[262] Der Charlatan

Wie ich niedersteige von der Academie
Und über den Platz des Pallastes gehe,
Gewahr ich schon aus der Ferne hoch zu Pferde
Einen umstreifenden Doktor und Wunderthäter,
Der durch das Land, die Dörfer und Städte streift,
Am Sattel hängend neben ihm die Apotheke,
Arcana und miraculöse Mixturen.
Um ihn sind Bürger und Bauern versammelt,
Und er preist die hohe Kraft seiner Werke.
Wie ich langsam und lächelnd näher schreite,
Erfreut den Wundermann zu hören und zu sehn,
Ruft er plötzlich lauter und feuriger:
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Und wollt ihr mir nicht glauben, so seht dahin,
Dort kommt einer meiner Patienten,
Noch hinkt er ein weniges, aber von welcher Gicht,
Von welcher Lähmung ich den edlen Mann geheilt,
Läßt sich kaum schildern, und nicht genug rühmen die Kur.
Alle betrachten mich staunend,
Doch ich, zürnend zum Propheten gewandt, erwiedre:
Soll ich Hörer seyn und Zuschauer eurer Comödie,
Müßt ihr mich nicht selbst als Person auftreten lassen.
Er, ohne gestört zu seyn, fährt fort,
Und noch aus der Ferne vernehm ich:
Seht ein Beispiel von der Menschen Undankbarkeit,
Nicht Wort will er es nun haben, was ich an ihm gethan,
Aber er komme mir nur zum zweitenmal,
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Da wird kein Mittel für ihn in allen meinen Schachteln seyn:
Drum kauft, ihr Landesgenossen, kauft für Weniges
Heil, Gesundheit, Schmerzlosigkeit, heitern Geist,
So lang' es euch von mir noch so gut geboten wird.

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TextGrid Repository (2012). Tieck, Ludwig. Der Charlatan. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-5478-2