[271] Epilog zum Geschäftigen von Holberg, der mit einigen Aenderungen im Kreise einer edeln Familie war aufgeführt worden

Erich. (draußen.)

Mein Herr, wer sind Sie denn? Was sollte mich wohl treiben
Noch einen Augenblick im Hause hier zu bleiben?
Holberg. (draußen.)

Ei ei! wer wird im Zorn also von dannen gehn,
Ich muß im Saale dort auch die Gesellschaft sehn.
(Treten ein.)
Erich.

Ein unbekannter Herr bringt mich zurücke hier.
Vielgeschrei.

Verzeihn Sie gütigst, welch Geschäft führt Sie zu mir? –
[272] Holberg.

Jeglich Geschäft ist nun geendet allbereits. –
Ergebner Diener nur von Ihnen allerseits
Komm ich, als Freund zugleich, von Ihnen wohlgekannt,
Mit einem Wort ich bin Baron Holberg genannt.
Pernille.

O seyn Sie mir gegrüßt, Papa vieler Intriguen,
Von lustgem Scherz und Witz und allerliebsten Lügen.
Oldfux.

Umarmen muß ich Sie und an mein Herz hier drücken;
Wie hab' ich oft gelacht bei ihren muntern Stücken,
Wo List und Pfiffigkeit oft unverschämt berücken,
Und gegen Eigensinn die kühnsten Plane glücken.
Leonard.

Sentenzen und Moral sind die mir stets gefielen,
Man nimmt's nicht so genau, wenn sie auch etwas schielen.
[273]
Erich.

Der derbe heitre Sinn, das frische frohe Blut
Thut dem gesunden Sinn, thut braven Leuten gut,
Ich muß es laut gestehn, ich und so manche Alten
Wir haben immerdar auf Dero viel gehalten.
Peter.

Doch sagt manch guter Kopf: Erich und Peter Madsen
Sind, mit Respekt gesagt, Carricatur und Fratzen.
Vielgeschrei.

Holberg? – Ei ja! mich deucht, – ganz recht, es ist auch so, –
Comödien schrieb er viel, Gedichte; à propos:
Warum als ernster Mann sind Sie, wie mir es scheint,
Geschäften, allem Ernst, der Weltgeschichte feind?
Das sollten, Werther, Sie in seinen Würden lassen,
Denn gegen Ernst zieht nur, enfin, ein Narr Grimassen.
[274] Magdelone.

Grausamer! mit der Pein, dem Gram sehnsücht'ger Herzen,
Wie denn, in aller Welt, konnten Sie damit scherzen?
Leander.

Sie lassen freilich nie in Monologen grübeln,
Und rechnen Liebe nur zu den nothwend'gen Uebeln.
Leonore.

Wer wird den lieben Freund um diese Tugend schelten,
Da neue Dichter uns dies nur zu sehr vergelten,
Viel Uebel ohne Noth in ihren Dramen mahlen,
Mit Wonnen, Unglück, Quaal, Herz, Thränen, Himmel prahlen?
Holberg.

Schönen, verzeihen Sie, ich fand in meinen Tagen
Viel Herrn und Damen so, wie sie noch oft sich plagen,
[275]
Es war von gutem Ton damals nicht viel zu sagen,
Kaum schien auch nur ein Mensch nach so was nur zu fragen.
Des Lebens schwere Last, die sie sich schwerer machen,
An Unlust ihre Lust, dies schien mir zu belachen;
Ein leeres Thun, ein Sein, das fast nur Schatte blieb,
Wie, was nur affectirt, der Unnatur so lieb,
Ein grober Ernst der sich Vernunft und Weisheit nannte,
Und jeden Scherz und Witz auf Meilen weit verbrannte:
Dies alles schien mir werth im Spiegel aufzufallen,
Ein Denkmal heitern Sinns der spätern Welt zu lassen.
Ich wurde Deutschlands Lust, so wie dem Vaterland,
[276]
Es wurde mancher Thor sprichwörtlich wohl genannt
Aus meinen Comedien: doch bald darauf erwachte
Die schlimme Modesucht, daß gar kein Mensch mehr lachte;
Man sprach von Elegance, Diction und leisen Tinten,
Zum Unglück hielt ich mehr von Karpfen als von Stinten,
Ich mochte nicht so fein en Miniature pinseln,
Noch in saumsel'ger Angst um mir nichts dir nichts winseln;
So nannte man denn bald was nur recht grob und roh
Schimpfsweise oft nach mir HolbergischesBonmot:
So hatte mich die Zeit, wie ich erst oben war
Herunter auch geführt, so blieb es manches Jahr. –
Noch denk ich an den Scherz, daß ich in Copenhagen
[277]
Gern wollte an den Hof in meinen jungen Tagen,
Es blieb unmöglich stets, da kam mir in den Sinn:
Ich ging in Uniform des Kammerherren hin;
Man sprach mit mir, man gab auf meine Reden Acht: –
So hat man wiederum auch meinen Scherz belacht,
Als durch Herablassung von jenem Kammerherrn,
(Den Thränen mehr und Herz noch zieren als sein Stern,)
Durch Herrn von Kotzebue's still-großem Edelmuth
Man jüngst zu dulden mich hat wiederum geruht. –
Bei Ihnen allen hier, die ächt in deutschem Sinn,
Brachte nicht Uniform, nicht Titel mir Gewinn.
Wie hab' ich mich gefreut, daß Sie in manchen Stunden
Lust, Freude, Heiterkeit in meinem Buch gefunden!
Wie fühl' ich mich geehrt, daß diese junge Welt,
[278]
Wo Sitte, Schönheit blüht, mich heute dargestellt!
Nie hielt ich vom Sonett, vom Madrigale viel,
Doch diesem jungen Paar wünsch' ich in meinem Styl
Der einfach, ohne Prunk und ungekünstelt spricht,
Was ihnen sagen kann das trefflichste Gedicht: –
Ich bringe hocherfreut den Eltern dieser Schaar,
Die blühend um sie steht, die treusten Wünsche dar,
Dem Vater, den Natur und Kunst gleich sehr entzückt,
Der Mutter, deren Herz in Liebe still beglückt,
Die in den Kindern blüht; von Enkeln angelacht
Ist eigner Kindheit Traum ihr wiederum erwacht;
O möchte sie im Glück noch viele Jahre sehn,
In diesem schönen Kreis noch oft dies Fest begehn,
Mit mir wünscht jedermann, daß sie uns lange bliebe,
Und nicht verschmähen mag, was dargebracht die Liebe.
[279]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Tieck, Ludwig. Gedichte. Gedichte. Zweiter Theil. Epilog zum Geschäftigen von Holberg. Epilog zum Geschäftigen von Holberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-52F8-1