[268] Siegfried der Drachentödter

Romanze.


Im Walde lebte Mimer
Und bei den Felsenhöhn,
Dem kam der kühne Siegfried
In früher Jugend schön.
Der Meister lehrt ihm schmieden,
Siegfried war wohlgemuth,
Er schlug all die Gesellen
In Lust und Uebermuth.
Sie fürchteten ihn alle,
Er brächte ihnen Noth,
Bald zog er sie an Haaren,
Bald droht' er ihnen Tod.
[269]
Mimer, mit klugen Sinnen
Mußt', wie im finstern Wald
Ein Drache hatte drinnen
Im Fels den Aufenthalt,
Der mochte alle tödten,
Daß selbst die Kühnsten flohn.
Der Meister sprach in Nöthen:
Der Knabe spricht uns Hohn,
Er trotzt in seiner Stärke,
Und droht uns zu erschlagen,
Er mag sich zu dem Berge
Dort in die Wildniß wagen.
Sie lobten was der Meister
In seinen Sinn genommen,
Da war Siegfried der dreiste
In Freuden hergekommen.
[270]
Er lachte, als er sahe
Wie sehr ihn alle scheuten,
Er sprach: ich diene zagen
Und ungemuthen Leuten,
Wie ich nicht Harnisch trage
Und auch kein Sturmgewand,
Wie könnt' ich euch erst schlagen,
Hätt' ich ein Schwerdt zur Hand.
Da sprach der Schmid, der kluge:
Du mußt nicht, wildes Kind,
Dem Meister also trotzen,
Geh in den Wald geschwind,
Vorbei dem tiefen Brunnen,
Wo dunkle Weiden stehn,
Der Felsenkluft vorüber,
Und wo im Winde wehn
[271]
An einem schroffen Berge
Auf rundem grünen Raum
Umher viele der Eschen,
Und mancher Tannenbaum:
Und wo ein Wasser fliessend
Rund um den Felsen braust,
Und auf den Bergesspitzen
Manch wilder Adler haust:
Dort sollst du Bäume fällen
Zu meinem Eisenwerk,
Und wenn die Nacht herdämmert
So bleibt dort im Berg;
Auch Kohlen mußt du brennen,
Daß ich arbeiten mag,
Ich will dir Speise geben
Auf sieben volle Tag,
[272]
Daß du nicht dürfest darben,
Umkehren vor der Zeit.
Siegfried der Jüngling starke
War dessen hocherfreut.
Mimer, der kluge, wuste,
Täglich zur Steineswand
Der Drach' aus seinen Klüften
Zu trinken her sich wand.
Bald gehend und bald springend
Siegfried mit Schritten schnell
Lief nach dem Walde singend,
Es schien die Sonne hell.
Er fand bald nach den Zeichen
Den tief verborgnen Berg,
Begann alsbald mit Freuden
Sein aufgetragnes Werk.
[273]
Die Axt klang an den Bäumen,
Ein Feuer er entbrann,
Der Wald und Bach erglänzte,
Nun saß der kühne Mann
Um auszuruhn verdrossen,
Die Arbeit that ihm leid,
Eine Lind breit und große
Gab ihren Schatten weit,
Darauf sungen viel Vögelein,
Darunter ging der Bach,
Auch Rosen blühten röthelich,
Mit Freuden er das sach.
Er nahm die Essens-Speise,
Die er da mit sich trug,
Die Mimer ihm bereitet
Für sieben Tag' genug.
[274]
Die nahm er wohlgemuthet,
Auf einmal er sie as,
Dann trank er von dem Brunnen
Und ruht' im grünen Gras.
Die Axt warf er von hinnen
Und sah die Blumen an;
Er sprach: schlecht Werk ist schmieden
Und ziemet keinem Mann,
Von Abentheuern, Gefahren,
Hört' ich so vieles sagen,
Von manchem wilden Kampfe
In meinen Kindestagen.
O käm' doch aus dem Dunkel
Ein wildes Scheusal her!
Ich bin so wohlgemuthet,
Ich achtet' es nicht sehr;
[275]
Voll Kraft sind meine Arme,
Ich bin so satt und froh;
In seinem Uebermuthe
Der Jüngling sprach also.
Da kam in langen Zügen
Der Drache hergewunden,
Vom Strom sah er ihn trinken,
Mit klugem Aug' erkunden
Den Jüngling auf der Wiese,
Den sprang er brüllend an,
Daß fürchterlich erklungen
Weithin der dunkle Than,
Und alle Berge grüne,
Die Adler flogen scheu
Von ihren hohen Nestern
Geschreckt mit bangem Schrei.
[276]
Siegfried sah still das Wunder,
Er von dem Lager sprang,
Der Wurm in weiten Ringen
Zum kühnen Jüngling drang.
Der schützte sich mit Zweigen
Und gab ihm manchen Schlag,
Manch Baum von harten Streichen
Auf des Wurms Rücken brach.
Stahlhart waren die Schuppen,
Die Klauen schwerdterscharf,
Siegfried sprang von dem Wurme,
Die Zweig' er von sich warf,
Die Axt ergriff er wieder,
Er that so grimmgen Schlag,
Daß gleich zu seinen Füßen
Der Drache hauptlos lag.
[277]
Ein großer Strom des Blutes
Rann dampfend durch den Grund,
Es färbte dunkel purpurn
Blumen und Sträucher rund,
Und sammelte sich nieder,
So wie ein großer See.
Siegfriede saß dann wieder,
Der Schlag that selbst ihm weh.
Die Einsamkeit ward stiller,
Flüsternd ging hin ein Wind,
Und strich durch Tann und Eiche
So kühlend und gelind;
Der Bach ging dahin rieselnde,
Aus Bergen kam ein Schall,
Und widerstreitend liebliche
Sang manche Nachtigall.
[278]
Da dünkt dem jungen Helden,
Er sei im süssen Traum,
Sinnend saß er und denkend
Am grünen Lindenbaum.
Sein Herze strebt so muthig,
Sein Auge war so hell,
Als er den See schaut blutig
Neben dem blauen Quell,
Und über sich im Wipfel
Vernimmt er lieblich Schallen,
Es ist Klagen und Girren
Von zweien Nachtigallen.
Und wie er sich besinnet
Und recht den Laut erfand,
Siegfried im Herzen fühlte
Daß er den Ton verstand.
[279]
Der junge Sohn Siegmundes,
Sang diese wunderbar,
Vollbrachte hier ein Großes,
Was schon seit manchem Jahr
Kein Held nicht durfte lösen;
Ihn hat hieher gebracht
Mimer mit seinen Tücken,
Doch dieses nicht gedacht.
Er wird der Held der kühneste,
Berühmt in aller Zeit,
Er wird der Recke schöneste,
Zu Thaten hocherfreut,
Sein Jugend die liebliche
Erfrischet jeden Muth,
In Schild und Harnisch spielende
Vergießt er vieler Blut.
[280]
Siegfried war froh und staunte,
Da hub die andre an
Im Wechselsang so laute,
Daß wiederscholl der Than:
Wüßt' er die rechte Mähre,
Ihm wär' es noch gelungener,
Er hätte größre Ehre
Und bliebe unbezwungener,
Wenn er nackend im Blute
Den Leib, den schönen, badete,
Kein Eisen ihn verwundete,
Nicht Lanz und Schwerdt ihm schadete.
Da sprang der Jüngling nacket
In das rauchende Blut,
Er kühlt' im rothen Bade
Den heissen Uebermuth.
[281]
Da sang der Vogel girrende
Mit süß klagendem Ton:
Bald wird das Gold, das schimmernde,
Dir, Siegemundes Sohn,
Das Drachenbett, das glänzende,
Auf dem der gift'ge lag,
Sich in den Gluthen wälzende,
Ihm schien die Nacht wie Tag;
Die Edelstein' die funkelnden,
Die ihm geleuchtet spat,
Die Lagerstelle wunderlich
Siegfried gewonnen hat.
Nicht wußte das der Kühne,
Daß sie vom Schatze sungen,
Den dann gewann Siegfriede
Ab von den Nibelungen.
[282]
Hell stieg er aus dem Blute,
Da war er schön und groß,
Auch dünkt' er sich an Muthe
Den Edelsten Genoß.
Es mochte keine Wunde
Verletzen je den Mann,
Doch wie er auch vom Blute
Den Zauber sich gewann,
Fiel doch unwissend seiner
Ein Blatt ab von der Lind,
Ihm zwischen weiße Schultern,
Daran starb Siegmunds Kind.

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TextGrid Repository (2012). Tieck, Ludwig. Gedichte. Gedichte. Erster Teil. Siegfried der Drachentödter. Siegfried der Drachentödter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-5714-6