausen an Püsters und Meyers Hof vorbei und überzeuge mich, daß ich gar keinen Grund habe, an meinem ererbten Westfalenaberglauben irre zu werden.« Die Bahn Löningen-Helmighausen-Herzlake ist 1. Oktober 1907 eröffnet.

»Ein alter Mann erzählte mir vor etwa 30 Jahren, er sei am hellen Tage durch die Fuhren zwischen Hamstrup-Bunnen [153] gegangen. Plötzlich sei etwas vor ihm über den Weg gerasselt, er habe es für einen Eisenbahnzug gehalten. Nach mehreren Jahren wurde die Eisenbahn Essen-Löningen gebaut.«

In Großenkneten weiden Kühe auf einem Kampe, auf einmal stieben sie bei ruhiger Luft auseinander, ein Teil nach der einen, der andere nach der anderen Seite, wie wenn ein Gefährt zwischen sie durchgerannt wäre. Gleich darauf kommen alle wieder zusammen und blicken aufgeregt und neugierig nach einer Richtung, als wenn sie einem Reiter oder Wagen nachblicken. Das ist Vorgeschichte, sagte jemand, der den Vorgang beobachtet. Später wurde die Bahn Oldenburg-Osnabrück gebaut, und der Bahndamm lief über den besprochenen Weidekamp.

In Sehestedt am Jadebusen hat ein Mann die glühenden Augen einer Lokomotive auf dem Deiche sich fortbewegen sehen, der von Eckwarden nach Varel läuft, hat auch das Pusten der Maschine gehört.

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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Sagen. Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Erster Band. Erstes Buch. Vierter Abschnitt. Vorgeschichten. 158. [Dem Auge pflegen sich meist ganze Vorgänge oder doch Bilder zu]. p. [Ein Bauer von Lohausen ging um das Jahr 1820 über die Heide, die]. p. [Ein Bauer von Lohausen ging um das Jahr 1820 über die Heide, die]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3286-3