Brunner

Ein Amor klopfte an ein Hosentürchen,
doch niemand rief; »Herein!«
Und nun entflattert leise das Figürchen
und ließ den Mann allein.
Der sieht die Nacktheit und geniert sich.
Er möcht ja gern der Venus nahn,
doch was sich liebt, das konfisziert sich.
Es liegt ein Brunner an der Lahn.
Als Knäblein hat er schon – wie an mein Ohr kam –
in seinem Bibelband,
gezählt, wie oft da ›zeugen‹ vorkam –
und was er sonst noch fand.
Die Bilder, die dem Reinen rein sind,
verwehrt er heut dem Untertan,
stellt fest, wofür wir noch zu klein sind –
und denkt, ganz Deutschland liege an der Lahn.
Wer seine Nase nur in Schweinerein steckt,
verliert das Gleichgewicht:
Wenn auf den Blättern auch die Frau das Bein streckt:
uns stört das weiter nicht.
Was schert uns frohe und gesunde Esser
denn Seine Impotenz, der Herr Professor!
Da soll doch gleich . . . !
Die Putten fliegen.
Hell seh ich Aphroditen liegen.
Sie lächelt: »Tiger, laß ihn gehn!
Er kennt mich nicht. Er hat mich nie gesehn!«


Lizenz
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Tucholsky, Kurt. Brunner. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-6096-E