Gott, der Weltschöpfer

Zu Gott, zu Gott flieg auf, hoch über alle Sphären!
Jauchz ihm, weitschallender Gesang,
Dem Ewigen! Er hieß das alte Nichts gebähren;
Und sein allmächtig Wort war Zwang.
[208]
Ihm, aller Wesen Quelle, werde
Von allen Wesen Lob gebracht,
Im Himmel und auf Erde
Lob seiner weisen Macht!
Von ihrer hohen Bahn, in jener lichten Ferne,
Jauchzt ihm die Sonne freudig zu:
Du machtest mich! du Gott! Und ringsumher die Sterne,
Das Heer des Himmels; machtest du!
Sein Lob, ihr schimmerreichen Schaaren,
Tönt auf der dunkeln Erde nach,
Von Wesen, die nicht waren,
Und wurden, als er sprach:
Als Neigung, wohlzuthun, und weitere Gebiethe,
Noch mehr Geschöpfe zu erfreun,
Dich, Weisester, bewog, zu Wundern deiner Güte,
Der Schöpfer einer Welt zu seyn;
Und aus dem Licht, in dem du wohnest,
Zu Sterblichen hervor zu gehn,
Vom Himmel, wo du thronest,
Und Engel vor dir stehn.
Du wolltest dich, als Gott, der öden Tiefe zeigen,
Die, unermeßlich ausgestreckt,
Zu deinen Füßen lag, mit fürchterlichem Schweigen
Und schauervoller Nacht bedeckt.
Du breitetest, Herr, deine Hände
Weit aus durchs düstre leere Feld,
Und zeichnetest das Ende
Der ungebohrnen Welt.
[209]
Du riefst ihr, und sie kam! O welche Wunder drangen
Jetzt aus dem fruchtbarn Schoos des Nichts!
Der Sonnen zahllos Heer, die ihrem Schöpfer sangen,
Bestieg den güldnen Thron des Lichts:
Und jede herrscht in ihrer Sphäre,
Wo ihren flammenden Palast
Du im crystallnen Meere,
Du, Gott, gegründet hast.
Ihr Himmel, öffnet euch, daß ich bewundernd preise,
Wie Sonn an Sonne friedlich gränzt,
Und, ewig unverwirrt im angewiesnen Kreise,
Doch weit gebiethend, jede glänzt!
Umsonst! die schwindelnden Gedanken,
Verlohren in dem großen Blick,
Entfliehen in die Schranken
Der niedern Welt zurück.
Auch sie, die Erde, war bejahrtem Nichts entrissen,
Doch ungestalt und wüst, und wild,
Ein roher Klumpen noch, in kalten Finsternissen
Und schwarzen Fluthen eingehüllt.
Gott schalt die Wasser, und sie flohen,
Und wälzten sich im Donner fort,
Vor ihres Herrschers Drohen,
An den bestimmten Ort.
Mit Brausen sammelten die furchtbarn Oceane
Sich nach dem Winke seiner Hand;
Es rauschten Flüsse hin, vertheilt nach weisem Plane:
Die Erde wurde festes Land,
Sie drohte nun mit Felsenstücken
Und rauhen Bergen schon empor,
Und stieg, mit breitem Rücken,
Aus Wassern schwer hervor.
[210]
Hoch über Sonnen stund ihr Schöpfer, dem sie leben,
Und eine sah er an, und sprach:
Der Erde hab ich dich zur Königinn gegeben;
Zeuch sie durch sanfte Bande nach:
Daß du, ihr leuchtend, sie erfreuest,
Und sanfte Klarheit in der Nacht
Dem stillen Monde leihest,
Den ich für sie gemacht!
Wie war dir, Erde, nun, da dich zum erstenmale
Der Sonne glänzend Antlitz fand,
Da deine Königinn, auf einem lichten Strahle,
Den liebreizvollen Tag dir fand?
Er kam! die güldnen Locken flogen,
Gezähmt durch einen Bluhmenkranz:
Die jungen Stunden zogen
Ihn auf zum Frühlingstanz.
Schon schmückte fettes Gras die Fluren, alles grünte:
Vor seinem Schöpfer prangte schon
Der Bluhmen bunt Geschlecht: die Rose nur verdiente
Den holden Purpur und den Thron.
Sie tranken vom beperlten Thaue;
Sie hauchten in die laue Luft,
Auf kräuterreicher Aue,
Gesunden Balsamduft.
Die Bäume kamen auch: die frische Pfirsich glühte,
Schon reifend für des Menschen Mund.
Ein schlanker Baum trat auf in silberweißer Blüthe,
Der bald mit Gold befruchtet stund.
[211]
Die düstern Eichenwälder hatten
Sich über Höhen ausgestreckt,
Mit angenehmen Schatten
Schon Thäler überdeckt.
Nun war die Erde schön, geschmückt auf allen Seiten,
Werth einer Gottheit Sitz zu seyn.
Noch war sie, o zu früh, zu früh verflogne Zeiten?
Von kriegrischer Verwüstung rein,
Die, auf den Wink verfluchter Ehre,
Das Antlitz der Natur verderbt,
Und Felder, selbst die Meere
Mit Menschenblute färbt.
Sie both, noch unentweiht, aus ihres Schöpfers Fülle,
Die Schätze des Vergnügens dar:
Doch allenthalben war noch eine todte Stille,
Da nichts lebendiges noch war.
Gott sprach, und die Gebirge bebten,
Und Meer und Erde regten sich,
Und neue Wesen lebten:
Die todte Stille wich!
Das Volk der kalten Fluth, die schuppenreichen Heere
Bezogen ihr beschilftes Haus,
Der Wallfisch breitete sich im beschäumten Meere,
Gleich einer wüsten Insel, aus.
Hier flog mit goldgefleckten Schwingen,
Dort kroch, vom Auge kaum entdeckt,
Schön, gleich den größten Dingen,
Das künstliche Insekt.
[212]
Hoch auf zur Sonne flog der Adler aus den Feldern:
Zum stillsten Busch entwich und sang
Die süsse Nachtigall: in schattenreichen Wäldern
War braunes Wild, das brüllend sprang.
Bestäubte Mähnen schüttelnd, wühlten
Sich Löwen aus der Erde los;
Und sanfte Lämmer spielten
Um ihrer Mutter Schoos.
Du hast mit reichem Strom das Leben ausgegossen,
Bis in die kleinste Felsenkluft!
O Schöpfer! Gütigster! Wie viele Stimmen flossen
Dir dankend in der heitern Lust,
Und drängten sich, in tausend Weisen,
Ein lieblich wild vermischtes Chor!
Dich, ihren Herrn, zu preisen,
Zu deinem Thron empor!
Bald kam zur frohen Schaar, der Zeuge deiner Größe,
Der Mensch, den du zuletzt gemacht,
Damit ein Wesen wär, das mit Vernunft genöße,
Was deine Huld hervorgebracht.
Ihm, deinem Bilde, wurde Leben,
Aus deinem lebensreichen Mund,
Und die Vernunft gegeben:
Er fühlte sich und stund:
Ein wunderbar Geschöpf, das, wie die dümmsten Thiere,
Sich Nahrung aus der Erde gräbt,
Und wie der Engel denkt; halb, wie die dümmsten Thiere,
Vergeht, und halb unsterblich lebt:
[213]
Geschaffen, daß es vor dir wandle,
Dir unterwürfig, aber frey
Nach weisen Pflichten handle,
Dich lob' und glücklich sey!
Er stammelte dein Lob mit dankbarem Gemüthe,
So bald er dacht' und froh empfand,
Und überall dich sah, dich, o du höchste Güte,
Dich am bestrahlten Himmel fand,
Dich auf der bluhmenvollen Fläche,
Dich im gewürzten Myrrhenduft,
Im Murmeln kühler Bäche,
Dich in der Frühlingsluft!
Dich loben, Herr, ist Pflicht! Dein Ruhm schallt ungezwungen
Von meinem dankbarn Saitenspiel.
Dein Ruhm erschalle laut von aller Menschen Zungen,
Bis an der Erde letztes Ziel;
In ewig trauernden Gefilden,
Und wo die Sonne sanft regiert,
Und wo verbrannte Wilden
Sie zu dem Schöpfer führt!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Uz, Johann Peter. Gedichte. Sämtliche poetische Werke. Lyrische Gedichte. Sechstes Buch. Gott, der Weltschöpfer. Gott, der Weltschöpfer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-72A4-C