An das Glück

Falsches Glück, das unsrem Arm entweichet,
Wann wir keichend dich bey nah erreichet!
Soll, o Abgott niedrer Seelen!
Soll dein blinder Haß auch Weise qvälen?
Manchem Thoren trägst du dich entgegen:
Niemand sucht dich auf gebahnten Wegen:
Denn zu deinem steilen Reiche
Führt ein kürzrer Weg durch finstre Sträuche.
Ich ergetze mich in stillen Gründen:
All mein Unmuth flieht mit schnellen Winden,
Wenn ich unter Freunden singe.
Höre selbst, wie meine Cyther klinge.
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Wen besing ich, als den Gott der Reben?
Denn die Rosen, die mein Haar beleben,
Und der vollen Gläser Menge
Sind ihm heilig, und er liebt Gesänge.
Faunen! tanzt vor mir mit frohen Sprüngen:
Von Lyäens Liebe will ich singen.
Seine Schöne war noch blöde
Und aus unerfahrner Jugend spröde.
Da verschloß er sich in einer Traube.
O wie lüstern nahm sie ihn vom Laube!
Sie entbrannt' in fremde Triebe;
Und noch itzo dient sein Wein der Liebe.
Wehrt so süsser Ton nicht allem Leide?
Goldne Cyther, schalle stets von Freude,
Wann ich hier am kühlen Bache,
Hingestreckt auf weichen Blumen, lache:
Hier, wo treue Schatten mich umschliessen,
Und ich oft, berauscht von Wein und Küssen,
Die ich um kein Glück vertausche,
An der Phyllis vollem Busen lausche.
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Fahre hin, du sorgenreiches Glücke!
Denn ich buhle nicht durch Bubenstücke
Um das mühsame Vergnügen,
Dir im Schooß, verliebt in Rauch, zu liegen.
Wenn kein Gold, noch Schimmer stolzer Ehren
Nur um einen Tag mein Leben mehren;
Wenn ich nicht vergnügter küsse:
Was vermiß ich, wenn ich dich vermisse?

Notes
Erstdruck in: Lyrische Gedichte, Berlin (Johann Jacob Weitbrecht) 1749.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Uz, Johann Peter. An das Glück. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-72E7-5