Hetären-Gespräche

Falsch:


»Du wunderst dich gewiß, wie ich zu diesem Leben gekommen bin. Mein Vater war Oberstleutnant bei den Husaren in Krefeld, und meine Mutter war eine geborene von. Ich hatte eine glückliche Jugend; da geriet ich im Älter von achtzehn Jahren in die Hände eines gewissenlosen Verführers, der mir im Schlaf meine Unschuld raubte. Meine Eltern verstießen mich, als die Schande offenbar wurde, und bald sank ich von Stufe zu Stufe . . . «


Richtig:


» . . . hab ich zu der Frau gesagt: Bitte, den Koffer können Sie ja gar nicht pfänden, der ist ja schon gepfändet, überhaupt werde ich mich bei der Staatsanwaltschaft beschweren, denn da hab ich sehr gute Beziehungen. Kennst du einen Staatsanwalt Kleinböhmer? Das ist ein guter Freund von mir . . . weißt du, das ist ein Stiefelfreier, der kommt alle vierzehn Tage zu mir, und dann muß ich ihm . . .

Da sagt die Frau, dann wird sie die Polizei holen. Ich sage, bitte, sage ich, holen Sie nur die Polizei, da werden Sie schon was erleben! Hast du sowas gesehn! Wo überhaupt die Mieten so teuer sind! Ach, Fritzi, das ist ja gar nicht wahr – du kriegst heute in ganz Hamburg nichts Anständiges unter hundertachtzig Mark . . . Bestell noch ne Flasche Sekt. Sieh mal die Frau da drüben! Die war in Untersuchungshaft, drei Wochen haben sie sie dabehalten, aber sie konnten ihr nichts beweisen, ihr Freund sitzt heute noch. Die hat enorm verdient, die war in Berlin zur Grünen Woche, na, und die Leute mit dem grünen Hütchen geben ja was aus. Ich hab auch so einen. Der hat ein großes Gut in . . . der Name tut ja nichts zur Sache. Du, das ist ein komischer Kerl! Der ist hier alle halbe Jahr in Hamburg, und mit seiner Frau ist das wohl nicht ganz richtig, und da will er immer . . .

Fritzi! Das ist doch Ullgreen! Der Schwede! Na, das ist aber ulkig! Du, ich habe solchen Hunger – bestell mir mal – Ober, geben Sie mal die Karte! Was macht denn der jetzt in Hamburg? Was ist denn das für eine Frau, mit der er tanzt? Die ist doch nicht aus dem Trocadero? Ins Trock kann man ja gar nicht mehr gehn, ja, Roastbeef, ach, du mit deinem Alkazar, mit Gemüse, ist eigentlich noch immer so viel Betrieb im Lunapalais – da war ich mal früher . . . Was? Was für Leute? Das ist noch gar nichts. Da hatten wir hier einen Argentinier, was Fritzi? der kam immer, und dann mußten wir ihm mitten im Zimmer einen großen Block aufbauen, und er hatte bloß eine Hose an, und dann kniete er, und dann mußten wir so tun, als ob er hingerichtet würde, und . . .

[234] Nein, morgen kann ich nicht. Fritzi, quatsch doch nicht, morgen können wir nicht, da haben wir Erich. Siehste – du vergißt auch alles. Das ist ein sehr feiner Mann, das ist ein Großindustrieller aus dem Rheinland, na, wir haben überhaupt sehr gute Leute – ich habe doch Kompott bestellt, bringen Sie mal eine Portion gemischtes Kompott – meinst du, sie hat mir den Koffer rausgegeben? Nu kenn ich aber hier einen sehr feinen Mann von der Polizei, den hab ich gleich antelefoniert, er war ja nicht da, aber das hat die Frau wohl gehört, und da hat sie den Koffer gleich rausgegeben . . . Was für ein . . . ? Das ist eine Goldgrube. Ich kenn den Direktor – ich war mal bei ihm, er hat mich engagieren wollen, für seine Revue, und da mußte ich mich ganz ausziehn, du, der hat in seiner Wohnung lauter Fesseln und Halseisen und Ruten und all son Zeug . . . schließt er einfach die Tür ab, du, der Sekt ist alle, und ich sage: Sie, sage ich, wenn Sie mich nicht rauslassen, dann schrei ich! Da ist dann mit dem Engagement nichts geworden. So ein alter Esel. Ein fießer Kerl. Aber eine Goldgrube. Neulich war Elli bei ihm, und da hat er ihr . . .

Natürlich kenn ich den. Wir gehn in jeden Film, wenn er spielt. Der war mal bei uns, und jedesmal, wenn er . . . dann hat er . . .

Gehn wir noch in die kleine Bar, einen Whisky trinken? Ach, gehn wir noch. Du, gib mal der Blumenfrau was, ich hab mir vorhin von ihr eine Nadel geliehn. Also, was ich mich über diese Geschichte mit dem Koffer schon aufgeregt habe! Das ist die Frau ja gar nicht wert. Ich bin auch leidend. Der Arzt, der Professor hier vom Krankenhaus, hat gesagt, so eine Leber hat er überhaupt noch nie gesehn . . . Fritzi, das weißt du doch – das tut die Frau alles bloß, weil ich damals in dem Prozeß gegen ihren Schwager, diesen Luden, nicht so ausgesagt habe, wie Hans gewollt hat. Dabei habe ich doch den Brief gar nicht bekommen! Du hast gar nichts gesehn! Wenn Marga damals nicht zu Emil gesagt hätte, daß sie von dem Doktor nichts weiß, dann hätten wir alle zusammen nichts von Seiermann gekriegt, und Willi . . . Du, kauf mir doch so einen Teddybären! Der ist aber süß! Pusch pusch . . . beiß mal den Onkel! Guten Abend. Das war ein ungarischer Akademieprofessor – sehr berühmter Mann, ich hab vergessen, wie der heißt. Du, weißt du, was der immer macht –?

Ja, denk doch mal, der ist ganz plötzlich gestorben. Nein, nächsten Sommer gehn wir ins Gebirge. Ganz plötzlich gestorben . . . schade, ich konnt nicht zur Beerdigung kommen, ich geh sonst so gern zu so was . . . es ist so feierlich, wenn die Orgel spielt, man weint so schön . . .

Nein, wir haben nur sehr gute Kavaliere. Und ich will dir mal was sagen, warum sie eben alle so gern zu uns kommen –:

Son Mann hat doch das Bedürfnis, sich mal auszusprechen –!«



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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Tucholsky, Kurt. Hetären-Gespräche. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-67E4-2