Gott, der Gesetzgeber

Menschen, hört mit ehrfurchtvollem Schweigen!
Gott will selbst von seinem Throne steigen:
Betet an vor ihm! Er spricht.
Auch das Meer, das schon mit schnellem Grimme
Brüllend schwillt, gehorchet seiner Stimme,
Wenn sie donnert: stürme nicht!
Staub, den ich gebildet und beseelet,
Und aus Huld zu weisem Glück erwählet,
Höre, Mensch, ich rede dir!
[206]
Hab ich dir nicht, was du hast, gegeben?
Hast du nicht den Funken, dieses Leben,
Das du athmest, nur von mir?
Bin ichs nicht, der Sonnenschein und Regen
Gütig giebt, und dich mit mildem Segen
Aus der Erde Schoose nährt?
Der dein Vieh auf kräuterreichen Weiden
Dir erhält, dir ungezählte Freuden,
Alle, die du hast, gewährt?
Und was ists, das ich dagegen fodre?
Liebe nur! die reinste Liebe lodre
Gegen mich in jeder Brust!
Jedermann, der Erdkreis soll es hören!
Jedermann verläugne mir zu Ehren
Sich und alle seine Lust!
Seufzest du bey meinen Foderungen?
Reichthum, Ehr und Lob von feilen Zungen,
Dieser Tand betrübt dich nun?
Was aus Pflicht du nicht verweigern könntest,
Solltest du, wenn du dir Gutes gönntest,
Selber dir zu Liebe thun.
Kann der Geist, gefesselt an der Erden,
Sich mir nahn? Gereinigt muß er werden,
Und was irdisch ist, verschmähn.
Denn befleckt durch niedre schnöde Triebe,
Kann er mich, den würdigsten der Liebe,
Mich den heiligsten, nicht sehn:
Kann er nicht an jenen Ort gelangen,
Wo vor mir die reinen Geister prangen,
Reiner, als das Sonnenlicht,
[207]
Und, mit Glanz und Herrlichkeit umgeben
Höchstbeglückt erhabnen Freuden leben,
Die kein Wechsel unterbricht.
Denn, o Mensch, so groß ist meine Güte,
Daß ich dir, beglückt zu seyn, gebiethe,
Nicht beglückt nur in der Zeit.
Wolltest du für deinen Gott nicht bluten?
Er vergilt nur wenige Minuten
Dir mit einer Ewigkeit.
Höchster Gott, Beherrscher meiner Tage!
Dir gelobt Gehorsam, ohne Klage,
Dir, Herr, dein Geschöpf, dein Knecht.
Du bist weis', auch wann du mich betrübest;
Du gebeutst, o Vater, weil du liebest;
Die Gebote sind gerecht:
Wann, verhüllt von einer lichten Wolke,
Du im Thal die Niedrigsten vom Volke
Lehrst, von Menschenhuld belebt:
Oder, wann in schwarzen Ungewittern
Du gebeutst, und die Gefilde zittern,
Und der Sinai erbebt.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Uz, Johann Peter. Gedichte. Sämtliche poetische Werke. Lyrische Gedichte. Sechstes Buch. Gott, der Gesetzgeber. Gott, der Gesetzgeber. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-72E1-2