536. Damme.

a.

An der Chaussee von Damme nach Hunteburg jenseits der Grenze liegt ein großes ödes Moor, namens Dieven. Etwa in der Mitte desselben befindet sich ein kleines stehendes Wasser, Düwelspütten oderDievenkölke (»Daipen Päule«) genannt, das unergründlich sein und selbst im strengsten Winter nicht zufrieren soll. In diesem Wasser ist eine Glocke vom Kirchtum zu Damme verborgen. Als nämlich die Kirche zu Damme erbaut war, versuchte der Teufel, dieselbe zu zerstören, aber er kam zu spät, denn sie war bereits vom Vischof zu Osnabrück geweiht worden. Man hatte jedoch vergessen, die Glocke zu taufen, daher hatte der Teufel Gewalt über sie, ergriff sie in der Weihnachtsnacht und flog damit durch das südliche Turmfenster bis über den Dieven. Dort ließ er sie fallen, und sie sank in die Dievenkölke ein. In jeder Christnacht aber kann man die Glocke unter dem Wasser läuten hören. Die Dammer ließen sich alsbald eine neue Glocke gießen, welche getauft wurde und den Namen Gertrud erhielt.


Vgl. 192c.

b.

Von den Dammer Bergen ist der Mordkuhlen-oder Mördenersberg, von dem aus man eine prächtige Aussicht über den Dümmersee nach dem Stemshorn hat, der höchste. Vor vielen Jahren, als die Dammer Berge noch mit Wald bedeckt [330] waren, hatten vier Räuber in diesem Berge ihre Höhle, deren Spuren noch sichtbar sind, denn eine Grube von dreißig Fuß Weite und ebensoviel Tiefe ist noch in der Mitte des Berges vorhanden. Von der Höhle aus hatten sie Stricke über den Weg gespannt, und wenn Leute vorübergingen und die Stricke berührten, so erklangen in der Höhle Glöckchen, welche an den Stricken hingen. Dann stürzten die Räuber hinaus, schleppten die Reisenden in die Höhle und töteten und beraubten sie. Einst kam ein Mädchen an der Höhle vorüber, das nahmen sie zu sich in die Höhle, wo es ihnen den Haushalt führen mußte. Sieben Jahre war das Mädchen bei ihnen, und in diesen sieben Jahren hatte es sieben Kinder bekommen, aber allen nahmen sie das Leben und zogen sie auf einen Faden und sprachen:


»Knipperdähnken, Knipperdähnken,
Wat danzt de jungen Sähneken!«

Alle Tage bat das arme Mädchen, sie doch einmal nach Damme zur Kirche gehen zu lassen, sie wolle keinem Menschen offenbaren, wo sie gewesen sei und wohin sie wieder zurückkehren müsse, und sie wolle keinen Teil an Gott haben, wenn sie es tue. Endlich erhielt sie die Erlaubnis auf Weihnachten, und wie die Kirche aus war, stellte sie sich an die Kirchenmauer und sagte:


»Kirchenmauer, ich klage dich,
Ich heiße Maria Anna Wieverich;

ich will Erbsen streuen auf meinen Weg, und wo man ein Häuflein Erbsen finden wird, da bin ich hineingegangen.« Das hörten die Leute, und der Pastor zog mit einer Menge Volkes der Erbsenspur nach. Die Räuber wurden gefangen genommen und hingerichtet, die Höhle zerstört. In den Büschen aber sollen sie noch oft des Abends lärmen und die Leute erschrecken. (Nach Nieberding in den Oldenb. Blättern, 1817, S. 186 und mehreren mündlichen Mitteilungen. Bei Nieberding ist das Mädchen eine Tochter von Niehaus Stelle, das Fest, an welchem es die Kirche besuchen darf, Ostern. Nach einer andern Mitteilung ist das Fest ein Marienfest, das Mädchen geht vor das Muttergottesbild, klagt diesem bei versammelter Gemeinde ihre Not und bittet die heilige Jungfrau um einen Scheffel Erbsen, die sie auf den Weg streuen will. Als sie die Kirche verläßt, findet sie einen Beutel mit Erbsen, aber die Erbsen reichen für den ganzen Weg aus. Auch hört [331] man, daß das Mädchen dem Ofen in des Pastoren Stube ihr Schicksal erzählt. Vgl. auch noch 152d und 258l.) – Das ganze Bergrevier in der Nähe des Mordkuhlenberges wird Frettholt genannt, was so viel heißen soll wie Freßholz. Noch vor etwa 200 Jahren sollen alle diese kahlen, nur mit Heidekraut bewachsenen Berge mit großen Eichen besetzt gewesen sein, so daß eine große Menge Schweine alle Jahre von Damme aus zur Mast hineingetrieben werden konnte, und daher soll auch der Name entstanden sein. Jetzt ist aber jede Spur des Waldes verschwunden, und selbst die Pflanzenerde, welche sich in jedem Walde zu bilden pflegt, ist nirgends zu finden. (Die Nachricht stammt aus dem Anfang der 60er Jahre.)

c.

Wo jetzt der Dümmer See wogt, ist vor Zeiten ein großer Wald gewesen, und als Karl der Große die Sachsen bekriegte, hat er diesen Wald, in welchem seine Gegner ein Lager aufgeschlagen hatten, in Brand gesteckt und so die Sachsen vernichtet. Bald darauf hat die Hunte das tief ausgebrannte Becken bis auf den weißen Sandboden ausgewaschen und gefüllt, und so ist der Dümmer entstanden. (Die geringe Tiefe des Sees, Funde von Baumstämmen und Hirschgeweihen in seinem Becken werden die Sage aufgebracht haben.) Nach anderer Darstellung hat der Brand des Waldes und der Untergang der dorthin geflüchteten Sachsen in der St. Johannisnacht sich zugetragen, und noch alle Jahre kann man beobachten, daß um dieselbe Zeit ein gewaltiger Strudel im See entsteht, aus welchem eine hohe Flamme zum Himmel emporschießt. Wer mit seinem Schiffe in diesen Strudel gerät, ist rettungslos verloren. (Niedersächsisches Volksbuch, Hannover 1884.)

d.

Wie es in der Visbeker Kirche eine Moorriemer Tür gab (529), so gab es in der Dammer Kirche eine Dielinger Tür (Kirchdorf Dielingen liegt im Süden des Dümmer Sees im Rgbzk. Minden). In alten Zeiten gehörten zu Damme Neuenkirchen, Vörden, Steinfeld, Holdorf, Hunteburg und Dielingen. (Einige nannten die Dielinger Türe auch Hunteburger Türe.)

e.

In Bokern bei Damme steht unter einer uralten Buche eine Kapelle, sie ist das erste Gotteshaus in der Gemeinde gewesen, in ihr haben während einer Nacht die Gebeine des hl. Alexander bei der Überführung nach Wildeshausen (851) geruht, und sind bei dieser Gelegenheit Wunder geschehen. Erst später ist die Kirche in Damme erbaut. (Die Translationsurkunde[332] erzählt nur, daß während der Übertragung der Reliquien unterwegs »in pago Dersaborg in villa, quae dicitur Bochorna« eine Magd Waltberts durch die Wunderkraft des hl. Alexander geheilt sei.)


Vgl. 530d.

f.

Im Jahre 1811 richtete die französische Militärverwaltung einen optischen Telegraph ein zwischen Holland und Hannover. Einer der zu diesem Ende hergestellten Signaltürme stand auf einer Erhöhung beim Mordkuhlenberg, und soll daher diese Erhöhung den Namen Signalberg erhalten haben. Andere wollen wissen, der Signalberg habe schon als Wartturm gedient, als bei Damme die Römer mit den Germanen kämpften.


(Vgl. Böcker, Geschichte von Damme.)

g.

Der schönste Punkt bei Damme ist das Bexaddetal mit dem Meierhofe Bexadde. Die Sage berichtet: In jener Zeit, als diese Gegend noch wild und zerrissen und von Auerochsen und Bären durchstrichen war, als an Stelle der Kirche noch ein kleines schmuckloses Kapellchen stand, in welchem ein christlicher Einsiedler seine Gebete verrichtete und die heidnischen Sachsen zu bekehren suchte, zur Zeit Ludwigs des Frommen, wohnte auf der »Burg«, welche in ihren alten Befestigungen noch heute sichtbar ist, ein Ritter Ebbo von Harpen (der Name ist noch in Harpenau, Harpendorf usw. enthalten), ein Verwandter Wittekinds, des großen Heerführer der Sachsen, um als Befehlshaber der Vorhut des sächsischen Heeres den Einfällen der Franken entgegenzutreten. Nach dem Frieden zwischen den beiden kriegerischen Völkern machte Ebbo aus seinem Standquartier eine Ritterburg und lebte von dem Ertrage seines Feldes, liebte aber besonders die Jagd. Eines Tages, als der Ritter mit seinem treuen Knappen Sievke von einer Jagd am Dümmersee zurückkehrte, hatten sie sich von dem Jagdgefolge getrennt, um einen Sechszehnender zu verfolgen. Nach langem vergeblichen Jagen gelangten sie endlich von Müdigkeit und Durst ermattet in die Schlucht, wo heute Bexadde liegt. Nachdem der Ritter in der Not alle Götter seiner Väter angerufen, wandte er sich zuletzt auch zum Christengotte, von dessen Macht und Güte ihm der Einsiedler in Damme erzählt hatte, und versprach ihm, Altäre und Kirchen zu erbauen, wenn er ihn nebst seinem Knappen vor dem Tode des Verdurstens bewahre. Plötzlich stand vor den erschreckten Jägern eine holde Fee im lang herabwallenden himmelblauen Gewande mit einer Gerte in der Hand und erwiderte auf die dringliche Bitte und das erneute [333] Gelübde des Ritters mit ihrer weithin durch die Talschlucht schallenden Glockenstimme: So wisse denn, ich bin in diesem Tal die Nymphe, drum benennt man mich Bessade. Nachdem der Ritter dann noch versprochen, dem Sievke hierselbst ein Haus zu bauen und es zum Haushalt einzurichten, schlug die Fee mit der Gerte auf den Boden, worauf die jetzige Quelle entsproß. Auf der nach einem Jahre stattfindenden Hochzeit des Knappen erschien wieder die Nymphe und überreichte der jungen Frau das Bild der Ehe. Unter den Klängen eines geheimnisvollen Musik verschwand die Nymphe. Sievke führte aber von da ab den Namen Bexadde.

Am Timmerholte bei Damme zeigt sich der Weltjäger: 247b. – Bei Damme hat sich eine Eisenbahn im Vorspuk gezeigt: 158p. – Wie Schilgen Stelle am Wege nach Vörden vorgespukt hat: 161a. – Die Hexenbüsche nördlich von Nienhausen: 218. – In einem Hohlwege bei Hinnenkamp spukt es: 172a.


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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 536. Damme. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-35CE-9