Eisenbahner

Im Stellwerk wachen in der Nacht –
Marsch – Marsch! Zehn Stunden Dienst gemacht!
Die schweren Hebel an der Hand,
Hitze und Zugwind am Führerstand.
Im Bauch kalten Kaffee, im Kopf das Signal,
die Strecke abgehen, hundertmal –:
das macht das Unterpersonal.

Hingegen:
Verfügungen schmieren, wie die dienstlichen Mützen
auf dem Proletenkopf sollen sitzen;
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nur die eigene Behörde kennen;
sich gegenseitig zum Geheimrat ernennen;
vom grünen Tisch den gemeinen Haufen
regieren, daß alle in Akten versaufen;
auf Wersalljes schimpfen, aufs Material –:
das tut das Oberpersonal.
Den Kopf hinhalten vor Gericht;
Maul halten, wenn der Richter spricht;
die Brust hinhalten, wenn es sprüht,
undichtes Rohr . . . der Dampf verbrüht . . .
ein heißer Strahl . . . weg, ins Spital . . .
So fünfzig–, hundert–, tausendmal –:
das macht das Unterpersonal.

Hingegen:
Intrigieren und organisieren –
paragraphieren und reglementieren.
Geht es bei Katastrophen ans Leben,
sich »persönlich auf den Schauplatz begeben«;
an Vorschriften und Verfügungen polken,
(wie ein Mond leuchtet Dorpmüller aus den Wolken).
Für die andern: Kommiß. Für sich selber: sozial.
Das macht das Oberpersonal.
Wir rufen ihm zu, so wie es da ist,
ein Signal, das kein Proletarier vergißt:
Abfahren! Abfahren! Abfahren –!


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Tucholsky, Kurt. Eisenbahner. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-65A1-A