[64] Ruhe

Beglückt, wer vom Getümmel
Der Welt sein Leben schließt,
Das dorten im Gewimmel
Verworren abwärts fließt.
Hier sind wir all' befreundet,
Mensch, Thier und Blumenreich,
Von keinem angefeindet
Macht uns die Liebe gleich.
Die zarten Lämmer springen
Vergnügt um meinen Fuß,
Die Turteltauben singen
Und girren Morgengruß.
[65]
Der Rosenstrauch mit Grüßen
Beut seine Kinder dar,
Im Thale dort der süßen
Violen blaue Schaar.
Und wenn ich Kränze winde
Ertönt und rauscht der Hain,
Es duftet mir die Linde
Im goldnen Mondenschein.
Die Zwietracht bleibt dahinten,
Und Stolz, Verfolgung, Neid,
Kann nicht die Wege finden
Hierher zur goldnen Zeit.
Vor mir stehn holde Scherze
Und trübe Sorge weicht;
Allein mein innres Herze
Wird darum doch nicht leicht.
[66]
Weil ich die Liebe kannte
Und Blick und Kuß verstand,
So bin ich nun Verbannte
Weit ab im fernen Land.
Die Freude macht mich trübe,
Dunkelt den stillen Sinn,
Denn meine zarte Liebe
Ist nun auf ewig hin. –
Erinnre und equicke
Dich an vergangner Lust,
Am schwermuthsvollen Glücke,
Denn sonst zerspringt die Brust.
Die Morgenröthe lächelt
Mir zwar noch ofte zu,
Und matte Hoffnung fächelt
Mich dann in schönre Ruh:
[67]
Daß ich ihn wieder finde,
Den ich wohl sonst gekannt,
Und daß sich um uns winde
Ein glückgewirktes Band.
Wer weiß, durch welche Schatten
Sein Fuß schon heute geht,
Dann kömmt er über Matten
Und alles ist verweht,
Die Seufzer und die Thränen,
Sie löscht das neue Glück,
Und Hoffen, Fürchten, Sehnen
Verschmilzt in Einen Blick.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Tieck, Ludwig. Gedichte. Gedichte. Zweiter Theil. Des Jünglings Liebe. Ruhe. Ruhe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-5631-C