Gaius Suetonius Tranquillus
Die zwölf Caesaren
[Auswahl]

[67] Gajus Julius Cäsar.

45. Er wird geschildert als ein Mann von hohem Wuchse, weißer Hautfarbe, wohlgerundet schlanken Gliedern, einem etwas vollen Gesicht, schwarzen lebhaften Augen und von guter Gesundheit, nur daß er in der letzten Zeit an plötzlichen Ohnmachten und unruhigen Träumen zu leiden pflegte. Auch von der Epilepsie ward er zweimal bei öffentlichen Versammlungen befallen. In der Schönheitspflege des Körpers war er fast zu peinlich, so daß er sich nicht nur sorgfältig scheren und rasieren, sondern, wie ihm einige nachgesagt haben, sogar die einzelnen Haare am übrigen Körper ausrupfen ließ und sich über die eintretende Entstellung einer kahlen Glatze gar nicht zufriedengeben konnte, zumal da er [67] über sie häufige Witze seiner Verkleinerer erfahren mußte. Daher hatte er sich gewöhnt, das spärliche Haar über den Scheitel von hinten nach vorn zu legen; und von allen Ehrenbezeigungen, die Senat und Volk ihm zuerkannt hatten, nahm und benutzte er keine lieber, als das Recht, stets einen Lorbeerkranz zu tragen. Auch in bezug auf seine Tracht erzählt man Eigentümliches von ihm. Er trug nämlich das senatorische, mit breitem Purpurstreif versehene Unterkleid an den bis auf die Hände reichenden Ärmelenden mit Fransen besetzt und nie an ders als oberhalb des Streifens, und zwar sehr lose gegürtet. Daher habe sich das von Sulla einmal geäußerte Wort verbreitet, der die Aristokraten oft ermahnte: »sich vor dem schlechtgegürteten Burschen in acht zu nehmen«.

46. Seine Wohnung hatte er zuerst in der Suburastraße in einem bescheidenen Hause, seit seiner Wahl zum Oberpriester aber auf der Heiligen Straße in einem dem Staate gehörigen Palaste. Daß er ein großer Freund einer prächtigen und geschmackvollen Einrichtung gewesen sei, haben viele berichtet. Eine Villa am Nemisee, die er von den Fundamenten an neu erbaut und mit großen Kosten vollendet hatte, ließ er, wie erzählt wird, weil sie seinem Geschmack nicht völlig entsprochen hatte, gänzlich niederreißen, obwohl er damals noch ein unbedeutender Mann und tief verschuldet war. Auf seinen Feldzügen soll er überall kostbare Marmorfliesen und Mosaikfußböden mit sich geführt haben.

47. Nach Britannien soll er in der Hoffnung, dort Perlen zu finden, gegangen sein, deren Gewicht er, wenn er [68] ihre Größe verglich, zuweilen mit eigener Hand abwog. Gemmen, getriebene Gefäße von edlem Metall, Statuen und Gemälde kaufte er, wie man berichtet, stets mit leidenschaftlichem Eifer an; für wohlgebildete und sorgfältig unterrichtete Sklaven zahlte er Preise von so ungeheurer Höhe, daß er sich selbst darüber schämte und den Betrag in seinen Rechnungsbüchern zu verzeichnen verbot.

48. Was seine Tafel betrifft, so hielt er deren in den Provinzen beständig zwei: eine, an der die höheren Militärs und die gebildeten Griechen seines Gefolges, und eine zweite, an der vornehme Römer vom Zivil mit den Ersten des Provinzialadels speisten. Dabei hielt er seine Haushaltungsbedienten in kleineren wie in größeren Dingen in so genauer, ja sogar strenger Ordnung, daß er den Bäcker, der seinen Tafelgästen heimlich anderes Brot als ihm selbst vorlegte, in den Stock legen ließ und einen seiner Lieblingsfreigelassenen, der die Frau eines römischen Ritters verführt hatte, obschon niemand als Kläger auftrat, mit dem Tode bestrafte.

49. Den Ruf seiner Keuschheit verletzte zwar außer der Gemeinschaft mit Nikomedes nichts, doch blieb jener Vorwurf schwer und dauernd haften und setzte ihn allseitiger Schmähung aus. Ich übergehe des Calvus Licinius allbekannte Verse:


– Was nur Bithynien

Und Cäsars Buhler je besessen hat.


Ferner die Senatsreden Dolabellas und Curios des Vaters, in denen ihn Dolabella »die königliche Mätresse«, »die Innenseite des Königslagers«, Curio gar »den Stall des Nikomedes« und »das bithynische Bordell« genannt hat. Auch gedenke ich nicht der Edikte des Bibulus, in denen dieser seinen Kollegen öffentlich als »die bithynische Königin« und als einen Menschen bezeichnete, »dem ehemals ein König am Herzen gelegen, jetzt die Königsherrschaft«. Es war das um dieselbe Zeit, wo, wie Marcus Brutus erzählt, auch ein gewisser Octavius, der sich, weil er zeitweise geisteskrank [69] war, viel Freiheit im Reden erlaubte, in großer Gesellschaft erst den Pompejus als »König« und darauf den Cäsar als »Königin« begrüßte. Allein Gajus Memmius beschuldigte ihn sogar, daß er bei einer zahlreichen Tafelgesellschaft, an der mehrere Kaufherren aus Rom, deren Namen er nennt, teilnahmen, mit den anderen Lustknaben dem Nikomedes Mundschenkdienste geleistet habe. Cicero nun gar begnügte sich nicht damit, in einigen seiner Briefe zu erzählen: Cäsar, im Purpurgewande von Trabanten in das Schlafzimmer und zum goldenen Königslager geführt, habe die Blüte seiner Jugend und seine Abstammung von der Venus bithynischer Befleckung preisgegeben, sondern sagte ihm sogar einmal im Senat, als Cäsar die Sache der Nysa, der Tochter des Königs, verteidigte und dabei die ihm vom Könige erwiesenen Dienste geltend machte: Laß doch dies alles weg, bitt ich dich! Es ist ja bekannt, was er dir und was du ihm geleistet hast. Bei dem Gallischen Triumphe endlich ließen seine Soldaten unter anderen lustigen Gassenhauern, dergleichen sie noch jetzt hinter dem Triumphwagen hersingen, auch jene allbekannten Verse hören:


Gallien unterwarf der Cäsar, Nikomedes Cäsarn einst.

Siehe, Cäsar triumphiert jetzt der die Gallier unterwarf!

Nikomedes triumphiert nicht, der den Cäsar unterwarf.


50. Daß er der Liebeslust ergeben gewesen und für sie viel Geld verschwendet habe, ist die allgemeine Meinung, sowie auch, daß er sehr viele Frauen vornehmer Geburt verführt habe, darunter die Postumia des Servius Sulpicius, die Lollia des Aulus Gabinius, die Tertulla des Marcus Crassus, sogar des Gnäus Pompejus Gattin, die Mucia. Wenigstens hat Pompejus von den beiden Curios, Vater und Sohn, den Vorwurf hören müssen, daß er die Tochter desselben Mannes, um dessentwillen er eine Frau verstoßen, die ihm drei Kinder geboren, und den er oft seufzend seinen Ägisthus genannt hätte, später aus Begierde nach Macht zum Weibe genommen habe. Vor allen anderen aber liebte er die Mutter des Marcus Brutus, Servilia, der er nicht [70] nur schon während seines ersten Konsulats einen Perlenschmuck für sechs Millionen Sesterzien kaufte, sondern ihr auch im Bürgerlichen Kriege, außer anderen Schenkungen, in den öffentlichen Versteigerungen die bedeutendsten Landgüter für einen Spottpreis zuschlug, und als bei dieser Gelegenheit viele sich über den geringen Preis wunderten, äußerte Cicero überaus witzig: Der Kauf ist noch viel besser, als ihr wißt, – denn die Tertia ist abgezogen. Es herrschte nämlich der Glaube, Servilia suche auch ihre Tochter mit Cäsar in ein Verhältnis zu bringen.

51. Nicht einmal in den Provinzen waren die Ehefrauen vor ihm sicher, wie das folgende Distichon beweist, das die Soldaten gleichfalls bei dem Gallischen Triumphe sangen:


Städter wahret eure Weiber, unser Kahlkopf ziehet ein!

Was in Gallien du den Huren schenktest, nahmst du hier auf Borg!


52. Auch Königinnen waren Gegenstand seiner Neigung; zum Beispiel die Eunoe, die Gattin des Maurenkönigs Bogud, denen er beiden, wie Naso berichtet, sehr häufige und wahrhaft unermeßliche Geschenke machte. Vor allen aber liebte er die Kleopatra, in deren Gesellschaft er oft bis an den hellen Morgen tafelte und mit der er in ihrem großen Prachtschiffe, das mit einer kostbar eingerichteten Kajüte versehen war, durch ganz Ägypten bis beinahe nach Äthiopien reiste, wobei er sich nur durch die Weigerung des Heeres, ihm weiter zu folgen, zur Umkehr bewegen ließ. Endlich [71] lud er sie sogar nach Rom ein und überhäufte sie bei ihrem Abschiede mit Ehrenbeweisen und Geschenken, willigte auch ein, daß ein Sohn, den sie geboren hatte, seinen Namen erhielt. Von dem melden freilich einige griechische Schriftsteller, daß er allerdings auch Cäsars Ebenbild an Gestalt und Gang gewesen sei. Marcus Antonius versicherte dem Senate, daß Cäsar ihn anerkannt habe, wie dem Gajus Matius, dem Gajus Oppius und den übrigen Vertrauten Cäsars bekannt sei. Doch veröffentlichte der genannte Gajus Oppius, als bedürfe die Sache einer Ablehnung oder Abwehr, eine Schrift unter dem Titel: »Beweis, daß der von Kleopatra dafür ausgegebene nicht Cäsars Sohn ist.« Helvius Cinna, der Volkstribun, äußerte gegen viele, er habe ein in aller Form abgefaßtes Gesetz in Händen gehabt, das er nach Cäsars Befehl in dessen Abwesenheit habe puplizieren sollen: daß es (ihm), um Kinder zu zeugen, freistehen solle, welche und so viel Frauen er wolle, zu heiraten. Und um gar keinen Zweifel darüber zu lassen, daß der Ruf der unnatürlichen Unkeuschheit und ehebrecherischer Verbindungen brennend auf ihm haftete, erwähne ich, daß Curio der Vater ihn in einer seiner Reden »den Mann aller Weiber und das Weib aller Männer« nennt.

53. Seine Mäßigkeit im Weingenusse haben selbst die Feinde nicht in Abrede gestellt. Es ist ein Wort Catos: Cäsar allein von allen sei nüchtern an den Umsturz der Republik gegangen. Und was das Essen anlangt, so belehrt [72] lehrt uns Gajus Oppius über seine Gleichgültigkeit gegen Tafelgenüsse durch die Erzählung, daß er einst, als bei einem Gastgeber altes Öl statt frischem bei Tafel gereicht und von allen Anwesenden abgelehnt wurde, allein reichlicher als gewöhnlich davon genommen, damit es nicht aussehe, als mache er dem Wirte den Vorwurf der Nachlässigkeit oder des Mangels an Lebensart.

54. Uneigennützigkeit bewährte er weder in seinen Militärkommandos noch in seinen Zivilämtern. Wie einige in ihren Denkwürdigkeiten nachgewiesen haben, nahm er als Prokonsul nicht nur in Spanien von den Verbündeten Geld, das als Beihilfe zur Bezahlung seiner Schulden zusammengebettelt wurde, sondern plünderte auch in Lusitanien einige Städte, obschon sie sich keinerlei Ungehorsams schuldig gemacht und ihm bei seiner Ankunft sofort die Tore geöffnet hatten, wie eroberte Orte aus. In Gallien raubte er die mit Weihgeschenken gefüllten Heiligtümer und Tempel der Götter aus und zerstörte die Städte öfter um der Beute als um eines Vergehens willen. Daher hatte er bald so viel Überfluß an Gold, daß er es zu dreitausend Sesterzien das Pfund in ganz Italien und in den Provinzen als Ware feilbieten ließ. In seinem ersten Konsulate stahl er dreitausend Pfund Gold aus dem Kapitol und ersetzte es durch ebensoviel vergoldetes Kupfer. Er verkaufte Bündnisse und Königreiche, wie er denn allein dem Ptolemäus nahe an sechs tausend Talente in seinem und des Pompejus Namen abnahm. Und in der späteren Zeit bestritt er die schweren Kosten der Bürgerkriege und den Aufwand der Triumphe [73] und öffentlichen Feste mit Hilfe der offenbarsten Erpressungen und Tempelräubereien.

[74]

[75] [157]Cäsar Octavianus Augustus.

61. Da ich nun im bisherigen gezeigt habe, wie er sich als Feldherr und Staatsbeamter sowie in der kriegerischen und friedlichen Oberleitung des weltbeherrschenden Staates bewährt und erwiesen hat, will ich jetzt von seinem Privat- und Familienleben berichten und erzählen, in welcher Weise und unter welchen Umständen des Geschickes er in seiner Familie von seiner Jugend bis zum Tage seines Todes gelebt hat. Die Mutter verlor er im ersten Konsulat, seine Schwester Octavia, als er im vierundfünfzigsten Jahre stand. Beiden bewies er, wie er sie im Leben höchst achtungsvoll behandelt hatte, so auch nach ihrem Tode alle möglichen Ehren.

62. Verlobt war er als junger Mensch mit der Tochter des Publius Servilius Isauricus gewesen. Allein nach seiner ersten Aussöhnung mit Antonius heiratete er auf das Andringen [157] beider Heere, welche die Verbindung auch durch eine Verwandtschaft befestigt zu sehen wünschten, dessen Stieftochter Claudia, die Tochter der Fulvia vom Publius Clodius, obschon sie damals kaum mannbar war, schied sich aber von ihr, infolge eines Zwistes mit ihrer Mutter Fulvia, als Jungfrau und ohne sie berührt zu haben. Bald darauf nahm er die Scribonia zur Frau, die früher zweimal an Männer konsularischen Ranges verheiratet gewesen war und von einem derselben Kinder hatte. Auch von dieser schied er sich, weil er, wie er selbst schreibt, »ihren ausschweifenden Charakter nicht länger ertragen konnte,« und entführte sofort dem Tiberius Nero dessen Frau Livia Drusilla, obschon dieselbe bereits schwanger war, und bewies derselben bis an sein Ende die größte Hochachtung und Treue.

63. Von der Scribonia hatte er die Julia, von der Livia gar keine Kinder, so sehnlich er sie auch wünschte. Ein Kind, mit dem sie schwanger ging, kam unzeitig zur Welt. Die Julia verheiratete er zuerst an Marcellus, den Sohn seiner Schwester Octavia, der nur erst aus dem Knabenalter getreten war, dann, als derselbe starb, an den Marcus Agrippa, indem er seine Schwester durch Bitten bewog, ihm ihren Tochtermann zu überlassen. Agrippa hatte nämlich damals die eine der beiden Schwestern, Marcella, zur Frau und Kinder von ihr. Als auch dieser starb, erwählte er, nachdem er sich lauge sogar im Ritterstande nach Partien umgesehen hatte, seinen Stiefsohn Tiberius zu Julias Gatten und zwang denselben, seiner eigenen hochschwangeren Frau, die ihn bereits zum Vater gemacht hatte, den Scheidebrief zu geben. Marcus Antonius schreibt: zuerst habe er die Julia seinem Sohne verlobt, darauf dem Getenkönige Cotys, und zu derselben Zeit habe er auch für sich um eine Tochter des Königs angehalten.

[158] 64. Enkel aus der Ehe der Julia mit Agrippa hatte er drei: Gaius, Lucius und Agrippa, Enkelinnen zwei: die (jüngere) Julia und die Agrippina. Die Julia verheiratete er an Lucius Paullus, Zensorssohn, die Agrippina an Germanicus, den Neffen seiner Schwester. Den Gajus und Lucius adoptierte er, nachdem er sie vorher zu Hause ihrem Vater nach der alten Formel abgekauft hatte, ließ sie früh in den Staatsdienst treten und sie, nachdem sie zuvor zum Konsulat designiert worden waren, die Provinzen bereisen und die verschiedenen Heere besuchen. Seine Tochter und seine Enkelinnen erzog er so streng, daß er sie sogar zum Wollespinnen anhielt und daß sie nichts reden und tun durften, was nicht die Offentlichkeit vertrug und in das Hausjournal aufgenommen werden konnte. Von dem Verkehr mit der Außenwelt hielt er sie so streng entfernt, daß er einmal dem Lucius Vinicius, einem jungen Manne von edler Abstammung und Sitten, es brieflich »als einen Mangel an schicklichem Betragen« verwies, »daß er nach Bajä gekommen sei, um seiner Tochter aufzuwarten«. Seine Enkel unterwies er im Lesen, Schreiben und den sonstigen Anfangsgründen des Unterrichts größtenteils selbst [159] und ließ es sich ganz besonders angelegen sein, daß sie seine eigene Handschrift nachahmen konnten. Wenn er mit ihnen speiste, saßen sie ihm zur Rechten auf dem Seitenpolster des Trikliniums; auf Reisen fuhren sie ihm stets voraus oder ritten neben ihm her.

65. Aber mitten in seiner freudigen Zuversicht auf seine Nachkommenschaft und ihre Erziehung verließ ihn das Glück. Die beiden Julien, die Tochter und die Enkelin, die durch Ausschweifungen aller Art ihren Ruf befleckt hatten, verbannte er. Den Gajus und Lucius verlor er beide in Zeit von achtzehn Monaten; Gajus starb in Lycien, Lucius in Massilia. Den dritten Enkel Agrippa samt seinem Stiefsohne Tiberius adoptierte er auf dem Forum vor den versammelten Kurien. Von diesen beiden verstieß er nach kurzer Frist wieder den Agrippa wegen seines gemeinen und wilden Charakters und verwies ihn nach Surrentum. Doch beugte ihn der Tod der Seinen minder tief, als die Schande derselben. Den Verlust des Gajus und Lucius hatte er ziemlich ungebrochenen Mutes ertragen, über seine Tochter aber ließ er schriftlich durch einen Stellvertreter, den Quästor, der seinen Aufsatz vorlas, an den Senat Bericht erstatten und hielt sich überhaupt aus Schamgefühl lange von allem Verkehr mit Menschen entfernt; ja, er dachte sogar daran, sie töten zu lassen. Wenigstens äußerte er, als um diese Zeit eine der Vertrauten Julias, eine Freigelassene namens Phöbe, ihrem Leben durch Erhängen ein Ende machte: »er hätte wohl gewünscht, der Vater der Phöbe gewesen zu sein«. Der verbannten Tochter entzog er den Genuß des Weines und jede feinere Bequemlichkeit des Lebens. Kein Mensch, weder Freier noch Sklave, durfte [160] ihr ohne seine vorher eingeholte Erlaubnis nahen, und zwar ließ er sich dabei zuvor über Alter, Statur, Gesichtsfarbe, besondere Kennzeichen und Narben des Leibes genau Bericht erstatten. Erst nach einem Zeitraume von fünf Jahren versetzte er sie von der Insel auf das Festland Italiens und ließ ihre Gefangenschaft in etwas mildern. Sie vollständig zurückzurufen konnte ihn aber kein Flehen bewegen; und als das römische Volk nach wiederholten Bitten einmal heftiger als sonst ihn bestürmte, erwiderte er ihnen darauf in offener Versammlung mit den furchtbaren Worten: er wünsche ihnen solche Töchter und solche Gattinnen! Ein Kind, das seine Enkelin Julia nach ihrer Verurteilung gebar, verbot er anzuerkennen und aufzuziehen. Den Agrippa, der nicht fügsamer, sondern täglich nur toller wurde, ließ er auf eine Insel bringen und obenein durch ein Kommando Soldaten eng bewachen. Auch verordnete er mittels eines Senatsdekrets, das er für ewig dort gefangen bleiben sollte; und so oft seiner oder einer der beiden Julien Erwähnung geschah, pflegte er tief aufseufzend den griechischen Vers zu rezitieren:


Wär' ich doch ehelos blieben und kinderlos einsam gestorben!


auch nannte er sie nicht anders, als seine drei Eiterbeulen oder seine drei Krebsgeschwüre.

66. Freundschaften zu knüpfen entschloß er sich zwar nicht leicht, war aber von ausharrender Treue im Bewahren derselben und wußte nicht nur eines jeden gute Eigenschaften und Verdienste würdig zu ehren, sondern auch seine Fehler und Vergehen, wenn sie nur ein gewisses Maß nicht überstiegen, zu ertragen. Denn man wird aus der gesamten Zahl seiner Freunde kaum irgendwelche in Ungnade gefallene finden, mit Ausnahme des Salvidienus Rufus, den [161] er bis zum Konsulat, und des Cornelius Gallus, den er zur Präfektur von Ägypten, beide aus niedrigsten Verhältnissen, befördert hatte. Den ersteren, der einen Aufstand gegen ihn anzettelte, übergab er dem Senate zur Verurteilung; dem anderen, der sich undankbar und böswillig gegen ihn gezeigt hatte, untersagte er den Zutritt an seinem Hofe und den Aufenthalt in seinen Provinzen. Doch selbst in dem letzteren Falle, als Gallus, von den wider ihn auftretenden Anklägern und den Beschlüssen des Senates hart bedrängt, sich selbst entleibte, belobte er zwar den in dieser Sache von den Verfolgern für ihn bewiesenen großen Pflichteifer sittlicher Entrüstung, vergoß aber nichtsdestoweniger Tränen über das Los des Mannes und beklagte seinerseits laut: »daß ihm allein nicht vergönnt sei, seinen Freunden nur soweit er wolle zu zürnen!« Seine übrigen Freunde genossen, jeder als der erste seines Standes, Einfluß und Reichtum bis an ihr Lebensende, wenn sie ihm auch manchmal zur Unzufriedenheit Anlaß gaben. So hatte er zuweilen Ursache, um anderer nicht zu erwähnen, sich über Marcus Agrippas zu große Empfindlichkeit und über Mäcenas' Mangel an Verschwiegenheit zu beklagen, als jener einmal auf einen leichten Anschein von Kälte seinerseits, und weil er sich dem Marcellus nachgesetzt glaubte, mit Instichlassung aller Geschäfte sich nach Mitylene zurückgezogen und dieser das Geheimnis der entdeckten Verschwörung Murenas an seine Frau Terentia ausgeplaudert hatte. Dagegen verlangte auch er seinerseits von seinen Freunden Beweise ihres Wohlwollens gegen ihn, und zwar ebensowohl nach ihrem Tode, [162] als bei ihren Lebzeiten. Denn obschon er keineswegs nach Erbschaften strebte – wie er sich denn niemals dazu herbeigelassen hat, von dem Vermächtnisse eines Unbekannten irgend etwas anzunehmen –, so war er doch bei seinen Freunden inbetreff der Urteile über ihn, welche sie ihrem letzten Willen einverleibten, überaus empfindlich und verhehlte ebensowenig seinen Schmerz, wenn jemand allzu kurz und in minder achtungsvollen Ausdrücken, als er, seine Freude verhehlte, wenn einer mit Dankbarkeit und Pietät sich über ihn geäußert hatte. Legate oder Erbschaftsanteile, die ihm von Eltern, mochten diese sein, welche sie wollten, vermacht worden waren, pflegte er entweder sofort an deren Kinder abzutreten oder, wenn dieselben noch unmündig waren, am Tage ihrer Mündigkeitserklärung, wenn es Söhne, oder am Tage ihrer Verheiratung, wenn es Töchter waren, mit Zins zurückzugeben.

67. Als Patron seinen Klienten und als Herr seinen Sklaven gegenüber war er ebenso streng als umgänglich und gütig, und viele Freigelassene, wie z.B. Licinius, Enceladus und andere mehr, erfreuten sich seiner Achtung und seines Vertrauens. Den Cosmus, seinen Sklaven, der sich sehr arge Reden über ihn zuschulden kommen ließ, begnügte er sich, statt harter Strafe bloß in den Bock legen zu lassen. Als sein Hausverwalter Diomedes ihn einmal bei einem gemeinsamen Spaziergange einem plötzlich anrennenden wilden Eber gegenüber aus Furcht im Stiche ließ, wollte er darin lieber Furchtsamkeit als böse Absicht erblicken und machte aus einem Verhalten, bei dem sein Leben auf dem Spiel gestanden hatte, weil doch keine böse Absicht vorhanden war, einen Scherz. Derselbe so milde Mann aber zwang den Proculus, einen seiner liebsten Freigelassenen, zum Selbstmorde, als es herauskam, daß er mit vornehmen Frauen im Ehebruch lebe, und ließ dem Thallus, seinem Sekretär, weil er für eine Bestechung von fünfhundert Denaren einen seiner Briefe ausgeliefert hatte, die Beine verstümmeln. Den Hofmeister und die Diener seines Sohnes[163] Gajus, welche dessen Krankheit und Tod dazu benutzt hatten, in der Provinz mit Grausamkeiten und Erpressungen arg zu wirtschaften, ließ er mit schweren Gewichten am Halse im Flusse ersäufen.

68. Als ganz junger Mensch wurde ihm vielerlei Schimpfliches nachgesagt. Sextus Pompejus schalt ihn einen weibischen Weichling; Marcus Antonius sagte ihm nach, er habe die Adoption seines Oheims durch unkeusche Preisgebung verdient; Lucius, des Marcus Bruder: er habe seinen zuerst von Cäsar genossenen Leib auch dem Aulus Hirtius in Spanien für dreimalhunderttausend Sesterzien preisgegeben und, um das Haar an seinen Schenkeln weicher zu machen, dasselbe häufig mit glühenden Nußschalen abgesengt. Ja auch das Volk bezog einmal in Masse am Tage einer Bühnenvorstellung als schimpfliche Anspielung auf ihn unter allgemeinem Beifall einen Vers, in welchem es von einem die Pauke schlagenden Priester der Göttermutter hieß:


Sieh, wie dieser Weichling mit dem Finger hier den Kreis regiert!


69. Seine Liebschaften mit verheirateten Frauen stellen jedenfalls selbst seine eigenen Freunde nicht in Abrede, obschon sie allerdings entschuldigend hinzufügen: hier sei nicht Wollust, sondern Politik als Motiv im Spiele und solche Buhlschaften für ihn das Mittel gewesen, um so leichter die Anschläge seiner Gegner durch deren Frauen auszukundschaften. Marcus Antonius wirft ihm außer der eilfertigen Verheiratung mit der Livia auch noch die Geschichte mit der Frau eines Mannes von konsularischem Range vor, die er in Gegenwart ihres Gatten aus dem Speisesaale[164] ins Schlafzimmer geführt und darauf mit geröteten Ohrläppchen und in Unordnung gebrachter Frisur wieder zur Tafel zurückgeführt habe; desgleichen daß er die Scribonia darum verstoßen, weil sie ihren Unwillen über den maßlosen Einfluß der Mätresse zu heftig geäußert und daß er seine Freunde als Kuppler benutzt habe, die in seinem Auftrage verheiratete Damen und erwachsene Jungfrauen zu diesem Zwecke, als kauften sie dieselben, bei dem Sklavenhändler Thoranius nackt in Augenschein nehmen mußten. Auch schreibt ihm Antonius einmal in einem vertraulichen Briefe aus der Zeit, wo er ihm noch nicht völlig entfremdet oder gar offenbarer Feind war: Was hat dich (gegen mich) verändert? Etwa, daß ich bei der Königin schlafe? Sie ist meine Frau. Habe ich denn erst jetzt damit angefangen oder nicht vielmehr schon vor neun Jahren? Und du selbst, schläfst du nur bei der Drusilla? Ich wette auf dein Leben, daß du, wenn du diesen Brief liesest, bereits die Tertulla oder die Terentilla oder die Rufilla oder die Salvia Titiscennia oder alle zusammen gehabt hast. Und liegt denn überhaupt etwas daran, wo und bei wem man seine Lust befriedigt?

70. Auch von einer geheimen Tischgesellschaft, die man die Gesellschaft der Zwölf Götter nannte, fabelte man viel in den Stadtgesprächen. Die Gäste sollten in der Tracht der Götter und Göttinnen bei Tische gelegen und Augustus selbst die Rolle des Apollo übernommen haben; so lautet der Vorwurf nicht nur in den Briefen des Antonius, wo die Namen der einzelnen mit den bittersten Bemerkungen aufgezählt sind, sondern auch in jenen allbekannten Versen eines anonymen Autors:


[165] Als den Choragen der Tisch der sauberen Brüder gedungen

Und sechs Götter und sechs Göttinnen Mallia sah;

Als dort Cäsar sich frech vermißt den Apollo zu spielen,

Feiernd beim nächtlichen Schmaus göttlicher Liebschaften Bild, –

Alle Himmlischen wendeten da den Blick von der Erde,

Jupiter selber, er floh fort von dem goldenen Thron.


Verstärkt wurde das Gerede von dieser Tischgesellschaft durch die damals in der Stadt herrschende sehr große Hungersnot, und tags darauf rief man bei seinem Erscheinen auf der Straße laut: »Alles Brotkorn hätten die Götter aufgegessen!« und »Cäsar sei der richtige Apoll, aber der Henkerapoll!« Unter diesem Beinamen wurde nämlich der genannte Gott in einem gewissen Stadtteile verehrt. – Gestichelt wurde auch auf ihn wegen seiner übergroßen Begier nach kostbarem Hausrat und korinthischen Gefäßen sowie auf seinen Hang zum Würfelspiele. Denn zur Zeit der Ächtungen schrieb man an seine Statue:


Mein Vater war ein Argentarius, ich bin ein Korinthiarius!


weil die Meinung verbreitet war, daß er manche bloß wegen ihrer korinthischen Gefäße habe auf die Liste der Geächteten setzen lassen; und später, im Sizilischen Kriege, setzte man gegen ihn das Epigramm in Umlauf:


[166] Nachdem er zweimal zu Meer besiegt die Schiffe verlor

Treibt er, um endlich einmal zu siegen, das Würfelspiel!


71. Von diesen, soll man sagen Anschuldigungen oder boshaften Verläumdungen hat er die schimpfliche Beschuldigung unnatürlicher Wollust am leichtesten durch die Keuschheit seines damaligen gleichzeitigen und späteren Lebens widerlegt. Desgleichen den gehässigen Vorwurf der Prunkliebe, indem es Tatsache ist, daß er nach der Eroberung von Alexandria, mit Ausnahme eines einzigen myrrhinischen Kelches, von dem gesamten königlichen Hausrate für sich nicht das geringste zurückbehielt und bald darauf auch das zum täglichen Gebrauche dienende goldene Tafelgeschirr samt und sonders einschmelzen ließ. In den Netzen der Frauenliebe dagegen blieb er sein Leben lang verstrickt und war auch in späteren Jahren, wie die Rede geht, ein großer Freund junger Mädchen, die er von überall her, sogar durch Vermittlung seiner eigenen Frau, sich zu verschaffen wußte. Das Gerede über sein Würfelspiel ließ er sich vollends in keiner Weise anfechten und spielte ohne Hehl und Heimlichkeit zu seinem Vergnügen fort, selbst noch als Greis und nicht bloß im Dezembermonat, sondern auch an anderen Fest- und Werkeltagen. Auch steht dies zweifellos fest. In einem eigenhändig geschriebenen Briefe an den Tiberius sagt er zu demselben: Meine Tischgesellschaft war die dir bekannte, noch durch Vinicius und Silius den Vater als außergewöhnliche Gäste verstärkt. Bei der Tafel haben wir alten Leute ganz gemütlich unser Spielchen gestern wie [167] heute gemacht. Wir würfelten nämlich so, daß, wer den Hund oder den Sechser warf, für jeden Würfel einen Denar in den Pott setzen mußte, und wer die Venus warf, das Ganze bekam. – Wieder in einem anderen Briefe heißt es: Wir haben, lieber Tiberius, das Minervenfest der fünf Tage recht heiter verlebt. Wir haben nämlich alle Tage gespielt und das Würfelbrett nicht kalt werden lassen. Dein Bruder hat dabei ein großes Geschrei verführt; zu guter Letzt hat er indessen nicht viel verloren, sondern sich aus seinen großen Verlusten allmählich wider Erwarten herausgezogen. Ich habe zwanzigtausend Sesterzien verloren, doch nur, weil ich überaus liberal gespielt habe, wie das gewöhnlich meine Art ist. Denn wenn ich alle die nachgelassenen Würfe eingefordert oder das behalten hätte, was ich den einzelnen Mitgliedern geschenkt habe, so hätte ich wohl an die fünfzigtausend gewonnen gehabt. Aber es ist mir so lieber. Denn der Ruhm meiner Freigebigkeit wird bis an den Himmel erhoben werden. An seine Tochter schrieb er: Ich schicke dir hier 250 Denare als die Summe, welche ich jedem meiner Tischgäste zum Würfeln oder Paar- und Unpaarspiel bei Tisch gegeben habe. – In allen übrigen Lebensverhältnissen war er tatsächlich von höchster Enthaltsamkeit und ohne den Verdacht eines Fehlers.

72. Seine Wohnung war zuerst am römischen Forum oberhalb der Stiegengasse der Ringschmiede, in dem Hause, welches ehemals dem Redner Calvus gehört hatte, später [168] auf dem Palatium, aber auch dort nur in dem mäßigen Hortensischen Hause, das weder durch großen räumlichen Umfang, noch durch bauliche Pracht in die Augen fiel, nur kurze Säulenhallen von albanischem Peperin und in den Zimmern keinen Schmuck von Marmor oder kunstvollen Mosaiken hatte. Und zwar bewohnte er über vierzig Jahre lang Sommers und Winters dort ein und dasselbe Schlafzimmer, obgleich die Erfahrung ihn lehrte, daß die Stadt im Winter seiner Gesundheit keineswegs zuträglich war und er den Winter durchgängig in der Stadt zubrachte. Wollte er einmal etwas im geheimen und ohne Störung arbeiten, so hatte er dazu eine besondere, auf der Höhe liegende Wohnung, die er sein Syrakus und Atelier zu nennen pflegte. Dorthin begab er sich in solchen Fällen oder auch wohl auf die nahe bei der Stadt gelegene Villa irgendeines seiner Freigelassenen. In Krankheitsfällen pflegte er das Haus des Mäcenas zum Aufenthalte zu benutzen. Sommeraufenthalte machte er meistens am Meere und auf den Inseln Kampaniens oder auch in den der Hauptstadt nahe gelegenen kleinen Landstädten Lanuvium und Präneste sowie in Tibur, wo er auch in den Portiken des Herkulestempels sehr oft zu Gericht saß. Große und prächtige Lusthäuser konnte er nicht leiden. Das von seiner Enkelin Julia mit verschwenderischer Pracht erbaute Landhaus ließ er sogar bis auf den Grund niederreißen und seine eigenen, so mäßig sie auch waren, schmückte er nicht mit Statuen [169] und Gemälden, sondern mit Spazierwegen und Baumpflanzungen sowie mit Altertümern und Raritäten aus, wie z.B. in seinem Landhause auf der Insel Capri noch jetzt die Sammlungen von Riesenknochen ungeheurer Land- und Seetiere sich befinden, welche man Gigantenknochen und Heroenwaffen nennt.

73. Die Sparsamkeit in betreff seines Mobiliars und Hausgeräts erkennt man auch jetzt noch an den erhaltenen Ruhebetten und Tischen, wovon das meiste kaum für einen gewöhnlichen Privatmann schicklich ist. Selbst seine Schlafbettstelle war stets niedrig und die Polster und Betten von geringem Werte. Als Kleidung trug er nicht leicht etwas anderes als sein Hauskleid, das ihm Gattin, Schwester, Tochter und Enkelinnen anfertigten. Seine Toga war weder zu eng, noch übermäßig weit; der Purpurstreifen derselben hielt die Mitte zwischen dem breiten und dem schmalen, dagegen trug er etwas erhöhte Sohlen, um größer, als er war, zu erscheinen. Seine Amtskleider endlich und seine Schuhe mußten stets in seinem Schlafzimmer befindlich und für plötzliche und unerwartete Fälle bereit sein.

74. Tafel mit Gästen hielt er regelmäßig und nie anders als vollständig, doch beobachtete er bei den Einladungen genau Rücksicht auf Rang und Charakter. Valerius Messala erzählt, daß er nie einen Mann freigelassenen Standes zur Tafel gezogen habe, ausgenommen den Menas, der jedoch, nachdem er die Flotte des Sextus Pompejus verraten hatte, [170] mit allen Rechten eines Freigeborenen beschenkt worden war. Augustus selbst schreibt, er habe einmal einen Mann, auf dessen Villa er Quartier zu nehmen beabsichtigte, zur Tafel gezogen, der früher sein Spekulator gewesen. Zur Tafel kam er zuweilen später (als die übrigen) und verließ sie auch wohl früher, doch durften die Gäste die Tafel beginnen, ehe er Platz nahm, und blieben auch an derselben weiter sitzen, wenn er sich zurückgezogen hatte. Seine Tafel bestand meist nur aus drei, wenn es hoch herging, aus sechs Gängen, aber wenn der Aufwand auch nicht übermäßig war, so war doch seine Freundlichkeit als Wirt vollendet, denn er zog gern die Schweigenden oder halblaut sich Unterredenden zur allgemeinen Unterhaltung heran und ließ auch wohl zur Abwechslung nicht nur Vorleser, Sänger und Schauspieler, sondern selbst gewöhnliche Possenreißer vom Zirkus und noch häufiger sogenannte Moralprediger auftreten.

75. Feste und feierliche Jahrestage feierte er mit großer Freigebigkeit, bisweilen jedoch bloß mit einem Scherze. So pflegte er am Saturnalienfeste, und wenn es ihm sonst einfiel, bald Geschenke an Kleidung, Gold- und Silbergeschirr, bald Münzen von jedem Gepräge, auch wohl alte königliche und ausländische, zu verteilen, zuweilen aber auch gar nichts, außer härene Decken, Schwämme, Rührlöffel, Zangen und dergleichen mehr, mit dunklen und zweideutigen Inschriften. [171] Auch pflegte er bei Tafel zuweilen Lose für Gewinne von den allerungleichsten Werten und verdeckte Gemälde zu versteigern, wobei dann der ungewisse Ausfall die Hoffnung der Käufer bald täuschte, bald erfüllte. Die Gäste boten dabei tischweise, so daß Gewinn und Verlust gemeinsam war.

76. An Speise (denn auch dies möchte ich nicht unerwähnt lassen) genoß er überaus wenig und meist nur Hausmannskost. Schwarzbrot, Sardellen, mit der Hand gepreßter Kuhkäse und frische Feigen von der Art, welche zweimal des Jahres reifen, waren seine Lieblingsgerichte. Dabei pflegte er auch vor der Hauptmahlzeit zu jeder Zeit und an jedem Orte, sobald er Appetit verspürte, zu essen. Er sagt darüber einmal in seinen Briefen wörtlich: Wir haben im Wagen etwas Brot und Datteln genossen ... und an einer anderen Stelle: Auf der Rückkehr nach Hause von dem Pompejanischen Palaste habe ich in meiner Sänfte eine Unze Brot nebst einigen harthäutigen Weinbeeren gegessen ... und an einer dritten: Kein Jude, mein lieber Tiberius, hält sein Fasten am Sabbat strenger, als ich es heute gehalten habe; denn erst im Bade, eine Stunde nach Sonnenuntergang, habe ich, bevor ich mich salben ließ, ein paar Bissen gekaut. Infolge dieser Unregelmäßigkeit speiste er dann auch wohl vor Anfang oder auch nach dem Ende der Tafel allein zur Nacht, während er bei der Tafel selbst nichts anrührte.

77. Auch im Weingenusse war er von Natur höchst mäßig. Im Lager von Mutina trank er während der Hauptmahlzeit, wie Cornelius Nepos erzählt, gewöhnlich nur dreimal. Später ging er, selbst wenn er sich recht gütlich tat, nicht über sechs Gläser; oder wenn er ja einmal [172] darüber hinausging, so pflegte er sich zu übergeben. Am liebsten trank er rhätischen Wein. Zwischen den Mahlzeiten trank er selten. Statt Getränkes nahm er in solchen Fällen in kaltes Wasser getauchtes Brot oder ein Stück Wassermelone, einen Lattichstengel oder frisches herbes Obst von weinsäuerlichem Geschmacke.

78. Nach dem Pranzo pflegte er vollständig bekleidet und beschuht mit bedeckten Füßen ein wenig zu ruhen, indem er die Hand vor die Augen hielt. Vor der Hauptmahlzeit zog er sich in sein Studierzimmer auf sein Arbeitssofa zurück. Hier verweilte er, mit der vollständigen oder doch hauptsächlichen Beendigung der laufenden Tagesgeschäfte beschäftigt, bis tief in die Nacht hinein. Dann begab er sich in sein Schlafzimmer, wo er meist nicht über sieben Stunden schlief und selbst diese nicht hintereinander weg, weil er wohl während dieser Zeit drei- bis viermal aufwachte. Konnte er den durch solche Unterbrechungen gestörten Schlaf, wie es zuweilen vorkam, nicht wiedergewinnen, so ließ er einen Vorleser oder Erzähler an sein Bett kommen und sich wieder in den Schlaf bringen, den er dann wohl bis an den hellen Morgen fortsetzte. Auch wachte er in der Nacht nie, ohne daß jemand bei ihm saß. Frühes Aufstehen war ihm widerwärtig, und wenn er sich eines Geschäfts oder [173] eines Opfers wegen früh wecken lassen mußte, so übernachtete er gewöhnlich der Bequemlichkeit halber in der dem Orte, wohin er sich zu begeben hatte, am nächsten liegenden Wohnung des ersten besten seiner Hausbekannten. Aber auch dann schlief er oft aus Schlafbedürfnis, während man ihn in seiner Sänfte durch die Straßen trug oder wenn die Sänfte niedergesetzt wurde, in Zwischenpausen wieder ein.

79. Seine Körpergestalt war überaus schön und durch alle Altersstufen von großer Anmut, obschon er alle Toilettenkünste verschmähte und in betreff seiner Haarfrisur so unbekümmert war, daß er sein Haar in Eile von mehreren Friseuren zugleich schneiden und den Bart bald mit der Schere, bald mit dem Messer abnehmen ließ und unter der Zeit immer entweder etwas las oder schrieb. Sein Gesichtsausdruck war, er mochte nun reden oder schweigen, von solcher Ruhe und Heiterkeit, daß ein gallischer Häuptling einmal seinen Landsleuten gestand, durch diesen sanften Ausdruck verhindert worden zu sein, ihn, wie er sich vorgenommen hatte, beim Übergange über die Alpen, als er unter dem Vorwande einer Mitteilung in seine Nähe gelangt war, in einen Abgrund hinabzustürzen. Seine Augen waren hell und glänzend; er mochte gern, daß man in ihnen eine gewisse göttliche Kraft fand, und freute sich, wenn jemand, der ihn scharf anblickte, wie von der Sonne geblendet das Auge niederschlug, doch sah er im Alter mit dem linken weniger scharf. Seine Zähne waren abstehend, klein und schadhaft, sein Haar sanft gewellt und ins Gelbliche spielend, die Augenbrauen zusammengewachsen, die Ohren mittelgroß, die Farbe ein Gemisch von sonnenbraun und weiß; seine Statur war kurz – (Julius Marathus, sein Freigelassener, gibt sie in seiner Biographie auf fünfdreiviertel Fuß an) –; doch verdeckte die Schönheit und das Ebenmaß der Glieder diesen Umstand, der sich nur durch [174] Vergleichung bemerkbar machte, wenn er neben einem schlanker Gewachsenen stand.

80. Sein Körper war, wie erzählt wird, mit Flecken und Mälern besetzt, die über Brust und Unterleib so zerstreut waren, daß sie Form, Ordnung und Zahl des Siebengestirns bildeten, sowie auch mit Schwielen, die wie Flechtenausschlag anzusehen waren und die er sich durch beständigen und heftigen Gebrauch der Badestriegel infolge des Hautjuckens zugezogen hatte. Hüftgelenk, Schenkel und Wade der linken Seite waren minder kräftig als die der rechten, und er hinkte zuweilen infolge dieser Schwäche, stellte sich aber durch den Gebrauch von (warmen) Sandbädern und Schilfumschlägen immer wieder her. Auch fühlte er zuweilen in dem Gesundheitsfinger der Rechten eine solche Schwäche, daß er das erstarrte und von Kälte abgestorbene Glied nur mühsam mittels eines umgelegten hornenen Reifs zum Schreiben brauchen konnte. Auch litt er zuweilen an Blasenbeschwerden, von deren Pein er gewöhnlich erst, wenn die Steine mit dem Urin abgingen, erleichtert wurde.

81. Schwere und gefährliche Krankheiten hat er im Laufe seines Lebens mehrere durchgemacht, die bedeutendste nach Beendigung des Kantabrischen Feldzuges, wo er, zuletzt durch Stockungen in der Gallenabsonderung der Leber zur Verzweiflung gebracht, sich einer, der gewöhnlichen zuwiderlaufenden, gefährlichen Kurmethode unterwarf. Da nämlich warme Bähungen keinen Erfolg gewährten, ließ er sich notgedrungen auf den Rat des Antonius Musa mit kalten Mitteln behandeln. Manche Krankheiten machte er alljährlich und zu bestimmt wiederkehrenden Zeiten durch. [175] So litt er um die Zeit seines Geburtstages fast regelmäßig, an Nervenabspannung, und während ihn bei Frühlingsanfang eine Entzündung des Zwerchfells heimsuchte, litt er, wenn Scirocco wehte, am Schnupfen. Daher vermochte sein erschütterter Körper weder starke Kälte noch starke Hitze ohne Beschwernis zu ertragen.

82. Im Winter schützte er sich durch vier übereinander angezogene Tuniken und eine dicke Toga, dazu durch ein Hemd und einen Brustlatz von Wolle und durch Schenkelbeinkleider und Strümpfe. Im Sommer schlief er bei offenen Türen, oft auch im Peristyl neben einem Springbrunnen, oder er ließ sich auch wohl von einem Diener fächeln. Sonne konnte er selbst im Winter nicht ertragen und ging deshalb selbst zu Hause nie im Freien ohne Sonnenhut spazieren. Reisen machte er in der Sänfte, meist bei Nacht, und zwar langsam und in kurzen Stationen, so daß er zu einer Tour nach Präneste oder Tibur zwei Tage brauchte und, wenn er zur See an den Ort, wohin er wollte, gelangen konnte, lieber die Reise zu Schiffe machte. Bei dieser großen Schwächlichkeit des Körpers hielt er sich indessen durch äußerste Sorgfalt der Diät aufrecht, besonders dadurch, daß er selten badete. Salben ließ er sich öfter, schwitzte dann am Feuer und ließ sich darauf mit lauem oder von starker Sonnenhitze erwärmtem Wasser übergießen. Sooft er aber seiner Nerven wegen (warme) Seesalzbäder oder albulische Quellbäder brauchen mußte, begnügte er sich damit, daß er, in seiner hölzernen Badewanne sitzend, die er mit einem spanischen Worte »Dureta« zu nennen pflegte, Hände und Füße abwechselnd bewegte.

83. Die kriegerischen Waffen- und Reitübungen gab er gleich nach den Bürgerkriegen auf und ging dafür anfangs zum Ball- und Ballonspiel über. Später machte er sich nur noch Bewegung durch Spazierreiten oder Spazierengehen, [176] wobei er in einen Überwurf von Leder oder Linnen eingehüllt am Ende der Bahn jedesmal in kleinen Sprüngen lief. Zur geistigen Abspannung fischte er auch wohl mit der Angel oder spielte mit Würfeln oder mit Schnellkügelchen und Nüssen in Gesellschaft kleiner Sklavenknaben, an deren artigem Äußern und geschwätzigem Wesen er seine Freude hatte und die er deshalb von allen Weltgegenden her, besonders aus Syrien und Mauretanien, anschaffen ließ. Denn vor Zwergen und Verwachsenen, und was sonst dahin gehört, hatte er einen Abscheu, weil sie ihm als Spottgeburten der Natur und von übler Vorbedeutung erschienen.

[177] [227]Tiberius Nero Cäsar.

35. Gegen Ehefrauen, die einen unkeuschen Lebenswandel führten und gegen die kein öffentlicher Ankläger auftrat, verordnete er, daß die Verwandten durch einen Familienrat nach der Sitte der alten republikanischen Zeit einschreiten sollten. Einen römischen Ritter, der seiner Frau bei der Verheiratung den Schwur geleistet hatte, daß er sie nie verstoßen werde, sprach er von seinem Eide los, damit er die Frau, die er im Ehebruch mit seinem Schwiegersohn betroffen, verstoßen könnte. Ausschweifende Frauen von Rang waren, um den gesetzlichen Strafen zu entgehen, darauf [227] verfallen, sich als Lustdirnen bei der Behörde zu melden und dadurch allen Rechten und aller Würde des Frauenranges zu entsagen; und alle jungen Hauptwüstlinge des Senatoren- und Ritterstandes pflegten sich freiwillig der Schande einer entehrenden Verurteilung zu unterwerfen, um nicht durch den Senatsbeschluß gehindert zu werden, als Schauspieler und Fechter öffentlich aufzutreten. Allein jene sowohl als diese bestrafte Tiberius mit Landesverweisung, damit solche List keinem mehr zugute käme. Einem Senator nahm er die Senatorenwürde, als er erfuhr, derselbe sei kurz vor dem ersten Juli auf seinen Landsitz gegangen, um nach diesem Tage um desto geringeren Preis seine Stadtwohnung zu mieten. Einen Quästor setzte er ab, weil er seine Frau, die er am Tage der Verlosung der Provinzen geheiratet, am Tage nach derselben wieder verstoßen hatte.

[228] [231]40. Nachdem er Kampanien durchreist, in Capua das Kapitol, zu Nola den Tempel des Augustus eingeweiht, was er als Vorwand seiner Reise gebraucht hatte, begab er sich nach der Insel Capri, welche ihm vor allem deshalb gefiel, weil sie nur mit einem einzigen, obendrein sehr schmalen, Landungsplatze versehen und sonst ringsum von steilabfallenden himmelhohen Felswänden und tiefem Meere umgeben war. Sehr bald jedoch ging er, da die Volksstimme anhaltend nach ihm verlangte, wegen des Unglücks bei Fidenä, wo über zwanzigtausend Menschen bei einem Fechterschauspiel durch den Einsturz des Theaters umgekommen waren, wieder auf das Festland zurück und gewährte allen, die sich ihm nahten, um so lieber freien Zutritt, als er bei seiner Abreise von der Stadt ausdrücklich verboten hatte, ihn anzugehen, und auch auf der ganzen Reise niemand vor sich gelassen hatte.

[231] [234]45. Wie gewohnt er war, auch Frauen, und zwar von edler Familie, frech zu mißbrauchen, bewies am klarsten das Endschicksal einer gewissen Mallonia, die ihm zugeführt worden war und sich schlechterdings geweigert hatte, sich seinen unnatürlichen Lüsten zu bequemen. Er gab sie den öffentlichen Anklägern preis und ließ selbst vor Gericht nicht ab, sie zu fragen: »ob sie sich jetzt anders besonnen habe?« bis sie aus dem Gerichte fort nach Hause stürzte und sich dort den Dolch ins Herz stieß, nachdem sie zuvor ihm, »dem alten stinkenden Bocke«, mit lauter Stimme seine unnatürlichen Lüste vorgeworfen hatte. Daher wurden bei den nächsten Theatervorstellungen in einem atellanischen Nachspiele die Worte: »Der alte Bock beleckt den Ziegen die Natur« als Anspielung auf ihn mit allgemeinem Beifall aufgenommen und verbreitet.

[234] [279]Gajus Cäsar Galigula.

22. Soweit vom Fürsten; nun muß ich vom Ungeheuer erzählen. Er hatte bereits mehrere Beinamen angenommen – er ließ sich nämlich der »Fromme«, der »Lagersohn«, der »Armeevater«, der »beste und größte Cäsar« nennen –, als er mehrere Könige, die, um ihm aufzuwarten, nach Rom gekommen waren, bei Tafel in seinem Palaste über den Adel ihrer Abkunft streiten hörte. Sofort rief er auf griechisch mit Homers Worten aus:


Einer sei Herrscher! Einer König!


und nicht viel fehlte, daß er sofort das Diadem anlegte und die äußeren Zeichen des Prinzipats (d.i. der Fürstengewalt) in aller Form mit denen des Königtums vertauschte. Als [279] man ihm aber bemerklich machte, daß er ja bereits hoch über allen Fürsten sowohl als Königen stehe, nahm er daraus Veranlassung, sich göttliche Majestät beizulegen. So gab er denn Auftrag, die durch religiöses Ansehen und Kunstwert ausgezeichnetsten Götterbilder, unter ihnen auch das des Olympischen Jupiter, aus Griechenland nach Rom zu bringen, um denselben die Köpfe abzunehmen und den seinen daraufsetzen zu lassen. Er rückte ferner einen Teil des Palatiums bis an das Forum vor, verwandelte dabei den Tempel des Kastor und Pollux in die Eingangshalle des Kaiserpalastes und stellte sich zuweilen in die Mitte, zwischen den Brudergottheiten, hin, wo er sich von den andächtig Nahenden anbeten ließ. Und in der Tat gab es manche, die ihn mit dem Namen Jupiter Latiaris begrüßten. Sogar einen eigenen Tempel stiftete er seiner Gottheit nebst Priestern und spitzfindig ausgeklügelten Opferungen. In dem Tempel stand sein goldnes Porträtstandbild von natürlicher Größe, das täglich mit einem gleichen Anzuge bekleidet wurde, wie er selbst ihn trug. Um die Vorsteherschaft bei dem Priesterkollegium bewarben sich die reichsten Leute abwechselnd mit höchstem Ehrgeize und höchster Geldverschwendung. Die Opfertiere waren Flamingos, Pfauen, Auerhähne, numidische Hühner, Meleagriden und Fasanen, welche täglich klassenweise geopfert werden mußten. In den Nächten, wo Luna in vollem Lichte glänzte, lud er sie regelmäßig zu Umarmung und Beilager ein, bei Tag dagegen hielt er heimliche Unterredungen mit dem Kapitolinischen Jupiter, bald ihm ins Ohr flüsternd, bald wieder ihm sein Ohr hinhaltend, zuweilen sprach er laut und zankte sogar. Denn einmal hörte man ihn drohend auf griechisch die Worte ausstoßen:


Hebe du mich oder ich dich! –


[280] bis er endlich von dem Gotte, wie er zu erzählen pflegte, sich erbitten ließ und demselben den Wunsch, mit ihm zusammenzuwohnen, dadurch gewährte, daß er Palatium und Kapitol durch eine über den Tempel des göttlichen Augustus geschlagene Brücke verband. Bald darauf ließ er, um noch näher zu sein, auf der Höhenfläche des Kapitols den Grund zu einem neuen Palaste legen.

23. Als Agrippas Enkel wollte er wegen dessen geringer Geburt weder gelten noch benannt werden und geriet in heftigen Zorn, wenn jemand denselben, sei es in Prosa oder in Versen, in die kaiserliche Familie einreihte. Statt dessen rechnete er es seiner Mutter zum Ruhme an, daß sie einem Incest, den Augustus mit seiner Tochter Julia begangen, ihr Dasein verdanke. Noch nicht zufrieden mit dieser Beschimpfung Augustus', verbot er, die Siege von Actium und Sizilien ferner mit Festen zu feiern, »da sie für das römische Volk trauervoll und unheilbringend gewesen«. Der Livia Augusta, seiner Urgroßmutter, die er zum öftern einen »Ulysses im Unterrocke« nannte, erlaubte er sich sogar in einem Briefe an den Senat niedrige Geburt vorzuwerfen, indem er behauptete, ihr mütterlicher Großvater sei Bürgermeister (Decurio) in Fundi gewesen, während doch aus [281] öffentlichen Urkunden feststeht, daß er zu Rom Ehrenstellen bekleidet hat. Seiner Großmutter Antonia, die um eine geheime Audienz bat, schlug er dieselbe ab, falls sie sich nicht gefallen lassen wollte, daß Macro, der Oberste der Leibwache, zugegen sei, und wurde durch solche Unwürdigkeiten und kränkende Ärgernisse Ursache ihres Todes, den er jedoch, wie einige glauben, noch durch Verabreichung von Gift befördern half. Auch erwies er ihr, als sie gestorben war, nicht die geringste Ehre und sah aus dem Speisezimmer ihrem in der Ferne brennenden Scheiterhaufen zu. Seinen Bruder Tiberius ließ er unvorbereitet durch einen zu ihm gesandten Kriegstribunen ums Leben bringen; desgleichen brachte er seinen Schwiegervater Silanus dahin, sich mit einem Rasiermesser die Kehle abzuschneiden. Als Vorwand in beiden Fällen diente ihm, gegen den letzteren: derselbe habe ihn, als er bei stürmischem Wetter zur See ging, nicht begleiten mögen, sondern sei in der Hoffnung zurückgeblieben, sich, falls ihm (dem Caligula) in dem Sturmwetter ein Unheil passiere, Roms zu bemächtigen; gegen den ersteren: derselbe habe, wie der Geruch verraten, ein Gegengift genommen und dadurch zu verstehen gegeben, daß er von ihm vergiftet zu werden gefürchtet habe. Und doch hatte Silanus nur die ihm unerträgliche Seekrankheit und die Beschwerlichkeit der Seefahrt zu vermeiden gesucht und Tiberius nur gegen einen anhaltenden und sich verschlimmernden Husten Medizin eingenommen! Was aber seinen Vatersbruder Claudius betrifft, so ließ er ihn nur am Leben, um seinen Spott mit ihm treiben zu können.

24. Mit allen seinen Schwestern lebte er in unzüchtigem Verkehr und ließ sie öffentlich an der Tafel eine um die andere neben sich unterhalb (zur Linken) Platz nehmen, während seine Gattin oberhalb (zu seiner Rechten) lag.

[282] Die eine derselben, die Drusilla, soll er als junges Mädchen, während er selbst noch das Knabenkleid trug, geschändet haben und sogar einmal im Beischlaf mit ihr von seiner Großmutter Antonia, bei welcher er mit ihr zusammen erzogen wurde, ertappt worden sein. Später, als er sie mit dem Konsularen Lucius Cassius Longinus vermählt hatte, entführte er sie demselben und behandelte sie offen als seine rechtmäßige Ehefrau. Er setzte sie sogar, als er krank wurde, zur Erbin seines Vermögens und des Reiches ein. Als sie starb, verordnete er einen allgemeinen Gerichtsstillstand, während dessen es als todeswürdiges Verbrechen behandelt ward, wenn jemand gelacht, gebadet, mit Eltern oder Gattin und Kindern zu Nacht gespeist hatte. Er selbst entwich, von seinem Schmerze überwältigt, plötzlich aus Rom, durchflog Kampanien und ging nach Syrakus, von wo er wieder ebenso eilig zurückkehrte und mit langem Bart und Haupthaar in Rom einzog. Auch schwor er im ganzen Verlaufe seines späteren Lebens bei den wichtigsten Fällen, ja selbst wenn er zum Volke oder zu den Soldaten sprach, nie anders als: »bei der Gottheit der Drusilla!« Seine anderen Schwestern liebte und verehrte er nicht mit ähnlicher Leidenschaft; gab er sie doch mehrmals sogar seinen Lieblingen preis. Desto leichter ward es ihm, sie im Prozesse des Ämilius Lepidus wegen Ehebruchs und Mitwissenschaft um eine Verschwörung gegen ihn zu verurteilen. Auch veröffentlichte er nicht nur die eigenhändigen Briefe aller (Verschworenen), die er sich durch alle Künste des Betrugs und der Verführung zu verschaffen bemüht gewesen war, sondern weihte auch drei zu seiner Ermordung bestimmte Dolche dem rächenden Mars mit einer Inschrift.

[283] 25. Was seine Ehebündnisse betrifft, so ist es schwer zu entscheiden, was schimpflicher war, die Art, wie er sie schloß und fortführte, oder wie er sie auflöste. Als die Livia Orestilla mit dem Gajus Piso Hochzeit machte, wobei er selbst zur Trauungszeremonie erschien, befahl er, sie in seinen Palast zu führen, verließ sie dann wieder nach einigen Tagen und strafte sie zwei Jahre später mit Landesverweisung, weil sie in der Zwischenzeit den Umgang mit ihrem früheren Ehemanne wieder angeknüpft zu haben schien. Eine andere Erzählung lautet, er habe beim Hochzeitsmahle, zu dem er eingeladen war, dem ihm gegenüberliegenden Piso die Weisung gesendet: »Laß dir nicht einfallen, meine Frau zu belästigen!« worauf er sie sofort von der Tafel weggeführt und am folgenden Tage durch Edikt bekanntgemacht habe: »er habe sich eine Frau geholt in der Weise, wie Romulus und Augustus getan«. Die Lollia Paullina, Gattin des Konsularen Gajus Memmius, der ein Armeekommando hatte, ließ er, als einmal die Rede darauf kam, ihre Großmutter sei einst die schönste Frau gewesen, sofort aus der Provinz zu sich entbieten, entführte sie ihrem Gatten und heiratete sie, ließ sie aber nach kurzer Zeit wieder von sich, indem er ihr für immer verbot, je wieder bei einem Manne zu schlafen. Die Cäsonia, die weder schön noch auch mehr jung war und schon von einem anderen Manne drei Töchter hatte, aber eine Frau von bodenloser Üppigkeit und Liederlichkeit war, liebte er nicht nur feuriger, sondern auch dauernder. Er ließ sie oft mit Kriegsmantel, Helm und Schild ihm zur Seite reiten und zeigte sie so den Soldaten, seinen Freunden sogar nackt. Nach ihrer Entbindung beehrte er sie mit dem Titel seiner Gemahlin, indem er sich an einem und demselben Tage zu ihrem Gatten und zum Vater des von ihr geborenen Kindes erklärte. Das Kind aber, daß er Julia Drusilla nannte, ließ er zu den Tempeln [284] aller Göttinnen umhertragen, setzte es dann der Minerva auf den Schoß und empfahl es derselben zur Ernährung und Erziehung. Und nichts verbürgte ihm so, daß es sein Fleisch und Blut sei, als die Wildheit des Kindes, bei welchem dieselbe schon in diesem zarten Alter so groß war, daß es mit den Fingern Gesicht und Augen der mit ihm spielenden Kinder zerkratzte.

26. Unbedeutend und uninteressant dürfte es sein, hiernach noch weiter zu erzählen, auf welche Weise er seine Verwandten und Freunde behandelt hat, wie z.B. den Ptolemäus, König Jubas Sohn, seinen Vetter – denn auch Ptolemäus war ein Enkel Mark Antons von dessen Tochter Selene –, und vor allen selbst den Macro und die Ennia, die ihm zum Throne verholfen hatten und denen allen er statt dessen, was sie als Verwandte zu fordern oder wegen ihrer Verdienste um ihn zu erwarten berechtigt waren, mit grausamem Tode lohnte. Nicht achtungsvoller oder milder behandelte er den Senat. Senatoren, welche die höchsten Ehrenstellen bekleidet hatten, ließ er in der Toga mehrere tausend Schritte neben seinem Wagen herlaufen oder, wenn er tafelte, hinter seinem Polster oder zu seinen Füßen wie Sklaven im linnenen Schurz aufwarten; andere, die er heimlich hatte umbringen lassen, ließ er dessenungeachtet, als ob sie noch am Leben wären, weiter einladen und trat dann nach einigen Tagen mit der Lüge vor: sie hätten durch Selbstmord geendet. Die Konsuln, welche versäumt hatten, seinen Geburtstag durch ein Edikt anzusagen, entsetzte er ihres Amtes, und drei Tage lang war so der Staat ohne seine höchsten Behörden. Seinen Quästor, dessen Name in einer Verschwörung mitgenannt worden war, ließ er geißeln, nachdem er ihm die Kleider hatte vom Leibe reißen und dieselben [285] selben den geißelnden Soldaten unter die Füße breiten lassen, damit sie beim Schwingen der Geißel einen gehörig festen Stand hätten. Mit gleicher Übermütigkeit und Vergewaltigung behandelte er die übrigen Stände. Als einmal das Geräusch der Leute, welche schon um Mitternacht die Freiplätze im Zirkus besetzten, seine Ruhe störte, ließ er sie sämtlich mit Knütteln fortjagen. Es erstickten bei diesem Gedränge zwanzig und mehr römische Ritter und ebenso viele edle Frauen, nebst einer ungezählten Menge anderer Personen geringeren Standes. Um Volk und Ritterstand in Zank zu verhetzen, pflegte er bei den Theatervorstellungen die Freiplatzmarken ganz früh auszuteilen, damit die Ritterplätze von möglichst gemeinem Volke eingenommen würden. Wenn er ein Gladiatorenspiel gab, so ließ er zuweilen, wenn die Sonne am heißesten brannte, die Sonnendecken zurückziehen, während niemand aus dem Theater gelassen wurde; oder er ließ auch wohl die ordentlichen Zurüstungen (zu solchen Spielen) beseitigen und stellte statt derselben halbtote wilde Tiere, ganz elende altersschwache Fechter, sowie auch pegmatische Gladiatoren, bekannte rechtliche Familienväter, [286] die aber irgendein körperliches Gebrechen hatten, zur Schau. Ja, zuweilen schloß er die Kornspeicher und kündigte dem Volke an, daß es hungern müsse.

27. Die Grausamkeit seiner Natur bekundete er vorzüglich durch folgende Handlungen. Als einmal das Fleisch zur Fütterung der für ein Tiergefecht angeschafften wilden Bestien sehr teuer im Preise kam, bezeichnete er unter den gefangen sitzenden Missetätern diejenigen, welche den wilden Tieren zum Zerfleischen vorgeworfen werden sollten. Bei der Musterung, welche er deshalb in allen Gefängnissen nach der Reihe vornahm, warf er bei keinem einzigen der Gefangenen auch nur einen Blick auf dessen Elogium, sondern blieb eben nur mitten in der Halle stehen und befahl: die Gefangenen »von einem Kahlkopfe bis zum anderen abzuführen«. Den Mann, der für seine Errettung aus schwerer Krankheit gelobt hatte, als Gladiator aufzutreten, zwang er, sein Gelübde zu erfüllen. Er selbst schaute zu, wie er den Schwertkampf bestand, und ließ ihn erst, nachdem er gesiegt, auf vielfältiges Bitten vom Schauplatz abtreten. Einen zweiten, der aus gleicher Ursache gelobt hatte, er wolle sterben, wenn der Kaiser wieder genese, und der jetzt zögerte, sein Gelöbnis zu erfüllen, übergab er seinen Sklaven, die ihn, mit einem Kranze von Opferkraut und mit der Opferbinde geschmückt, durch die Straßen führen und zur Erfüllung seines Gelübdes auffordern mußten, bis man ihn endlich vom Wall hinabstürzte. Viele [287] Männer achtbaren Standes ließ er brandmarken und verurteilte sie dann in die Bergwerke oder zum Straßenbau oder zum Kampf mit wilden Tieren oder sperrte sie selbst wie wilde Tiere in Käfige ein, wo sie gezwungen waren, auf allen vieren zu kriechen, oder ließ sie mitten voneinander sägen. Und das alles keineswegs immer wegen schwerer Vergehen, sondern nur, »weil sie etwa über ein von ihm gegebenes Fechterspiel geringschätzend sich geäußert« oder »weil sie nie bei seinem Genius geschworen hätten«. Die Väter zwang er, der Hinrichtung ihrer Kinder beizuwohnen, und einem, der sich mit Krankheit entschuldigte, schickte er eine Sänfte, einen anderen lud er unmittelbar von der Richtstätte des Sohnes zur Tafel und forderte ihn mit aller möglichen Freundlichkeit zu Heiterkeit und Scherzen auf. Einen Aufseher der Fechterspiele und Tierhetzen ließ er mehrere Tage hintereinander vor seinen Augen mit Ketten peitschen und tötete ihn nicht eher, als bis ihm der Geruch des in Fäulnis übergegangenen Gehirns lästig ward. Den Dichter einer Atellanenkomödie verbrannte er wegen eines einzigen Verses, der eine zweideutige Anspielung enthielt, mitten in der Arena des Amphitheaters. Einen römischen Ritter, der den wilden Tieren vorgeworfen war und wiederholt seine Unschuld laut beteuerte, ließ er aus dem Amphitheater führen, ihm die Zunge ausschneiden und ihn so wieder in dasselbe zurückführen.

28. Einmal fragte er einen Mann, der aus langem Exil zurückgerufen worden war: was er im Exil gewöhnlich getan habe? Da dieser nun aus Schmeichelei antwortete: Ich habe immer zu den Göttern gebetet, daß, wie auch geschehen, Tiberius sterben und du Kaiser werden möchtest!, [288] schickte er, in der Meinung, daß auch ihm die von ihm Verbannten den Tod anwünschten, nach allen Inseln Leute ab, welche sie samt und sonders niedermachen mußten. Als er einmal sehnlich wünschte, einen Senator in Stücke gerissen zu sehen, stiftete er Menschen an, welche denselben, als er in die Kurie trat, plötzlich mit dem Zurufe: Feind des Kaisers! angreifen und, nachdem sie ihn mit ihren Schreibgriffeln durchbohrt, den übrigen zum Zerreißen geben mußten. Auch gab er sich nicht eher zufrieden, bis er die zerstückelten, durch die Straßen geschleiften Glieder und Eingeweide vor sich zusammengeschleppt sah.

29. Die Unmenschlichkeit seiner Handlungen erhöhte er noch durch die grause Wildheit seiner Reden. Häufig hörte man ihn sagen: nichts lobe und preise er an seinem Naturell so sehr als – um seinen eigenen Ausdruck zu brauchen – »seine Adiatrepsie«. Seiner Großmutter Antonia, die ihm Vorstellungen machte, gab er, als sei es noch nicht genug, daß er denselben nicht Folge leistete, zur Antwort: Bedenke, daß mir alles und gegen alle zu tun erlaubt ist! Als er seinen Bruder ermorden zu lassen beabsichtigte, den er im Verdacht hatte, sich aus Furcht vor Vergiftung durch Nehmen von Gegengift zu schützen, rief er aus: Gegengift gegen Cäsar! Seinen Schwestern, die er verbannt hatte, drohte er: er habe nicht bloß Inseln, sondern auch Schwerter! Einen Mann prätorischen Ranges, der sich seiner Gesundheit wegen nach Anticyra begeben hatte und von dort aus mehrmals um Urlaubsverlängerung nachsuchte, befahl er zu töten, indem er hinzufügte: es sei ein Aderlaß nötig, da die Nieswurz schon so lange nichts helfen wolle. Sooft er alle zehn Tage die Liste der hinzurichtenden Gefangenen [289] unterschrieb, pflegte er zu sagen: er bringe seine Rechnung ins reine. Als er einmal eine Anzahl Gallier und Griechen zu einer und derselben Zeit verurteilt hatte, rühmte er sich wiederholentlich: er habe Gallogräcien unterworfen.

30. Nicht leicht ließ er jemand anders als mit vielen schwachen Streichen hinrichten, wobei seine jedesmalige und schon bekannte Mahnung an den Henker lautete: »Triff ihn so, daß er das Sterben fühlt!« Als einmal aus Verwechselung des Namens ein anderer als der von ihm Bestimmte hingerichtet worden war, sagte er: Auch der hat dasselbe verdient! Häufig zitierte er prahlend jenen bekannten Ausspruch des tragischen Dichters:


Laßt sie hassen, wenn sie nur fürchten!


Häufig fuhr er gegen sämtliche Senatoren auf gleiche Weise los, indem er sie Klienten Sejans und Angeber seiner Mutter und Brüder nannte, wobei er die Schriftstücke zum Vorschein brachte, welche er früher scheinbar verbrannt hatte, und die Grausamkeit Tibers als notwendig rechtfertigte, da er so vielen Anschuldigern doch habe Glauben schenken müssen. Den Ritterstand riß er über seine Leidenschaft für Theater und Arena beständig herunter. Im Grimm über das Publikum, das einmal beim Wettrennen eine andere Partei als er begünstigte, rief er aus: O wenn das römische Volk nur einen Hals hätte! Als das Volk den Straßenräuber Tetrinius auf dem Kampfplatze zu sehen forderte, sagte er: auch die, welche nach ihm rufen, seien alle Tetriniusse! Fünf Netzfechter in der Tunika, die abteilungsweise mit eben so viel Sekutoren fochten, waren denselben fast ohne allen Kampf erlegen. Als der Befehl erteilt wurde, [290] ihnen den Garaus zu machen, nahm einer derselben seinen Gabelspeer wieder auf und tötete sämtliche Sieger. Diesen Vorfall beklagte er nicht nur als eine höchst grausame Metzelei in einem Edikte, sondern gab auch allen denen, die es hätten über sich gewinnen können, demselben zuzuschauen, seinen Fluch.

31. Er pflegte sich sogar offen zu beklagen über die Ungunst seiner Zeit, daß dieselbe durch keine großen öffentlichen Unglücksfälle ausgezeichnet würde. Augustus' Regierung sei durch die Niederlage des Varus, die des Tiberius durch den Einsturz der Schaubühne bei Fidenä denkwürdig geworden; die seine drohe in Vergessenheit zu geraten durch das überall herrschende Wohlergehen. Und so wünschte er denn wiederholentlich Niederlagen der Heere, Hungersnot, Pest, Feuersbrünste oder irgendein Erdbeben herbei.

32. Selbst in den Stunden der Erholung, des Spieles und des Mahles verließ ihn diese Grausamkeit der Reden und Handlungen nicht. Oft wurden, wenn er frühstückte oder ein Gelage hielt, unter seinen Augen ernsthafte peinliche Verhöre mit Anwendung der Folter angestellt oder mußte ein Soldat, der im Köpfen Meister war, irgend welchen Gefangenen die Köpfe abschlagen. Zu Puteoli, bei der Einweihung jener von ihm, wie wir erzählt haben, ausgedachten Brücke, lud er viele Zuschauer, die am Ufer standen, zu sich ein und ließ sie dann plötzlich ins Meer stürzen; einige, welche sich an die Steuerruder anklammerten, ließ er mit Stangen und Rudern ins Wasser zurückstoßen. Zu Rom übergab er bei einem öffentlichen Gastmahle einen Sklaven, der eine Silberplatte von einem der Sofagestelle entwendet hatte, sofort den Henker, der ihm die Hände abhauen und um den Hals auf die Brust hängen und ihn so [291] unter Vorantragung einer Tafel, auf welcher die Ursache seiner Bestrafung geschrieben stand, an den Tischen der Schmausenden umherführen mußte. Einen Mirmillo aus der Fechtschule, der mit Holzrapieren Fechtübungen mit ihm hielt und sich freiwillig niederstoßen ließ, durchbohrte er mit einem wirklichen Eisendolche und stolzierte nach Weise der Sieger mit einem Palmenzweige umher. Einmal, als das Opfertier bereits am Altare stand, erschien er als Opferschlächter aufgeschürzt, schwang die Opferaxt hoch in die Luft und – schlug den Opferstecher tot! Als er einmal bei einem fröhlichen Mahle plötzlich in wildes Gelächter ausbrach und die beiden Konsuln, welche neben ihm lagen, ihn sehr zuvorkommend fragten, weshalb er denn lache, erwiderte er: »Worüber sonst, als daß es nur eines Winkes von mir bedarf, um euch allen beiden auf der Stelle die Kehle abschneiden zu lassen?«

33. Zu seinen verschiedenen Späßen gehört auch, daß er vor einer Statue des Jupiter einmal den tragischen Schauspieler Apelles fragte, wer ihm größer scheine, und, als derselbe einen Augenblick mit der Antwort zögerte, ihn mit Geißelhieben zerfleischte, wo er von Zeit zu Zeit der Stimme des um Gnade Flehenden das Lob erteilte, sie sei selbst im Wehklagen noch sehr lieblich. Sooft er seiner Gemahlin oder seiner Geliebten den Hals küßte, pflegte er immer hinzuzufügen: Ein so schöner Nacken wird doch, sobald ich befehle, durchschnitten werden! Ja, zuweilen vermaß er sich [292] sogar: er wolle von seiner Cäsonia, und wäre es durch die Folter, herausbringen, warum er sie so sehr liebe!

34. Ebenso neidisch und boshaft, als übermütig und grausam, wütete er fast gegen die Menschen aller Zeiten. Die Statuen berühmter Männer, welche Augustus vom Kapitolplatze wegen der Enge desselben auf das Marsfeld versetzt hatte, ließ er umstürzen und so verstümmeln, daß man später nicht imstande gewesen ist, sie mit den richtigen Inschriften wiederherzustellen. Auch verbot er, künftig irgendeinem Lebenden eine Statue oder eine Büste zu setzen, ohne ihn vorher gefragt und seine Genehmigung erhalten zu haben. Er dachte sogar daran, die Homerischen Gesänge zu vernichten; denn warum, sagte er, solle ihm nicht erlaubt sein, was sich Plato erlaubt habe, der den Homer aus seinem Staate hinausgeworfen? Auch fehlte nicht viel, daß er die Schriften und Büsten des Virgil und des Titus Livius aus allen Bibliotheken entfernen ließ, von denen er den ersteren »einen Menschen ohne alles Genie und von geringem Wissen«, den letzteren »einen nachlässigen historischen Schwätzer« zu schelten pflegte. Auch in betreff der Rechtsgelehrten, deren Wissenschaft er in der Praxis völlig abzuschaffen Miene machte, vermaß er sich oft: er werde es, beim Herkules, dahin bringen, daß es keinen Juristen, an den man sich wenden könne, mehr gebe, außer ihm.

35. Den vornehmsten Adligen nahm er die alten Abzeichen ihrer Familien: einem Torquatus die Halskette, einem Cincinnatus die Haarlocke, einem Cnejus Pompejus von dem alten Stamme der Pompejer den Beinamen Magnus (der Große). Den Ptolemäus, dessen ich oben gedacht [293] und den er aus seinem Königreiche zu sich nach Rom entboten und freundlich aufgenommen hatte, ließ er ganz unvermutet aus keiner anderen Ursache umbringen, als weil er sah, daß derselbe bei seinem Eintritt in das Amphitheater, wo Caligula ein Gladiatorenspiel gab, die Augen aller Zuschauer durch den Glanz seines prächtigen Purpurmantels auf sich zog. Schöne Menschen mit ausgezeichnetem Haarwuchs verschimpfierte er, so oft ihm dergleichen in den Weg kamen, indem er ihnen den Hinterkopf rasieren ließ. Es war damals ein gewisser Esius Proculus, Sohn eines Oberoffiziers, der wegen seiner ausgezeichneten Körpergröße und Schönheit Kolosseros hieß. Den ließ er plötzlich von seinem Sitze unter den Zuschauern wegreißen und auf die Arena führen, wo er ihn erst einem thrakischen Fechter und dann einem Hoplomachos als Kämpfer gegenüberstellte; und als er beide Male Sieger blieb, ließ er ihn auf der Stelle binden und mit Lumpen bekleidet durch die Straßen führen, den Weibern zeigen und dann erwürgen. Überhaupt gab es keinen Menschen noch so niedrigen Standes oder noch so armseliger Lage, den er nicht irgendwie zu schädigen suchte. Gegen den Königpriester im Dianenhain bei Aricia hetzte er, weil derselbe sehr viele Jahre lang die Priesterstellung innehatte, einen Menschen, der stärker war als sein Gegner. Als beim Fechterspiel ein Wagenfechter namens Porius seinem Sklaven wegen des glücklich bestandenen Kampfes die Freiheit schenkte und das Volk ihm dafür sehr lebhaft Beifall klatschte, stürzte er mit solcher Heftigkeit aus dem Amphitheater fort, daß er auf den Rand seiner Toga tretend kopfüber die Treppenstufen hinabfiel, indem er voll Wut wiederholt ausrief: dies Volk, der souveräne [294] Herr aller Völker, bezeige wegen einer ganz unbedeutenden Sache einem Gladiator mehr Ehre als den vergötterten Fürsten oder ihm selbst, der es mit seiner Gegenwart beehre!

36. Was die Keuschheit anlangt, so schonte er weder die seine noch die eines anderen. Mit Marcus Lepidus, mit dem Pantomimenschauspieler Mnester und mit einigen als Geiseln in Rom lebenden Fürsten soll er in gegenseitiger Unzucht gelebt haben. Valerius Catullus, ein Jüngling von konsularischer Familie, hat es sogar in aller Welt ausgeschrien, daß er von ihm entehrt und durch seine Unzucht krank gemacht worden sei. Außer dem Inzest mit seinen Schwestern und seiner weltbekannten Liebschaft mit der Hure Pyrallis war auch sonst nicht leicht irgendeine vornehme Frau vor ihm sicher. Gemeiniglich lud er die letzteren mit ihren Männern zur Tafel, wo er sie dann, wenn sie an seinen Füßen vorübergingen, sorgfältig und langsam, wie ein Sklavenhändler, beaugenscheinigte, ihnen auch wohl das Gesicht am Kinne aufrichtete, wenn etwa eine aus Verschämtheit es niederschlug. Sooft es ihm dann beliebte, verließ er den Tafelsaal, ließ die, welche ihm am besten gefallen hatte, zu sich rufen, und wenn er dann bald darauf mit den noch sichtbaren Spuren seiner Ausschweifung zurückkehrte, so lobte er sie entweder oder tadelte sie auch wohl vor aller Welt, indem er die einzelnen Vorzüge oder Mängel ihres Körpers und ihres Behabens beim Genusse herzählte. Einigen schickte er im Namen ihrer abwesenden Ehemänner den Scheidebrief und ließ diese Ehescheidungen so in den Staatsanzeigen bekanntmachen.

37. An üppigem Aufwande übertraf er das Genie aller Verschwender. Er ersann ganz neue Arten von Bädern und die unsinnigsten Gerichte und Mahlzeiten, badete z.B. in warmen oder kalten wohlriechenden Essenzen, trank die kostbarsten in Essig aufgelösten Perlen, setzte seinen Tischgästen Brot und Speisen von Gold vor, wobei sein beständiges Wort war: man müsse entweder ein sparsamer [295] Hausvater sein oder ein Cäsar! Ja, er warf sogar mehrere Tage lang eine nicht geringe Summe geprägten Geldes vom Giebel der Julischen Basilika unter das Volk aus. Auch ließ er Liburnische Jachten bauen, an denen die Hinterteile mit edlen Steinen besetzt waren, die Segel in bunten Farben schillerten und in deren weiten Räumen nicht nur warme Bäder, Portiken und Speisesäle, sondern auch die mannigfachsten Weinstöcke und Fruchtbäume sich befanden. Auf diesen Schiffen lag er vom frühen Nachmittage an bei Tafel und fuhr unter Chortänzen und Musik die Küsten Kampaniens entlang. In den Bauten von Lustschlössern und Villen war sein sehnlichstes Verlangen stets darauf gerichtet, mit Hintansetzung aller gesunden Vernunft vor allen Dingen das möglich zu machen, was als durchaus unmöglich bezeichnet wurde. So wurden denn gerade da, wo das Meer unruhig und tief war, Dämme gelegt, Felsen des härtesten Gesteins ausgehauen, Ebenen zu Bergen umgeschaffen, Bergeshöhen durch Abtragung geebnet und alles in größter Geschwindigkeit, da jede Schuld der Verzögerung mit dem Kopfe gebüßt ward. Und um nichts einzelnes aufzuzählen – so hatte er unermessene Schätze und die ganzen zweitausendsiebenhundert Millionen Tiberius Cäsars, ehe noch ein ein Jahr um war, durchgebracht.

[296] [347]Tiberius Claudius Drusus Cäsar.

26. Verlobt war er in sehr früher Jugend zweimal: mit der Ämilia Lepida, Augustus' Urenkelin, und mit der Livia Medullina, die auch Camilla mit Zunamen hieß und aus dem alten Geschlechte des Diktators Camillus stammte. Die erste verstieß er noch als Jungfrau, weil ihre Eltern den Augustus beleidigt hatten; die zweite verlor er an dem zur Hochzeit festgesetzten Tage durch Krankheit. Er heiratete die [347] Plautia Urgulanilla, deren Vater die triumphalischen Auszeichnungen erhalten, und bald darauf die Älia Petina, deren Vater die konsularische Würde bekleidet hatte. Von beiden schied er sich wieder, jedoch von der letzteren wegen unbedeutender Mißhelligkeiten, von der Urgulanilla wegen ihrer schmählichen Ausschweifungen und wegen Verdachtes eines Mordes. Nach ihnen nahm er die Valeria Messallina, seines Vetters Barbatus Messalla Tochter, zur Ehe. Diese ließ er hinrichten, nachdem er in Erfahrung gebracht hatte, daß sie neben anderen Schmählichkeiten und Schandtaten sich sogar in aller Form mit dem Gajus Silius, unter Aufnahme eines ordentlichen von den Auguren vollzogenen Ehekontraktes über Aussteuer und Heiratsgut, vermählt hatte. Zugleich erklärte er in einer Versammlung vor seinen Prätorianern: dieweil er mit sei nen Ehebündnissen kein Glück habe, werde er fortan im ehelosen Stande verharren, und wenn er nicht darin verharre, wolle er nichts dawider haben, von ihren eigenen Händen erstochen zu werden. Er war aber doch nicht imstande, es durchzuführen, sondern trat sofort wieder in Unterhandlungen zu einer Ehe, sogar mit der Petina, die er früher verstoßen hatte, und mit der Lollia Paullina, die mit Gajus Cäsar verheiratet gewesen war. Allein die Lockungen der Agrippina, seiner Bruderstochter, die ihre nahe Verwandtschaft mit ihm zu Liebkosungen und Zärtlichkeiten zu benutzen wußte, reizten seine Sinnlichkeit so, daß er in der nächsten Senatssitzung einige Individuen anstiftete, den Antrag zu stellen, man müsse ihn [348] aus Gründen des Staatswohles zwingen, dieselbe zu heiraten und zugleich überhaupt solche Verbindungen, die bis dahin als blutschänderische galten, für allgemein erlaubt erklären. Kaum war ein Tag nach jener Erklärung verstrichen, so vollzog er die Heirat, doch fand er keinen, der seinem Beispiele gefolgt wäre, mit Ausnahme eines Freigelassenen und eines Primipilaren, dessen Hochzeit er selbst mit der Agrippina beiwohnte.

27. Kinder hatte er von drei Frauen: von der Urgulanilla den Drusus und die Claudia, von der Petina die Antonia, von der Messallina die Octavia und einen Sohn, den er anfangs Germanicus, später Britannicus zubenannte. Den Drusus verlor er noch als Knaben zu Pompeji, indem derselbe an einer Birne erstickte, die er im Spielen in die Höhe geworfen und mit dem Munde wieder aufgefangen hatte. Wenige Tage zuvor hatte er diesen Sohn mit einer Tochter Sejans verlobt; um so mehr wundere ich mich daher, daß manche Schriftsteller berichtet haben, derselbe sei von Sejan heimlich umgebracht worden. Die Claudia, deren Vater eigentlich sein Freigelassener Boter war, wurde auf seinen Befehl, obschon sie vor dem fünften Monate nach der Ehescheidung geboren und anfangs als sein Kind auferzogen worden war, ausgesetzt und der Mutter nackt vor die Türe gelegt. Die Antonia vermählte er mit Cnejus Pompejus Magnus, dann mit Faustus Sulla, zwei jungen Männern edelster Abkunft, die Octavia mit seinem Stiefsohne Nero, nachdem sie vordem mit dem Silanus verlobt gewesen war. Den Britannicus, der ihm am zwanzigsten Tage nach seiner Thronbesteigung während seines zweiten Konsulates geboren worden war, empfahl er schon damals noch im zarten Alter beständig sowohl den versammelten [349] Soldaten, denen er ihn auf seinen Armen zeigte, als auch bei Gelegenheit von Schauspielen dem Volke, indem er ihn auf seinem Schoße sitzen oder vor sich stehen ließ und ihm unter dem Jubelrufe der versammelten Menge Heil und Segen wünschte. Von seinen Schwiegersöhnen adoptierte er den Nero; den Pompejus und den Silanus überging er nicht nur, sondern ließ sie sogar umbringen.

28. Unter seinen Freigelassenen standen bei ihm in besonderem Ansehen: Posides, ein Verschnittener, den er auch bei Gelegenheit seines britannischen Triumphes unter den verdienten Kriegsmännern mit der unbeschlagenen Lanze beschenkte; nicht minder Felix, den er zum Befehlshaber erst einer Reiterabteilung mit Bundestruppen, dann der römischen Reiterei und zuletzt zum Statthalter der Provinz Judäa erhob und der mit Königinnen verheiratet war; desgleichen Arpocras, dem er das Recht erteilte, sich in Rom einer Sänfte zu bedienen und dem Volke öffentlich Spiele zu geben. Zu diesen kam noch Polybius, sein Hofgelehrter, den man häufig die Ehre genießen sah, in der Mitte zwischen den beiden Konsuln spazieren zu gehen. Am höchsten aber unter allen standen in der kaiserlichen Gunst Narcissus, [350] sein Kabinettssekretär, und Pallas, sein Finanzintendant, die sogar durch Senatsbeschluß nicht nur mit ungeheuren Geldbelohnungen, sondern auch mit quästorischem und prätorischem Amtsrange ausgestattet wurden, zu welchem allem er bereitwillig seine Genehmigung erteilte, und denen er überdies noch so viel zusammenzuraffen und zu rauben gestattete, daß ihm, als er sich einmal über den Geldmangel im Schatze beklagte, die nicht unrichtige Antwort gegeben wurde, er würde Geld im Überflusse haben, wenn ihn seine beiden Freigelassenen zum Kompagnon annehmen wollten.

29. Beherrscht, wie ich gesagt habe, von diesen Menschen und von seinen Frauen, spielte er eigentlich nicht den Fürsten, sondern den Diener. Wie es im Interesse jeder dieser Personen oder auch ihrer Neigung und Laune entsprach, teilte er Ehrenstellen, Heerkommandos, Straflosigkeitserklärungen und Strafen aus und obenein meist, ohne recht zu wissen, was er tat. Und um nicht alle und jede geringfügigen Einzelheiten aufzuzählen – die widerrufenen Gnadenbezeigungen, die ungültig erklärten richterlichen Urteile, die untergeschobenen oder auch offenbar geänderten Kabinettsbestallungen –, so ließ er z.B. den Appius Silanus, seinen Schwager, die beiden Julien, die eine des Drusus, die andere des Germanicus Tochter, auf ganz unbestimmte Anschuldigung und ohne ihnen Verteidigung zu gestatten, hinrichten; desgleichen den Cnejus Pompejus, seiner älteren Tochter Mann, und den Lucius Silanus, den Verlobten der jüngeren. Von diesen wurde Pompejus in den Armen eines von ihm geliebten Knaben erstochen, Silanus gezwungen, die Prätur am vierten Tage vor dem ersten Januar niederzulegen und am Neujahrstage, der zugleich der Tag von Claudius' und Agrippinas Vermählung war, den Tod zu erleiden. Die Todesurteile von dreißig Senatoren und mehr als dreihundert Richtern vollzog er mit solcher Leichtfertigkeit, daß er, als der Centurio ihm über die Hinrichtung eines Mannes von konsularischem Range mit den Worten Meldung machte: »sein Befehl sei[351] vollzogen«, in Abrede stellte, daß er irgend einen Befehl erteilt habe, nichtsdestoweniger aber das Geschehene guthieß, weil seine Freigelassenen ihm vorsagten: die Soldaten hätten ihre Pflicht getan, daß sie aus freiem Antriebe zur Bestrafung eines Feindes ihres Kaisers vorgeschritten wären. Indes dürfte doch das Folgende allen Glauben übersteigen, daß er nämlich sogar die Ehepakten der Messallina mit ihrem Buhlen Silius selbst mitunterzeichnet habe, wozu man ihn durch die Vorstellung bewogen habe, das Ganze sei eine absichtlich vorgenommene Scheinzeremonie, um von seinem Haupte ein Unheil, das, wie man sagte, durch allerhand Vorzeichen ihm drohend verkündet ward, abzuwenden und auf ein anderes zu übertragen.

30. Imponierende Würde der äußeren Erscheinung fehlte ihm keineswegs, sei es, daß er stand oder daß er saß, und vor allem, wenn er auf dem Ruhebette lag. Denn er war von großer und dabei nicht magerer Figur, und sein graues Haar und ein wohlbefleischter Nacken verschönerten sein Aussehen. Beim Gehen schadete es ihm, daß er nicht recht fest auf den Beinen war, und im heiteren wie beim ernsten Behaben verunstaltete ihn mehreres: ein unanständiges Lachen und noch mehr ein häßliches Aussehen im Zorne, wo ihm der Schaum vor den Mund trat und die Nase floß. Dazu kam ein stotterndes Anstoßen mit der Zunge und ein fortwährendes Zittern des Kopfes, das sich bei jeder geringsten Handlung, die er vornahm, auf den höchsten Grad steigerte.

31. Seine Gesundheit, die früher schwächlich gewesen war, stärkte sich seit seiner Thronbesteigung auf das glücklichste, mit Ausnahme der Magenschmerzen, unter deren Pein er bisweilen sogar an Selbstmord gedacht zu haben bekennt.

32. Gastereien veranstaltete er sehr reichliche und häufige und fast immer in sehr weiten Räumlichkeiten, so daß sehr oft sechshundert auf einmal zur Tafel lagen. Einmal veranstaltete er sogar ein Gastgebot bei der Ablassung des [352] Fucinersees, wobei er durch das mit großer Gewalt nach Durchstechung des Dammes hervorbrechende und alles überschwemmende Wasser beinahe ersäuft worden wäre. Zu seiner Tafel zog er regelmäßig auch seine Kinder mit anderen Knaben und Mädchen von edler Geburt, die nach alter Sitte zu Füßen des Tischsofas sitzend essen mußten. Einen seiner Gäste, auf dem der Verdacht ruhte, daß er tags zuvor einen goldenen Becher heimlich eingesteckt habe, lud er zum nächsten Tage wieder ein und setzte ihm eine tönerne Trinkschale vor. Man sagte ihm auch nach, er habe ein Edikt zu erlassen beabsichtigt, welches die Erlaubnis geben sollte, stille und laute Blähungen bei Tische zu entlassen, weil er erfahren hatte, daß einer seiner Tischgenossen infolge schamhafter Zurückhaltungen derselben lebensgefährlich krank geworden war.

33. Zum Essen und Weintrinken hatte er überall und zu jeder Zeit einen außerordentlichen Appetit. Er saß einmal zu Gericht auf dem Augustusforum, als er, angelockt durch den Duft eines Frühstücks, welches in dem naheliegenden Marstempel für die Salier bereitet wurde, sofort das Tribunal im Stiche ließ, zu den Priestern hinaufging und sich an ihrer Tafel niederließ. Auch erhob er sich selten von der Tafel, ohne sich voll gegessen und getrunken zu haben, so daß ihm sofort, wenn er schlafend mit offenem Munde auf dem Rücken lag, eine Feder in den Mund gesteckt wurde, um eine erleichternde Entleerung des Magens zu bewirken. Sein Schlaf war überaus kurz, denn er wachte gewöhnlich vor Mitternacht auf, doch schlief er zuweilen am hellen Tage beim Rechtsprechen ein, so daß ihn die Advokaten, die zu dem Zwecke mit verstärkter Stimme sprachen, kaum erwecken konnten. Zum weiblichen Geschlecht [353] hatte er einen übermäßigen Hang, zum männlichen gar keinen. Das Brettspiel trieb er sehr eifrig und schrieb über die Kunst desselben sogar ein Buch; ja, er pflegte sogar beim Fahren zu spielen, wobei das Spielbrett so im Wagen befestigt war, daß das Spiel nicht in Verwirrung geraten konnte.

[354] [391]Nero Claudius Cäsar.

26. Proben von Übermut, Wollust, Schwelgerei, Habsucht und Grausamkeit gab er anfangs zwar nur sehr vereinzelt und verborgen und als Erzeugnisse jugendlichen Leichtsinns, doch von der Art, daß selbst damals schon niemand darüber im Zweifel sein konnte, daß diese Laster seinem Naturell, nicht seiner Jugend angehörten. So pflegte er gleich nach Eintritt der Dämmerung rasch einen Schifferhut oder eine Kutschermütze aufzusetzen und die Schenken zu besuchen oder unter allerlei Mutwillen in den Gassen umherzuschweifen, wobei es indes nicht ohne bösartige Streiche abging, indem es sein stehendes Vergnügen war, die von einer Tischgesellschaft Heimkehrenden zu prügeln und, wenn sie sich wehrten, zu verwunden und in die Kloaken zu werfen, desgleichen kleine Kaufläden zu erbrechen und auszurauben, wozu er in seinem Hause eine Quintana eingerichtet hatte, wo die gemachte Beute an den Meistbietenden verkauft und der Erlös verteilt und vertan wurde. Zuweilen freilich setzte er bei solchen Raufhändeln Augen und Leben aufs Spiel, wie er denn einmal von einem Ritter alten Geschlechts, dessen Ehefrau er unzüchtig [391] zu betasten sich erfrecht hatte, fast zu Tode geprügelt worden ist. Deshalb wagte er sich späterhin um diese Tageszeit niemals mehr ins Publikum, ohne daß ihm Militärtribunen insgeheim und von ferne folgten. Auch bei Tage ließ er sich wohl heimlich in einer verschlossenen Sänfte ins Theater tragen, wo er von seinem Platze auf dem oberen Stocke des Prosceniums aus den wilden Streitigkeiten der Pantomimen als Tonangeber und Zuschauer beiwohnte und, wenn es zum Handgemenge kam und der Streit mit Steinen und Bankbeinen ausgefochten wurde, selbst dergleichen in großer Anzahl unter das Volk schleuderte, wobei er sogar einmal den Prätor schwer am Kopfe verwundete.

27. Allmählich aber, als seine lasterhaften Neigungen sich steigerten, ging er von solchen heimlichen Bubenstreichen, ohne sich weiter um Verheimlichung zu kümmern, ganz offen zu größeren über. Seine Tafelstunden verlängerte er von Mittag bis Mitternacht, wobei er inzwischen oft durch warme und im Sommer durch geeiste Bäder sich zu erfrischen suchte. Er speiste zuweilen auch im Freien, in einem zu diesem Zwecke mit Schranken umgebenen Schiffsbassin oder auf dem Marsfelde oder im Zirkus Maximus, wobei ihm die Freudenmädchen und Tänzerinnen von ganz Rom aufwarteten. Sooft er nach Ostia den Tiberfluß hinabfuhr oder am Golf von Bajä vorbeisegelte, wurden jedesmal an bestimmten Stellen des Ufers Schenken hergerichtet, wohlausgestattete Lusthäuser, wo selbst vornehme Frauen die Wirtinnen machten [392] und bald hier, bald dort ihn zu landen einluden. Oft sagte er sich selbst zu Tisch bei seinen Freunden an, wobei denn einmal einem derselben die Mitellita auf viermalhunderttausend Sesterzien, einem anderen die Rosenessenz noch weit höher zu stehen kam.

28. Außer dem unzüchtigen Verkehr mit freien Knaben und mit verheirateten Frauen verübte er Gewalt gegen die Vestalin Rubria. Die Freigelassene Acte hätte er beinahe in aller Form geheiratet und bereits Männer konsularischen Ranges angestiftet, welche ihre erdichtete Abstammung von königlichem Blute beschwören sollten. Den jungen Sporus, den er entmannen ließ und auf alle Weise zu einem Individuum weiblichen Geschlechts umzugestalten suchte, ließ er mit rotem Schleier und Mitgift nach feierlicher Vollziehung der Heiratszeremonien unter großem Gepränge in seinen Palast führen und wie seine Gemahlin behandeln. Es existiert darüber noch heute ein nicht ungeschickter Einfall eines Witzlings: »es wäre ein Glück für die Menschheit gewesen, wenn Domitius der Vater eine solche Gemahlin gehabt hätte!« Diesen Sporus kleidete er in die Tracht der Kaiserinnen, ließ ihn in einer Sänfte tragen und führte ihn auf den Festversammlungen und Messen von Griechenland und darauf auch zu Rom am Bilderfeste unter häufigen zärtlichen Küssen als Begleiter mit sich umher. Und dies ist um so glaublicher, als niemand daran gezweifelt [393] hat, daß er selbst nach dem geschlechtlichen Umgang seiner Mutter lüstern gewesen und nur durch die Feinde der letzteren, die da fürchteten, daß das maßlos heftige und herrschsüchtige Weib infolge solchen Verhältnisses einen übermächtigen Einfluß gewinnen möchte, davon abgeschreckt worden sei. Jedenfalls ist es Tatsache, daß er eine Buhlerin, von der es hieß, daß sie der Agrippina überaus ähnlich sehe, unter seine Beischläferinnen aufnahm. Auch behauptet man, daß in früherer Zeit, sooft er mit seiner Mutter sich in ein und derselben Sänfte tragen ließ, die Spuren seines unzüchtigen Verkehrs mit derselben sich durch die Flecken seiner Kleider verraten hätten.

29. Seinen eigenen Leib gab er in dem Maße preis, daß er, nachdem fast kein Teil desselben unbefleckt geblieben war, eine Art Spiel ausdachte, in welchem er in das Fell eines wilden Tieres genäht aus dem Behälter herausgelassen wurde und in diesem Aufzuge sich auf die Schamteile der an den Pfahl gebundenen Männer und Frauen losstürzte und, nachdem er seine wüste Lust gebüßt, sich endlich von Doryphorus, einem Freigelassenen, erlegen ließ, den er sogar ebenso seinerseits zum Manne nahm, wie er den Sporus zur Frau genommen hatte, wobei er auch die Töne und Aufschreie der Gewalt leidenden Jungfrauen nachahmte. Von manchen Leuten habe ich erfahren, daß er der vollkommenen Überzeugung gewesen sei, kein Mensch sei keusch und irgendwie unbefleckten Leibes, die meisten verstellten sich nur und wüßten ihre Laster schlau zu verheimlichen, weshalb er denn auch denen, die ihre Unkeuschheit offen zur Schau trugen, alle übrigen Vergehen nachgesehen habe.

[394] [400]34. Seine Mutter, die ihn dadurch beschäftigte, daß sie seine Reden und Taten mit einer ihm unangenehmen Schärfe kontrollierte und kritisierte, begnügte er sich anfangs beim Publikum verhaßt zu machen, indem er aussprengen ließ: er sei willens, abzudanken und von Rom fort nach Rhodus zu gehen. Später beraubte er sie aller äußeren Ehren und alles Einflusses, nahm ihr die römische und germanische Ehrenwache und entzog ihr sogar die Wohnung im Palatium. Auch machte er sich kein Gewissen daraus, sie auf alle Weise zu quälen. War sie in Rom, so hetzte er ihr Prozesse auf den Hals; zog sie sich aufs Land zurück, um [400] ruhig zu leben, so stiftete er Individuen an, die, zu Lande und zu Wasser bei ihrem Landsitze vorbeifahrend, sie durch Schimpfreden und schlechte Witze beleidigen mußten. Allein erschreckt durch ihre Drohungen und Heftigkeit, beschloß er, sie zu verderben. Nachdem er dreimal es mit Gift versucht und bemerkt hatte, daß sie mit Gegengiften versehen sei, ließ er in ihrem Schlafgemache die Decke so einrichten, daß dieselbe über die Schlafende mittels einer Maschinerie einstürzen mußte. Als dieser Plan durch die Mitwisser nicht geheim genug gehalten worden war, geriet er auf den Gedanken, ein leicht auseinandergehendes Schiff herstellen zu lassen, mittels dessen sie entweder durch Schiffbruch oder durch den Einsturz der Kajüte ums Leben kommen sollte. Er lud sie also unter dem heuchlerischen Scheine einer Aussöhnung mit ihr durch einen höchst liebenswürdigen Brief ein, nach Bajä zu kommen, um dort das fünftägige Minervafest mitsammen zu feiern, und indem er dem Trierarchen den Befehl erteilte, die liburnische Jacht, auf der sie gekommen war, wie durch Zufall seeuntüchtig zu machen, verlängerte er das Festmahl bis in die Nacht hinein. Als sie dann nach Bauli zurückzukehren begehrte, bot er ihr statt des schadhaft gewordenen Fahrzeuges jenes künstlich hergerichtete an, gab ihr sehr heiter das Geleit bis zu demselben und küßte ihr beim Abschied sogar den Busen, brachte aber den Rest der Nacht in großer Angst wachend hin, den Ausgang seines Anschlages erwartend. Als er aber erfuhr, daß alles anders gekommen und daß sie sich durch Schwimmen gerettet habe, gab er plötzlich, da er sich weiter nicht zu helfen wußte, den Befehl, ihren Freigelassenen Lucius Agerinus, der ihm voll Freude die Botschaft brachte, daß sie gesund und unverletzt sei, nachdem er heimlich dicht [401] neben denselben einen Dolch hingeworfen hatte, als einen gegen ihn ausgesendeten Meuchelmörder festzunehmen und zu binden, seine Mutter aber zu töten, und zwar dies so einzurichten, daß es den Anschein habe, als ob sie sich der Bestrafung für ihr entdecktes Verbrechen durch freiwilligen Tod entzogen habe. Noch Grauenvolleres wird hinzugefügt, und zwar von namhaften Schriftstellern: daß er herbeigeeilt sei, um den Leichnam der Ermordeten zu beschauen, daß er ihre Glieder betastet, einige derselben getadelt, andere gelobt und zuletzt, als ihn Durst ankam, getrunken habe. Dennoch konnte er das Bewußtsein dieses Verbrechens, obschon Soldaten, Senat und Volk ihm durch ihre Glückwünsche Mut zu machen suchten, weder jetzt noch jemals ertragen, und oft bekannte er, daß er durch die Erscheinung seiner Mutter und durch die Furien mit ihren Geißeln und brennenden Fackeln fort und fort verfolgt werde. Ja, er versuchte sogar, durch ein von Magiern verunstaltetes Opfer ihren abgeschiedenen Geist beschwörend zu versöhnen. Auf seiner Reise durch Griechenland wagte er den eleusinischen Mysterien, von deren Weihe durch den Ruf des Herolds alle Schuldbeladenen und Verbrecher ferngehalten werden, nicht beizuwohnen. Auf den Mord der Mutter ließ er die Hinrichtung seiner Tante folgen. Als er nämlich derselben, die an Verstopfung litt, einen Krankenbesuch machte, und die bereits hochbejahrte Frau, wie das alte Leute wohl zu tun pflegen, indem sie seinen Milchbart durch die Finger gleiten ließ, liebkosend sagte: Wenn ich den empfangen haben werde, will ich gern sterben!, versetzte er, gegen die Umstehenden gewendet, ironisch: Da will ich ihn gleich ablegen! und gab den Ärzten Befehl, »der Kranken reichlichere Öffnung zu schaffen«. Und noch war sie nicht gestorben, als er sich schon in Besitz ihres Vermögens setzte und ihr Testament unterschlug, damit nichts davon abgehe.

[402] 35. Frauen nahm er, außer der Octavia, später noch zwei, die Poppäa Sabina, deren Vater ein Mann von quästorischem Range und die zuvor an einen römischen Ritter verheiratet gewesen war, und darauf die Statilia Messallina, Urenkelin des Taurus, der das Konsulat zweimal bekleidet und einen Triumph gefeiert hatte. Um zu ihrem Besitze zu gelangen, ließ er ihren Gemahl, den Konsul Atticus Vestinus, noch während seines Konsulates ermorden. Der Octavia ward er bald überdrüssig und gab seinen Vertrauten, die ihn deshalb tadelten, zur Antwort: sie müsse mit dem Frauenrange zufrieden sein. Nachdem er mehrmals versucht hatte, sie zu erdrosseln, schied er sich von ihr unter dem Vorwande der Unfruchtbarkeit; als aber das Volk sich mit dieser Scheidung unzufrieden bezeigte, ja es an Schimpfreden nicht fehlen ließ, verbannte er sie sogar. Zuletzt ermorderte er sie unter dem Vorwande ehelicher Untreue, ein Vorwand, der so falsch und schamlos war, daß er zuletzt, als bei der peinlichen Untersuchung alle Befragten ihre Unschuld bezeugten, seinen gewesenen Hofmeister Anicetus dazu anstiftete, als Angeber aufzutreten und zu bekennen, er habe sich durch List den Genuß ihres Leibes verschafft. Die Poppäa, die er zwölf Tage nach der Scheidung von der Octavia geheiratet hatte, liebte er leidenschaftlich; und doch tötete er auch sie durch einen Fußtritt, weil sie ihn, krank und guter Hoffnung, wie sie war, als [403] er einmal sehr spät vom Wettfahren heimkehrte, heftig ausgescholten hatte. Von ihr hatte er eine Tochter, Claudia Augusta, die er aber früh wieder verlor.

Man kann sagen, daß es keine Art von Blutsverwandtschaft gibt, gegen die er nicht mit seiner Henkerhand einen Schlag geführt hat. Die Antonia, des Claudius Tochter, die nach dem Tode der Poppäa seine Hand ausschlug, brachte er unter dem Vorwande, daß sie auf Umtriebe sinne, ums Leben. Ebenso brachte er alle um, welche mit ihm durch Blutsverwandtschaft oder Verschwägerung verbunden waren, darunter den jungen Aulus Plautius, den er vor der Hinrichtung noch erst durch unzüchtige Gewalt besudelte und dann mit den Worten zum Tode schickte: »Jetzt mag meine Mutter hingehen und meine Nachfolger liebkosen!«, wobei er jedem, der es hören wollte, sagte, derselbe sei seiner Mutter begünstigter Lieb haber gewesen, die demselben Hoffnung auf die Regierung gemacht habe. Seinen Stiefsohn Rufius Crispinus, den Sohn der Poppäa, einen noch unreifen Knaben, ließ er durch dessen eigenen Sklaven, weil es hieß, derselbe spiele in seinen Knabenspielen Generalissimus und Kaiser, im Meere ersäufen, während er mit Fischen beschäftigt war. Den Tuscus, seiner Amme Sohn, verbannte er, weil derselbe als Statthalter von Ägypten sich in den Bädern gebadet, welche man für die erwartete Ankunft des Kaisers herrichtete. Den Seneca, seinen Lehrer, zwang er, sich selbst das Leben zu nehmen, obschon er ihm auf seine wiederholten Urlaubsgesuche und sein Erbieten, dem Kaiser sein Vermögen abzutreten, hoch und heilig zugeschworen hatte: »seine Besorgnis sei grundlos, er wolle lieber sterben, als ihm etwas zuleide tun«. Dem Burrus, dem Befehlshaber seiner Garde, schickte er anstatt des Mittels [404] gegen Halsweh, das er ihm versprochen hatte, Gift. Seine reichen, bereits bejahrten Freigelassenen, die ihm einst zur Adoption, dann zum Throne verholfen und ihn auf demselben beraten hatten, räumte er heimlich durch Gift, das er ihnen teils in Speisen, teils in Getränken beibrachte, aus dem Wege.

[405] [447]Servius Sulpicius Galba.

21. Er war von richtiger Mannesgröße, hatte einen sehr kahlen Kopf, blaue Augen, gebogene Nase, Hände und Füße von der Gicht dermaßen verdreht, daß er weder lange einen Schuh zu leiden noch Schriftstücke umzublättern oder überhaupt nur zu halten vermochte. Dazu hatte er an der rechten Seite einen Fleischauswuchs, der so stark hervorging, daß er kaum durch eine Binde zusammengehalten werden konnte.

22. Er war, erzählt man, ein starker Esser, der zur Winterszeit sogar schon vor Tagesanbruch zu essen pflegte. Bei Tafel nun gar häufte er eine solche Masse Speisen vor sich auf, daß er die Reste derselben von Hand zu Hand umherreichen und (zuletzt) unter die aufwartende Dienerschaft verteilen ließ. Seine Lust fand er mehr am männlichen als am weiblichen Geschlecht, und zwar ausschließlich an hageren und altgewohnten Unzuchtgenossen. Man sagt ihm nach, er habe in Spanien den Icelus, einen sehr alten Unzuchtgenossen, als derselbe ihm die Nachricht von dem Tode Neros brachte, nicht nur vor aller Welt auf das leidenschaftlichste geküßt, sondern sich auch auf der Stelle seine Gunst erbeten und ihn beiseite geführt.

[447] [526]Titus Flavius Domitianus.

12. Bei der Erschöpfung der Staatskasse durch die kostbaren Bauwerke und Festspiele sowie auch durch die Soldzulage, welche er den Soldaten bewilligt hatte, machte er anfangs den Versuch, zur Erleichterung der Ausgaben für die stehenden Heere die Zahl der Soldaten zu verringern. Allein da er sah, daß er sich dadurch den Angriffen der Barbaren aussetzte und daß ihn jene Maßregel doch nicht aus der Geldklemme befreite, so begann er ohne Scheu rücksichtslos alles zu plündern. Das Vermögen der Lebenden wie der Verstorbenen wurde in einem fort auf jede beliebige Anklage und Anschuldigung hin mit Beschlag belegt. – Es genügte, jemand die unbedeutendste Handlung oder Äußerung gegen die Majestät des Kaisers schuld zu geben. Man konfiszierte Erbschaften, die den Kaiser gar nichts angingen, sobald sich auch nur ein Mensch fand, welcher aussagte: er habe es aus dem Munde des Verstorbenen bei dessen Lebzeiten vernommen, der Kaiser sei sein Erbe. Vorzüglich hart wurde die Beitreibung der Judensteuer gehandhabt. Man denunzierte beim Fiskus sowohl die, welche, ohne sich als Juden zu bekennen, nach jüdischer Weise lebten, als die, welche durch Verheimlichung ihrer Abstammung sich der Zahlung der ihrem Volke auferlegten Steuer zu entziehen versucht hatten. Ich erinnere mich, als ganz junger Mensch zugegen gewesen zu sein, als vor dem Prokurator und einem zahlreich versammelten Kollegium ein neunzigjähriger Greis sich besichtigen lassen muße, ob er beschnitten sei! Von [526] Jugend auf hatte Domitian nichts Freundliches in seinem Wesen, vielmehr war er hochmütig, trotzig und in Worten und Handlungen maßlos. Als die Cänis, seines Vaters Konkubine, ihn bei ihrer Rückkehr von Istrien, wie sie immer getan, küssen wollte, reichte er ihr die Hand (zum Kusse) dar. Unzufrieden darüber, daß seines Bruders Schwiegersohn auch weiß gekleidete Dienerschaft hielt, rief er die (Homerischen) Worte aus:


Nimmer Gedeihn bringt Vielregiment –.


13. Als er nun gar erst zum Throne gelangt war, vermaß er sich sogar im Senate, prahlend auszusprechen: »er sei es, der sowohl seinem Vater wie seinem Bruder den Thron gegeben, sie hätten ihm denselben nur wiedergegeben«, und bei der Wiederverheiratung mit seiner geschiedenen Frau die Worte zu brauchen: »sie sei von ihm auf seinen Göttersitz« berufen«. Auch hörte er es gern, als im Amphitheater am Tage des großen Festschmauses das Volk ihn mit dem Zurufe begrüßte: »Heil unserem Herrn und unserer Herrin!« Ja, er ging noch weiter. Als bei dem Festwettstreite zu Ehren des Kapitolinischen Jupiter alle Anwesenden ihn einstimmig baten: daß er den Palfurius Sura, den er aus dem Senate gestoßen und der eben jetzt den Siegespreis im Wettstreite der Redner erhalten hatte, wieder in den Senat aufnehmen möchte, würdigte er sie nicht einmal einer Antwort, sondern ließ ihnen bloß durch Heroldsruf ein: »Schweigt!« zurufen. Mit gleichem Hochmute bediente er sich, wenn er im Namen seiner Prokuratoren ein Briefformular[527] diktierte, der Anfangsworte: Unser Herr und Gott befiehlt, daß das und das geschehe. Infolgedessen wurde es Brauch, daß ihn überhaupt, weder schriftlich noch mündlich, irgend jemand anders anredete. Statuen durften ihm auf dem Kapitol nur goldene und silberne errichtet werden, und zwar von bestimmtem Gewichte. Janus- und Triumphbogen mit Viergespannen und Triumphalzeichen darauf errichtete er in allen Regionen der Stadt in solcher Größe und Zahl, daß man einmal an einen auf griechisch schrieb: »Es ist genug!« Konsulate ließ er sich siebzehn übertragen, eine Zahl, die vor ihm niemand bekleidet hatte. Die sieben mittelsten bekleidete er hintereinander, doch alle nur dem Namen nach und keins über den ersten Mai hinaus, mehrere sogar nur bis zum dreizehnten Januar. Nachdem er zwei Triumphe gehalten und den Beinamen Germanicus angenommen hatte, taufte er den September- und Oktobermonat nach seinen bei den Zunamen in Germanicus und Domitianus um, weil er in dem einen die Regierung angetreten hatte und in dem anderen geboren war.

14. Durch solches Betragen ein Gegenstand der Furcht und des Hasses für alle Welt, ward er endlich ermordet infolge einer Verschwörung seiner nächsten Freunde und Freigelassenen, an der sich auch seine Gemahlin beteiligte. Schon lange hatte er von dem Jahre und Tage seines Lebensendes, ja selbst von der Stunde und Art seines Todes eine gewisse Ahnung; in seiner Jugend hatten ihm Chaldäer alles vorausgesagt. Sogar sein Vater hatte ihn einmal über Tische, als er keine Schwämme essen wollte, ausgelacht, daß er sein Geschick nicht besser wisse und nicht vielmehr sich vor Eisen fürchte. Deshalb befand er sich [528] beständig in Angst und Schrecken, und der geringste Verdacht machte auf ihn einen unerhörten Eindruck. So glaubt man, nichts habe so sehr dazu beigetragen, daß er das Edikt über die Ausrottung der Weinberge zurücknahm, als die Verbreitung einer Schrift, in welcher sich die (griechischen) Verse befanden:


Nagst du mich auch bis zur Wurzel, so werd ich doch Frucht genug tragen,

Um, wenn zum Opfer du fällst, Cäsar, zu sprengen mit Wein.


Aus derselben Furcht lehnte er auch eine ganz neue und eigens für ihn vom Senate ausgesonnene Ehre ab, obschon er sonst nach dergleichen Ehrenbeweisen sehr begierig war. Der Senat hatte nämlich beschlossen: daß, so oft er das Konsulat bekleiden würde, römische Ritter, durchs Los zu solcher Ehre erwählt, im Feierkleide und mit Kriegslanzen vor ihm, zwischen den Liktoren und Gerichtsdienern, vorausziehen sollten. Als nun aber die Zeit der befürchteten Gefahr herannahte, wurde er von Tag zu Tag besorgter. Er ließ die Wände der Hallen, in denen er spazierenzugehen pflegte, mit Lichtstein bekleiden, um durch den Glanz desselben alles, was hinter seinem Rücken vorging, durch die Spiegelbilder wahrnehmen zu können. Auch verhörte er die Gefangenen meist nur insgeheim und unter vier Augen, wobei er sich sogar ihre Ketten in die Hand geben ließ. Und um es seinen Hofbedienten einzuschärfen, daß man sich selbst durch ein edles Beispiel nicht verleiten lassen dürfe, [529] Hand an das Leben des Herrn zu legen, so verurteilte er den kaiserlichen Sekretär Epaphroditus zum Tode, weil es allgemein hieß, er habe dem Nero, als sich derselbe nach seiner Absetzung den Tod zu geben versuchte, dazu hilfreiche Hand geliehen.

15. Endlich ließ er sogar den Flavius Clemens, seinen Vetter, einen wahrhaft kläglich unbedeutenden Menschen, dessen Söhne er bereits in ihrer früheren Jugend öffentlich als seine Nachfolger bezeichnet, ihre früheren Namen verändert und den einen Vespasianus, den andern Domitianus zu nennen befohlen hatte, fast unmittelbar nachdem derselbe das Konsulat bekleidet hatte, plötzlich auf einen überaus geringen Verdacht hin ums Leben bringen. Durch diese Tat vorzüglich beschleunigte er seinen eigenen Untergang. Volle acht Monate hintereinander schlug der Blitz so oft ein, daß er zuletzt auf die fort und fort ihm gemachten Anzeichen ausrief: »Nun, so treffe er denn, wen er will!« Es schlug ein in das Kapitol und den Tempel des Flavischen Geschlechts; desgleichen in seinen Palast auf dem Palatin, und zwar in sein Schlafgemach. Durch die Gewalt des Sturmes wurde sogar die Inschriftplatte von der Basis seiner Triumphalsäule losgerissen und fiel auf ein in der Nähe befindliches Denkmal herab. Der Baum, welcher, als Vespasian noch Privatmann war, sich von seinem Falle wieder aufgerichtet hatte, stürzte jetzt plötzlich von neuem zur Erde. Die Pränestinische Fortuna, der er sich während seiner ganzen Regierungszeit beim Antritt jedes [530] neuen Jahres zu empfehlen, und die ihm immer einen und denselben glückverheißenden Orakelspruch zu geben gewöhnt gewesen war, gab ihm im letzten Jahre einen sehr unheilvollen, in welchem auch von Blut die Rede war. Die Minerva, welcher er eine abergläubische Verehrung widmete, erschien ihm im Traum und erklärte ihm, daß sie seine Hauskapelle verlasse und ihn nicht länger beschützen könne, weil sie von Jupiter entwaffnet worden sei. Nichts aber machte einen so tiefen Eindruck auf ihn, als die Antwort, die ihm der Astrolog Askletarion gab. Er fragte den Mann, von dem Angeber ausgesagt hatten und der es auch geständig war, daß er öffentlich prahlerisch von dem, was er durch seine Kunst von der Zukunft vorausgesehen, gesprochen habe: ob er denn wisse, welches Ende ihn selber erwarte? und als jener zuversichtlich erwiderte: er werde in kurzer Zeit von Hunden zerrissen werden, gab Domitian Befehl, ihn zwar allerdings sofort zu töten, aber ihn auch zugleich, um die Nichtigkeit seiner Kunst zu beweisen, auf das sorgfältigste zu bestatten. Als man damit beschäftigt war, geschah es, daß durch ein plötzliches Sturmwetter der Scheiterhaufen umgeworfen wurde und Hunde den halbverbrannten Leichnam zerissen, und daß der Kaiser die Sache bei Tafel durch den Mimen Latinus, der sie zufällig im Vorbeigehen mit angesehen hatte, unter den übrigen Tagesneuigkeiten erfuhr.

16. Als man ihm am Tage vor seinem Tode Trüffeln präsentierte, befahl er, sie auf morgen aufzuheben, indem er hinzusetzte: »Wenn ich sie anders dann noch werde essen können!« und zu seiner nächsten Umgebung gewendet, versicherte er: am nächstfolgenden Tage werde sich der Mond im Wassermann mit Blut beflecken und eine Tat geschehen, von der die Menschen auf dem ganzen Erdkreise reden würden. Gegen Mitternacht überfiel ihn ein so jäher Schrecken, daß er aus [531] seinem Bette aufsprang. Darauf verhörte er morgens früh einen ihm aus Germanien zugeschickten Vogelschauer, der, über die Bedeutung eines Blitzes befragt, einen Regierungswechsel vorausgesagt hatte, und verurteilte denselben zum Tode. Als er darauf eine auf seiner Stirn befindliche schlimm gewordene Warze etwas zu heftig kratzte und Blut herausfloß, rief er aus: »O wär' es doch damit abgemacht!« Dann fragte er, wieviel Uhr es sei, worauf man ihm statt der fünften Stunde, vor der er sich immer fürchtete, die sechste meldete. Während er jetzt voll Freude, daß nun, wie er meinte, alle Gefahr vorüber sei, eben im Begriff war, sich eilig zum Bade zu begeben, hielt ihn sein Kammerherr Parthenius auf durch die Meldung: es sei jemand da, der eine wichtige Botschaft habe, welche keinen Aufschub leide. Er ließ daher alle Anwesenden abtreten und zog sich in sein Kabinett zurück, woselbst er ermordet wurde.

17. Über den Mordplan und seine Ausführung ist etwa folgendes zur Kunde gekommen. Als die Verschworenen noch unschlüssig waren, wann und wie, d.h. namentlich: ob sie ihn bei Tafel oder im Bade angreifen sollten, erbot sich Stephanus, Intendant der Domitilla, der damals auf Unterschleif von Geldern angeklagt war, die Sache einzuleiten und auszuführen. Er umwickelte einige Tage lang, um Verdacht zu vermeiden, seinen linken Arm, als wenn derselbe leidend sei, mit Wolle und Binden, zwischen die er, als die Stunde kam, einen Dolch einschob. Hierauf meldete er an, daß er die Anzeige von einer Verschwörung zu machen habe, ward also vorgelassen und stieß dem Kaiser, als derselbe die Schrift, welche jener ihm überreicht hatte, las und wie vom Donner gerührt war, den Dolch in den Unterleib. Als er sich trotz seiner Verwundung zur Wehr setzte, fielen der [532] Kornikular Clodianus und Maximus, ein Freigelassener des Parthenius, sowie Saturius, der oberste Kammerdiener, nebst einem Gladiator über ihn her und machten ihm mit sieben Wunden den Garaus. Ein Page, der gerade, wie gewöhnlich, bei dem Altar der Laren des kaiserlichen Schlafzimmers Aufseherdienst verrichtete, pflegte noch überdies zu erzählen, Domitian habe ihm gleich auf die erste Verwundung zugerufen, ihm einen unter dem Kopfkissen liegenden Dolch zu reichen und die Dienerschaft zu rufen; er habe aber zu Häupten des Bettes nichts als den Griff eines Dolches und überdies alles verschlossen gefunden. Unterdessen habe der Kaiser sich auf den Stephanus gestürzt, ihn zur Erde niedergerissen und lange mit ihm gerungen, indem er sich bald bemühte, ihm den Dolch zu entwinden, bald ihm, trotz seiner zerfleischten Finger, die Augen auszubohren. Er ward ermordet am achtzehnten September, im fünfundvierzigsten Jahre seines Alters, im fünfzehnten seiner Regierung. Seinem Leichnam, der in einem gemeinen offenen Sarge von gewöhnlichen Totengräbern hinausgetragen worden war, erwies seine Amme Phyllis auf ihrer Villa an der Latinischen Straße die letzte Ehre, seine Reste jedoch setzte sie heimlich im Tempel der Flavischen Familie bei und tat sie zu der Asche von Titus' Tochter Julia, welche sie gleichfalls erzogen hatte.

18. Er war von hohem Wuchse; die Züge seines stark geröteten Gesichts drückten Anstand aus; seine Augen waren groß, aber etwas kurzsichtig. Im übrigen war er ein schöner und stattlicher Mann, besonders in seinen jüngeren Jahren, und zwar in seiner ganzen Körperbildung, mit Ausnahme der Füße, deren Zehen etwas zu kurz waren. Später entstellte ihn auch Kahlköpfigkeit sowie ein zu starker Bauch und allzu dünne Beine, die jedoch nur infolge einer fangen Krankheit so abgemagert waren. Er wußte so gut, daß der bescheidene Ausdruck seines Gesichts ihn den Menschen empfahl, [533] daß er einmal im Senate selbstgefällig von sich sagte: »Bis jetzt hat euch wenigstens meine Gesinnung und mein Gesicht gefallen.« Seine Kahlköpfigkeit verdroß ihn so, daß er es übelnahm und auf sich bezog, wenn dieselbe einem anderen im Scherz oder bei einem Zanke zum Vorwurf gemacht wurde. Und doch finden sich in dem Schriftchen, das er über die Pflege der Haare veröffentlichte und einem Freunde widmete, folgende Worte, mit denen er jenen und sich selbst zugleich zu trösten versucht, eingeschaltet:


»Siehest du nicht, wie ich selber so groß und schön an Gestalt bin?


Und dennoch erwartet mich dasselbe Schicksal meiner Haare, und ich trage es mit Standhaftigkeit, daß mein Haar mich schon in der Jugend zum Greise macht. Bedenke, daß nichts anmutiger ist als Schönheit, aber auch nichts vergänglicher!«

19. Gegen körperliche Anstrengung war er sehr empfindlich, weshalb er denn auch kaum jemals einen Gang zu Fuße in der Stadt machte. Zu Felde und auf dem Marsche ritt er selten, sondern fuhr meist. Waffenübungen liebte er gar nicht, dagegen war er ein überaus eifriger Bogenschütze. Es gibt noch viele, welche zugeschaut haben, wie er oft Hunderte von wilden Tieren aller Art auf seinem albanischen Lustsitze erlegte und zuweilen absichtlich die Köpfe von einigen so traf, daß die zwei Pfeilschüsse wie zwei Hörner in denselben feststaken. Zuweilen schoß er einem in der Ferne stehenden Knaben, der als Ziel seine rechte ausgespreizte Hand bieten mußte, mit solcher Geschicklichkeit durch die Zwischenräume der Finger, daß alle Pfeile, ohne ihn zu verletzen, hindurchgingen.

20. Die wissenschaftlichen Studien ließ er gleich nach seiner Thronbesteigung liegen, obschon er allerdings die im Feuer aufgegangenen Bibliotheken mit großen Kosten wieder erneuern [534] ließ, indem er von allen Seiten Exemplare der verloren gegangenen Werke aufkaufte und Leute nach Alexandrien schickte, welche neue Abschriften nehmen und andere korrigieren mußten. Nichtsdestoweniger legte er sich nie darauf, Kenntnis der historischen oder poetischen Literatur zu erwerben oder sich auch nur die notwendige Fertigkeit im Stil zu verschaffen. Außer den Denkwürdigkeiten und politischen Schriften des Kaisers Tiberius las er nichts. Seine Briefe sowie seine Reden und Edikte ließ er von anderen abfassen, und doch sprach er gewählt und machte zuweilen sehr bemerkenswerte Bonmots. »Ich wollte«, sagte er z.B. einmal, »ich wäre so schön, wie Metius sich vorkommt!« Und von dem Haupthaare jemandes, das bald rötlich, bald grau gefleckt war, sagte er: »Es ist Schnee, auf den man Weinmet gegossen hat.«

21. Die Lage der Fürsten, pflegte er zu sagen, sei höchst beklagenswert, weil man ihnen in betreff ihrer sicheren Kunde von einer Verschwörung nicht eher Glauben schenke, als bis sie ermordet seien.

In seinen Mußestunden pflegte er sich mit Brettspiel zu vergnügen, selbst an Festtagen und in frühen Morgenstunden. Auch badete er früh und aß sich beim Frühmahl vollkommen satt, so daß er bei der Hauptmahlzeit nicht leicht etwas, außer einem matianischen Apfel und einem mäßigen Trunk, der sich in einer Karaffe befand, zu sich nahm. Er gab häufige und reichliche Gastgelage, aber man speiste sehr rasch, jedenfalls nicht über Sonnenuntergang hinaus; auch hielt er nach der Tafel weiter keine nächtlichen Trinkgelage, vielmehr machte er bis zur Schlafenszeit nur bloß noch sich Leibesbewegung, indem er allein an einem Orte, dem niemand nahen durfte, spazieren ging.

22. Ausschweifend im geschlechtlichen Genusse, pflegte er seinen täglichen Umgang mit Frauen wie eine Art gymnastischer Übung mit dem Namen »Bettturnen« zu benennen. [535] Auch sagte das Gerücht ihm nach, daß er seine Konkubinen selbst epiliere und sich unter den gemeinsten Lustdirnen bade. Seines Bruders Tochter, die ihm, als sie noch Jungfrau war, zur Ehe angetragen wurde, weigerte er sich hartnäckig zu heiraten, weil er sich bereits in den Banden seiner Gattin Domitia befand; als dieselbe aber mit einem anderen vermählt worden war, war er es, der sie verführte, und zwar noch bei Titus' Lebzeiten. Später, nachdem sie Vater und Gatten verloren hatte, trug er seine Leidenschaft für sie offen zur Schau; ja, er wurde sogar die Ursache ihres Todes, indem er sie zwang, als sie von ihm schwanger geworden war, die Frucht abzutreiben.

23. Seine Ermordung nahm das Volk gleichgültig, das Militär dagegen sehr übel auf, indem es ihm sofort den Namen »der Göttliche« beizulegen sich untersing, ja sogar bereit war, seinen Tod zu rächen, wenn ihm nicht Anführer gefehlt hätten. Einige Zeit nachher setzte es doch seinen Willen durch, indem es hartnäckig auf die Bestrafung der Anstifter des Mordes drang. Dahingegen der Senat zeigte eine solche Freude, daß alle Mitglieder sich eiligst in die Kurie begaben und sich nicht enthalten konnten, dem Toten die schmachvollsten und bittersten Verwünschungen nachzurufen. Ja, man ließ sogar Leitern in die Kurie bringen und seine Schildbilder und Büsten vor der Versammlung herunterreißen und an Ort und Stelle zertrümmern und beschloß zuletzt, daß seine Inschriften allerorten ausgekratzt und jede Erinnerung an ihn vernichtet werden solle. Wenige Monate vor seiner Ermordung [536] hatte eine Krähe auf dem Kapitol die griechischen Worte gerufen: Alles wird gut sein! Und es fehlte nicht an einem Dichter, der dies Vorzeichen in folgenden Versen deutete:


Neulich die Krähe, die saß auf Tarpejas Giebel; sie konnte

»Alles ist gut!« nicht schrein, darum sie krächzte: »Es wird.«


Auch erzählt man, Domitian selbst habe geträumt, daß ihm hinten am Nacken ein goldener Buckel ausgewachsen sei, und sei überzeugt gewesen, dies bedeute, daß nach ihm der Zustand des Staates glücklicher und erfreulicher sein werde, wie das allerdings durch die Rechtlichkeit und Mäßigung der folgenden Herrscher zur glücklichen Wahrheit geworden ist.

[537]

Notes
Die Sammlung entstand um 70 – ca. 140. Druck der ersten deutschen Übersetzung von Adolf Stahr, München; Leipzig (Georg Müller) 1912.
License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Suetonius Tranquillus, Gaius. Die zwölf Caesaren. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3993-B