Franz und Cora

Den Reiser Franz habe ich furchtbar gern. Er ist in der Kollerbrauerei, daß er sieht, wie man das Bier macht, weil sein Vater auch eine Brauerei hat. Er hat mir erzählt, daß er daheim eine Jagd hat, und ich darf einmal bei ihm schießen. Er wohnt gleich neben uns, und wir kommen immer am Gartenzaun zusammen. Er läßt mich von seiner Zigarre rauchen und lacht furchtbar, wenn ich ihm erzähle, daß ich jemand geärgert habe, und er sagt, daß man sich von einem Professor nichts gefallen lassen muß.

Er ist stark und kann hoch springen, und er kann gut turnen. Ich habe ihn gesehen, daß er mit den Bräuburschen im Spaß gerauft hat, und er hat alle hingeschmissen. Er hat mir vorher in der Woche ein paarmal gepfiffen, daß ich zu ihm hingehe, aber jetzt kommt er jeden Tag an den Gartenzaun, und ich muß mit ihm reden. Vorher hat er oft keinen Kragen angehabt und ist in Hemdärmeln gewesen, aber jetzt hat er immer einen Kragen um. Er ist auch nicht mehr so lustig. Vorher, da hat er mir oft gezeigt, wie er auf den Händen gehen kann, und er hat meine Tante Elise nachgemacht, wie sie bloß einen Zahn hat, und er hat mir einen Pulverfrosch gegeben, daß ich ihn wo loslasse.

Aber jetzt macht er die Tante nicht mehr nach, und wenn ich einen Frosch haben will, sagt er, das muß man nicht tun. Wenn es so knallt, erschreckt vielleicht jemand. Da habe ich mich gewundert. Ich habe ihm erzählt, daß ich heuer vielleicht repetieren muß, da hat er gesagt, daß es traurig ist wegen meiner Mutter, und ich soll probieren, ob ich nicht durchkomme. Ich [96] habe gesagt, es liegt mir nichts daran, weil ich nicht weiter studieren will. Er hat den Kopf geschüttelt, und er hat gesagt, ich verstehe es noch nicht, sonst möchte ich furchtbar lernen.

»Warum?« habe ich gefragt.

»Weil man keinen Respekt nicht hat vor einem ungebildeten Menschen,« hat er gesagt, »und wenn einer auf keinem Gymnasium war und vielleicht bloß in einer Brauerei ist, muß man es deutlich merken, daß man viel weniger ist, und auch die Mädchen geben nicht acht auf einen.«

Ich habe gesagt, die Mädchen lernen doch selber nichts.

»Sie brauchen es nicht,« hat er gesagt; »wenn sie hübsch sind und auf dem Klavier spielen, ist es schon genug. Aber ein Mann, der nicht studiert hat, gilt gar nichts.«

Er ist sehr traurig gewesen, und dann hat er mich gefragt, wie es dem Fräulein Cora geht.

Der Cora geht es ganz gut, hab ich gesagt.

Ob sie nicht von ihm redet, hat er gefragt.

Ich habe ihm gesagt, sie redet schon von ihm, aber nicht viel.

Da hat er gesagt, ob es freundlich war, was sie geredet hat. Ich habe gesagt, ich weiß es nicht mehr so genau. Einmal hat sie zu mir gesagt, ob vielleicht der Herr Reiser das Bier macht, was wir trinken, und es war nicht gut auf diesen Abend. Aber sonst weiß ich nicht mehr, ob sie noch etwas gesagt hat.

Da ist der Franz wieder traurig gewesen und hat den Kopf geschüttelt, und er hat gesagt, er glaubt nicht, daß sie sonst etwas von ihm redet, denn sie meint, er kann nichts als vielleicht das Biermachen. Und sie hat gewiß keinen Respekt nicht vor ihm, weil er nicht auf einem Gymnasium war. Und dann hat er mir gesagt, ich muß recht aufpassen, was die Cora von ihm redet; und dann ist er gegangen.

Ich habe gedacht, ich will zu ihm helfen, weil ich ihn gerne mag, und beim Abendessen, da habe ich wieder daran gedacht. Wir haben Schinken gegessen und Salat, wo harte Eier darauf waren, und das Bier war sehr frisch. Meine Mutter hat es gelobt und hat gesagt, sie freut sich den ganzen Tag schon auf ihr Quart Bier, und es schmeckt so gut. Da habe ich sie gefragt, ob man Respekt haben muß vor einem, wenn er gutes Bier macht. Meine Mutter hat gesagt, man muß Respekt haben vor jedem, der seinen Beruf versteht. Ich habe gefragt, ob sie meint, [97] daß vielleicht ein Professor mehr versteht als einer, der gutes Bier macht. Man kann es nicht vergleichen, hat sie gesagt, und wo einen der liebe Gott hinstellt, da muß man seine Pflicht erfüllen. Das ist die Hauptsache. Ich habe gesagt, wenn einen der liebe Gott hinstellt, daß man Bier macht, warum tun dann die Menschen glauben, daß ein Professor mehr ist, weil er auf dem Gymnasium war? Die Cora hat furchtbar gelacht, und sie hat gesagt, ich bin auf einmal ein tiefsinniger junger Mann, und sie hat einen Verdacht, daß ich jetzt Bier machen will.

»Um Gottes willen,« hat meine Mutter gerufen; »du hast doch keine solchen Gedanken nicht, Ludwig, daß du von dem Schimnasium weggehst?«

Nein, habe ich gesagt, aber warum sie das Weggehen so erschreckt? Wenn mich doch der liebe Gott dazu hinstellen will, muß ich dabei meine Pflicht tun.

Es ist nicht der liebe Gott, hat meine Mutter gesagt, sondern es ist deine Faulheit.

Ich will doch gar nicht weg, habe ich gesagt. Aber jetzt sieht man es deutlich, daß ihr bloß Respekt habt vor dem Gymnasium.

Die Cora hat wieder gelacht, und sie hat wieder gesagt, vielleicht ist für meine Betrachtungen der Herr Reiser schuld, weil ich jetzt so oft bei ihm bin.

Da bin ich zornig geworden. Er ist nicht schuld, habe ich gesagt, er sagt immer, ich muß studieren, weil man sonst nichts ist, aber ich habe ihn getröstet.

»Wie hast du das gemacht?« hat Cora gefragt.

»Ich habe ihm gesagt,« habe ich gesagt, »daß die Mädchen bloß deswegen glauben, das Gymnasium ist etwas Besonderes, weil sie selber nichts lernen.«

»Von welchen Mädchen sprichst du?« hat meine Mutter gefragt.

»Ich rede von allen Mädchen,« habe ich gesagt, »weil alle gleich sind. Sie meinen, wenn man eine Brille auf hat, ist man gescheit.«

»Was weißt du von den Mädchen?« hat meine Mutter gefragt. »Wie kannst du bei deinem Alter solche Reden machen?«

Aber Cora hat ihr die Hand gestreichelt und hat gesagt: »Du mußt nicht böse sein, Mamachen, mit Ludwig. Er ist nur ein [98] bißchen strenge mit uns Mädchen.« Dann hat sie zu Ännchen geblinzelt, und dann haben sie furchtbar gelacht.

Und wie ich gute Nacht gesagt habe, da ist die Cora ganz freundlich zu mir gewesen, und sie hat zu mir gesagt, sie muß mir ein Geheimnis sagen. An der Tür hat sie mir ganz still ins Ohr gesagt, ich muß dem Herrn Reiser sagen, er soll sich eine Brille anschaffen, denn sonst kann er keinem Mädchen nicht gefallen.

Ich glaube aber nicht, daß sie es ernst gemeint hat, weil ich auf der Stiege gehört habe, daß Cora und Ännchen gekichert haben. Am andern Tage bin ich wieder zum Gartenzaun hin, und der Franz ist schon dagewesen. Er hat mich gefragt, ob ich meine Aufgabe schon gemacht habe. Ich habe sie noch nicht gemacht gehabt, aber ich habe ja gesagt. Dann hat er mit dem Daumen auf unser Haus gezeigt und hat gefragt, ob man von ihm geredet hat. Ich habe es ihm erzählt, daß ich wegen ihn gestritten habe, und daß Cora gesagt hat, er muß eine Brille kaufen. Da ist er wieder ganz traurig gewesen und hat gesagt, daß sie ihn ausspottet. Ich habe gesagt, er muß darauf pfeifen; ich mag die Cora gut leiden, weil sie lustig ist, aber wenn sie mich spotten will, zeige ich ihr gleich, daß man auf ein Mädchen nicht aufpaßt.

Der Franz hat den Kopf geschüttelt und hat gesagt, bei ihm ist es anders, und es ist furchtbar traurig; ich verstehe es noch nicht, aber es ist ein sehr großes Unglück für ihn.

Ich habe gesagt, ich möchte wissen, warum alle so seufzen, wenn sie von der Cora reden.

»Wer alle?« hat er schnell gefragt.

»In der Apotheke,« habe ich gesagt. »Der Seitz und der andere Provisor fragen mich immer, wenn ich etwas kaufe, und sie sagen, ich soll ihnen dem Fräulein empfehlen, und sie tun, als wenn sie auf der Stelle weinen müssen.«

Der Franz hat auf unser Haus gezeigt und hat gefragt, was sie sagt, wenn ich es ausrichte.

Ich habe gesagt, daß sie lacht.

Ob sie lacht, als wenn es sie freut, hat er gefragt.

Ich habe gesagt, ich weiß es nicht.

Da hat er gesagt, vielleicht freut es sie, weil der Seitz studiert hat; er ist aber ein Salbenreiber, und er hat krumme Beine, und [99] er ist ein dummer Mensch, den man einmal furchtbar hauen muß, weil er sich so viel einbildet.

Ich habe gefragt, ob der Seitz ihm etwas getan hat, weil er so zornig ist auf ihn.

Der Franz hat gesagt, er hat ihm nichts getan, aber er kann ihn nicht leiden, und ich darf keine Grüße nicht mehr ausrichten.

Und dann ist er weggegangen und hat immer mit seinem Stock in die Luft gehauen, daß es gepfiffen hat.

Beim Essen hat mich Ännchen gefragt, ob ich heute besser zufrieden bin, und ob ich nicht mehr so streng bin mit die Mädchen. Ich kümmere mich um keine Mädchen nicht, habe ich gesagt; wenn man sich um die Mädchen kümmert, gibt es bloß Verdruß, und man wird furchtbar traurig.

Meine Mutter hat ihre Gabel hingelegt und hat mich angeschaut, und dann hat sie gesagt, es ist merkwürdig, was ich spreche seit ein paar Tagen.

Und Cora hat gesagt, sie fürchtet, ich werde ein Weiberfeind, weil ich jetzt immer ungnädig bin, und vorher hat sie sich eingebildet, daß ich ein Kavalier bin von ihr.

Ich habe gesagt, die Mädchen bilden sich oft viel ein.

Da haben sie alle gelacht, aber nachher hat meine Mutter gesagt, sie erlaubt es nicht, daß ich gegen Cora ungezogen bin.

»Er ist nicht ungezogen,« hat Cora gesagt; »wir müssen bloß probieren, daß wir seine Gunst wieder kriegen. Er ist der einzige Mann mit drei weibliche Wesen, und das ist wie bei die indischen Fürsten, wo auch die Damen Mühe haben, daß er gnädig ist.«

Ich habe etwas sagen wollen, aber da ist auf einmal vor unserm Haus ein Gesang gewesen. Meine Mutter und Cora und Ännchen sind zum Fenster hingelaufen, und ich habe auch hinuntergeschaut. Es sind vier Männer da gestanden, die haben gesungen. Den Seitz habe ich gleich gekannt und den Lehrer Knilling, und einer ist Postexpeditor gewesen.

Sie haben gesungen: »Ach, wie ist's möglich dann, daß ich dich lassen kann!« Einer hat es zuerst hoch gesungen, und dann hat es einer tief gesungen, und dann hat es einer ganz hoch gesungen und hat seine Stimme zittern lassen. Das ist der Seitz gewesen.

Meine Mutter hat immer gesagt: »Kinder, wie ist das schön!«

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Und sie hat Ännchen und der Cora gezeigt, wie der Mond dazu scheint, und sie hat ganz traurig mit dem Kopf genickt, wie der Seitz so zitterig gesungen hat. Und sie hat dem Ännchen einen Kuß gegeben und hat der Cora die Backen gestreichelt, und wie es drunten fertig war, hat sie wieder gesagt, es war wunderschön und es ist eine schmeichelhafte Aufmerksamkeit.

Cora hat gelacht, und sie hat gesagt, sie muß es ihrem Papa schreiben, daß unsere Mutter jetzt noch Ständchen kriegt. Meine Mutter hat auch gelacht und hat gesagt, sie glaubt, daß die Ehre für unsre hindianische Prinzessin gemeint ist. Da haben sie drunten laut geräuspert, und es ist wieder losgegangen. Sie haben gesungen: »Ännchen von Tharau ist, die mir gefällt,« und der Seitz hat seine Stimme nicht mehr so zittern lassen, aber der Knilling. Meine Mutter hat ihren Kopf auf Ännchen ihre Schultern gelegt und hat ein bißchen geweint.

Wie es vorbei gewesen ist, hat der Seitz mit seinem Hut gegrüßt, und die andern haben auch gegrüßt, und sie sind weggegangen. Aber beim Brunnen sind sie stehengeblieben, und sie haben gesungen »Schlahaf wohl«. Zuerst hat einer tief gesungen, und dann ist es immer höher gegangen, und zuletzt hat bloß mehr der Seitz ganz laut mit der Stimme gezittert. Dann ist es still gewesen.

Man hat gehört, wie der Brunnen plätschert, und meine Mutter hat gesagt, wir müssen horchen, wie das Wasser rauscht, und wir müssen schauen, wie der Mond scheint, weil es so poetisch ist.

Cora hat gefragt, wer die Sänger gewesen sind. Da habe ich gesagt, einer ist der Seitz gewesen, mit der Glatze und die Kugelaugen.

Da hat meine Mutter gesagt, sie muß leider schon wieder sehen, daß ich den Anstand verliere, und gewiß sind es vier gebildete junge Leute, denen man eine Freude verdankt. Dann sind wir bald ins Bett gegangen, und meine Mutter hat zu Ännchen gesagt: »Gute Nacht, Ännchen von Tharau!« und hat sie zweimal geküßt. Wie ich am andern Tag von der Klasse heimgekommen bin, hat mir der Reiser Franz schon gepfiffen. Ich bin gleich in unsern Garten, aber der Franz hat mir gesagt, ich soll lieber durch den Zaun schliefen zu ihm, er muß mir etwas sagen. Ich bin durch den Zaun geschloffen, und wir sind [101] hinter einen Holzhaufen gegangen, wo man uns nicht gesehen hat.

Der Franz hat ganz dicke Augen gehabt, als wenn er geweint hat, und er ist in Hemdärmeln gewesen und hat keinen Kragen angehabt. Er hat sich in das Gras gelegt, und ich habe mich auch hingelegt. Er hat immer Grasbüschel ausgezogen und hat sie weggeschmissen. Auf einmal hat er gefragt, ob ich den Gesang gehört habe. Ich habe gesagt, ich habe ihn schon gehört, weil er bei uns gewesen ist. Er hat gefragt, ob ich den Seitz gekannt habe. Ich habe gesagt, ich habe ihn gleich gekannt. Da hat er gesagt, man muß ihn gleich kennen an die krummen Beine, und ob ihn auch die andern gekannt haben? Ich habe ihn gefragt, welche andern? Er hat mit dem Daumen gedeutet und hat gesagt: »Deine Mutter und deine Schwester.« Ich habe gesagt: »Ja, freilich haben sie ihn gekannt.«

»Und das Fräulein Cora auch?« hat er gefragt.

»Die Cora auch!« habe ich gesagt.

Er hat viel Gras ausgerupft und hat es hingeschmissen, und dann hat er gefragt, ob es ihnen vielleicht gefallen hat.

»Meiner Mutter hat es recht gefallen, weil es so poetisch war, wie der Brunnen geplätschert hat,« habe ich gesagt.

»Es ist furchtbar gemein, wenn man die Leute nicht schlafen läßt,« hat der Franz gesagt. »Es ist gar nicht poetisch.« Er ist wieder still gewesen und hat Gras gerupft, und dann hat er gefragt, ob es die Cora auch gelobt hat. Ich habe gesagt, sie hat es nicht gelobt, aber ich glaube, es hat ihr gefallen. Der Franz hat einen Prügel aus dem Holzhaufen gezogen und hat gesagt, mit einem solchen Prügel haut er den Seitz, wenn er noch einmal singt.

Ich habe gelacht, weil ich gedacht habe, wie es ist, wenn der Seitz mit seiner Stimme so zittert, und auf einmal haut ihn der Franz auf den Kopf. Aber der Franz hat nicht gelacht. Er hat sich umgedreht, und er hat sein Gesicht in das Gras gesteckt, und auf einmal hat er furchtbar geweint.

Ich habe mich gar nicht ausgekannt, was es ist, und ich habe ihn gefragt. Aber er hat den Kopf geschüttelt und hat geschluchzt und hat mit dem Prügel auf den Boden gehaut. Und dann hat er sein Gesicht wieder aus dem Gras getan und hat sich mit die Ärmel seine Augen gewischt. Da habe ich ihn noch [102] einmal gefragt. Er hat gesagt, ich verstehe es nicht. Ich habe gesagt, ich verstehe es schon, und ich helfe ihm, wenn vielleicht der Seitz etwas getan hat. Und ich habe ihm gesagt, daß ich ihn gerne mag, und den Seitz mag ich nicht. Da hat er gesagt, vielleicht bin ich der einzige, mit dem er reden kann, und er hat die Cora furchtbar lieb.

Ich habe gesagt, ich habe sie auch lieb, aber warum er deswegen so weint und auf den Boden haut?

Da hat er gesagt, er hat sie ganz anders lieb wie ich, und er möchte, daß sie seine Frau wird.

Ich habe gefragt, warum er nicht hinüber geht und es sagt? Er hat gesagt, es geht nicht.

Ich habe gesagt, es geht schon. Er muß einen schwarzen Rock anziehen und hinübergehen. Zuerst ist meine Mutter allein da. Dann wird die Cora hereingeholt, und er muß den Arm um sie legen, und dann werden Ännchen und ich hereingeholt, und meine Mutter weint ein bißchen, und dann kriegt jedes in der Reihe herum einen Kuß.

Der Franz hat wieder den Kopf geschüttelt.

Da habe ich gesagt, ich weiß es gewiß. Wie der Bindinger unsere Marie gewollt hat, ist es so gewesen.

Aber der Franz hat gesagt, es geht doch nicht, weil er nichts ist und bloß später eine Brauerei kriegt, und er weiß, die Cora mag ihn nicht, er ist ungebildet.

Ich habe gesagt, ich glaube, sie ist froh, wenn er sie mag, weil die Mädchen froh sind, wenn sie gemocht werden.

Er hat gesagt, die Cora nicht. Er merkt es gut, daß er ihr zu wenig ist, weil er nicht studiert hat, und sie schaut ihn gar nicht an. Ich habe gesagt, ich will sie fragen; vielleicht heute beim Essen. Da hat er gerufen, ich darf es nicht tun. Er sagt es ihr selber. Ich habe gefragt, ob er es noch heute sagt. Und er hat gesagt, es dauert nicht mehr lange; vielleicht sagt er es noch heute. Wenn er die Cora allein sieht, dann geht er hin und sagt es ihr. Er kann es nicht mehr aushalten, weil er nicht mehr schlafen kann und nicht mehr essen und trinken kann. Gestern hat er gemeint, er muß aus seinem Fenster springen, wie er den Seitz gehört hat. Er hat gesagt, er hat sich nie getraut, die Cora anzureden, und der ekelhafte Apotheker traut sich gleich zu singen, daß alle Leute es merken. Aber jetzt ist er auch nicht [103] mehr so dumm, und wenn er sie sieht, dann geht er einfach hin und sagt es ihr. Wenn sie den Kerl mit seinen krummen Beinen singen läßt, muß sie ihn auch reden lassen. Und er mag nicht mehr warten.

Ich habe gefragt, warum er sie gerne hat, und er hat sie bloß von weitem gesehen. Er hat gesagt, es ist immer so, aber ich verstehe es nicht.

Wir haben noch miteinander geredet, da hat mich wer gerufen, und der Franz ist ganz erschrocken. Es ist der Cora ihre Stimme gewesen. Wir haben hinter dem Holzhaufen vorgeschaut, da haben wir gesehen, daß die Cora in unserem Garten gestanden ist, und sie hat meinen Namen gerufen. Der Franz hat ganz still gesagt, ich darf keine Antwort geben und ich muß jetzt bei ihm bleiben, sonst merkt sie, daß er auch da ist. Ich habe gesagt, er soll hingehen und soll es ihr sagen, sie ist jetzt allein.

Er hat gesagt, es geht nicht, weil er keinen Kragen nicht anhat, und ich muß ganz still sein, daß sie nichts merkt.

Wir sind auf dem Bauch gelegen und haben bloß mit dem Kopf vorgespitzt. Die Cora hat überall herumgeschaut, und sie hat noch einmal gerufen; dann ist sie zur Gartentür gegangen, und ich habe gewußt, daß sie jetzt hinten herum spazieren geht und bei uns vorbeikommt. Ich habe es dem Franz geschwind gesagt, und da sind wir auf die andere Seite von dem Holzhaufen geschlichen, wie die Cora gerade am Zaun vorbei ist. Sie hat nichts gesehen, und sie ist lustig gewesen und hat gesungen.

Wie sie vorbei war, ist der Franz aufgestanden, und ich bin auch aufgestanden. Wir haben die Cora noch lange gesehen, weil sie ein weißes Kleid gehabt hat, und wir haben sie auch noch singen gehört. Der Franz ist auf den Holzhaufen gestiegen, daß er sie noch länger sieht. Ich habe ihn gefragt, warum er nicht geschwind einen Kragen geholt hat, daß er ihr nachlaufen kann. Er hat gesagt, es geht heute nicht, aber er sagt es ihr morgen. Ich glaube aber jetzt, er sagt es ihr gar nicht.

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TextGrid Repository (2012). Thoma, Ludwig. Erzählprosa. Tante Frieda. Neue Lausbubengeschichten. Franz und Cora. Franz und Cora. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-5289-C