[44] Erwartung

Wie soll ich die Freude,
Die Wonne denn tragen?
Daß unter dem Schlagen
Des Herzens die Seele nicht scheide?
Und wenn nun die Stunden
Der Liebe verschwunden,
Wozu das Gelüste,
In trauriger Wüste
Noch weiter ein lustleeres Leben zu ziehn,
Wenn nirgend dem Ufer mehr Blumen entblühn?
[45]
Wie geht mit bleibehangnen Füßen
Die Zeit bedächtig Schritt vor Schritt!
Und wenn ich werde scheiden müssen,
Wie federleicht fliegt dann ihr Tritt!
Schlage, sehnsüchtige Gewalt,
In tiefer treuer Brust!
Wie Lautenton vorüber hallt,
Entflieht des Lebens schönste Lust.
Ach! wie bald
Bin ich in der Wonne mir kaum noch bewußt.
Rausche, rausche weiter fort,
Tiefer Strom der Zeit,
Wandelst bald aus Morgen Heut,
Gehst von Ort zu Ort;
Hast du mich bisher getragen,
Lustig bald, dann still,
Will es nun auch weiter wagen,
Wie es werden will.
[46]
Darf mich doch nicht elend achten,
Da die Einzge winkt,
Liebe läßt mich nicht verschmachten,
Bis dies Leben sinkt;
Nein, der Strom wird immer breiter,
Himmel bleibt mir immer heiter,
Fröhlichen Ruderschlags fahr ich hinab,
Bring Liebe und Leben zugleich an das Grab.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Tieck, Ludwig. Gedichte. Gedichte. Zweiter Theil. Des Jünglings Liebe. Erwartung. Erwartung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-555C-9