Preußische Presse

Niemand hat eine so große Fresse
wie die preußische Presse.
Und ehe wir wieder mit bunten Aurikeln
die Harfe umschlingen
und leise singen –
laßt uns ein bißchen leitartikeln.
Vor dem Kriege waren sie da,
schrieen täglich zweimal Hurra,
rasselten mit dem glorreichen Säbel,
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schimpften auf Auer und schimpften auf Bebel,
beteten Gott an und die Offiziere,
und rollten sich abends in Rudeln zum Biere.
Soweit war das schön und gut.
Aber Vierzehn, da schwoll ihr Mut!
Endlich war ihre Zeit gekommen,
auf die sie so viel Vorschuß genommen,
von der Bernhardi immer geschrieben –
nun hatten sie uns hineingetrieben.
Und von ihren Freunden, den Offizieren,
ließen sich alle reklamieren,
und schrieben dafür die hübschesten Sachen:
Wie weit da hinten die Mörser krachen,
wie die braven, lieben, ordentlichen, guten
Feldgrauen gar so gerne verbluten,
wie sogar manchmal die Herren Obersten schwitzen,
wenn sie beim Trinken im Stabsquartier sitzen,
und wie so freundlich und loyal
zu ihnen gesprochen der Herr General.
Und so ging das ein, zwei, drei, vier lange Jahre – – –
Aber auch diese wunderbare
große und erhabene Zeit
schien uns allen zu groß und weit . . .
Und plötzlich wurde die Zeit wieder klein –
Ludendorff fiel mit allem herein
und besuchte plötzlich und eiligst Schweden.
(Übrigens, darüber ist nichts zu reden:
Er tat das nur aus Gesundheitsrücksichten.
Denn als hier zu Hause die tollen Geschichten
sich wieder beruhigt und gelegt,
kam er gleich wieder angefegt;
und jetzt sitzt er an einem Geschreibe dran
und wird zur Belohnung ein reicher Mann.)
Aber die Presse!
Daß ich die nicht vergesse!
Wir dachten doch nun, jetzt seis mit ihr aus!
Das überlebe sie nicht, dies Gebraus.
Denn nun liegt es doch klar am Tage:
Für wen ertönte die Totenklage?
Wer hat die Mannschaft aufs Blut geschunden?
Wer bereicherte sich noch an Todwunden?
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Wer klaute in viereinhalb langen Jahren
Kantinenfonds, Marketenderwaren?
Wem verdanken wir diese Niederlage?
Nun, dachten wir, liegt es klar am Tage . . .
Weit gefehlt!
Sie haben sich gar nicht lange gequält
und spotten schon heute voller Hohn
auf die Revolution!
Und wenn wir in Verhandlungen traten,
so geschah das nur wegen der lumpigen Soldaten,
diesen hundsgemeinen Halunken,
und überhaupt: deshalb sei alles gesunken . . .
Die Kerls sind an allem, allem schuld – – –
Deutschland! hast du eine Lammsgeduld!
Läßt dir heute nach diesem allen
Frechheit von Metzgergesellen gefallen?
Lern ihre eiserne Energie!
Die vergessen nie.
Die setzen ihren verdammten Willen
durch – im lauten und im stillen
Kampf, und sie denken nur an sich.
Deutschland! wach auf und besinne dich!
Nur einen Feind hast du deines Geschlechts!
Der Feind steht rechts!


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Tucholsky, Kurt. Preußische Presse. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-5DC7-6