[573] Nachlese

113. Von dem Namen Jesu und seiner Liebe Kraft Neujahrswunsch

1.
Mein Bruder, deine Schrift von unsres Jesu Namen
Und seiner Liebe Kraft ergötzet meinen Sinn;
Ich sag' auf deinen Brief und alle Zeilen Amen,
Nur daß ich nicht so treu, wie du gedenkest, bin.
2.
Ich saß betrübet schon, besah die Wunden eben,
Die meine Untreu mir im alten Jahr gemacht,
Ich dacht': wann werd' ich recht nach Gottes Herze leben?
Ich war um neue Gnad' im neuen Jahr bedacht.
3.
Da kommt dein Brief herzu, erneuert meine Wunden
Und rührt mich eben an, wo es mir wehe tat.
Ich bleibe, werter Freund, für diesen Dienst verbunden,
Dein Wunsch und treuer Sinn ist mir ein treuer Rat.
4.
Ja, Jesus ist es nur, der meine Wunden heilet,
Wenn der zerbrochne Geist zu seinen Füßen liegt
Und wie ein matter Hirsch zu diesem Brunnen eilet,
Der das Gewissen stillt und inniglich vergnügt.
5.
In diesem Namen nur will ich die Kniee beugen,
Durch sein Verdienst und Blut will ich vor Gott bestehn;
Kann ich mich wesentlich in diesem Namen neigen,
So muß mir Gottes Herz und Himmel offen stehn.
[574] 6.
Ja, Jesus ist es nur und seine Liebeskräfte,
Der unserm toten Geist das wahre Leben bringt,
Sonst bleibt das Herze kalt im heiligen Geschäfte
Und alles ist befleckt, was Liebe nicht durchdringt.
7.
Wenn Jesu Liebeskraft der Seele Grund berühret,
Wenn diese reine Glut den keuschen Sinn vergnügt,
So wird die Eigenheit in Christi Tod geführet,
Bis alles neue wird, bis Gottes Leben siegt.
8.
Der Liebe Kraft ist groß: Kann Glaube Berge heben,
Die Liebe kann es ja, wenn sie das Herz entzünd't;
Sie zwinget nimmer nicht, doch muß man sich ergeben,
Wenn diese freie Kraft die ganze Liebe bind't.
9.
Es mag der eine sich mit leeren Trebern füllen,
Die Lust der Kreatur gibt keinen Nahrungssaft;
Ein andrer spiel' im Kopf mit tausend Kindergrillen,
Ich wünsche Jesus nur und seine Liebeskraft.
10.
Ich bin gelehrt genug, wenn ich nur Jesus kenne,
Und mein Verstandesaug' die Wahrheit heller schaut;
Ich bin vergnügt genug, wenn ich in Liebe brenne,
Wodurch sich Jesus mir und ich mich ihm vertraut.
11.
Ich bin ja reich genug, wenn mir nur Jesus bleibet,
Man nehme Gut und Blut und Erd und Himmel hin!
Ich bin auch stark genug, wenn mich die Liebe treibet;
So ist mir Kreuz und Not und Sterben nur Gewinn.
[575] 12.
Will mich der blasse Tod in diesem Jahre fällen;
Wenn Liebe mich belebt, so kann ich sterben nicht.
Wenn Gottes Heiligkeit mich vor Gericht will stellen;
Ist Jesus nur in mir, so fürcht' ich kein Gericht.
13.
Drum muß es ja dabei, wie du gewünschet, bleiben,
Mein Herze deinem Wunsch ein stetes Echo gibt;
Es wolle den Kontrakt der Himmel unterschreiben:
Es werde Jesus nur in diesem Jahr geliebt!
14.
Dies sei nur unser Werk bis in die Ewigkeiten,
Wozu dein Herze sich mit mir verbunden da!
Zwar bin ich kalt und träg und schwach an allen Seiten,
Doch geb' ich dir die Hand und sprech' ein blödes Ja.
15.
Mein Freund, dein treuer Sinn und erstere Gedanken,
Womit du dieses Jahr den Anfang hast gemacht,
Durch keiner Zeiten Lauf noch Proben müssen wanken,
Es werde so dies Jahr und deine Zeit vollbracht!
16.
Die Liebe bleibet doch, wann alles Wissen endet,
Es braucht nicht große Kunst, man werde nur ein Kind!
Wer sein Begehren ganz im Geist in Jesus wendet,
Die volle Liebesbrust im stillen Grunde find't.
17.
Es wolle dieser Brunn dein Innerstes erfüllen
Und überschwemmen ganz, was ihm entgegentritt;
Es wolle dieser Strom durch Wort und Wandel quillen
Und nehmen manches Herz in seinem Laufe mit!
[576] 18.
Mit diesem Wunsch, mein Freund, soll meine Hand beschließen,
Was ich nicht wohl gesagt, ist dennoch wohl gemeint;
Mein Herze soll dein Herz im Namen Jesu grüßen,
Vergiß auch meiner nicht, du kennest deinen Freund!

(30. Jan. 1730.)

114. Das verborgene Leben mit Christus in Gott

Kol. 3, 3


Mel.: O Gott, du frommer Gott ...

1.
Du göttlich, schön und groß verborgnes Christenleben,
Des Höchsten ew'ge Lust und Wunderwerk daneben,
Vom Vater vorersehn, der Sohn es schön und klar
In Lehr' und Leben uns zum Vorbild stellet dar.
2.
Sein Kreuztod ist der Grund, und als zur Siegesgabe
Bracht' er dies Leben uns ans Licht mit aus dem Grabe;
Nun flößt es Jesu Geist in Jesu Glieder ein,
Macht sie dem Haupte gleich und ganz mit Gott gemein,
3.
Daß man, o großes Glück! der Gottheit zu behagen,
Die Welt und liebste Lust kann in die Schanze schlagen,
Aus Liebe stetig stirbt und tausend Kreuz erträgt
In gottgelass'nem Sinn, bis alles ausgefegt.
4.
Der Geist, o süße Ruh! hoch über alles schwebet
Und abgeschieden, tief in Gott verborgen, lebet;
Gott spiegelt sich in ihm, er schaut der Gottheit Glanz,
Worin er wird verklärt und wird vereinigt ganz.
[577] 5.
So wird durch unser Nichts Gott wieder recht geehret,
So wird sein Sohn in uns und wir in ihm verkläret,
So glänzet Jesu Braut, die hier verborgen geht;
Wie wird sie prangen dort, wann sie in Glorie steht!

115. Halleluja!

Mel.: O wir armen Sünder ... oder: Freiheit, die ich meine ...

1.
Gott, dein Lob ausbreiten, Ist der Engel Lust;
Dies muß auch bei Zeiten Menschen sein bewußt.
Ja, die kleinen Kinder Sollen früh und spät
Rühmen, Herr, nicht minder Deine Majestät.
2.
Mein Herz denn auch mache Dir zum Psalterspiel;
Meine ganze Sache, Meines Lebens Ziel
Sei, dich, Gott, zu loben! Mein Geist, von der Erd'
Sanft zu dir erhoben, Deine Harfe werd'!
3.
Dein Geist selbst sie rühre, Spiel' im Herzensgrund,
Sinn und Andacht führe, Sing' auch durch den Mund!
Mein Nichts, meine Blöße Ist der tiefe Ton,
Dein All, deine Größe Ihn erhebet schon.
4.
Also soll dir singen Nicht der Mund allein,
Noch mein Lied erklingen Bloß mit Schall und Schein,
Nein, Gesang und Loben Herzlich soll geschehn;
Mit den Engeln droben Wird's noch besser gehn.

[578] 116. Der 150. Psalm

Mel.: Lobt Gott, ihr Christen all zugleich ...

1.
Der Glaube dringt ins Heiligtum
Und fordert auch sogar
Zu Jesu Christi Preis und Ruhm
Der Engel Gottes Schar.
2.
Die Feste seiner Macht kann nicht
So unzugänglich sein;
Wenn man Gott drinnen lobt, so bricht
Der Glaub' auch mit hinein.
3.
Der Taten Gottes sind sehr viel,
Unzählig, neu und alt;
Die sind der Text zum Harfenspiel,
Das hier und droben schallt.
4.
Was für ein Instrumentenklang
Im Heiligtum ertön'
Bei aller Heil'gen Lobgesang,
Will ich dort hör'n und sehn.
5.
Doch kommt's Gott nicht auf Harfen an,
Der Ton ist viel zu matt;
Es lobe ihn, was loben kann
Und einen Atem hat!

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TextGrid Repository (2012). Tersteegen, Gerhard. Nachlese. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-4601-E