Rückleben

An ihrem Grabe kniet ich festgebunden
Und senkte tief den Geist ins Totenreich.
Zum Himmel reichte nicht mein Blick, es stunden
Des Wiedersehens Bilder fern und bleich.
Da so ich vorwärts Grauen nur gefunden,
Vergangne Tage, flüchtet ich zu euch;
Ich ließ den Sarg des Grabes Nacht entheben,
Zurück sie tragen in das schöne Leben.
Schon huben sich die bleichen Augenlider,
Ihr Auge schmachtete zu mir empor;
Bald strebten auf die frischverjüngten Glieder,
Sie schwebte blühend in der Schwestern Chor;
Der Liebe goldne Stunden traten wieder,
Selbst mit des ersten Kusses Lust, hervor;
Bis sich verlor ihr Leben und das meine
In sel'ger Kindheit Duft und Morgenscheine.

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TextGrid Repository (2012). Uhland, Ludwig. Gedichte. Gedichte (Ausgabe letzter Hand). Sonette, Oktaven, Glossen. [Oktaven]. Rückleben. Rückleben. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-6ED1-7