Jules Verne
Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts


1. Band

1. Capitel
1.
I.

Cassini, Picard und La Hire. – Das Mittelmeer und die Karte von Frankreich. – G. Delisle und D'Anville. – Die Gestalt der Erde. – Maupertuis in Lappland. – La Condamine am Aequator.


Vor der Schilderung der großen, erfolgreichen Reisen im Laufe des 18. Jahrhunderts müssen wir erst der ungeheueren Fortschritte der Wissenschaften gedenken, welche diese in derselben und der kurz vorausgegangenen [5] Periode machten. Sie berichtigten eine Menge tief eingewurzelter Irrthümer und gaben den astronomischen und geographischen Arbeiten überhaupt erst eine sichere Grundlage. Ohne den uns hier beschäftigenden Gegenstand besonders hervorzuheben, veränderten sie die Kartographie von Grund aus und gewährten der Schifffahrt eine bis dahin ungekannte Sicherheit.

Wohl hatte Galilei schon 1620 die Verfinsterungen der Jupitermonde beobachtet, doch blieb diese wichtige Entdeckung in Folge der Gleichgiltigkeit der Regierungen, des Mangels an hinreichend mächtigen Instrumenten und der durch die Schüler des großen italienischen Astronomen begangenen Irrthümer zunächst ohne Resultat.

Giovanni Domenico Cassini veröffentlichte im Jahre 1668 seine verbesserten »Tafeln der Bewegungen der Jupiter-Trabanten«, auf welche hin ihn Colbert im nächstfolgenden Jahre zur Direction der Pariser Sternwarte berief.

Im Juli 1671 stellte Philipp de la Hire auf Uranienborg auf der Insel Hven (im Oeresund), und zwar an derselben Stelle wie Tycho de Brahe, seine berühmt gewordenen Beobachtungen an, und bestimmte unter Anderem mit Hilfe der Cassini'schen Tafeln durch Rechnung die Längen-Differenz zwischen Paris und Uranienborg mit früher nie erreichter Genauigkeit.

Im nämlichen Jahre sandte die Akademie der Wissenschaften den Astronomen Johann Richer nach Cayenne, um daselbst die Parallaxen der Sonne und des Mondes zu studieren und dabei die Entfernungen des Mars und der Venus von der Erde zu messen. Diese allseitig gelungene Reise hatte übrigens ganz unerwartete Folgen und wurde Veranlassung zu einer Menge Arbeiten über die genauere Gestalt der Erde. Richer machte nämlich die Beobachtung, daß ein Secundenpendet aus Paris in Cayenne binnen vierundzwanzig Stunden um zwei Minuten achtundzwanzig Secunden zurückblieb, ein Beweis, daß die Schwerkraft an letzterem Orte offenbar kleiner sein mußte als am erstgenannten. Newton und Huyghens schlossen aus dieser Thatsache weiter, daß die Erde an den Polen abgeplattet sein müsse. Bald darauf aber führten die von Abbo Picard vorgenommenen Messungen eines Erdengrades und die von Cassini's, Vater und Sohn, betriebenen Arbeiten über die Mittagslinie die genannten Gelehrten zu einer ganz entgegengesetzten Anschauung, nach der sie die Erde vielmehr als ein an den Polen verlängertes Ellipsoïd betrachteten. Es wurde das zum Anlaß der leidenschaftlichsten Erörterungen und vieler umfangreicher [6] Arbeiten, aus welchen die astronomische und mathematische Geographie ganz unerwarteten Gewinn zogen.

Picard hatte es unternommen, den Raum zwischen den Breitegraden von Amiens und Malvoisine, eine Strecke von etwa einundeindrittel Grad, direct zu messen. Da die Akademie jedoch der Meinung war, daß man durch Vermessung einer längeren Linie noch exactere Resultate erzielen müsse, beschloß sie, eine Messung der ganzen Länge Frankreichs von Nord nach Süd ausführen zu lassen. Als Meridian wählte man hierzu den der Sternwarte von Paris. Diese riesenhafte Triangulirungsarbeit wurde zwanzig Jahre vor Ausgang des 17. Jahrhunderts begonnen, später unterbrochen, wieder aufgenommen und endlich gegen 1720 zu Ende geführt.

Gleichzeitig erließ Ludwig XIV., auf Anregung Colbert's, den Befehl, eine neue Karte von Frankreich herzustellen. Verschiedene Gelehrte begaben sich hierzu zwischen 1679 und 1682 auf Reisen und bestimmten mittels astronomischer Beobachtungen die Linie der Küsten am Atlantischen Ocean und am Mittelmeere.

Freilich stellte sich bald heraus, daß diese Arbeiten, sowie die durch Picard vollendete Meridian-Messung, die Bestimmung der Längen- und Breitenlage mehrerer größerer Städte Frankreichs und eine Specialkarte der geometrisch aufgenommenen Umgebungen von Paris noch lange nicht hinreichten, eine vollständige Karte von Frankreich zu entwerfen. Man mußte zu dem Ende ebenso zu Werke gehen wie bei der vorausgegangenen Meridian-Messung, mußte nämlich das ganze Land mit einem System einander berührender Dreiecke bedecken. Hierdurch erst wurden die Unterlagen zu der großen Karte von Frankreich gewonnen, welche mit Recht den Namen der Cassini'schen trägt.

Schon die ersten Beobachtungen Cassini's und de la Hire's führten die beiden Astronomen dahin, die Grenzen Frankreichs als weit beschränkter zu bestimmen, als man jene bisher angenommen hatte.

»Sie raubten dem Lande, sagt Desborough Cooley in seiner ›Geschichte der Reisen‹, mehrere Längengrade von der Küste der Bretagne bis zur Bai von Biscaya und rückten ebenso die Küste von Languedoc und der Provence um etwa einen halben Grad herein. Diese Veränderungen gaben Ludwig XIV. Gelegenheit zu einem hübschen Scherze, indem er bei der Begrüßung der heimgekehrten Akademiker wörtlich äußerte: ›Ich sehe mit Bedauern, meine Herren, daß Ihre Reise mir ein gutes Stück von meinem Reiche gekostet hat!‹

[7] Die Kartenzeichner hatten bisher übrigens auf die Berichtigungen der Astronomen kaum Rücksicht genommen. Schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts verbesserten Peirese und Gassendi einen ›500 Meilen‹ betragenden Fehler der gewöhnlichen Karte des Mittelmeeres, welche die Entfernung zwischen Marseille und Alexandrien um ebensoviel zu hoch angab. Diese doch wahrlich nicht geringfügige Berichtigung wurde vollständig außer Acht gelassen, bis zu der Zeit, da der Hydrograph Jean Mathieu de Chazelles nach der Levante gesendet wurde, um das Gradbuch (Hafenbuch) des Mittelländischen Meeres herzustellen.

Man hatte allgemein bemerkt, heißt es in den Sitzungsberichten der Akademie der Wissenschaften, daß die Karten alle die Ausdehnung der Landgebiete Europas, Afrikas und Amerikas zu groß angaben und den Pacifischen Ocean zwischen Asien und Amerika um ebensoviel zu klein darstellten. Diese Fehler veranlaßten denn auch mannigfache Irrthümer. Im Vertrauen auf ihre Karten täuschten sich z.B. die Lootsen bei der Reise de Chaumont's, des Gesandten Ludwig's XIV., nach Siam, sowohl bei der Hin- wie bei der Rückfahrt, und legten eine weit größere Strecke zurück, als sie glaubten. Auf der Fahrt vom Cap der Guten Hoffnung nach der Insel Java meinten sie, von der Sundastraße noch weit entfernt zu sein, während sie sich schon sechzig Meilen jenseits derselben befanden und bei günstigem Winde zwei Tage lang zurückfahren mußten, um in dieselbe einzulaufen; bei der Rückreise vom Cap der Guten Hoffnung nach Frankreich aber trafen sie auf die Insel Flores, das westlichste Eiland der Azoren, während sie fünfhundert Meilen östlich desselben zu segeln glaubten, und mußten dann noch zwölf Tage einen östlichen Kurs einhalten, um die Gestade Frankreichs zu erreichen.«

Die Verbesserungen der Karte von Frankreich waren, wie oben erwähnt, ziemlich umfängliche. Man überzeugte sich, daß Perpignan und vorzüglich Collioures weit östlicher lagen, als man bisher annahm. Um eine deutliche Vorstellung hiervon zu gewinnen, genügt es, die dem ersten Theile des 7. Bandes der Memoiren der Akademie der Wissenschaften beigegebene Karte von Frankreich zu betrachten. Diese trägt den astronomischen Beobachtungen, von welchen wir oben sprachen, Rechnung, während das alte, im Jahre 1679 von Sanson veröffentlichte und untergedruckte Kartenbild die hinzugekommenen Veränderungen erkennen läßt.


Karte von Frankreich. (Facsimile. Alter Kupferstich.) (S. 7.)

Cassini sprach mit vollem Rechte öffentlich das Urtheil aus, daß die Kartographie nicht mehr auf der Höhe der Wissenschaft stehe. Sanson z.B. [8] [10]hatte noch blindlings die Längenbestimmungen des Ptolemäus beibehalten, ohne die Fortschritte der Astronomie irgendwie zu berücksichtigen. Seine Söhne und Enkel veranstalteten nur vervollständigte Ausgaben der alten Karten, und die übrigen Geographen folgten demselben Geleise. Erst Wilhelm Delisle entwarf neue Karten unter Benützung der modernen Errungenschaften und verwarf kurz entschlossen Alles, was vor ihm geleistet worden war. Sein Eifer trieb ihn so sehr, daß er die ganze Arbeit binnen fünfundzwanzig Jahren vollendete. Joseph Nikolaus, ein Bruder des Vorigen, lehrte inzwischen Astronomie in Rußland und lieferte Wilhelm zu dessen Karten sehr werthvolles Material. Gleichzeitig besuchte Delisle de la Coyère, der jüngste der drei Brüder, die Küsten des Eismeeres, bestimmte astronomisch die Lage der wichtigsten Punkte und ging dann mit auf Behring's Schiff an Bord, kam aber bei Kamtschatka um's Leben.

Wenn sich alle drei Delisle verdient machten, so kommt Wilhelm unbestreitbar der Ruhm zu, die Kartographie gründlich umgewandelt zu haben.

»Es gelang ihm, sagt Cooley, die alten und neuen Messungen in Uebereinstimmung zu bringen und aus sehr vielen Unterlagen glücklich zu combiniren; statt seine Verbesserungen ferner nur auf einen Theil der Erde zu beschränken, umfaßte er damit die ganze Erdkugel, weshalb er mit Recht als der Schöpfer der neueren Geographie angesehen wird. Bei einer Reise durch Paris erwies ihm auch Peter der Große dadurch seine Hochachtung, daß er jenem einen Besuch abstattete und über Rußland allen Aufschluß gab, den er nur selbst gewähren konnte.«

Ist dieses Zeugniß eines Ausländers nicht triftig? Und wenn die französischen Geographen heute durch die Deutschlands und Englands überflügelt sind, liegt nicht ein Trost und eine Ermuthigung darin, zu wissen, daß wir uns auch früher schon in einem Fache ausgezeichnet haben, indem wir eben danach streben, die einstige Ueberlegenheit wieder zu erobern?

Delisle lebte lange genug, um Zeuge der Erfolge seines Schülers J. B. d'Anville zu sein. Wenn der Letztere im Hinblick auf historische Wissenschaften unter Adrien Valois stand, so verdiente er doch seine weite Berühmtheit durch die Correctheit seiner Zeichnung, durch die Deutlichkeit und die künstlerische Erscheinung seiner Karten.

»Nur schwer ist die nur geringe Anerkennung zu begreifen, äußert sich E. Desjardins in seiner ›Geschichte des römischen Galliens‹, die man seinen Werken als Geograph, Mathematiker und Zeichner gezollt hat. Vorzüglich die letzteren [10] sichern ihm ein ganz unvergleichliches Verdienst. D'Anville construirte zuerst eine Karte auf streng wissenschaftlicher Methode; das genügt allein zu seinem Ruhme... Im Gebiete der historischen Geographie hat d'Anville ebenso bei Streitfragen einen seltenen gesunden Menschenverstand, wie einen merkwürdigen topographischen Instinct bei der Bestimmung unklarer Punkte bewiesen; dazu ist noch zu bemerken, daß er weder Gelehrter, noch hinreichend vertraut war mit der classischen Literatur.«

Die schönste Arbeit d'Anville's ist seine Karte von Italien, dessen nebenbei übertriebener Längendurchmesser nach Anschauung der Alten von Osten nach Westen verlief.

Im Jahre 1735 führte Philipp Luache, dessen Name als Geograph ein wohlverdientes Ansehen genießt, eine neue Methode ein, indem er bei der Karte der Tiefen des Canals (la Manche) krumme Linien zur Andeutung der Hebungen und Senkungen des Bodens benützte.

Zehn Jahre später veröffentlichte d'Aprós de Mannevillette seinen Neptune oriental, indem er verbesserte Karten der Küsten von Afrika, China und Indien lieferte. Damit verband er auch eine Art nautischen Leitfadens, der für jene Zeit um so werthvoller war, als man noch kein derartiges Hilfsmittel besaß. Bis an sein Lebensende verbesserte er diese Sammlung von Vorschriften, deren sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts alle französischen Seeofficiere als Führer bedienten.

In England nahm Halley unter den Astronomen und Physikern den ersten Rang ein. Er publicirte eine Theorie der »magnetischen Variationen« und eine »Geschichte der Moussons« (Jahreszeiten-Winde), die ihm den Befehl über ein Schiff einbrachten, um seine Theorie durch die Praxis erproben zu können.

Was d'Après bei den Franzosen gethan, das leistete Alexander Dalrymple in England. Nur konnte er sich niemals von einer Neigung zur Hypothese befreien, und glaubte z.B. stets an das Vorhandensein eines südlichen Continents. Sein Nachfolger war Horsburgh, dessen Name den Seefahrern immer werth und theuer sein wird.

Doch wenden wir uns nun zur Schilderung der zwei hochwichtigen Expeditionen, welche dem leidenschaftlich geführten Streite wegen der Gestalt der Erde ein Ende machen sollten. Die Akademie der Wissenschaften entsendete nämlich eine aus Godin, Bouguer und La Condamine bestehende Commission nach Amerika, um den Meridianbogen eines Grades am Aequator zu messen, [11] während sie Maupertuis, mit einem gleichen Auftrage betraut, nach dem hohen Norden schickte.

»Ist die Abplattung der Erde, sagt dieser Gelehrte, nicht größer, als Huyghens sie annimmt, so wird der Unterschied der in Frankreich schon gemessenen Meridiangrade und der ersten Grade in der Nähe des Aequators nicht groß genug sein, um nicht auf mögliche Irrthümer der Beobachter und die Unvollkommenheit der Instrumente zurückgeführt werden zu können. Beobachtet man aber am Pole, so muß die Differenz zwischen dem ersten, der Aequatoriallinie benachbarten Grade, und z.B. dem 66. Grade, der den Polarkreis schneidet, selbst entsprechend der Hypothese Huyghens' auffallend genug sein, um, trotz der zulässig größten Fehler, zweifellos erkannt zu werden, weil sich diese Differenz ebenso viele Male vervielfältigt, als Meridiangrade zwischen jenen Gegenden liegen.«

Das zu lösende Problem lag also klar vor Augen und sollte am Pole wie am Aequator in Angriff genommen werden, um einen Streit zu beenden, in dem Newton und Huyghens zuletzt Recht behielten.

Die Expedition ging auf einem in Dünkirchen ausgerüsteten Schiffe unter Segel. Es betheiligten sich bei derselben außer Maupertuis noch die Akademiker de Clairaut, Camus und Lemonnier, der Abbo Outhier, Canonicus von Bayeux, der Secretär Sommereux, der Zeichner Herbelot und der gelehrte schwedische Astronom Celsius.

Als der König von Schweden die Mitglieder der Commission in Stockholm empfing, sagte er zu ihnen: »Ich habe den blutigsten Schlachten beigewohnt, würde aber lieber in die mörderischste derselben zurückkehren, als die Reise unternehmen, welche Sie eben vorhaben!«

Natürlich durfte man hier nicht an eine Vergnügungsfahrt denken, wo Schwierigkeiten aller Art, fortwährende Entbehrungen und eine entsetzliche Kälte die gelehrten Naturforscher bedrohen mußten. Doch was sind ihre Leiden im Vergleich zu dem Elende, den Gefahren und schweren Prüfungen, welche die späteren Nordpolarfahrer, wie Roß, Parry, Hall, Payer u. A. zu erdulden hatten?

»In Torneå, im Grunde des Bottnischen Meerbusens und in der Nähe des Polarkreises, fand man die Häuser unter dem Schnee begraben, sagt Damiron in seiner ›Lobrede auf Maupertuis‹. Wagte man sich in's Freie, so schien die Kälte die Brust zerreißen zu wollen, und es verriethen sich die immer noch [12] zunehmenden Kältegrade durch das Geräusch vom Bersten des Holzes, aus dem hier alle Gebäude errichtet sind. Bei der auf den Straßen herrschenden Einsamkeit kam man auf den Gedanken, daß die Bewohner dieser Stadt ausgestorben sein möchten. Wo man aber Menschen traf, fand man auch Verstümmelte, welche bei so überaus harter Temperatur Arme oder Beine eingebüßt hatten. Und hier in Torneå sollten die Reisenden noch nicht einmal bleiben!«

Heutzutage, wo man diese Oertlichkeiten und die Strenge des arktischen Klimas besser kennt, ist man ja im Stande, sich eine Vorstellung zu machen von den Schwierigkeiten, denen die kühnen Reisenden begegnen mußten.

Im Juli 1736 begannen sie ihre Thätigkeit. Jenseits Torneå fanden sie nur noch unbewohnte Gebiete. Sie waren nur allein auf ihre eigenen Hilfsmittel angewiesen, um die Bergspitzen zu erklimmen, auf denen Signalstangen als Verknüpfungspunkte der langen Dreieckkette errichtet wurden. In zwei unabhängigen Abtheilungen vorgehend, um zwei Messungen statt einer zu erhalten und um unumgängliche Fehler möglichst zu verringern, gelang es den kühnen Naturforschern nach Ueberwindung zahlloser Hindernisse, welche in den Memoiren der Akademie der Wissenschaften vom Jahre 1737 geschildert sind, festzustellen, daß die Länge des Meridianbogenstückes zwischen den Parallelkreisen von Torneå und Kittis 55.0231/2 Toisen betrug. Unter dem Polarkreise maß der Meridiangrad demnach etwa 1000 Toisen mehr, als Cassini angenommen, und übertraf die Länge des von Picard zwischen Paris und Amiens vermessenen Gradbogens noch um 377 Toisen (1 Toise – 1.949 Meter). Die Erde war an den Polen also merklich abgeplattet, eine Thatsache, gegen deren Anerkennung sich die Cassini, Vater und Sohn, lange sträubten.


Vorkämpfer der Physik, Ihr, neue Argonauten,

Die Berg' erkletterten, den Wogen sich vertrauen,

Bringt aus den Ländern, die drei Kronen unterthan,

Die Meßwerkzeuge heim, zwei Lappinnen obendrein,

Ihr habt bestätigt, dort, wo Keiner leben kann,

Was Newton schon gewußt – ohn' aus dem Haus zu sein!


So äußerte sich Voltaire, nicht ohne malitiöse Pointe; dann spielt er auf die beiden Schwestern an, die Maupertuis mitbrachte, und deren eine ihn zu verführen wußte, mit den Worten:


Solch' Fehler ist zu häufig wohl!

Genug, daß es der einzige,

Den man begangen auf dem Weg zum Pol!


[13] »Uebrigens, sagt A. Maury in seiner ›Geschichte der Akademie der Wissenschaften‹, gab die Leistungsfähigkeit der Instrumente und Methoden, deren sich die nach dem hohen Norden entsendeten Astronomen bedienten, den Vertheidigern der polaren Abplattung der Erde mehr Recht, als sie thatsächlich verdienten; im folgenden Jahrhundert schon führte der schwedische Astronom Svenborg jene unfreiwilligen Ueberschätzungen in einer schönen, in französischer Sprache veröffentlichten Abhandlung auf ein bescheideneres Maß zurück.«

Inzwischen betrieb auch die, von der Akademie nach Peru gesendete Commission ihre analogen Arbeiten. Zu ihr gehörten La Condamine, Bouguer und Godin, alle Drei Mitglieder der Akademie, Joseph von Jussieu, Decan der medicinischen Facultät, für die botanische Forschung, der Chirurg Seniersgues, der Uhrmacher Godin des Odonais und ein Zeichner. Am 16. Mai 1735 verließ dieselbe La Rochelle. Die Gelehrten kamen zunächst nach St. Domingo, wo einige astronomische Beobachtungen angestellt wurden, dann nach Carthagena, Puerto-Bello, überschritten den Isthmus von Panama und landeten endlich, am 9. März 1736 bei Manta auf peruanischem Boden.

Bouguer und La Condamine trennten sich hier von den Uebrigen, beschäftigten sich vorzugsweise mit der Bewegung des Pendels und erreichten auf verschiedenen Wegen Quito.

La Condamine folgte der Küste bis zum Rio de las Esmeraldas und entwarf die Karte des Gebietes, das er nur unter den größten Schwierigkeiten durchzog..

Bouguer dagegen wendete sich südlich gegen Guayaquil, drang durch sumpfige Urwälder und gelangte nach Caracol, am Fuße der Cordillerenkette, zu deren Ueberschreitung er volle sieben Tage brauchte. Er folgte dabei demselben Wege, wie früher Pater d'Alvarado, auf dem siebzig von dessen Leuten umkamen, darunter die drei ersten Spanier, welche in das Land einzudringen versuchten. In Quito kam Bouguer am 10. Juni an. Diese Stadt zählte damals dreißig- bis vierzigtausend Einwohner, hatte einen Bischof als Gerichtsvorstand und besaß viele religiöse Körperschaften nebst zwei Collegien. Das Leben war daselbst sehr billig; nur für fremde Waaren wurden ganz unerhörte Preise gefordert, so kostete ein einfacher Glasbecher beispielsweise achtzehn bis zwanzig Francs.

Die Gelehrten bestiegen den Pichincha, einen Berg in der Nachbarschaft Quitos, dessen Ausbrüche der Stadt wiederholt verderblich wurden; sie sahen aber bald ein, daß es unthunlich war, die Dreiecke ihres Meridians in solcher [14] erstaunlichen Höhe zu construiren, und mußten sich begnügen, die nöthigen Signalstangen auf minder emporragenden Hügeln anzubringen.

»Fast tagtäglich beobachtet man auf den Gipfeln dieser Berge, sagt Bouguer in seiner der Akademie der Wissenschaften vorgelesenen Denkschrift, eine außergewöhnliche Erscheinung, welche gewiß ebenso alt ist wie die Erde, vor uns jedoch noch von Niemand bemerkt worden zu sein scheint. Als wir sie zuerst wahrnahmen, befanden wir uns Alle auf einem Berge Namens Pambamarca. Anfangs umhüllte uns eine dichte Wolke, welche bald vorüberzog, so daß wir die Sonne in vollem Glanze aufsteigen sahen. Die Wolke strich darauf an der anderen Seite des Berges hin. Sie war indeß kaum dreißig Schritte von uns entfernt, als jeder sein Schattenbild über sich, aber auch nur das seinige erblickte, weil die Dunstmasse natürlich eine unebene Oberfläche hatte. Die geringe Entfernung ermöglichte es, alle Einzelheiten des zweiten Bildes genau zu erkennen; man sah z.B. Arme, Beine und den Kopf ganz deutlich. Am meisten verwunderte es uns aber, daß der letztere mit einer Art Heiligenschein, einer aus drei oder vier kleineren, concentrischen und sehr lebhaft gefärbten Kreisen bestehenden Aureole umgeben erschien, von denen jeder in den Farben des Regenbogens, mit dem Roth nach außen, erglänzte. Die Abstände dieser Kreise von einander waren gleich groß; der innerste leuchtete etwas schwächer. In weiter Entfernung zeigte sich dann noch ein großer weißer Ring, der das ganze Bild umrahmte. Das seltsame Phänomen erschien jedem Beobachter wie eine Art Apotheose.«

Da die Instrumente jener Zeit weit unvollkommener waren als die heutigen und vorzüglich der Einwirkung jeder Temperaturveränderung unterlagen, so mußten sie mit größter Sorgfalt und peinlichster Aufmerksamkeit auf alle Nebenumstände gebraucht werden, um nicht durch gehäufte kleine Irrthümer zuletzt ein Resultat mit großem Fehler zu ergeben. Bouguer und seine Begleiter vermieden es daher, stets den dritten Winkel eines Dreiecks aus seinen zwei schon bekannten Winkeln zu berechnen, sondern maßen alle drei Winkel.

Nachdem sie nun die Länge der durchmessenen Strecke in Toisen erhalten, galt es noch festzustellen, welchen Theil des äußeren Erdumfanges dieselbe darstellte? Diese Frage ließ sich aber nur mittelst astronomischer Beobachtungen lösen.

Nach Ueberwindung vielfacher Hindernisse, die wir hier nicht eingehend schildern können, und manchen merkwürdigen Beobachtungen, unter anderen der der Abweichungen, welche die Anziehung der Berge auf das Pendel veranlaßt, [15] gelangten die Gelehrten zu einem Endergebnisse, das die Beobachtungen der nach Lappland entsendeten Commission allseitig bestätigte. Nicht Alle kehrten gleichzeitig nach Frankreich zurück. Jussieu setzte seine naturgeschichtlichen Studien noch mehrere Jahre hindurch fort, und La Condamine wählte zur Rückkehr nach Europa den Weg längs des Amazonenstromes, eine bedeutungsvolle Reise, auf die wir später noch zurückkommen werden.

2.
II.
Die Kaperkriege im 18. Jahrhundert.

Wood-Rodgers' Reise. – Abenteuer Alexander Selkirt's. – Die Galapagos-Inseln. – Puerto Seguro. – Rückkehr nach England. – Georges Anson's Expedition. – Staatenland. – Die Insel Juan-Fernandez. – Tinia. – Macae. – Wegnahme der Gallion. – Der Canton-Fluß. – Ergebnisse der Kreuzfahrt.


In Spanien tobte der Successionskrieg. Darauf beschlossen mehrere Rheder in Bristol, einige Fahrzeuge auszurüsten, um die spanischen Schiffe im Stillen Ocean anzugreifen und die Küsten Südamerikas zu verheeren und zu plündern. Die beiden hierzu bestimmten Schiffe, die »Duc« und die »Duchesse«, unter Führung der Kapitäne Rodgers und Courtney, wurden mit aller Sorgfalt ausgerüstet und mit der für eine so weite Reise erforderlichen Provision versehen. Der berühmte Dampier, der sich durch seine abenteuerlichen Fahrten und Seeräubereien einen so hervorragenden Namen erworben hatte, verschmähte es nicht, die Stelle eines Obersteuermannes anzunehmen. Obwohl diese Expedition sich mehr durch materielle Resultate als durch Bereicherung der Erdkunde auszeichnete, enthält die Geschichte derselben doch einige bemerkenswerthe Züge, welche der Ueberlieferung werth sind.


Porträt von Maupertuis. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 12.)

Porträt von Maupertuis. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 12.)


Am 2. August 1708 verließen die »Duc« und die »Duchesse« die königliche Rhede von Bristol. Gleich zu Anfang ist hier zu bemerken, daß für die Mannschaft während der ganzen Dauer der Reise eine Art Tagebuch zum Gebrauch aufgelegt wurde, um alles Vorkommende darin zu verzeichnen, damit die geringsten Irrthümer und die kleinsten Versehen gut gemacht werden könnten, bevor sich die Erinnerung der Thatsachen verwischen konnte.

[16] Ueber die Reise selbst ist bis zum 22. December nichts zu sagen. Am genannten Tage kamen die Falklands-Inseln in Sicht, welche nur wenige Seefahrer berührt haben. Rodgers ging jedoch nicht an's Land; er begnügt sich mit der Bemerkung, die Gestade derselben seien denen von Portland ähnlich, nur weniger hoch als diese.

»Alle Hügel, fügt er hinzu, scheinen fruchtbaren Boden zu haben; sie senken sich, mit Bäumen bestanden, allmählich zur Küste, der es nicht an guten Häfen gebricht.«

[17] Diese Inseln besitzen jedoch keinen einzigen Baum und brauchbare Häfen giebt es, wie wir später sehen werden, sehr wenig. Man erkennt hieraus, wie wenig zuverlässig die Angaben Rodgers' sind, und daß die Seefahrer gut daran gethan haben, denselben nicht allzuviel Vertrauen zu schenken.

Von genannter Inselgruppe aus steuerten die Schiffer direct nach Süden und drangen bis 60°58' der Breite vor. Hier ward es gar nicht mehr eigentlich Nacht; die Kälte war sehr streng und der Seegang so schwer, daß die »Duchesse« verschiedene Havarien erlitt. Die zur Berathung versammelten Offiziere beider Fahrzeuge erklärten es für unzweckmäßig, noch weiter nach Süden zu segeln, und man schlug nun einen westlichen Kurs ein. Am 15. Januar 1709 überzeugte man sich, daß das Cap Horn umschifft und die kleine Flottille in den Stillen Ocean eingelaufen sei.

Jener Zeit enthielten fast sämmtliche Seekarten abweichende Angaben über die Lage der Insel Juan Fernandez. Auch Wood-Rodgers, der daselbst Wasser fassen und sich mit frischem Fleische versorgen wollte, traf auf jene ganz unerwarteter Weise.

Am 1. Februar setzte er ein Boot aus zur Aufsuchung eines geeigneten Ankerplatzes. Während man dessen Rückkehr erwartete, wurde vom Ufer ein großes Feuer sichtbar. Sollten hier spanische oder französische Schiffe an's Land gegangen sein? Werde man sich das Wasser und die so nöthigen Nahrungsmittel erkämpfen müssen? Während der Nacht traf man alle von der Vorsicht gebotenen Anordnungen, doch zeigte sich auch am folgenden Morgen kein feindliches Schiff. Schon glaubte man, die Gegner hätten sich zurückgezogen, als die Rückkehr der Schaluppe aller Ungewißheit ein Ende machte. Mit dem Boote folgte ein in Ziegenfelle gehüllter Mann, dessen Gesicht noch verwilderter aussah als seine Kleidung.

Es war das ein schottischer Matrose, mit Namen Alexander Selkirk, der in Folge eines Zerwürfnisses mit seinem Kapitän vor nun vierundeinhalb Jahren auf dieser wüsten Insel ausgesetzt worden war. Dieser hatte auch das wahrgenommene Feuer entzündet.

Während seines Aufenthaltes in Juan Fernandez sah Selkirk zwar viele Schiffe in der Nähe vorübersegeln, doch gingen nur zwei derselben hier vor Anker. Von deren Matrosen entdeckt, die auf ihn Feuer gaben, verdankte Selkirk seine Rettung nur seiner Gewandtheit, indem er schnell auf einen Baum kletterte und sich im Laube zu verbergen wußte.

[18] »Man hatte ihn, heißt es in dem betreffenden Berichte, an's Land gesetzt mit seinen Kleidungsstücken, einem Bett, einer Flinte nebst einem Pfund Pulver und einigem Kugelvorrath, etwas Tabak, einer Hacke, einem Messer, einem kupfernen Kessel, dazu mit einer Bibel und anderen Erbauungsschriften, sowie mit seinen Instrumenten und Büchern. Der arme Selkirk befriedigte seine Bedürfnisse so gut als möglich, hatte während der ersten Monate große Mühe, seine Niedergeschlagenheit zu bekämpfen und das Entsetzen zu überwinden, das ihm die namenlose Verlassenheit einflößte.«

Aus dem Holze der Piment-Myrthe erbaute er sich nahe bei einander zwei Hütten, welche er mit den Fellen der Ziegen bedeckte, die er, so lange sein Pulver ausreichte, nach Bedarf erlegte. Als dasselbe zu Ende ging, half er sich, um Feuer anzuzünden, damit, daß er zwei Stücke Pimentholz an einander rieb. Nach völligem Verbrauche des Pulvers fing er die Ziegen im Laufe und erlangte durch die fortwährende Uebung eine solche Gewandtheit, daß er mit unglaublicher Schnelligkeit durch die Wälder lief und Hügel und Felsen erkletterte; er übertraf die besten Läufer, sowie einen Hund, den wir an Bord hatten, erhaschte die flüchtigen Ziegen und brachte sie auf dem Rücken herbei. Er erzählte uns auch, wie er eines Tages, in hitziger Verfolgung eines solchen Thieres begriffen, nach einem durch Strauchwerk verborgenen Abhang gelangt und denselben sammt seiner Beute hinabgestürzt sei. Durch den Fall verlor er das Bewußtsein und fand, wieder zu sich gekommen, die Ziege todt neben sich liegen. Vierundzwanzig Stunden lang blieb er damals an der Stelle liegen und vermochte sich auch dann nur mit größter Mühe nach seiner eine Meile entfernten Hütte zu schleppen, die er fernere zehn Tage nicht verlassen konnte.

Seine Nahrung würzte der Verlassene mit Steckrüben, welche jedenfalls die Mannschaft irgend eines Schiffes hier zurückgelassen hatte, mit Palmenkohl, Piment und Jamaika-Pfeffer. Als sein Schuhwerk und seine Kleidung unbrauchbar wurden, was eben nicht lange dauerte, ersetzte er diese durch Ziegenfelle, wobei ihm ein Nagel als Nähnadel dienen mußte. An Stelle des bis auf den Rücken abgenützten Messers verfertigte er sich einige neue aus eisernen Faßreifen, die er zufällig am Strande fand. Das Sprechen hatte er wegen Mangels an Uebung so weit verlernt, daß er sich nur mit Mühe verständlich zu machen vermochte. Rodgers nahm den Armen mit an Bord und stellte ihn als Hochbootsmann an.

Selkirk ist nicht der einzige Seemann, der auf Juan-Fernandez allein zurückgelassen wurde. Wir erinnern daran, daß Dampier daselbst einen von 1681 [19] bis 1684 verlassenen Mosquito aufnahm, und man weiß auch aus der Geschichte Sharp's und anderer Flibustier, daß der einzige Ueberlebende eines an der Inselküste gestrandeten Fahrzeuges hier fünf volle Jahre zubrachte, bis ihn ein anderes Schiff erlöste. Selkirk's Schicksal benützten manche Schriftsteller zum Vorwurfe hübscher Jugendschriften, deren bekannteste in Deutschland Campe's »Robinson Crusoe«, in Frankreich Saintine's Roman »Seul!« (»Allein!«) geworden sind.

Am 14. Februar verließen die beiden Schiffe Juan Fernandez und begannen ihren Zug gegen die Spanier. Rodgers überfiel Guyaquil, wo er eine große Beute machte, und bemächtigte sich einiger Schiffe, die ihm freilich mehr Gefangene als Geld in die Hände lieferten.

Dieser Theil seiner Fahrt bietet für uns kein Interesse, so daß wir hier nur einige Angaben über die Jusel Gorzone anführen, wo er eine Art Affen traf, denen er wegen ihrer langsamen Bewegungen den Namen »Faulthiere« gab; ferner über Tercamez, dessen mit vergifteten Pfeilen und Flinten bewaffnete Einwohner ihn mit Verlust zurückwiesen, und endlich über die unter 2° nördlicher Breite gelegenen Galapagos-Inseln. Dieser Archipel ist nach Rodgers sehr vielgliedrig, unter seinen etwa fünfzig Inseln fand er aber auf keiner genießbares Süßwasser. Dagegen bemerkte er neben zahllosen Turteltauben sehr viele Land- und Seeschildkröten von außerordentlicher Größe – nach denen die Spanier früher die Inselgruppe tauften – und furchtbare Seehunde, von denen einer kühn genug war, ihn anzugreifen.

»Ich befand mich am Strande, sagt er, als jener mit geöffnetem Rachen und der Wuth eines entsprungenen Kettenhundes aus dem Wasser auf mich zustürzte. Dreimal holte er zum Angriff aus. Jedesmal stieß ich ihm meine Lanze in die Brust und brachte ihm eine tiefe Wunde bei, die ihn unter entsetzlichem Geschrei zum Rückzuge nöthigte. Auch zuletzt drehte er sich noch einmal um und wies mir brüllend die gewaltigen Zähne. Vor kaum vierundzwanzig Stunden war übrigens auch einer meiner Leute in höchster Gefahr gewesen, von einem solchen Ungethüm getödtet zu werden.«

Im December zog sich Rodgers auf einer Gallion aus Manilla, die er gelegentlich eroberte, nach Puerto-Seguro an der Küste Kaliforniens zurück. Von seiner Mannschaft drangen Einige in das Innere des Landes ein. Sie fanden daselbst dichte Wälder von hochstämmigen Bäumen, zwar kein Anzeichen von Bodencultur, wohl aber an vielen Stellen aufsteigende Rauchsäulen, als Beweis, daß die Gegend doch bewohnt war.

[20] »Die Eingebornen, sagt Abbé Prévost in seiner ›Geschichte der Reisen‹, sind von hoher starker Gestalt, aber weit schwärzer als irgend einer der Indianer, die er in der Südsee gesehen. Sie trugen lange schwarze, schlichte Haare, die ihnen bis auf die Schenkel herabfielen. Die Männer gingen meist ganz nackt, die Frauen dagegen bedeckten sich theilweise mit Blättern oder einem scheinbar aus solchen hergestellten Stück Stoff, oder endlich mit Thierfellen, Vogelbälgen u. dgl. .... Einzelne erschienen geschmückt mit Hals- und Armbändern aus Holzstäbchen und Muschelschalen; andere trugen um den Hals rothe Beeren und Perlen, deren Durchbohrung sie offenbar nicht verstanden, denn letztere erwiesen sich nur ringsum eingeschnitten und durch einen herumgeschlungenen Faden verbunden. Sie fanden diesen Schmuck so schön, daß sie die Glashalsbänder der Engländer verächtlich zurückwiesen. Nur für Messer und Arbeitsgeräthe zeigten sie lebhafte Vorliebe.«

Die »Duc« und die »Duchesse« verließen Puerto-Seguro am 12. Januar 1710 und landeten zwei Monate später bei der Insel Guaham, einer der Mariannen. Hier nahmen sie Lebensmittel ein und erreichten dann, durch die Straßen von Butan und Saleyer segelnd, Batavia. Nach längerem, unfreiwilligem Aufenthalt in dieser Stadt und am Cap der Guten Hoffnung ankerte Rodgers am 1. October bei Dunes.

Obwohl er sich nicht des Näheren über die heimgebrachten Schätze ausläßt, kann man sich von denselben doch eine hinlängliche Vorstellung machen, wenn man Rodgers von den Barren und Speisegeschirren aus Gold und Silber reden hört, über die er seinen glücklichen Rhedern Rechnung ablegt. –

Auch die Fahrt des Admiral Anson, welche wir im Nachfolgenden schildern, gehört zu der Kategorie der Kaperzüge; sie beschließt aber die Reihe jener Seeräuber-Expeditionen, welche den Sieger entehren, ohne die Besiegten zu vernichten. Bereichert auch der Genannte die Erdkunde selbst nach keiner Seite, so enthält sein Bericht doch viele verständige Betrachtungen und interessante Beobachtungen aus sehr wenig bekannten Gebieten. Dieselben rühren übrigens nicht, wie der Titel meldet, von Richard Walter, dem Caplan der Expedition, sondern nach Nichol's »Literary anecdotes« von Benjamin Robins her.

Georges Anson ward im Jahre 1697 in Staffordshire geboren. Seemann von Kindheit auf, wußte er sich bald bemerkbar zu machen. Er genoß den Ruf eines geschickten und glücklichen Schiffsführers, als er 1739 den Befehl über ein, aus der »Centurion« mit 60 Kanonen, der »Glocester« mit 50, der »Severe«[21] mit gleichviel, der »Perle« mit 40, der »Wager« mit 28 Kanonen, der Schaluppe »Trial« und zwei Transportschiffen für Lebensmittel und Schießbedarf bestehendes Geschwader übernahm. Außer einer Mannschaft von 1460 Köpfen führte diese Flotte noch 470 Invaliden oder Marinesoldaten mit sich.

Am 18. September 1740 verließ die Expedition England und ging über Madeira, die Insel Santa Katharina nahe der Küste Brasiliens, ferner über den Hafen St. Julien durch die Lemaire-Straße.

»Wie abschreckend auch der Anblick von Feuerland wirken mag, sagt der Bericht, der von Staatenland übertrifft ihn doch noch bedeutend. Hier besteht die Küste nur aus einer Reihe unübersteiglicher Felsen, über welche noch scharfe Spitzen hinausragen und die bei ihrer außerordentlichen Höhe unter einer Decke ewigen Schnees verborgen liegen. Nur schauerliche Schlünde unterbrechen zuweilen die Steinmauer. Kaum vermag man sich etwas Traurigeres und Wilderes vorzustellen als diese Küste.«

Kaum traten die letzten Schiffe aus der Meerenge heraus, als das Geschwader von häufigen Böen, Windstößen und Stürmen überfallen wurde, so daß die erfahrensten Matrosen gestanden, noch niemals derartige Orkane erlebt zu haben. Dieses abscheuliche Wetter hielt sieben Wochen ohne Unterlaß an. Es bedarf wohl kaum einer Erwähnung, daß die Flotte dabei namhafte Havarien erlitt und eine Menge Matrosen verlor, welche theils durch die Wellen über Bord gespült, theils von Krankheiten dahingerafft wurden, die sich in Folge fortwährender Feuchtigkeit wie der ungesunden Nahrung entwickelten.

Zwei Schiffe, die »Severe« und die »Perle«, versanken, vier andere wurden außer Sicht verschlagen. Anson konnte in Valdivia, das im Fall einer Trennung als Sammelplatz bestimmt war, nicht einlaufen. Weit darüber hinaus verschlagen, gelang es ihm erst bei Juan Fernandez, wo er am 9. Juni eintraf, an's Land zu gehen. Die »Centurion« bedurfte eines Zufluchtsortes am nöthigsten. Vierundzwanzig Mann von ihrer Besatzung waren umgekommen, sie entbehrte des Trinkwassers und der Scorbut wüthete dermaßen unter ihrer Mannschaft, daß kaum zehn Mann zum Beziehen der Wachen fähig waren. Drei andere Fahrzeuge in nicht minder schlechtem Zustande trafen ebenfalls bald hier ein.

Jetzt galt es zuerst den erschöpften Leuten Erholung zu gönnen und die empfindlichsten Schäden der Schiffe auszubessern. Anson führte die Kranken an's Land und brachte sie an einer wohlgeschützten Stelle in freier Luft unter; dann durchstreifte er, gefolgt von den kräftigsten Matrosen, die Insel in allen [22] Richtungen, um deren Rheden und Küsten aufzunehmen. Der beste Ankerplatz wäre, nach Anson, die Cumberland-Bai. Der südöstliche Theil von Juan Fernandez – eine kleine Insel von beiläufig fünf Meilen Länge auf zwei der Breite – ist trocken, steinicht und baumlos, das Land tiefliegend und im Verhältniß zur Westküste sehr eben. Kresse, Portulak, Orseille, Steckrüben, sicilische Rüben u. dgl. wucherten hier in Ueberfluß, ebenso wie Hafer und Klee. Anson ließ Möhren und Lattich säen, auch Pflaumen-, Aprikosen- und Pfirsichkerne stecken. Er überzeugte sich, daß die vielen Böcke und Ziegen, welche frühere Büffeljäger hier zurückgelassen und die sich erst stark vermehrt hatten, jetzt nur weit minderzählig vorhanden waren. Die Spanier hatten nämlich, um ihren Feinden diese schätzbare Hilfsquelle versiegen zu machen, hier eine Menge halbverhungerter Hunde ausgesetzt, welche auf die Ziegen Jagd machten und deren eine solche Anzahl verzehrten, daß zu jener Zeit kaum noch zweihundert vorhanden waren.

Der Chef des Geschwaders – denn so wird Anson in dem Berichte stets bezeichnet – ließ auch die etwa fünfundzwanzig Meilen von Juan Fernandez entfernte Insel Mas-a-fuero untersuchen. Kleiner als jene, ist sie doch waldreicher, besser bewässert und beherbergt weit mehr Ziegen.

Gegen Anfang December hatten sich die Mannschaften so weit erholt, daß Anson daran dachte, nun seinem eigentlichen Ziele, dem Kaperkrieg gegen die Spanier, näher zu treten. Er erbeutete zuerst etliche Schiffe mit kostbaren Waaren und Goldbarren und legte die Stadt Pacta in Asche. Die Spanier selbst schätzten ihren hierdurch erlittenen Verlust auf anderthalb Millionen Piaster.

Nun begab sich Anson nach der Bai von Quiba, in der Nähe von Panama, um der Gallion aufzulauern, welche die Schätze der Philippinen alljährlich nach Acapulco überbringt. Begegneten die Engländer hier auch keinem einzigen Bewohner, so fanden sie doch, neben einigen elenden Hütten, große Haufen von Muscheln und schöner Perlmutter, welche die Fischer von Panama den Sommer über hier liegen zu lassen pflegen. Unter den reichlichen, an diesem Orte vorhandenen Nahrungsmitteln verdienen besonders die Riesenschildkröten hervorgehoben zu werden, welche gewöhnlich zweihundert Pfund wiegen und die man auf höchst eigenthümliche Weise einfängt. Zeigt sich nämlich eine solche schlafend auf der Wasseroberfläche, so taucht ein geübter Schwimmer unsern derselben unter, erfaßt beim Wiederauftauchen deren Schale nahe dem Schwanze und sucht sie herabzuziehen. Dadurch erwacht jene und beginnt sich zu wehren, hält aber ebendabei den Menschen so lange über Wasser, bis Boote herankommen, um beide aufzunehmen.


Selkirk stürzte sammt seiner Beute. (S. 19.)

[23] Selkirk stürzte sammt seiner Beute. (S. 19.)


Nach ziemlich fruchtloser Kreuzfahrt sah sich Anson genöthigt, drei spanische Schiffe, die er genommen und bemannt hatte, zu verbrennen. Nach Vertheilung ihrer Besatzung und Ladung auf die »Centurion« und »Glocester«, die beiden einzigen noch übrigen Schiffe des Geschwaders, beschloß Anson am 5. Mai 1742, nach China zu segeln, wo er Verstärkung und Proviant zu finden hoffte. Zu dieser vorher auf etwa sechzig Tage berechneten Ueberfahrt brauchte er aber volle vier Monate. In Folge eines heftigen Sturmes sprang die »Glocester« leck und mußte, bei der Unmöglichkeit, das Schiff mit der stark verminderten und [24] geschwächten Mannschaft länger zu halten, verbrannt werden. Nur Geld und Lebensmittel wurden von derselben noch übergeführt nach der »Centurion«, dem letzten Ueberbleibsel der stolzen, vor kaum zwei Jahren von Englands Gestaden abgesegelten Flotte.

Anson kam, weit aus seiner Route verschlagen, hoch nach Norden, wo er am 26. August die Inseln Atanaron und Serigan auffand; am folgenden Tage entdeckte er Saypan, Tinian und Agnigan, welche zu dem Archipel der Mariannen gehören. Ein spanischer Sergeant, den er in dieser Gegend auf einer kleinen[25] Schaluppe gefangen nahm, theilte ihm mit, daß die Insel Tinian unbewohnt sei, aber Ueberfluß besitze an Rinderheerden, Geflügel und herrlichen Früchten, wie Orangen, Limonen, Citronen, Cocospalmen, Brotfruchtbäumen u.s.w. Natürlich kam diese Nachricht der »Centurion« sehr gelegen, denn ihre Besatzung belief sich nur noch auf 71, durch Entbehrungen und Krankheiten tief erschöpfte Leute, dem Reste von 2000 Matrosen, welche die Flotte bei der Abfahrt mit sich führte.


Ich stieß ihm meine Lanze in die Brust. (S. 20.)

»Der Boden ist hier trocken und etwas sandig, lautet der Bericht, wobei auf Wiesen und in Wäldern ein zarterer und gleichmäßigerer Rasen gedeiht, als man ihn sonst im Tropenklima zu finden pflegt; das Land steigt von dem Ankerplatze der Engländer bis zur Mitte der Insel allmählich an; bevor es aber seine größte Höhe erreicht, unterbrechen dasselbe mehrere Niederungen mit trefflichem Klee und verschiedenen Blumen, und umrahmt von schönen Wäldern, deren Bäume köstliche Früchte erzeugen. Die Thiere, während des größten Theiles des Jahres die einzigen Herren dieser prächtigen Gefilde, erhöhen nur die romantischen Reize dieser Stellen und tragen nicht wenig dazu bei, ihnen ein wahrhaft entzückendes Aussehen zu verleihen. Nicht selten sieht man Tausende von Rindern friedlich auf einer solchen großen Prairie weiden, ein um so merkwürdigerer Anblick, weil dieselben bis auf die meist schwarzen Ohren alle von milchweißer Farbe sind. Trotz der Verlassenheit der Insel erweckt das fortwährende Brüllen und der Anblick so zahlreicher Hausthiere, welche sich auch in den Wäldern tummeln, doch unwillkürlich die Gedanken an Farmen und Dörfer.«

Wirklich ein bezauberndes Bild! Sollte ihm der Verfasser aber nicht einige Reize nachsagen, welche nur in seiner Einbildung vorhanden waren? Nach so langer Seefahrt mit vielen Stürmen ist es wohl nicht zu verwundern, wenn die grünenden Urwälder, die Ueppigkeit der Pflanzenwelt, der Reichthum an thierischem Leben auf den Geist der Begleiter des Lord Anson einen überwältigenden Eindruck hervorbrachten. Wir werden übrigens bald erfahren, ob seine Nachfolger von Tinian ebenso entzückt gewesen sind wie er.

Anson konnte sich trotz alledem einer gewissen Unruhe nicht entschlagen. Wohl fand er Gelegenheit, sein Schiff gut auszubessern, auf dem Lande lagen aber doch noch viele Kranke in Erwartung gänzlicher Wiedergenesang, und an Bord blieb nur eine kleine Anzahl Matrosen zurück. Der Ankergrund bestand aus Korallen, und man hatte alle Vorsicht nöthig, ein Zerschneiden der Kabel zu verhüten. Da erhob sich zur Zeit des Neumondes ein heftiger Wind und [26] brachte das Schiff zum Treiben. Die Anker bewährten sich wohl, nicht aber die Taue, und so schwankte die »Centurion« auf das offene Meer hinaus. Ohne Unterlaß grollte der Donner und der Regen stürzte in solchen Strömen herab, daß man auf dem Lande nicht einmal die von dem Schiffe ausgehenden Nothsignale hörte. Anson, die meisten Officiere und ein großer Theil der Mannschaften, zusammen 113 Köpfe, waren auf dem Lande zurückgeblieben und sahen sich nun des einzigen Hilfsmittels beraubt, von Tinian fortzukommen.

Die Verzweiflung war entsetzlich, die Bestürzung unaussprechlich. Anson aber, ein energischer und um Auskunftsmittel nie verlegener Mann, wußte seine Leute bald umzustimmen. Noch blieb ihnen eine den Spaniern abgenommene Barke übrig, und diese wollten sie verlängern, um alle Menschen und die nöthigen Nahrungsmittel zur Ueberfahrt bis China aufnehmen zu können. Neunzehn Tage später kehrte die »Centurion« zurück, die Engländer schifften sich am 21. October ein und erreichten bald glücklich Macao. Seit zwei Jahren, d.h. seit ihrer Abreise aus England, ankerten sie zum ersten Male in einem befreundeten Hafen!

»Macao, sagt Anson, das früher sehr reich, stark bevölkert und im Stande war, sich gegen seine chinesischen Grenznachbarn zu vertheidigen, hat von seinem ehemaligen Glanze viel verloren. Obwohl es noch immer von Portugiesen bewohnt und durch einen, vom Könige von Portugal ernannten Gouverneur verwaltet wird, zehrt es doch gewissermaßen von der Gnade der Chinesen, die es leicht aushungern und überwältigen könnten; der Gouverneur hütet sich auch sorgsam, jene zu reizen.«

Anson mußte sogar an den nächsten chinesischen Gouverneur einen Drohbrief ablassen, um nur die Erlaubniß auszuwirken, noch dazu gegen sehr hohe Preise, Nahrungsmittel und die nöthigste Ausrü stungs-Reserve aufkaufen zu dürfen. Dann machte er öffentlich bekannt, daß er nach Batavia abfahre, und ging am 19. April 1743 unter Segel. Anstatt aber nach den holländischen Besitzungen zu steuern, wendete er sich nach den Philippinen und lauerte daselbst auf die von Acapulco zurückkehrende Gallion, welche ihre Ladung dort gewöhnlich sehr theuer verkaufte. Gewöhnlich führten diese Schiffe 44 Kanonen und 500 Mann Besatzung. Anson zählte blos 200 Matrosen, darunter sogar etwa 30 Schiffsjungen; dennoch erschien ihm das Mißverhältniß der Kräfte kein Hinderniß, denn ihn reizte die Hoffnung auf reiche Beute, und die Habgier seiner Leute erschien ihm als hinlängliches Unterpfand für deren Kampfesmuth[27] »Warum, so fragte Anson eines Tages den Küchenmeister, warum bringen Sie nichts mehr von den Lämmern, die wir in China kauften, auf die Tafel? Wären diese alle aufgezehrt?

– Der Herr Geschwader-Chef möge gütigst entschuldigen, erwiderte der Gefragte, noch sind zwei vorhanden, aber ich dachte sie aufzubewahren, um damit den Kapitän der Gallione zu bewirthen.«

Niemand, nicht einmal der Küchenmeister zweifelte also an dem erhofften Ausgang. Anson traf übrigens seine Anstalten sehr geschickt und wußte die kleine Zahl seiner Leute durch leichtere Beweglichkeit besser auszunützen. Es entspann sich wirklich ein lebhafter Kampf mit der Gallione; die Matten, mit denen die Schanzkleidung derselben geschützt war, singen Feuer und die Flammen leckten bald am Fockmast empor. Zwei Feinde auf einmal zu bekämpfen, ward den Spaniern zu schwer. Sie ergaben sich nach zweistündigem Kampfe, der ihnen 77 Todte und 84 Verwundete gekostet hatte.

Die Beute war sehr beträchtlich: »1,313.843 Achter 1 und 35.682 Unzen Silber in Barren, außer einer Quantität Cochenille und einigen anderen, im Vergleich zu dem Silberfange minder werthvollen Waaren. Unter Hinzurechnung des früheren Raubes belief sich die gesammte Beute nun nahezu auf 600.000 Ps. Sterling, ohne die Schiffe, Waaren u.s.w. zu rechnen, welche die Engländer den Spaniern verbrannt oder zerstört hatten, und die wohl einen ebenso hohen Werth erreichen mochten.«

Nach seinem Raubzuge lief Anson das Ufer von Canton an, verkaufte dort die ganze übrige Beute weit unter ihrem Werthe für 6000 Piaster und kehrte nach einer Abwesenheit von drei Jahren und neun Monaten am 15. Juni 1744 nach Spithead zurück. Sein Einzug in London glich einem Triumphzuge. Unter Trommelwirbel und Trompetenton und unter lautem Jubelruf der Volksmenge brachten 32 Lastwagen die auf 10 Millionen geschätzte Beute, welche unter den Officieren und Matrosen getheilt wurde, ohne daß selbst der König zu einem Anspruch dabei berechtigt war.

Bald nach seiner Rückkehr nach England erhielt Anson die Ernennung zum Contre-Admiral und übernahm mehrere wichtige Commandos. Im Jahre 1747 gelang es ihm, nach heldenhaftem Ringen den Marquis La Jonquière-Taffanel [28] gefangen zu nehmen. Nach diesem Erfolge zum ersten Lord der Admiralität und zum Admiral befördert, unterstützte er 1758 den Versuch einer Landung der Engländer bei St. Malo und starb in London bald nach seiner Heimkehr.

Fußnoten

1 Eine spanische Goldmünze, so genannt, weil sie das Achtfache einer Dublone werthete, etwa M. 8.60 – fl. 4.30 unseres Geldes.

2. Capitel
1.
I.

Roggeween. – Dürftige Nachricht über ihn. – Unbestimmtheit seiner Entdeckungen. – Die Oster-Insel. – Die Verderblichen Inseln. – Die Baumans-Gruppe. – Neu-Britannien. – Ankunft in Batavia. – Byron. – Aufenthalt in Rio de Janeiro und im Hafen Désiré. – Eintritt in die Magelhaens-Straße. – Die Falklands-Inseln und der Egmont-Hafen. – Die Fuegiens. – Mas-a-Fuero. – Die Trostlosen Inseln. – Die Inseln der Gefahr. – Tinian. – Rückkehr nach Europa.


Schon im Jahre 1669 hatte Pater Roggeween der holländisch-westindischen Handelsgesellschaft eine Denkschrift eingereicht, in der er die Ausrüstung dreier Schiffe befürwortete, um damit nach dem Stillen Ocean auf Entdeckungen auszuziehen. Sein Plan fand zwar günstige Aufnahme, der Eintritt einer Erkaltung der Beziehungen zwischen Spanien und Holland zwang jedoch die batavische Statthalterschaft, vorläufig von einer solchen Expedition abzusehen. Noch auf dem Sterbebette nahm Roggeween seinem Sohne Jakob das Versprechen ab, den von ihm aufgestellten Plan auszuführen.

Mannigfache und von seinem Willen völlig unabhängige Umstände hinderten Letzteren lange Zeit an der Erfüllung seines Versprechens. Erst nachdem er wiederholt die Meere Indiens durchsegelt und eine Stelle als Rath bei dem Justizhofe von Batavia bekleidet, sehen wir Jakob Roggeween bei der holländisch-westindischen Compagnie neue Schritte thun. Wie alt er im Jahre 1721 wohl sein mochte und mit welchem Rechte er Ansprüche auf Uebernahme der Oberleitung einer Entdeckungs-Expedition erhob, ist nicht bekannt geworden. Die biographischen Lexika widmen ihm meist nur wenige Zeilen, und Fleurieu, der in einem schönen und gelehrten Schriftchen die Entdeckungen des holländischen Seefahrers sicherer zu bestimmen suchen wollte, gelangte in dieser Beziehung zu keinem nennenswerthen Resultate.

[29] Auch den Bericht über seine Reise hat er nicht einmal selbst abgefaßt, sondern ein Deutscher, Namens Behrens. Vielleicht ist für die mancherlei dunklen Stellen, die Widersprüche und den Mangel an Genauigkeit der Erzähler mehr verantwortlich zu machen als der Seemann. Wiederholt scheint es, so wenig das doch vorauszusetzen ist, daß Roggeween von den Reisen und Entdeckungen seiner Vorgänger und Zeitgenossen kaum hinlängliche Kenntniß gehabt habe.

Am 21. August liefen unter seinem Commando von Texel drei Schiffe aus: die »Aigle« mit 36 Kanonen und 111 Mann Besatzung, die »Tienhoven«, 28 Kanonen und 100 Mann, Kapitän Jakob Bauman, und die Galeere die »Afrikanerin«, 14 Kanonen und 60 Mann, Kapitän Heinrich Rosenthall. Die, Fahrt über den Atlantischen Ocean bot kein besonderes Interesse. Nachdem er Rio kurz berührt, suchte Roggeween eine Insel aufzufinden, welche er Anke's Magdeland nennt, das wäre das heutige Maidenland, die Falklands-Inseln oder Malouinen, wenn darunter nicht Georgia australis zu verstehen ist. Obwohl diese Inseln damals genügend bekannt waren, drängt sich doch die Annahme auf, daß die Holländer über deren Lage nicht sicher unterrichtet waren, da sie nach Aufgabe der Untersuchung Falklands sich nach den Inseln St. Louis des Français wenden wollten, ohne zu wissen, daß diese zu dem nämlichen Archipel gehörten.

Uebrigens giebt es wenige Länder, welche mehr Namen geführt haben als diese, wie z.B. auch den der Pepys- oder Conti-Inseln, nebst noch manchen anderen. Es wäre leicht, ein ganzes Dutzend Bezeichnungen zusammenzustellen.

Nachdem er unter der Breite der Magelhaens-Straße und etwa achtzig Meilen von der Küste Amerikas eine Insel von zweihundert Meilen im Umfang entdeckt oder doch erblickt hatte, die er »Ost-Belgien« taufte, drang Roggeween in die Lemaire-Straße ein, wo ihn heftige Strömungen bis 62°20' südlicher Breite hinabführten; dann erreichte er wieder im Norden das Gestade von Chile, warf an der Insel Moha, die er unbewohnt fand, Anker und kam hierauf nach Juan Fernandez, wo er sich mit der »Tienhoven«, von der er seit dem 21. December getrennt war, wieder vereinigte.

Die drei Schiffe verließen ihren Ankerplatz noch vor Ende März und steuerten nach Westnordwesten in der Richtung, wo sich zwischen dem 27. und 28. Grade das von Davis entdeckte Land befinden sollte. Nach mehrtägiger Kreuzfahrt kam Roggeween am 6. April 1722 in Sicht einer Insel, welche er Oster-Insel nannte.

[30] Wir erwähnen hier nicht der übertriebenen Größenangaben, welche der holländische Seefahrer bezüglich dieses Landes macht, noch seiner Beobachtungen über Sitten und Gebräuche der Eingebornen, da uns Gelegenheit geboten wird, das aus den weit verläßlicheren und eingehenderen Berichten Cook's und La Pérouse's besser kennen zu lernen.

»Was man in diesen Berichten aber vermissen wird, sagt Fleurieu, ist jener Beweis gründlicher Bildung eines Roggeween'schen Sergeantmajors, der uns, nach Beschreibung des Bananenblattes, welches sechs bis acht Fuß lang und zwei bis drei breit sein soll, belehrt, daß die Stammeltern des Menschengeschlechtes nach dem Sündenfalle damit ihre Blöße bedeckt haben sollen«; und er fügt zur weiteren Erläuterung hinzu, daß »Diejenigen, welche diese Behauptung aufstellen, sich darauf stützen, daß sie das genannte Blatt für das größte aller Pflanzen des Morgen- und Abendlandes halten.«

Diese Bemerkung zeugt für die hohe Vorstellung, welche Behrens sich von der Körpergröße unserer Urahnen machte.

Furchtlos kam ein Eingeborner an Bord der »Aigle«. Er ergötzte Alle durch seinen guten Muth, seine frohe Laune und durch seine nicht mißzudeutenden Freundschaftsbezeugungen.

Am folgenden Tage bemerkte Roggeween auf dem mit einer Art Bildsäulen übersäeten Strande eine Menge Eingeborne, welche die Ankunft der Fremdlinge mit neugieriger Ungeduld zu erwarten schien. Da fiel, man weiß nicht, wie das zuging, ein Schuß, einer der Insulaner bricht zusammen und die entsetzte Menge stäubt nach allen Richtungen auseinander. Bald kehrt sie in gedrängten Gliedern wieder. Jetzt läßt Roggeween an der Spitze von etwa hundert Mann eine allgemeine Salve auf Jene abgegeben, welche eine große Zahl von Opfern zu Boden streckt. Erschreckt, beeilen sich die Eingebornen, um die fürchterlichen Gäste zu besänftigen, diesen all' ihr Hab und Gut zu Füßen zu legen.


Kampf der »Centurion« mit einer span. Gallione. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 28.)

Fleurieu glaubt nicht, daß die Oster-Insel mit Davis-Land identisch sei; trotz der von ihm für diese Behauptung aufgeführten Gründe muß man, mangels durchgreifender Unterschiede seiner Beschreibung und in der Lage beider Länder, die Entdeckung Davis' und die Roggeween's schon deshalb für identisch halten, weil in jenen Meerestheilen bis auf den heutigen Tag keine weitere Insel bekannt geworden ist.

Durch einen heftigen Sturm von seinem Ankerplatze an der Ostküste der Oster-Insel vertrieben, steuerte Roggeween weiter nach Westnordwesten, durchsegelte [31] Schouten's »Böses Meer« und entdeckte in einer Entfernung von hundert Meilen von der Oster-Insel ein anderes Eiland, das er für Schouten's Insel der Hunde hielt und auf den ihm später verbliebenen Namen Carlshoff taufte.

Das Geschwader passirte diese Insel, ohne sie zu besuchen, und wurde während der folgenden Nacht durch Winde und Strömungen mitten in eine Gruppe niedriger Inseln verschlagen, deren Vorhandensein man nicht erwartete. Die Galeere »Die Afrikanerin« stieß dabei gegen eine Klippe und die beiden anderen Schiffe hätte beinahe derselbe Unfall ereilt. Erst nach fünftägiger Anstrengung, [32] Unruhe und Gefahr gelang es ihnen, sich wieder herauszufinden und klares Fahrwasser zu gewinnen.

Die Bewohner jenes Archipels waren groß, ihre Haare schlicht und lang und ihr Körper mit bunten Farben bemalt. Heut' ist man ganz einig darüber, in der von Roggeween hinterlassenen Beschreibung der »Verderblichen Inseln« den Archipel zu erkennen, den Cook später die Palliser-Inseln nannte.


Der Kriegsrath entschloß sich für das Letztere. (S. 35.)

Frühmorgens an dem Tage, nachdem Roggeween den Gefahren der Verderblichen Inseln entschlüpft war, entdeckte er eine Insel, der er den Namen [33] »Aurora« gab. Sie erhob sich kaum über die Wasserfläche, und wenn die Sonne nicht eben aufging, wäre die, »Tienhoven« in Gefahr gekommen, an derselben zu grunde zu gehen.

Bei einbrechender Nacht bemerkte man noch eine Insel, die den Namen »Vesper« erhielt und welche heute schwer zu bestimmen ist, wenn sie nicht der Palliser-Gruppe selbst angehört.

Roggeween eilte zwischen dem 15. und 16. Breitengrade mit vollen Segeln weiter nach Westen und befand sich »plötzlich« inmitten vieler halb überflutheter Inseln.

»Bei unserer Annäherung, sagt Behrens, sahen wir eine Menge Canots längs der Küste hingleiten und kamen zu der Ueberzeugung, daß das Land hier dicht bevölkert sein müsse. Bei noch geringerem Abstande erkannten wir eine Anhäufung einzelner, aber dicht bei einander gelegener Eilande; endlich gelangten wir unvermerkt so zwischen dieselben, daß wir für einen Aus- oder Rückweg besorgt wurden und der Admiral einen Steuermann nach dem Top des Mastes beorderte, um sich über den einzuschlagenden Kurs zu unterrichten. Unsere Rettung verdankten wir damals nur der eben herrschenden Windstille; die geringste Luftbewegung hätte unsere Schiffe auf die Risse treiben müssen, ohne daß eine Hilfe möglich gewesen wäre. Zum Glück kamen wir ohne Unfall heraus. Diese Inseln, sechs an der Zahl, bieten einen lachenden Anblick und mögen zusammen eine Ausdehnung von dreißig Meilen haben. Sie liegen fünfundzwanzig Meilen westlich von den Verderblichen Inseln. Wir gaben ihnen den Namen ›das Labyrinth‹, weil es vieler Umwege bedurfte, um aus denselben herauszukommen.«

Mehrere Schriftsteller erklären diese Gruppe für übereinstimmend mit Byron's Prince de Galles-Inseln. Fleurieu theilte diese Ansicht nicht. Dumont d'Arville glaubt, es handle sich hier um die schon von Schouten und Lemaire gesehene Vliegen-Gruppe.

Nach dreitägiger Fahrt gegen Westen erblickten die Holländer eine Insel von schönem Aussehen. Cocos-und andere Palmen neben üppigem Grün bezeugten ihre Fruchtbarkeit. Da man in der Nähe des Ufers keinen Ankergrund fand, mußte man sich begnügen, dieselbe nur durch wohlbewaffnete Abtheilungen untersuchen zu lassen.

Noch einmal vergossen die Holländer das Blut einer keineswegs feindselig auftretenden Bevölkerung, die sie am Ufer erwartete und nur den einen Fehler beging, in zu großer Anzahl herzugelaufen zu sein. Nach einer solchen, eher von [34] Barbaren als von civilisirten Menschen zu erwartenden Handlungsweise versuchte man die Eingebornen durch Geschenke an deren Häuptlinge und ziemlich trügerische Freundschaftszeichen zwar wieder anzulocken, aber diese legten darauf offenbar keinen Werth. Als die Matrosen dagegen weiter in's Innere vordrangen, fielen sie mit einem Hagel von Steinen über dieselben her. Obgleich das Gewehrfeuer der Letzteren viele derselben zu Boden streckte, widerstanden sie den Fremdlingen doch mit Tapferkeit und zwangen diese, sich unter Mitnahme ihrer Verwundeten und Todten bald wieder einzuschiffen.

Natürlich schrieen die Holländer nun über Verrath und wußten kaum, mit welchen Schmähungen sie die Hinterlist ihrer Gegner brandmarken sollten. Wer that aber zuerst Unrecht? Wer war der angreifende Theil? Selbst zugegeben, daß einige Diebstähle vorgekommen wären, was ja wohl möglich ist, mußte man den Fehler einiger Individuen, welche von der Heiligkeit des Eigenthumsrechtes gewiß keine rechte Vorstellung hatten, in so strenger Weise und an einer ganzen Bevölkerung bestrafen?

Trotz der hier erlittenen Verluste gaben die Holländer dem Lande, eingedenk der Erfrischungen, die sie ebenda gefunden, den Namen »Recreations-Insel«. Roggeween verlegte sie unter den 16. Breitegrad; ihre geographische Länge ist aber so mangelhaft bezeichnet, daß die Wiedererkennung noch nicht gelang.

Sollte Roggeween nun weiter im Westen die Insel Espiritu Santo de Quiros aufsuchen? Oder sollte er nach Norden segeln, um mit Hilfe des eben günstig wehenden Moussons Ostindien zu erreichen? Der Kriegsrath, dem er hierüber die Entscheidung über ließ, entschloß sich für das letztere.

Am dritten Reisetage wurden gleichzeitig drei Inseln entdeckt, welche den Namen Bauman's, des Kapitäns der »Tienhoven«, erhielten, weil dieser sie zuerst gesehen hatte. Die Insulaner ruderten zwischen den Schiffen umher, um Tauschhandel zu treiben, während den Strand eine große Menge mit Bogen und Lanzen bewaffneter Eingeborner bedeckte. Sie waren von weißer Hautfarbe und unterschieden sich von Europäern höchstens dadurch, daß sie von der Sonne etwas intensiver gebräunt erschienen. Ihr Körper war auch durch keine Malereien entstellt. Ein Stück kunstreich gewebter und mit Fransen besetzter Stoff verhüllte sie von der Hüfte bis zu den Fersen. Auf dem Kopfe trugen sie einen Hut von gleichem Material und um den Hals eine Art von Kränzen von wohlriechenden Blumen.

[35] »Ich muß gestehen, sagt Behrens, daß das die gesittetste und rechtschaffenste Völkerschaft war, die wir auf den Inseln der Südsee kennen lernten; erfreut über unsere Ankunft, empfingen sie uns mit göttlichen Ehren, und als wir Anstalt trafen, wieder abzureisen, zeigten sie ihr lebhaftes Bedauern auf jede mögliche Weise.«

Aller Wahrscheinlichkeit nach ist hier die Rede von den Bewohnern der Schiffer-Inseln.

Nachdem es einige Inseln angelaufen, die Roggeween für die schon von Schouten und Lemaire besuchten Cocos- und Verräther-Inseln ansah, während Fleurieu gerade diese als eine neue holländische Entdeckung betrachtet und sie Roggeween-Archipel benennt, nachdem es ferner die Inseln Tienhoven und Gröningen, welche Pingro für Santa-Cruz de Mendana hält, zu Gesicht bekommen, erreichte das Geschwader endlich die Küsten von Neu-Irland, wo es sich durch wiederholte Blutbäder bemerklich machte. Von da ging es nach Neu-Guinea ab und warf zuletzt, nach Passirung der Molukken, vor Batavia Anker.

Hier nahmen die eigenen Landsleute – weniger menschlich gesinnt als irgend eine wilde Völkerschaft, die Roggeween je besucht hatte – die beiden noch übrigen Schiffe – die »Afrikanerin« war in Folge des bei den Verderblichen Inseln erlittenen Stoßes zugrunde gegangen – in Beschlag, Matrosen und Officiere ohne Ansehen des Ranges gefangen und schickten sie zur Aburtheilung nach Europa. Ihr unverzeihliches Verbrechen bestand nämlich darin, daß sie den Fuß auf ein Gebiet gesetzt hatten, welches der holländisch-ostindischen Handelsgesellschaft gehörte, während sie unter der Oberhoheit der westindsschen Gesellschaft standen! Daraus entspann sich ein Proceß, durch dessen Endurtheil der ostindischen Compagnie auferlegt wurde, alles Beschlagnahmte herauszugeben und sehr beträchtlichen Schadenersatz zu leisten.

Von der Zeit seiner Rückkehr nach Texel, am 11. Juli 1723, verlieren wir Roggeween völlig aus den Augen und besitzen von den letzten Jahren seines Lebens keinerlei Kenntniß. Immerhin gebührt Fleurieu der wärmste Dank für seine Bemühung, die chaotischen Nachrichten dieser langen Seefahrt, welche in weiteren Kreisen bekannt zu werden verdiente, nach Möglichkeit entwirrt zu haben.

Am 17. Juni 1764 erhielt Commodore Byron eine vom Lord der Admiralität unterzeichnete Ordre zugestellt, deren Eingang also lautete:

»Da nichts im Stande ist, den Ruhm dieser Nation als Seemacht, den Glanz der Krone Großbritanniens und die Ausbreitung ihres Handels- und [36] Schiffsverkehres mehr zu befördern, als Entdeckungen in bisher unbekannten Gegenden zu machen, und da man Grund hat zu glauben, daß sich im Atlantischen Ocean zwischen dem Cap der Guten Hoffnung und der Magelhaensstraße noch weitere, den europäischen Mächten bisher unbekannt gebliebene Länder oder beträchtliche Inseln vorfinden dürften, welche ebenso in einer für die Schifffahrt bequemen Breite liegen, wie sie durch ihr Klima die Erzeugung handelswichtiger Rohproducte begünstigen müßten; endlich da die unter dem Namen Pepys- oder, Falklands-Inseln bekannten Territorien Sr. Majestät, welche ebenfalls unter der bezeichneten Breite liegen, noch nicht so eingehend erforscht sind, um eine genaue Vorstellung von ihren Küsten und Bodenerzeugnissen zu gestatten, obwohl sie von englischen Seefahrern entdeckt und besucht wurden – hat Se. Majestät in Erwägung dieser Umstände und unter Berücksichtigung, daß keine Conjunctur einem derartigen Unternehmen günstiger sein kann als der tiefe, Friede, dessen sich alle seine Reiche eben erfreuen, geruht, dasselbe jetzt zur Ausführung zu bringen.....«

Wer war aber der erprobte Seemann, auf den sich die Wahl der englischen Regierung lenkte? Das war der am 8. November 1723 geborene Commodore Byron. Seit seiner Kindheit hatte er die lebhafteste Neigung zur Seemannslaufbahn zu erkennen gegeben und sich mit siebzehn Jahren auf dem Geschwader des Admiral Anson mit eingeschifft, das damals, wie wir wissen, mit dem Auftrag der Zerstörung der spanischen Niederlassungen an der Küste des Pacifischen Oceans ausgeschickt wurde.

Wir haben im vorhergehenden Capitel die zahlreichen Unfälle dieser Expedition und die unerwartete Glückswendung während des letzten Theiles derselben geschildert.

Das Schiff, auf welchem sich Byron damals befand, der »Wager«, litt beim Eingange zur Magelhaensstraße Schiffbruch, und die von den Spaniern gefangen genommene Mannschaft desselben wurde nach Chiloë (das Südende von Chile) abgeführt. Nach einer Gefangenschaft von nicht weniger als drei Jahren gelang es Byron zu entkommen und auf ein Schiff aus St. Malo zu gelangen, das ihn nach Europa zurückbeförderte. Er trat hier sofort wieder in Dienst, zeichnete sich bei mehreren Treffen im Kriege gegen, Frankreich aus, und unzweifelhaft war es die Erinnerung an seine so unglücklich unterbrochene erste Reise um die Erde, welche ihm die Aufmerksamkeit der Admiralität zuwandte. Die ihm anzuvertrauenden Fahrzeuge erhielten die sorgsamste Ausrüstung. Die[37] »Dauphin« war ein Kriegsschiff 6. Ranges, mit 24 Kanonen, 150 Matrosen, 3 Lieutenants und 37 Unterofficieren. Die »Tamar« war eine Yacht mit 16 Kanonen, auf der sich unter dem Commando des Kapitäns Mouat 90 Matrosen, 3 Lieutenants und 27 Unterofficiere einschifften.

Der Anfang gestaltete sich nicht glücklich. Am 21. Juni verließ die Expedition die Londoner Werft; beim Hinabsegeln auf der Themse stieß die »Dauphin« aber auf Grund und mußte in Plymouth einlaufen, um daselbst gekielholt zu werden.

Am 3. Juli ward hierauf der Anker wiederum gelichtet, und zehn Tage später lief Byron Funchal auf Madeira an, um noch einigen Proviant einzunehmen. Ebenso sah er sich genöthigt, an den Inseln des Grünen Vorgebirges beizulegen, um Wasser zu fassen, da das mitgenommene sehr schnell verdorben war.

Bis zum Cap Frio hemmte nichts die Fahrt der beiden Schiffe. Nur machte Byron die später wiederholt bestätigte Beobachtung, daß der Kupferbeschlag seiner Schiffe die Fische zu vertreiben schien, die er in diesen Meerestheilen sonst in Ueberfluß hätte antreffen müssen. Drückende Hitze und unaufhörliche Regengüsse hatten einen großen Theil der Besatzungen auf's Lager geworfen, und das Verlangen nach einem Hafen und nach frischen Nahrungsmitteln trat sehr fühlbar zu Tage.

Beides sollte Rio de Janeiro bieten, wo man am 12. December eintraf. Byron erhielt eine dringende Einladung seitens des Vicekönigs und schildert seine erste Zusammenkunft mit diesem folgendermaßen:

»Als ich meinen Besuch abstattete, wurde ich mit größter Feierlichkeit empfangen; gegen sechzig Officiere hatten allein vor dem Palaste Aufstellung genommen. Die Leibgarde stand unter Waffen. Das waren sehr schöne Leute von straffer Haltung. Seine Excellenz empfing mich, umgeben von allen hohen Würdenträgern, schon an der Treppe, wobei ich von einem benachbarten Fort mit fünfzehn Kanonenschüssen begrüßt wurde. Wir betraten sodann den Audienzsaal, von wo ich mich nach einer viertelstündigen Unterhaltung wieder empfahl und mit dem nämlichen Ceremoniell zurückbegleitet wurde.....«

Wir werden bald Gelegenheit haben, den Unterschied bezüglich des Empfanges hervorzuheben, den Cook nur wenige Jahre nach Byron erfahren sollte.

Der Commodore erhielt ohne Mühe die Erlaubniß, seine Kranken an's Land zu bringen, und man gewährte ihm jede Erleichterung bei der Anschaffung von Nahrungs- und Stärkungsmitteln. Er hatte sich überhaupt über nichts zu [38] beklagen als über die wiederholten Versuche der Portugiesen, seine Matrosen zur Desertion zu verleiten. Die in Rio herrschende unerträgliche Hitze verkürzte die Dauer des Aufenthaltes. Am 16. October wurden die Anker gelichtet, die Schiffe mußten am Eingang der Bai aber noch vier oder fünf Tage lang still halten, bevor ein Landwind es ihnen ermöglichte, die hohe See zu gewinnen.

Bis jetzt war die eigentliche Bestimmung des kleinen Gesamaders geheim gehalten worden. Nun berief Byron aber den Commandanten der »Tamar« zu sich an Bord und las, in Gegenwart der versammelten Matrosen, seine Instructionen vor, welche ihm vorschrieben, nicht, wie man bisher allgemein angenommen, nach Ostindien zu segeln, sondern im südlichen Ocean zu kreuzen und daselbst auf Entdeckungen auszugehen, welche für England von hohem Werthe sein könnten. Mit Rücksicht hierauf bewilligten die Lords der Admiralität den Mannschaften doppelten Sold, ohne von der Aussicht auf Avancement und besondere Gratificationen zu sprechen, wenn man mit ihnen zufrieden sei. Von dieser kurzen Ansprache gefiel den Matrosen vorzüglich der zweite Theil, den sie mit freudigem Hurrah begrüßten.

Bis zum 29. October steuerte man ohne Unfall nach Süden zu. Da stellten sich häufige Schloßenwetter und heftige Windstöße ein, die zu einem wahren Sturme ausarteten und den Commodore veranlaßten, vier Geschütze über Bord zu werfen, um nicht im vollen Segeln zu kentern. Am nächsten Tage gestaltete sich die Witterung etwas erträglicher, es herrschte aber eine Kälte wie zu jener Jahreszeit in England, obwohl der November hier dem Mai der nördlichen Halbkugel entspricht. Da der steife Wind die Schiffe immer nach Osten hin ablenkte, fing Byron an zu fürchten, daß es sehr schwer halten würde, längs der Küste Patagoniens hinabzusegeln.

Am 12. December erscholl da plötzlich, ohne daß auf den Karten eine Küste verzeichnet stand, der Ruf: »Land! Land nach vorn!« Dicke Wolken verdunkelten eben den ganzen Horizont und der Donner folgte den Blitzen fast ohne Unterbrechung.

»Ich glaubte zu bemerken, schreibt Byron, daß das Land, welches uns auf den ersten Anblick als eine Insel erschien, nur zwei schroffe Berge zeigte; beim Auslugen auf der Windseite schien es mir dagegen, als ob das jene Bergspitzen verbindende Land sich weit nach Südosten hin erstreckte; wir steuerten in Folge dessen Südwest. Ich ließ einige Officiere auf die Masten steigen, um sich von der Richtigkeit dieser Wahrnehmung zu überzeugen; Alle versicherten, eine große [39] Strecke Land zu sehen.... Wir liefen von nun ab nach Ostsüdost. Das Land bot scheinbar immer denselben Anblick. Die Berge erschienen bläulich, wie das bei trübem und regnerischem Wetter immer der Fall ist, wenn man sie aus geringerer Entfernung beobachtet.... Bald darauf glaubten Einige, das Meer sich an einem sandigen Ufer brechen zu hören und zu sehen; nachdem wir aber noch ungefähr eine Stunde mit möglichster Vorsicht dahin gesegelt waren, verschwand plötzlich Alles, was wir für ein Land gehalten hatten, vor unseren Augen, und wir überzeugten uns, daß es nur ein Dunstgebilde gewesen sei.... Ich bin siebenundzwanzig Jahre hindurch, fährt Byron fort, fast unausgesetzt auf dem Meere gewesen, aber ich hatte keine Ahnung von der Möglichkeit einer so vollkommenen Gesichtstäuschung.... Es unterliegt keinem Zweifel, daß, wenn die Witterung sich nicht so schnell geklärt hätte, um die Erscheinung vor unseren erstaunten Blicken zerfließen zu lassen, jeder Mann an Bord einen Eid darauf abgelegt hätte, an dieser Stelle Land gesehen zu haben. Wir befanden uns zur Zeit übrigens unter 43°46' südlicher Breite und 60°5' östlicher Länge.«

Am folgenden Tage erhob sich wieder, von dem Geschrei Tausender fliehender Vögel angekündigt, ein ganz entsetzlicher Wind, der nicht länger als zwanzig Minuten anhielt. Er reichte aber hin, das Schiff auf die Seite zu legen, bevor man die Taue der großen Halsen kappen konnte, welche dabei in Stücke gingen. Gleichzeitig schlug die Schote des Großsegels den ersten Lieutenant zu Boden, der besinnungslos weit wegrollte, und der nicht genügend gehaltene Fockmast brach entzwei.

Die folgenden Tage waren nicht viel günstiger. Außerdem erlitt das Fahrzeug in Folge seines geringen Tiefganges eine bedeutende Abweichung, sobald der Wind etwas frischer wehte.

Nach ziemlich stürmischer Reise erreichte Byron am 24. November – mit welcher Befriedigung wird man leicht begreifen – die Pinguin-Inseln und den Hafen Desiré. Leider sollten die Annehmlichkeiten dieser Station die Ungeduld, mit der die Mannschaft sie herbeigesehnt hatte, keineswegs rechtfertigen.

Als sie das Land betraten, fanden die englischen Seeleute auf dem Wege nach dem Innern nur eine wüste Gegend mit sandigen und völlig baumlosen Hügeln. Von Jagdwild gewahrte man einige Guanacos, aber in zu weiter Entfernung, um auf dieselben schießen zu können. Dagegen gelang es ohne besondere Mühe, einige Exemplare großer Hafen einzufangen. Die Jagd auf Seekälber und Wasservögel endlich lieferte einen so reichen Ertrag, daß man [40] damit hätte »eine ganze Flotte tractiren« können.


Eine Gruppe Berittener schwenkte eine weiße Fahne. (S. 42.)

Der schlecht in Stand gehaltene und wenig geschützte Hafen Desiré hatte auch den großen Fehler, daß man hier nur sogenanntes Brackwasser (eine Mischung aus Süß- und Salzwasser) vorfand. Von Einwohnern bemerkte man keine Spur. Ein längerer Aufenthalt schien nicht nur unnütz, sondern auch gefährlich. Byron ging also schon am 25. zur Aufsuchung der Pepysinsel ab.

Ueber die geographische Lage der letzteren herrschte noch ziemliche Ungewißheit. Halley verlegte sie 80 Grad östlich vom Festlande. Cowley, der Einzige, [41] der sie selbst gesehen zu haben versichert, behauptet, sie liege unter 47 Grad südlicher Breite, giebt aber deren geographische Länge nicht an. Hier war also ein interessantes Räthsel zu lösen.

Nachdem Byron im Norden, Süden und Osten umhergekreuzt, kam er zu der Ueberzeugung, daß jene gar nicht existire, und steuerte nun nach den Sebaldinen, um sobald als möglich einen Hafen anzutreffen, in dem er Holz und Wasser, dessen er dringend bedurfte, finden könnte. Unterwegs überfiel ihn ein Sturm mit so gewaltigem Wogengange, daß sich Byron eines gleichen nicht entsinnen konnte, selbst nicht von seiner Umsegelung des Cap Horn mit Admiral Anson her. Als die Luft sich beruhigt, befand er sich in Sicht des Caps der Jungfrauen am nördlichen Eingang der Magelhaens-Straße.

Sobald das Schiff sich der Küste hinlänglich genähert hatte, erkannten die Matrosen am Strande eine Gruppe Berittener, welche eine weiße Fahne schwenkten und durch Zeichen zu verstehen gaben, daß jene an's Land kommen sollten. Neugierig, diese Patagonier, welche von früheren Reisenden so abweichend beschrieben worden waren, näher zu betrachten, ging Byron mit einer starken Abtheilung wohlbewaffneter Soldaten an's Ufer.

Hier fand er gegen fünfhundert Männer, fast Alle zu Pferde, von riesigem Wuchse, aber wahrhafte Ungeheuer in Menschengestalt. Ihr Körper war ganz abscheulich bemalt, das Gesicht durch Linien in verschiedenen Farben gestreift und die Augen von blauen, schwarzen und rothen Ringen umgeben, so daß es aussah, als trügen sie gewaltige Brillen. Fast Alle gingen nackt, bis auf ein über die Schulter geworfenes, mit der Haarseite nach außen getragenes Fell, wozu Einige noch Halbstiefeln trugen. Wahrlich, ein sehr primitives und billiges Kostüm!

In der Gesellschaft dieser Leute schwärmte eine Menge Hunde umher und, scheinbar recht häßliche, aber doch sehr flüchtige Pferde. Die Frauen ritten übrigens so wie die Männer ohne Steigbügel und galoppirten pfeilschnell am Meeresstrande hin, obgleich dieser mit großen, sehr schlüpfrigen Steinen bedeckt war.

Das Zusammentreffen verlief ganz friedlich. Byron beschenkte das Riesengeschlecht mit einer Menge Kleinigkeiten, Bändern, Glaswaaren und Tabak.

Sobald er die »Dauphin« wieder betreten, lief Byron mit der Fluth in die Magelhaens-Straße ein, nicht in der Absicht, diese zu durchsegeln, sondern nur, um einen sicheren und bequemen Hafen aufzusuchen, wo er Holz und Wasser finden könnte, bevor er nach den Falklands-Inseln steuerte.

[42] Nachdem er die zweite enge Wasserstraße passirt, bekam Byron die Inseln St. Elisabeth, St. Barthelemy, St. Georges und die Sandy-Spitze in Sicht. Neben der letzteren breitete sich ein herrliches Stück Erde aus, mit vielen Bächen, Gehölzen und blumenübersäten Wiesen, die einen köstlichen Wohlgeruch ausströmten. Hunderte von Vögeln, deren eine Art wegen ihres mit leuchtenden, Farben geschmückten Gefieders den Namen »Maler-Gänse« erhielt, belebten die Landschaft. Nirgends fand sich aber eine Stelle, wo ein Boot gefahrlos hätte landen können. Ueberall war nur seichtes Wasser mit schäumender Brandung. Fische, darunter vorzüglich ausgezeichnete Seebarben, Gänse, Becassinen und andere schmackhafte Vögel wurden von der Mannschaft dagegen in großer Menge gefangen oder erlegt.

Byron sah sich also gezwungen, bis nach Port Famine vorzudringen, wo er am 27. December anlangte.

»Hier lagen wir, sagt er, geschützt gegen alle Winde, mit Ausnahme des nur selten wehenden Südost doch selbst wenn ein Schiff durch diesen nach dem Grunde der Bai an das Land getrieben würde, dürfte es bei dem klaren, weichen Meeresboden kaum viel Schaden leiden. Längs der Küste treibt übrigens stets so viel Holz hin, daß man tausend Schiffe damit versorgen könnte und wir der Mühe überhoben blieben, unseren Bedarf in den Wäldern zu fällen.«

Im Grunde der Bai mündet ein Fluß mit sehr gutem Wasser, die »Sedger«. Seine Ufer sind mit großen, prächtigen Bäumen besetzt, welche sich zu Schiffsmasten vorzüglich eignen würden. Auf den Zweigen wiegten sich unzählige Papageien und andere Vögel mit glänzendem Gefieder. Während Byron's Aufenthalt in Port Famine herrschte stets Ueberfluß an Allem.

Am 5. Januar, als sich die Besatzung vollkommen erholt und man die Schiffe mit allem Nothwendigen reichlich versehen hatte, segelte der Commodore zur Aufsuchung der Falklands-Inseln wieder ab. Sieben Tage darauf entdeckte er ein Land, in dem er die Insel Sebald de Wret's zu erkennen glaubte; bei weiterer Annäherung dagegen überzeugte er sich, daß das, was er für drei Inseln gehalten hatte, nur eine einzige mit weiter Verlängerung nach Süden bildete. Er zweifelte nun nicht länger daran, hier den, auf den damaligen Karten als New-Island bezeichneten, unter 51° südlicher Breite und 63°32' westlicher Länge gelegenen Archipel vor sich zu haben.

Zunächst hielt sich Byron auf offener See, um nicht von der Strömung nach einer unbekannten Küste geführt zu werden. Nach dieser summarischen [43] Besichtigung wurde ein Boot abgeschickt, das so nahe als möglich längs des Landes hinsegeln sollte, um einen sicheren und bequemen Hafen zu suchen, den dasselbe auch bald auffand. Er erhielt, zu Ehren des damaligen ersten Lords der Admiralität, den Namen Port Egmont.

»Ich glaube kaum, sagt Byron, daß man einen schöneren Hafen finden kann; der Ankergrund ist daselbst vorzüglich, Trinkwasser leicht zu beschaffen, und alle Schiffe ganz Englands könnten hier vor allen Winden sicher liegen. Gänse, Enten und anderes Geflügel gab es in so großer Menge, daß die Matrosen dieser Speisen ganz überdrüssig wurden. Leider herrschte nur etwas Mangel an Holz, bis auf einige Stämme, welche am Strande hinschwammen und wahrscheinlich durch die Magelhaens-Straße hierher gelangt waren.«

Wilde Orseille und Sellerie, diese wirksamsten Antiscorbutica, wuchsen hier allerorten. Seewölfe und Seelöwen, ebenso wie Pinguine traf man in so großer Menge an, daß man keinen Schritt am Strande thun konnte, ohne jene in zahlreichen Heerden entfliehen zu sehen. Andere, bis auf die Größe und den Schweif Füchsen ähnliche, sonst aber unseren Wölfen gleichende Thiere griffen wiederholt die Matrosen an, welche jene nur mit Mühe abzuwehren vermochten. Es wäre schwer zu sagen, wie jene in diese vom Festlande wenigstens hundert Meilen entfernte Gegend gekommen sind, noch wo sie hier Zuflucht finden, denn an Pflanzen erzeugen diese Inseln nur Binsen und Schwertlilien, doch keinen einzigen Baum.

Der Bericht über diesen Theil der Reise Byron's bildet in Didot's Biographie nur ein Gewebe unlösbarer Irrthümer. »Die Flottille, sagt Alfred de Lacaze, drang am 17. Februar in die Magelhaens-Straße ein, sah sich aber gezwungen, nahe bei Port Famine in einer Bucht vor Anker zu gehen, welche den Namen Port Egmont erhielt.«.... Wahrlich, eine merkwürdige Entstellung der Thatsachen, welche den Leichtsinn beweist, mit dem einzelne Theile dieser umfassenden Sammlung bearbeitet sind.

Byron nahm im Namen des Königs von England von Port Egmont und den benachbarten Inseln, dem Falklands-Archipel, feierlich Besitz. Coley hatte dieselben Pepys-Inseln benannt; der Erste, der jene entdeckte, dürfte wohl der Kapitän Davis im Jahre 1592 gewesen sein. Zwei Jahre später sah Sir Richard Hawkins ein Land, welches man für identisch mit jenem hält, und dem er zu Ehren seiner Souveränin, der Königin Elisabeth, den Namen Virginien gab. Endlich besuchten den Archipel ja auch Fahrzeuge aus St. Malo, zweifelsohne [44] für Frezier die Ursache, die Inseln als »Malouinen« zu bezeichnen. Nachdem er eine Anzahl Felsenberge, Eilande und Caps getauft, verließ Byron Port Egmont am 27. Januar und segelte nach dem Hafen Desiré, den er neun Tage später erreichte. Hier fand er die »Florida«, ein Transportschiff, das ihm von England Lebensmittel und den bei einer so weiten Reise allemal nöthig werdenden Ersatz an Ausrüstungs-Gegenständen zuführte. Der Ankerplatz erwies sich aber zu gefährlich, und die »Florida« wie die »Tamar« waren in zu schlechtem Zustande, um hier eine so langwierige Arbeit, wie die Umfrachtung der Ladung, vorzunehmen. Byron beorderte auf die »Florida« also einen seiner niederen Officiere, der mit der Magelhaens-Straße hinlänglich bekannt war, und ging mit den beiden Begleitschiffen nach Port Famine unter Segel.

In der Meerenge begegnete er wiederholt einem französischen Fahrzeuge, das mit ihm gleichen Kurs einzuhalten schien. Nach seiner Ankunft in England hörte er, daß jenes die von Bougainville befehligte »Aigle« gewesen war, der auf der patagonischen Küste für die neue französische Kolonie auf den Falklands-Inseln Holz einnahm.

Bei ihren wiederholten Landungen in der Meerenge erhielt die englische Expedition auch den Besuch mehrerer Horden von Feuerländern. »Niemals habe ich, äußerte sich Byron, so elende Geschöpfe gesehen. Sie gingen nackt bis auf eine über die Schultern geworfene stinkende Haut von Meerwölfen, und trugen als Waffen Bogen und Pfeile, die sie mir für einige Halsperlen und andere Kleinigkeiten zum Tausch anboten. Die über zwei Fuß langen Pfeile waren aus Schilfrohr hergestellt und an der Spitze mit einem grünlichen Steine versehen; die Bogen, deren Sehne aus zusammengedrehten Thierdärmen bestand, waren gegen drei Fuß lang. Einige Früchte, Muscheln und vom Sturm auf den Strand geworfene halbverfaulte Fische bildeten ihre Nahrung. Ihre gewöhnliche Speise hätte wohl kaum ein Schwein berührt; diese bestand nämlich aus einem schon ganz fauligen, die Luft entsetzlich verpestenden Stücke Walfischfleisch. Einer der Leute zerriß das Aas mit den Zähnen und vertheilte es an die Uebrigen, die es mit der Gier wilder Thiere verschlangen. Einige dieser elenden Wilden entschlossen sich, an Bord zu kommen. Um ihnen eine Belustigung zu bereiten, spielte einer meiner niederen Officiere Violine und mehrere Matrosen tanzten dazu. Jene schienen von dem Anblick ganz entzückt. Ungeduldig, ihre Dankbarkeit zu beweisen, eilte Einer wieder in seine Pirogue hinunter und holte von da einen kleinen Sack aus Meerwolfshaut, gefüllt mit röthlichem, Fette, mit [45] dem er das Gesicht des Violinspielers einsalbte. Er hatte nicht übel Lust, mir dieselbe Ehre zu erweisen, gegen die ich mich natürlich verwahrte; dafür bemühte sich jener desto mehr, meine Bescheidenheit zu besiegen, und ich hatte die größte Mühe, mich gegen das mir zugedachte Ehrenzeichen zu vertheidigen.«

Es dürfte hier nicht unnütz erscheinen, die Ansicht Byron's, eines gründlich erfahrenen Seemannes, über die Vortheile und Nachtheile der Schifffahrt durch die Magelhaens-Enge mitzutheilen, vorzüglich, da er mit den meisten anderen Seeleuten, welche diese Meerestheile besuchten, nicht übereinstimmt.

»Die Gefahren und Schwierigkeiten, welche wir zu überwinden hatten, sagt er, könnten zu dem Glauben verleiten, daß es unklug sei, den in Rede stehenden Weg einzuschlagen, und daß die von Europa nach der Südsee steuernden Schiffe besser thäten, das Cap Horn zu umschiffen. Diese Anschauung theile ich, obwohl ich das Cap Horn selbst zweimal doublirte, jedoch keineswegs. Es giebt nämlich eine Zeit im Jahre, wo nicht nur ein einzelnes Schiff, sondern auch eine ganze Flotte die Meerenge binnen drei Wochen bequem passiren kann, und muß man, um die günstigste Zeit zu benützen, im Monat December in dieselbe einfahren. Ein unschätzbarer Vorzug dieses Weges, der für die Seeleute schon allein entscheidend sein müßte, liegt darin, daß man längs desselben viel Sellerie, Löffelkraut, Früchte und andere antiscorbutische Pflanzen antrifft.... Die Hindernisse, welche wir zu überwältigen hatten und die uns vom 17. Februar bis zum 8. April in der Meerenge aufhielten, sind nur auf Rechnung der Aequinoctien zu setzen, einer gewöhnlich stürmischen Jahreszeit, welche unsere Geduld allerdings mehr als einmal hart auf die Probe stellte.«

Bis zum 26. April, wo er in Sicht von Mas-a-fuero, eine der Inseln der Juan Fernandez-Gruppe, kam, hatte Byron einen nordwestlichen Kurs eingehalten. Hier setzte er sofort einige Matrosen an's Land, welche, nachdem sie Holz und Wasser besorgt, wilde Ziegen jagten, deren Geschmack sie vortrefflicher fanden, als den des besten Wildes in England.

Während des Aufenthaltes an dieser Küste ereignete sich noch ein merkwürdiger Fall. Am Ufer brach sich nämlich plötzlich eine so schwere Brandung, daß die Boote den Strand unmöglich erreichen konnten. Einer der ausgeschifften Matrosen, der freilich des Schwimmens unkundig war, wollte sich trotz des Rettungsgürtels, den er um den Leib trug, nicht in's Wasser wagen, um nach der nächsten Schaluppe zu gelangen. Selbst als man drohte, ihn allein zurückzulassen, konnte er sich nicht zu dem Wagniß entschließen. Da warf ihm einer [46] seiner Kameraden ein Seil mit laufender Schlinge so geschickt über den Körper, daß man jenen nun mit Gewalt heranziehen konnte. Als er in das Boot gehoben wurde, heißt es in einem Berichte Hawkesworth's, hatte der arme Teufel so viel Wasser geschluckt, daß man ihn wohl für todt halten konnte. Er wurde nun an den Füßen aufgehängt, kam bald wieder zu sich und war am nächsten Tage frisch und wohlauf. Trotz dieser wahrhaft wunderbaren Cur möchten wir dieselbe den Rettungsgesellschaften doch nicht anempfehlen.

Von Mas-a-fuero aus wechselte Byron die bisher eingehaltene Richtung, um Davis-Land, die heutige Oster-Insel, aufzusuchen, welche die Geographen unter 27°30' und etwa hundert Meilen westlich von der amerikanischen Küste verlegten. Acht Tage wurden auf die Nachsuchung verwendet.

Byron schlug nun, da er bei dieser Kreuzfahrt nichts entdecken und sie, wegen seiner Absicht, den Salomons-Archipel zu besuchen, nicht länger fortsetzen konnte, einen nordwestlichen Kurs ein. Am 22. Mai trat der Scorbut auf den Schiffen auf und machte bald beunruhigende Fortschritte. Glücklicher Weise entdeckte man am 7. Juni von dem Top der Masten Land unter 14°58' westlicher Länge.

Am anderen Tage lag die kleine Flottille vor zwei Inseln, welche einen recht lachenden Anblick boten. Da standen große, dichtbelaubte Bäume zwischen Sträuchern und Gebüschen, unter denen sich einige Eingeborne umhertummelten, welche eiligst nach dem Strand herabliefen und dort Feuer anzündeten.

Byron schickte sofort ein Boot ab, um einen Ankerplatz zu suchen. Dasselbe kehrte zurück, ohne bis auf eine Kabellänge vom Ufer geeigneten Grund gefunden zu haben. Mit schmerzlichem Verlangen blickten die armen Scorbutkranken, die sich bis an die Schanzkleidung geschleppt hatten, nach der fruchtbaren Insel, auf der die Heilmittel für ihr Leiden wucherten und die zu betreten die Natur ihnen doch verwehrte.

»Sie sahen, so meldet der Bericht, Cocosbäume in Menge und mit Früchten beladen, deren Milchsaft vielleicht das mächtigste Antiscorbuticum der Welt darstellt; sie nahmen mit Recht an, daß sich hier auch Bananen, Limonien und andere Tropenfrüchte finden würden, und um ihrem Mißvergnügen die Krone aufzusetzen, bemerkten sie gar noch Schildkröten am Strande. Alle diese Labungsmittel aber konnten sie jetzt ebenso wenig erlangen, als wären sie durch die halbe Erde davon getrennt gewesen, nur ließ der verlockende Anblick derselben sie ihre Leiden um so schmerzlicher empfinden.«

[47] Byron wollte die Tantalusqualen, denen seine armen Matrosen ausgesetzt waren, nicht unnöthig verlängern, er ging vielmehr, nachdem er der Inselgruppe den Namen der »Inseln der Enttäuschung« beigelegt, schon am 8. Juni wieder unter Segel. Am folgenden Tage erblickte er ein anderes langes, niedriges, mit Cocosbäumen bedecktes Land, in dessen Mitte eine Lagune mit einer kleinen Insel lag. Schon diese Erscheinung bewies den madreporischen Ursprung des Landes und kennzeichnete es als einfaches »Atoll«, das zwar noch keine Insel ist, doch eine solche werden soll. Ein zur Sondirung ausgesendetes Boot fand überall eine steile, mehr einer gekrönten Mauer ähnliche Küste.

Die Urbewohner des Landes ergingen sich inzwischen in zweifellos feindseligen Kundgebungen. Zwei derselben kletterten sogar in das Boot. Der Eine stahl einem Matrosen die Weste, der Andere griff nach der Hutspitze des Hochbootsmannes; da er aber nicht wußte, wie er den Hut erlangen sollte, zog er dessen Besitzer mit zu sich heran, so daß der Hochbootsmann Gelegenheit fand, sich gegen die Diebesgelüste des Wilden zu wehren. Zwei große, mit je dreißig Ruderern bemannte Piroguen machten Miene, die Schaluppen anzugreifen. Diese kamen ihnen zwar zuvor, doch entspann sich, als sie an's Land stießen, noch ein Scharmützel, bei dem die durch die große Uebermacht bedrängten Engländer selbst von ihren Feuerwaffen Gebrauch machen mußten. Drei oder vier Insulaner blieben auf dem Platze.

Am nächsten Tage gingen einige Matrosen und von den Scorbutkranken die, welche die Hängematten zu verlassen vermochten, an's Land. Erschreckt durch die am Tage vorher erhaltene Lection, hielten sich die Eingebornen verborgen, während die Engländer Cocosnüsse pflückten und andere antiscorbutische Pflanzen einsammelten. Diese Stärkungsmittel gewährten der erschöpften Mannschaft eine so prompte Hilfe, daß nach wenig Tagen kein einziger Kranker mehr an Bord war. Papageien, sehr schöne und äußerst zahme Tauben bildeten nebst wenig anderen Vogelarten die ganze Fauna der Insel, die den Namen »König Georg's Land« erhielt. Eine bald darauf entdeckte Insel taufte man »Prince de Gallas«. Alle diese Eilande gehörten zu dem Pomotu-Archipel und werden auch »die niedrigen Inseln« genannt, ein Name, den sie mit Recht verdienen.

Am 21. zeigte sich eine neue Inselkette, mit einem Gürtel von schäumender Brandung. Byron verzichtete darauf, von derselben eingehendere Kenntniß zu nehmen, da die Landung mehr Gefahr bot, als sie Vortheil versprach. Er nannte sie »die Inseln der Gefahr«.

[48] Sechs Tage später wurde die Herzog Yorks-Insel entdeckt. Die Engländer fanden hier keine Bewohner, sammelten aber zweihundert Cocosnüsse, die ihnen von unschätzbarem Werthe schienen.

Weiterhin unter 1°18' südlicher Breite und 173°46' westlicher Länge erhielt eine isolirte, östlich vom Gilbert-Archipel gelegene Insel den Namen Byron's. Die Hitze wurde hier wahrhaft unausstehlich, und fast alle, von der weiten Fahrt erschöpften Matrosen, wel che nur unzureichende, ungesunde Nahrung hatten und halbverdorbenes Wasser trinken mußten, erlagen bald einer leichten Dysenterie.


Einer der Leute zerriß das Aas mit den Zähnen. (S. 45.)

[49] Einer der Leute zerriß das Aas mit den Zähnen. (S. 45.)


Am 28. Juli endlich hatte Byron die Freude, die Inseln Saypan und Tinian aufzufinden, welche zu dem Archipel der Mariannen oder Ladronen gehören, und er warf an derselben Stelle Anker, wo vor ihm Lord Anson mit der »Centurion« gelegen hatte.

Sofort wurden Zelte für die Scorbutkranken errichtet. Fast alle Matrosen waren von dieser schrecklichen Krankheit befallen und einige nahe dem Ende ihrer Kräfte. Der Befehlshaber unternahm es gleich anfangs, in die dichten, bis zum Strande herabreichenden Wälder einzudringen, um die herrlichen Gefilde aufzusuchen, von denen man im Berichte von Lord Anson's Capellan so entzückende Schilderungen liest. Wie weit entfernt aber blieben sie von der Wirklichkeit, diese enthusiastischen Beschreibungen! Nach allen Seiten erstreckten sich nur undurchdringliche Gehölze, verworrene Pflanzendickichte oder Brombeer- und andere stachelichte Sträucher, welche man nicht durchdringen konnte, ohne sich bei jedem Schritte die Kleider zu zerreißen. Gleichzeitig fielen ganze Wolken von Mosquitos über die Leute her und zerstachen sie jämmerlich. Eßbares Wild war selten, schwer zu erlangen, das Wasser abscheulich und die Rhede endlich in dieser Jahreszeit so gefährlich, wie nur eine sein kann.

Der beabsichtigte Aufenthalt begann also unter schlechten Aussichten. Doch entdeckte man zuletzt noch Limonien, bittere Orangen, Goyaven, Cocosnüsse, Brot- und andere Früchte. Lieferten diese Bodenerzeugnisse einerseits die erwünschtesten Heilmittel für die Scorbutkranken, so erzeugte doch die, mit sumpfigen Ausdünstungen geschwängerte Luft so verderbliche Fieber, daß zwei Matrosen daran zugrunde gingen. Dabei strömte ein unablässiger Regen herab und die Hitze wurde unerträglich. »Ich war auf der Küste von Guinea, sagt Byron, in Ostindien, auf der unter dem Aequator liegenden Insel St. Thomas, aber nirgends habe ich eine so entsetzliche Hitze angetroffen.«

Wenigstens konnte man sich hier aber leicht mit Geflügel und wilden Schweinen, im durchschnittlichen Gewichte von zweihundert Pfund, reichlich versorgen, doch mußte das Fleisch an Ort und Stelle verzehrt werden, da es schon nach einer Stunde zu faulen begann. Die Fische endlich, welche man hier an der Küste fing, waren so ungesund, daß Alle, die davon, selbst nur mäßig aßen, sehr ernstlich erkrankten und wirklich in Lebensgefahr kamen.

Nach neunwöchentlichem Aufenthalte verließen die beiden Schiffe am 1. October, reichlich versehen mit Stärkungs- und Nahrungsmitteln, die Rhede von Tinian wieder. Byron gelangte nach der schon von Anson gesehenen Insel [50] Anatacan und steuerte immer weiter nach Norden, um womöglich den Nordost-Mousson zu erreichen, bevor er nach den Bashers kam, einem Archipel im äußersten Norden der Philippinen. Am 22. bekam er die Insel Grafton, die nördlichste jener Gruppe, in Sicht, und erreichte am 3. November die Insel Timoan, welche Dampier schon als eine Oertlichkeit bezeichnet hatte, wo man sich leicht mit allerlei Nahrungs- und Erfrischungsmitteln versorgen könne. Die der malayischen Race angehörigen Einwohner aber wiesen die Aexte, Messer und eisernen Instrumente, welche man ihnen als Tauschobjecte für Geflügel anbot, mit Verachtung zurück. Sie wollten Rupien haben. Zuletzt begnügten sie sich indessen doch noch mit einigen Taschentüchern, als Preis für ein Dutzend Stück Federvieh, eine Ziege und deren Zicklein. Zum Glück erwies sich der Fischfang sehr ergiebig, denn es war fast unmöglich, sich stets frische Nahrungsmittel zu beschaffen.

Byron ging also am 7. November wieder unter Segel, passirte Poulo Contor in weiter Entfernung und ankerte einmal bei Poulo-Toya, wo er eine Sloop mit holländischer Flagge, aber rein malayischer Besatzung antraf. Dann erreichte er Sumatra, hielt sich längs dessen Küste und warf am 28. November Anker vor Batavia, dem Hauptsitze der holländischen Herrschaft in Ostindien.

Auf der Rhede lagen hier noch mehr als hundert große and kleine Schiffe, so sehr stand jener Zeit der Handel der Indischen Compagnie in Blüthe. Die Stadt selbst erfreute sich damals des höchsten Glanzes. Ihre breiten, wohl angelegten Straßen, die sehr gut unterhaltenen und mit prächtigen Bäumen besetzten Kanäle und die gleichmäßigen Häuser verliehen ihr einen Anblick, der sehr lebhaft an die Städte der Niederlande erinnerte. Portugiesen, Chinesen, Engländer. Holländer, Perser und Malayen belebten die Promenaden und die Geschäftsgegenden der Stadt; Feste, Empfangsfeierlichkeiten und Vergnügungen jeder Art erweckten in jedem, Fremden eine hohe Vorstellung von ihrem Wohlstande und erhöhten den Reiz des Aufenthaltes hierselbst. Der einzige Uebelstand für Seeleute, welche eine so lange Reise hinter sich hatten, freilich nicht der kleinste – war die Ungesundheit des Ortes, wo die Fieber nie aufhören. Da Byron diese Verhältnisse kannte, beeilte er sich, neuen Proviant zu erhalten, und lichtete schon nach zwölftägigem Aufenthalte wieder die Anker.

Trotz der Kürze dieser Rast hatte sie doch schon zu lange gewährt. Kaum waren die Fahrzeuge durch die Sunda-Straße gekommen, als ein heftiges putrides Fieber die Hälfte der Mannschaft auf das Lager warf und drei Matrosen sogar tödtete.

[51] Nach achtundvierzigtägiger Reise bekam Byron die Küste Afrikas in Sicht und ging drei Tage später in der Tafelbai vor Anker.

Die Capstadt lieferte Alles, was er brauchte, Lebensmittel, Wasser, Arzneien, Alles wurde mit einer Eile verladen, welche sich nur durch die Sehnsucht nach der Heimkehr erklärt, und endlich richtete man nun die Schiffsschnäbel nach den Gestaden der Heimat.

Nur zwei Ereignisse unterbrachen die eintönige Fahrt über den Atlantischen Ocean.

»Auf der Höhe von St. Helena, sagt Byron, erhielt das Schiff plötzlich bei schönstem Wetter, günstigem Winde und in weiter Entfernung vom Lande einen so harten Stoß, als sei es auf eine Bank aufgefahren. Die Heftigkeit der Bewegung brachte uns Alle auf die Beine und wir eilten schleunigst auf Deck. Da sahen wir das Meer sich im weiten Umkreise blutig färben, was unsere Befürchtungen bald zerstreute. Wir schlossen daraus, daß wir auf einen Walfisch oder ein ähnliches Seesäugethier gestoßen wären und unser Schiff wahrscheinlich ohne Beschädigung davon gekommen sei, was sich auch bestätigte.«

Einige Tage später befand sich die »Tamar« in einem so schlechten Zustande und hatte vorzüglich am Steuerruder so schwere Havarien erlitten, daß man eine Maschinerie erfinden mußte, dasselbe einstweilen zu ersetzen, und sich genöthigt sah, die Antillen anzulaufen, da es gefährlich erschien, die Reise noch weiter fortzusetzen.

Am 9. Mai 1766 warf die »Dauphin« bei Dunes Anker, nach einer Reise um die Erde, welche nahezu dreiundzwanzig Monate gedauert hatte.

Von allen Erdumsegelungen der Engländer war diese die glücklichste gewesen. Bis zu dieser Zeit hatte man auch noch keine solche in ausschließlich wissenschaftlichem Interesse ausgeführt. Wenn die Ergebnisse derselben nicht so reichlich ausfielen, wie man erwartet haben mochte, so ist dafür weniger der Befehlshaber, der ja hinreichende Proben seiner Befähigung ablegte, verantwortlich zu machen, als das Gremium der Lords der Admiralität, deren Instructionen nicht bestimmt genug lauteten, und welche nicht dafür Sorge getragen hatten, wie es später üblich wurde, der Expedition Specialgelehrte für die verschiedenen Fächer der Wissenschaft beizugeben.

Uebrigens ließ man Byron alle Gerechtigkeit widerfahren. Man belohnte ihn mit dem Admiralstitel und übertrug ihm ein wichtiges Commando in [52] Ostindien. Der letzte Theil seines Lebens, das im Jahre 1786 endigte, bietet keine für unser Thema geeigneten Anhaltepunkte, wir beschäftigen uns mit demselben hier also nicht weiter.

2.
II.

Wallis und Carteret. – Vorbereitungen. – Beschwerliche Fahrt durch die Magelhaens-Straße. – Trennung der »Dauphin« und der »Swallow«. – Die Insel Whitsunday. – Die Königin Charlotte-Insel. – Cumberland, Henry u. a. m. – Tahiti. – Die Insel Howe, Boskaven und Keppel. – Insel Wallis. – Batavia. – Das Cap. – Entdeckung der Inseln Pitcairn, Osnabrugh und Glocester durch Carteret. – Der Archipel Santa-Cruz. – Die Salomons-Inseln. – Der Kanal st. Georg und Neu-Irland. – Die Portland-und Admiralitäts-Inseln. – Macassar und Batavia. – Begegnung mit Bougainville im Atlantischen Ocean.


Nachdem einmal der Anstoß gegeben war, betrat England den Weg jener großartigen wissenschaftlichen Expeditionen, welche für dessen Marine so fruchtbringend sein und ihr ein so großes Ansehen verleihen sollten. Welch' unschätzbare Ausbildung gewähren auch solche Erdumsegelungen, bei denen die Mannschaften, Officiere wie Soldaten, stets auf unerwartete Vorkommnisse gefaßt sein mußten und die Eigenschaften des Seemannes, des Soldaten, ja, des Menschen überhaupt jeden Augenblick auf die Probe gestellt werden konnten. Wenn die englische Seemacht Frankreich während der Kriege der Revolutionszeit und des Kaiserthums stets durch ihre Ueberlegenheit erdrückte, so ist das wohl ebenso gut den Matrosen und Seeleuten zuzuschreiben, die sich im harten Dienste ausbildeten, wie der Zerrissenheit des Landes selbst, welche dasselbe jeder Oberleitung der Marine beraubt hatte.

Die englische Admiralität organisirte also, sofort nach Byron's Heimkehr, eine neue Expedition, doch scheint es, als ob dieselbe gar zu eilig vorbereitet worden sei. Anfang Mai war die »Dauphin« nach Dunes zurückgekommen und schon sechs Wochen später, am 19. Juni, übernahm Kapitän Samuel Wallis das Commando derselben.

Dieser Officier hatte, nachdem er alle Grade eines Marinesoldaten durchlaufen, in Canada ein wichtiges Commando geführt und zur Einnahme von Louisbourg wesentlich beigetragen. Wir wissen nicht, warum die Admiralität gerade ihn unter so vielen Seeofficieren, die ihr zur Verfügung standen, auserwählte; [53] doch hatten die edlen Lords keine Ursache, ihre getroffene Entscheidung zu bereuen.

Wallis ging sofort daran, die »Dauphin« wieder in seetüchtigen Zustand zu versetzen, und am 21. August, also kaum zwei Monate nach Uebernahme seines Auftrages, vereinigte er sich auf der Rhede von Portsmouth mit der Sloop »Swallow« und der Flute »Prince Frederic«. Das zweite dieser Fahrzeuge stand unter dem Befehl des Lieutenants Brine; das erstere hatte als Kapitän Philipp Carteret, einen ausgezeichneten Officier, der mit Byron eben die Reise um die Erde gemacht und dessen zweite Fahrt sein schon erworbenes Ansehen noch wesentlich steigern sollte. Leider schien die »Swallow« wenig geeignet, den Anforderungen zu entsprechen, die man an sie stellen mußte. Schon seit dreißig Jahren im Dienst, war dieses Schiff nur leicht bekleidet, sein Kiel in Ermangelung einer Metallbedeckung, nicht einmal mit Nieten beschlagen, die ihn hätten vor Würmern schützen können; endlich waren die Lebensmittel und Tauschwaaren so eigenthümlich vertheilt, daß die »Swallow« nur eine weit geringere Menge davon erhielt als die »Dauphin«. Vergebens reclamirte Carteret Kabelgarn, eine Schmiedezange und verschiedene andere Gegenstände, deren Unentbehrlichkeit ihm aus Erfahrung bekannt war. Die Admiralität erwiderte darauf nur, Schiff und Ausrüstung entsprächen vollkommen den zu stellenden Anforderungen. Diese Antwort bestätigte noch mehr Carteret's Glauben, daß man nicht weiter als bis zu den Falklands-Inseln segeln werde. Nichtsdestoweniger traf er alle nothwendigen Maßnahmen, welche seine Erfahrung ihm eingab.

Sofort nach vollendeter Ausrüstung, d. h. am 22. August 1766, gingen die Schiffe unter Segel. Wallis machte sehr bald die Bemerkung, daß die »Swallow« ein möglichst schlechter Segler war und ihm während der Reise noch oftmals hinderlich sein werde. Die Fahrt bis zur Insel Madeira ging jedoch ganz glücklich von statten; hier hielten die Schiffe zum ersten Male an, um den schon verbrauchten Proviant zu ersetzen.

Beim Verlassen dieses Hafens händigte der Commandant an Carteret eine Abschrift seiner Instructionen aus und bezeichnete ihm Port Famine in der Magelhaens-Straße als Stelldichein, im Fall sie unterwegs von einander getrennt würden. Der Aufenthalt in Port Praya, auf der Insel Santiago, wurde abgekürzt, weil daselbst eben eine Pockenseuche heftig wüthete, und Wallis ließ seine Leute nicht einmal an das Land gehen. Kaum hatte das kleine Geschwader die Linie passirt, als die »Prince Frederic« eine erlittene Havarie meldete, so [54] daß man ihr den Schiffszimmermann senden mußte, um ein Leck an Backbord zu verschließen. Dieses Fahrzeug, dessen Lebensmittel bereits recht verdorben waren, hatte übrigens schon viele Kranke.

Am 19. November, Abends gegen acht Uhr, beobachteten die Mannschaften ein außergewöhnliches Meteor, das von Nordost nach Südwest und in scheinbar gleichbleibender Höhe mit rasender Schnelligkeit dahinglitt. Es blieb eine Minute lang sichtbar und ließ einen lebhaft glänzenden Feuerstreifen zurück, der das Oberdeck taghell beleuchtete.

Am 8. December bekam man endlich die Küste Patagoniens in Sicht. Wallis segelte längs derselben hin bis zum Cap der Heiligen Jungfrau, wo er mit einigen bewaffneten Abtheilungen von der »Swallow« und der »Prince Frederic« an's Land ging. Eine Gesellschaft Eingeborner, welche die Europäer am Strande erwartete, nahm mit den Zeichen höchster Befriedigung Messer, Sheeren und andere Kleinigkeiten an, welche man bei einem derartigen Zusammentreffen auszutheilen pflegt; um keinen Preis wollten sie aber die in ihrem Besitze befindlichen Guanako's (Lamas), Strauße und anderes Wild abgeben.

»Wir maßen, sagt Wallis, die größten der Leute. Einer hatte 6 Fuß 6 Zoll, Einzelne 5 Fuß 5 Zoll, die Länge der Meisten erreichte aber 5 Fuß 6 Zoll bis 6 Fuß.

Man beachte, daß hier von englischen Füßen die Rede ist, welche nur 305 Millimeter enthalten. Entsprach die Gestalt dieser Eingebornen auch nicht der der Riesen, von der die ersten Reisenden erzählten, so hatten doch weitaus die Meisten eine außergewöhnliche Größe.

Ein Jeder trug, so meldete der Bericht, im Gürtel eine eigenthümliche Waffe; dieselbe bestand aus zwei runden, lederüberzogenen Steinen, im Gewichte von etwa je ein Pfund, welche an den Enden eines ungefähr acht Fuß langen Strickes befestigt waren. Sie bedienten sich derselben wie einer Schleuder, indem sie einen Stein in der Hand haltend, den anderen um den Kopf schwingen, bis er eine hinreichende Schnelligkeit erlangt hat, und ihn dann gegen das Ziel schleudern. Hierin zeigen sie eine solche Geschicklichkeit, daß sie auf die Entfernung von fünfzehn Ruthen einen Gegenstand in der Größe eines Schillings mit beiden Steinen treffen. Doch benutzen sie z.B. diese Waffe nicht bei der Jagd auf Guanakos oder Strauße.«

Wallis nahm acht jener Patagonier mit an Bord. Die Wilden zeigten sich beim Anblick so vieler außergewöhnlicher und für sie neuer Gegenstände [55] nicht so erstaunt, wie man hätte glauben sollen. Nur ein Spiegel erregte ihre höchste Bewunderung. Sie traten vor denselben hin, gingen zurück, spielten tausend Possen und sprachen lebhaft untereinander. Auch die lebenden Schweine interessirten sie kurze Zeit; am meisten schienen sie sich aber über die Guineahühner und Truthähne zu amüsiren. Man hatte zuletzt viele Mühe, sie vom Schiffe wieder wegzubringen. Doch gingen sie endlich an's Ufer, sangen lustig und gaben den sie am Strande erwartenden Landsleuten durch allerlei Zeichen ihre Freude zu erkennen.

Am 17. December gab Wallis der »Swallow« das Signal, als erstes Schiff des kleinen Geschwaders in die Magelhaens-Straße einzulaufen. Bei Port Famine ließ der Commandant dann zwei große Zelte für die Kranken, die Holzfäller und die Segelmeister errichten. Fische in hinreichender Menge, um davon die tägliche Mahlzeit zu bereiten, viel Sellerie, nebst säuerlichen, den Moosbeeren und Berberitzen ähnlichen Früchten, das waren etwa die Naturerzeugnisse der Umgebung, welche die zahlreichen Scorbutkranken der Schiffe in weniger als vierzehn Tagen vollständig wieder herstellten. Die Schiffe selbst wurden ausgebessert, zum Theil frisch kalfatert, die Segel, das laufende und stehende Gut (d. i. Tauwerk), welches stark angestrengt worden war, sorgfältig nachgesehen, und bald war man wieder im Stande, auf das Meer zu gehen.

Vorher ließ Wallis jedoch eine große Menge Holz fällen, das man auf die »Prince Frederic« verlud, um nach den Falklands-Inseln, wo bekanntlich keines wuchs, geschafft zu werden. Gleichzeitig ließ er auch mehrere Tausend junger Bäume sehr vorsichtig und in der Weise ausheben, daß ihre Wurzeln von einem Ballen Erde umhüllt blieben, um deren Verpflanzung nach Port Egmont zu erleichtern, wo sie, im Falle des zu erhoffenden Gedeihens, dieser von der Natur stiefmütterlich bedachten Gegend einst zu großem Nutzen gereichen mußten. Endlich ward der Proviant der Flute auf die »Dauphin« und die »Swallow« vertheilt. Die erstere nahm davon für ein Jahr, die andere für zehn Monate ein.


Nur ein Spiegel erregte ihre höchste Bewunderung. (S. 56.)

Wir wollen hier nicht ausführlicher auf die Vorfälle eingehen, welche die Schiffe während der Fahrt in der Meerenge trafen, z.B. unerwartete Windstöße, Schneewehen und Stürme, unbekannte, reißende Strömungen, Springfluthen und Nebel, welche beide Fahrzeuge mehr als einmal an den Rand des Verderbens brachten. Vorzüglich die »Swallow« befand sich in so traurigem Zustande, daß Kapitän Carteret Wallis vorstellte, wie sein Schiff der Expedition [56] nichts mehr zu nützen im Stande sei, und ihn um solche Vorschriften bat, die er für die zweckmäßigsten hielt.

»Die Befehle der Admiralität lassen keine willkürliche Deutung zu, antwortete Wallis, Sie haben sich denselben unterzuordnen und die ›Dauphin‹ zu begleiten, so lange das irgend ausführbar ist. Ich weiß, daß die ›Swallow‹ ein schlechter Segler ist, werde mich also nach ihr richten und deren Bewegungen folgen, denn es ist für den Fall eines, dem einen der beiden Schiffe zustoßenden Unglücks von Wichtigkeit, daß das andere in der Nähe sei, um jenem den möglichsten Beistand zu leisten!«

[57] Carteret konnte hierauf nichts erwidern; er schwieg, doch ihm ahnte nichts Gutes.

Als die Schiffe sich der Mündung der Meerenge an der Seite des Pacifischen Oceans näherten, gestaltete sich die Witterung ganz abscheulich. Dichte Dunstmassen, Schneewirbel und Regenböen, Strömungen, welche die Schiffe in die Brandung trieben, und schwerer Seegang hielten die Seefahrer bis zum 10. April in der Meerenge zurück. Am genannten Tage wurden die »Dauphin« und die »Swallow« auf der Höhe des Cap Pilar von einander getrennt und fanden sich auch nicht wieder, da es Wallis unterlassen hatte, einen neuen Punkt für eine Wiedervereinigung zu bestimmen.

Bevor wir Wallis auf seiner Reise über den Stillen Ocean folgen, flechten wir hier eine von ihm herrührende Schilderung der Bewohner von Feuerland und des allgemeinen Aussehens des Landes ein. So roh und armselig wie möglich, ernähren sich die Eingebornen meist mit dem rohen Fleische der Seekälber und Pinguine.

»Einer unserer Leute, erzählt Wallis, der mit der Angel fischte, schenkte einem dieser Amerikaner einen eben gefangenen, noch lebenden Fisch, der etwas größer als ein Häring sein mochte. Der Amerikaner ergriff ihn mit der Begierde eines Hundes, dem man einen Knochen vorwirft. Er tödtete ihn durch einen Biß in der Nähe der Kiemen und ging daran, ihn zu verzehren, wobei er am Kopfe anfing und mit der Schwanzflosse aufhörte, und Gräten, Schuppen und Eingeweide mitverschlang.«

Die Eingebornen vertilgen überhaupt Alles, was man ihnen anbietet, es mag roh oder gekocht, frisch oder gesalzen sein, doch verschmähen sie, etwas Anderes als Wasser zu trinken. Zur Bedeckung ihres Körpers benutzten sie nur eine schlechte Robbenhaut, die ihnen bis auf die Kniee herabfiel. Ihre Waffen bestanden in kurzen Wurfspießen mit einem Fischknochen an der Spitze. Alle hatten entzündete Augen, was die Engländer ihrer Gewohnheit zuschrieben, im Rauche zu sitzen, um sich der Mosquitos zu erwehren. Endlich strömten sie einen unausstehlichen, dem der Füchse ähnlichen Geruch aus, der ohne Zweifel von ihrer entsetzlichen Unsauberkeit herrührte.

Wenn dieses Bild nicht anziehend erscheint, so ist es dafür um so treffender, wie auch alle späteren Reisenden bestätigt haben. Für diese, mit den Thieren fast auf gleicher Stufe stehenden Wilden scheint die Welt still gestanden zu haben. Die Fortschritte der Civilisation sind für sie ein todter Buchstabe geblieben,[58] und sie führen ihr elendes Leben ganz so fort wie ihre Väter, ohne an die Verbesserung ihrer Existenz zu denken oder das Bedürfniß nach größerer Annehmlichkeit des Lebens auch nur zu empfinden.

»Wir verließen also, sagt Wallis, diese wilde, ungastliche Gegend, wo wir fast vier Monate lang in fortwährender Gefahr schwebten, Schiffbruch zu leiden, wo das Wetter auch im Hochsommer nebelig, kalt und stürmisch ist, wo die Thäler ohne Grün, die Berge ohne Wald sind, und das Land endlich vielmehr den Anblick von Ruinen einer Welt, als den einer Wohnstätte lebendiger Wesen bietet.«

Kaum aus der Meerenge herausgekommen, schlug Wallis einen westlichen Weg ein, unter stürmischen Winden, dichtem Nebel und so schwerem Seegange, daß mehrere Wochen hindurch auf dem ganzen Schiffe kein trockenes Fleckchen zu finden war. Diese andauernde Feuchtigkeit erzeugte viele Katarrhe und ernstlichere Fieber, denen sich bald der Scorbut anschloß. Als er den 22. Grad südlicher Breite unter 100 Grad westlicher Länge erreicht hatte, steuerte der Befehlshaber direct nach Norden.

Am 6. Juni entdeckte man zur allgemeinen Freude zwei Inseln. Zwei sofort klar gemachte und bemannte Boote fuhren unter Leitung des Lieutenants Furneaux an's Ufer.

Hier wurden einige Cocosnüsse und eine Menge antiscorbutischer Pflanzen eingesammelt, auch fanden die Engländer zwar Hütten und Hängematten, aber keinen einzigen Bewohner. Diese Insel, welche man am Pfingstvorabende entdeckte – weshalb sie den Namen »Whitsunday« erhielt – liegt unter 19°26' südlicher Breite und 127°56' westlicher Länge und gehört, ebenso wie die folgenden, zum Pomotu-Archipel.

Am nächsten Tage versuchten die Engländer mit den Bewohnern einer Nachbarinsel in Verbindung zu treten, die Eingebornen benahmen sich aber so feindselig und das Ufer war so steil, daß man unmöglich an derselben landen konnte. Wallis kreuzte nun die ganze Nacht über in der Nähe und sandte dann die Boote zurück mit dem Befehl, den Eingebornen kein Leid zuzufügen, außer wenn sie durch die Nothwendigkeit dazu gezwungen würden. Als sich Lieutenant Furneaux dem Lande näherte, war er erstaunt, sieben große, zweimastige Piroguen zu sehen, in welchen sich alle Eingebornen einschifften. Nach ihrer Abfahrt betraten die Engländer den Strand und durchstreiften die Insel nach allen Seiten. Sie fanden hier mehrere Cisternen voll recht gutem Wasser. Der Boden war[59] eben, sandig, mit Bäumen, vorzüglich mit Cocos- und anderen Palmen bedeckt und da und dort mit antiscorbutischen Pflanzen bestanden.

»Die Bewohner dieser Insel, so lautet der Bericht, waren von mittlerer Größe und dunkler Hautfarbe und hatten lange schwarze, auf die Schultern herabfallende Haare. Die Männer erschienen wohlgebaut und die Frauen recht hübsch. Ihre Kleidung bestand aus groben Stoffen, die sie mit einer Art Gürtel zusammenhielten, die aber dazu eingerichtet schien, über die Schultern geworfen zu werden.«

Im Laufe des Nachmittags sendete Wallis seinen Lieutenant noch einmal nach dem Lande, um Wasser zu holen und von der Insel, welche zu Ehren der Herrscherin von England den Namen »Königin Charlotte« erhielt, im Namen Georg's III. Besitz zu ergreifen.

Nachdem er sie selbst in Augenschein genommen beschloß Wallis hier eine Woche lang zu verweilen, weil man sich alles Nothwendige mit Leichtigkeit beschaffen konnte.

Bei ihren Streifzügen fanden die englischen Seeleute verschiedene Werkzeuge und Geräthe aus Muschelschalen und zugespitzten Steinen, letztere in Form von gestielten Aexten, Messern und Pfriemen. Sie sahen auch mehrere Canots aus regelrecht zusammengefügten Planken. Am meisten erregten ihre Verwunderung aber die Gräber, in denen die Leichen, unter einem Dache sitzend, in der freien Luft verwesten. Für den Schaden, den sie den Eingebornen durch Mitnahme der obenerwähnten Gegenstände zufügten, ließen sie ihnen Hacken, Nägel und andere Objecte zurück.

Wenn das 18. Jahrhundert strenge philantropische Grundsätze aufstellte, so erkennt man aus den Berichten der Reisenden jener Zeit, daß diese damals sehr landläufigen Theorien wirklich auch häufig zur Wahrheit gemacht wurden. Die Menschlichkeit hatte eben große Fortschritte gemacht. Die Verschiedenheit der Hautfarbe bildete fernerhin kein Hinderniß mehr, in jedem Menschen einen Bruder zu erkennen, und schon gegen Ende des Jahrhunderts brach sich der wohlwollende Gedanke Bahn, allen Negern die Freiheit zu gewähren, und fand derselbe auch bald zahlreiche Anhänger.

An dem nämlichen Tage ward im Westen der Königin Charlotten-Insel ein neues Land entdeckt, längs dessen Küste die »Dauphin« hinsegelte, ohne Ankergrund finden zu können. Niedrig, bedeckt mit Bäumen, außer Cocospalmen, und ohne Spuren von Bewohntsein, schien dieselbe nur ein Jagdplatz für die[60] Bewohner der Nachbarinseln zu sein. Wallis sah auch keinen Grund, hier zu verweilen. Er gab ihr nur den Namen »Egmont«, zu Ehren des Grafen Egmont, des damaligen ersten Lords der Admiralität.

An den folgenden Tagen machte man neue Entdeckungen; man fand nämlich nach und nach die Inseln Glocester, Cumberland, William Henri und Osnabrugh. Lieutenant Furneaux konnte sich hier, ohne auf letztere an's Land zu gehen, einige Erfrischungen verschaffen, die er von mehreren am Strande liegenden beladenen Piroguen entnahm, aus deren Vorhandensein er auch den Schluß zog, daß größere Inseln in der Nähe liegen möchten, wo man sich mit reichlichem Proviant werde versorgen können und welche gewiß bequemer anzulaufen sein würden.

Diese Prophezeiungen sollten bald in Erfüllung gehen. Am 19. mit Sonnenaufgang sahen sich die englischen Seeleute zu ihrem größten Erstaunen von mehreren Hunderten größerer und kleinerer Piroguen umringt, in welchen mehr als achthundert Individuen saßen. Nachdem jene sich eine Zeit lang in respectvoller Entfernung gehalten hatten, ruderten einige Eingeborne näher heran und hielten dann Bananenzweige in die Höhe. Sie kamen darauf an Bord, wo sich eben ein lebhafter Tauschhandel entwickelte, als ein höchst lächerlicher Zufall die freundschaftlichen Beziehungen zu stören drohte.

Einer der Eingebornen, der an den Laufplanken lehnte, wurde nämlich von einer Ziege gestoßen. Er dreht sich um, sieht das ihm unbekannte, auf den Hinterfüßen emporgerichtete Thier, das ihn eben von Neuem angreifen will, und stürzt sich, vom Schrecken erfaßt, kopfüber in das Meer. Die Anderen folgen seinem Beispiele. Sie beruhigten sich jedoch später über den gehabten Schreck, kamen wieder an Bord und verwandten alle ihre Geschicklichkeit darauf, einige Gegenstände zu entführen, doch wurde dabei nur der Hut eines Officiers gestohlen. Inzwischen fuhr das Schiff langsam an der Küste hin, um einen sicheren, geschützten Hafen zu suchen, während die Boote sich, um zu sondiren, näher am Lande hielten.

Niemals auf ihrer Reise hatten die Engländer ein so pittoreskes, anziehendes Land gesehen. Am Strande des Meeres überschatteten dichtbelaubte Baumgruppen, aus welchen wieder einzelne Cocospalmen ihr schlankes Haupt erhoben, die Hütten der Eingebornen. Weiter im Innern stieg eine Hügelkette mit bewaldeten Gipfeln etagenförmig empor, und inmitten des grünen Teppichs erkannte man die Silberstreifen einer Menge Bäche, welche zum Meere hinabeilten.

[61] Nahe der Einfahrt in eine geräumige Bucht sahen sich die von dem Schiffe eben etwas weiter entfernten Schaluppen plötzlich von einer großen Anzahl Boote umringt. Um eine Collision zu vermeiden, ließ Wallis neun Steinböllerschüsse über die Köpfe der Eingebornen abfeuern; trotz des Schreckens, den ihnen der Donner der Gesthütze einflößte, drangen sie jedoch noch weiter vor. Der Kapitän beorderte seine Boote also nach dem Schiffe zurück. Da singen einzelne in ziemlicher Nähe befindliche Wilde an, mit Steinen zu werfen und verwundeten mehrere Matrosen. Der Führer der Schaluppe beantwortete diesen Angriff nun durch einen scharfen Schuß, der einen der Feinde zu Boden streckte und die anderen verjagte.

Am nächsten Tage konnte die »Dauphin« vor der Mündung eines prächtigen Flusses bei zwanzig Faden Wasser vor Anker gehen. Unter den Matrosen herrschte allgemeiner Jubel. Sofort umschwärmten das Fahrzeug wieder viele Piroguen, welche Schweine, Geflügel und eine Menge Früchte zuführten, die bald gegen leichte Schmuckwaaren und Nägel ausgetauscht wurden. Da sah sich eines der zum Sondiren in der Nähe des Ufers entsendeten Boote plötzlich mit Wurfspießen und Stöcken angegriffen, so daß die Matrosen von ihren Waffen Gebrauch machen mußten. Einer der Eingebornen ward getödtet, ein anderer schwer verwundet, die übrigen sprangen in's Wasser. Da die Wilden sahen, daß sie Niemand verfolgte und sich gestanden, daß sie diese Strafe reichlich verdient hatten, so begannen sie ihren Tauschhandel bei der »Dauphin« wieder, als ob gar nichts vorgefallen wäre.

An Bord zurückgekehrt, berichteten die Officiere, daß die Eingebornen sie fast genöthigt hätten, an das Land zu kommen, wobei sich vorzüglich die Frauen durch lebhafte, aber nicht unanständige Einladungen hervorthaten. In Schußweite von dem Wasserplatze fand sich übrigens dicht am Strande ein vortrefflicher Ankergrund, nur daß hier die See ziemlich hohl ging. Die »Dauphin« lichtete also die Anker und ging auf die See hinaus, um unter Wind zu kommen; da gewahrte man aber in der Entfernung von sieben bis acht Meilen eine Bai, in der Wallis zu landen beschloß. Ein Sprichwort sagt, daß das Bessere der Feind des Guten ist. Auch der Kapitän sollte die Richtigkeit desselben erfahren.

Obgleich die Schaluppen vorausgingen, um zu sondiren, stieß die »Dauphin« doch auf ein Riff und fuhr sich mit dem Vordertheile fest. Man ergriff zwar sofort die unter solchen Umständen gebotenen Maßregeln, fand aber außerhalb der madreporischen Felsenkette keinen Grund. Es war demnach unmöglich, die[62] Anker zu versenken und sich mittelst um das Gangspill gelegter Taue wieder loszuwinden. Was war in dieser kritischen Lage nun zu beginnen? Der Schiffsrumpf stieß heftig gegen die Klippen und mehrere Hundert Piroguen schienen nur auf den sicher bevorstehenden Untergang des Fahrzeuges zu warten, um sich auf die ersehnte Beute zu stürzen. Nach einer Stunde sprang glücklicher Weise eine frische Brise vom Lande auf und machte die »Dauphin« flott, welche nun ohne Unfall einen guten Ankerplatz auffand. Die Havarien waren nicht schwer, sie wurden ebenso schnell vergessen, als sie ausgebessert waren.

Wallis theilte, durch die wiederholten Versuche der Eingebornen zur Vorsicht ermahnt, seine Leute in vier Abtheilungen, deren eine immer unter Waffen blieb, und ließ auch die Geschütze laden. Nach Abwicklung einiger Tauschgeschäfte vermehrte sich wirklich die Zahl der Piroguen, doch schienen sie, statt Geflügel, Schweine und Früchte zu bringen, jetzt nur mit Steinen beladen. Die meisten waren auch stark bemannt.

Plötzlich fiel, offenbar auf ein gegebenes Signal, ein ganzer Hagel von Strandsteinen auf das Fahrzeug nieder. Wallis befahl nun, eine Salve zu geben, und ließ auch zwei Kartätschenladungen abfeuern. Diese richteten zwar einige Unordnung an, doch stürmten die Angreifer noch zweimal muthig vorwärts. Da der Kapitän die Zahl der Letzteren stetig wachsen sah, wurde er über den möglichen Ausgang des Kampfes schon etwas unruhig, als ein unerwarteter Fall diesem ein Ziel steckte.

Unter den Piroguen, welche die »Dauphin« am hitzigsten bedrängten, befand sich auch eine, die den Anführer zu tragen schien, denn von dieser war das erste Signal zum Kampfe ausgegangen. Ein wohlgezielter Kanonenschuß sprengte dieselbe in zwei Stücke. Mehr bedurfte es nicht, um die Eingebornen in die Flucht zu treiben. Sie verschwanden nun so über Hals und über Kopf, daß nach einer halben Stunde kein einziges Boot mehr zu sehen war. An der Spitze einer starken Abtheilung Matrosen und Marinesoldaten pflanzte nun Lieutenant Furneaux die englische Flagge auf und ergriff im Namen des Königs von England Besitz von der Insel, welche diesem zu Ehren Georg's III. Insel genannt wurde. Es war das die Insel Tahiti der Eingebornen.

Nachdem jene sich so gedemüthigt sahen, schienen sie das Vorgefallene zu bereuen und mit den Fremdlingen wieder einen freundschaftlichen Handelsverkehr beginnen zu wollen, als Wallis, den ein lästiges Unwohlsein an Bord zurückhielt, bemerkte, daß sie damit nur einen zu Wasser und zu Lande auszuführenden [63] Angriff auf seine mit dem Einnehmen von Wasser beschäftigten Leute zu bemänteln suchten. Der Kampf sollte nur kurz, doch um so mörderischer werden. Sobald er die Eingebornen in Schußweite seiner Kanonen sah, ließ er einige Breitseiten auf dieselben abgeben, welche auch hinreichten, ihre Flottille zu zerstreuen.

Um der Wiederkehr solcher feindlichen Unternehmungen ein- für allemal vorzubeugen, mußte er ein Exempel statuiren. Wallis entschloß sich dazu nur mit Widerstreben. Er sendete sofort eine bewaffnete Schaar mit seinen Zimmerleuten an das Land, um die auf das Ufer gezogenen Piroguen zu zerstören. Mehr als fünfzig, deren einige bis sechzig Fuß maßen, wurden vernichtet. Diese Maßregel bestimmte die Tahitier endlich zur Unterwerfung. Sie schafften Schweine, Hunde, Stoffe und Früchte an den Strand und zogen sich selbst dann wieder zurück. Man legte ihnen dafür Aexte und verschiedene Kleinigkeiten dahin, die sie mit dem Ausdrucke der lebhaftesten Freude mit in die Wälder nahmen. Nach geschlossenem Frieden entwickelte sich am folgenden Tage ein lebhafter Handel, durch welchen die Mannschaften überreichlich mit frischem Proviant versorgt wurden.

Es war nun zu erwarten, daß das freundschaftliche Einverständniß während der ganzen Dauer des Aufenthaltes der Engländer von Bestand sein werde. Wallis ließ also in der Nähe des Wasserplatzes ein Zelt aufschlagen, unter dem er seine zahlreichen Scorbutkranken unterbrachte, während die noch gesunden Leute sich mit der Ausbesserung der Takelage und der Segel beschäftigten oder das Schiff kalfaterten und mit neuem Anstrich versahen, um es in Stand zu setzen, die weite Rückfahrt nach England aushalten zu können.

Gerade zu dieser Zeit nahm Wallis' Krankheit einen ernsthafteren Charakter an. Auch der erste Deckofficier befand sich nicht viel besser. Alle Verantwortung ruhte nun also auf Lieutenant Furneaux, der sich seiner Aufgabe auch vollkommen gewachsen zeigte.

Nach vierzehn Tagen, während welcher der Frieden keine Störung erlitt, hatte Wallis die Freude, seine gesammte Mannschaft wieder auf den Füßen und kerngesund zu sehen.

Inzwischen gingen die Lebensmittel wieder zu Ende. Die Eingebornen, denen man schon zu viele Hacken und Nägel gegeben, stellten jetzt höhere Forderungen. Am 15. Juli kam eine hochgewachsene Frau im Alter von etwa vierzig Jahren und von majestätischer Haltung, der die Eingebornen mit großer Ehrfurcht begegneten, an Bord der »Dauphin«. Wallis erkannte an der Würde [64] ihrer Haltung, wie an der Sicherheit des Auftretens, welche Personen kennzeichnet, die zu befehlen gewohnt sind, daß sie eine hohe Stellung einnehmen möge. Er beschenkte sie mit einem blauen Mantel, einem Spiegel und mehreren Kleinigkeiten, die sie mit großer Befriedigung annahm. Als sie das Fahrzeug verließ, lud sie den Commandanten ein, an's Land zu kommen und ihr einen Besuch abzustatten. Wallis entsprach dieser Aufforderung schon am nächsten Tage, obwohl er sich noch sehr schwach fühlte.


Eingeborne hielten Bananenzweige in die Höhe. (S. 61.)

Er wurde in eine große Hütte geführt, welche einen Raum von 327 Fuß Länge und 42 Fuß Breite einnahm; [65] sie war mit einem Dache von Palmenblättern versehen und ruhte auf 53 Pfeilern. Eine beträchtliche zu diesem Zwecke zusammengerufene Menschenmenge bildete an Wallis' Wege Spalier und begrüßte ihn ehrfurchtsvoll. Dieser Besuch erhielt durch einen komischen Zwischenfall einen recht heiteren Anstrich. Der Schiffschirurg, den der Weg in Schweiß gebracht hatte, lüftete nämlich seine Perrücke, um sich zu erfrischen.

»Der bei diesem Anblick erschallende plötzliche Aufschrei eines Indianers erregte auch die Aufmerksamkeit der übrigen. Die Wundererscheinung zog Aller Augen auf sich. Bewegungslos blieb die ganze Menge eine Zeitlang stehen, und stumm vor Schrecken, der nicht größer hätte sein können, wenn unser Begleiter auch ein anderes Glied von seinem Körper abgenommen hätte.«

Am folgenden Tage traf ein Bote, der der Königin Oberoa für ihren gastlichen Empfang einige Geschenke als Beweise des Dankes überbringen sollte, diese an, als sie wenigstens tausend Personen ein Fest bereitete.

Ihre Diener brachten die Speisen fertig zubereitet herbei, das Fleisch in hohlen Cocosnüssen und Muscheln, in einer Art Holztrögen, ähnlich denen, welche unsere Fleischer gebrauchen; sie vertheilte dieselben eigenhändig an ihre Gäste, welche ringsum in dem großen Raume saßen. Als das geschehen war, ließ sie sich selbst auf einer Art Estrade nieder und zwei an ihrer Seite stehende Frauen reichten ihr zu essen. Diese präsentirten ihr die Speisen mit den Fingern, so daß sie nur den Mund zu öffnen brauchte.

Die Nachwirkung dieses freundschaftlichen Verkehres blieb nicht lange aus, und der Markt wurde noch einmal reichlich versorgt, ohne daß die Preise jedoch wieder so weit herabgingen wie bei der Ankunft der Engländer.

Lieutenant Furneaux unternahm auch eine Recognoscirung längs der westlichen Küste, um sich nähere Kenntniß von der Insel zu verschaffen und auszukundschaften, was man etwa von derselben beziehen könne. Ueberall fanden die Engländer eine gute Aufnahme. Sie sahen ein schönes, dichtbevölkertes Land, dessen Einwohner gar nicht so dringend daran gelegen schien, ihre Bodenproducte auszutauschen. Alle Werkzeuge bestanden aus Stein oder Knochen, woraus Lieutenant Furneaux den Schluß zog, daß den Tahitiern noch kein Metall bekannt sein möge. Auch irdene Gefäße besaßen sie nicht und eben deshalb keine Kenntniß davon, daß Wasser auch erhitzt werden könne. Den Beweis dafür erhielt man, als die Königin eines Tages an Bord speiste. Einer der ersten Personen ihres Gefolges nämlich, der den Chirurgen hatte Wasser aus dem [66] Siedekessel in die Theekanne gießen sehen, drehte an dem Hahne der letzteren und bekam die fast noch kochende Flüssigkeit auf die Hand. Er stieß vor brennendem Schmerze ein jämmerliches Geheul aus und lief unter entsetzlichen Verrenkungen in der Cajüte umher. Seine Begleiter konnten gar nicht begreifen, was geschehen sei, und starrten ihn halb erstaunt und halb erschrocken an. Der Chirurg sprang zwar sofort zu Hilfe, aber es dauerte doch ziemlich lange, bis er dem armen Tahitier Erleichterung verschaffen konnte.

Einige Tage später bemerkte Wallis, daß sich seine Matrosen Nägel aneigneten, wo sie solche fanden, um sie den Frauen zu schenken. Sie entfernten sogar einzelne Planken von dem Schiffe, nur um die Schrauben aus denselben und die Zapfen und Eisenstücke, welche jene an den Rippen festhielten, zu erlangen. Fruchtlos ergriff Wallis selbst sehr strenge Maßregeln; aber obgleich er Niemanden ununtersucht an's Land gehen ließ, wiederholten sich diese Vorkommnisse doch noch mehrere Male.

Eine in das Innere der Insel gesendete Expedition fand daselbst ein breites, von einem schönen Flusse bewässertes Thal. Ueberall war der Boden sorgfältig bearbeitet und hatte man Abzugsgräben angelegt, um die Gärten und Obstbaum-Anlagen zu bewässern. Je weiter man vordrang, desto launenhafter wurden die Windungen des Flusses; das Thal verengte sich, die Hügel wuchsen zu Bergen an und der Weg wurde schwieriger. Man erstieg einen von dem Landeplatze gegen sechs Meilen entfernten spitzen Gipfel, in der Hoffnung, von demselben aus die Insel bis in alle Einzelheiten übersehen zu können. Hier zeigte sich die Aussicht aber durch noch höhere Berge verdeckt. Nur nach der Seeseite zu lag das ganze herrliche Bild des Landes frei vor Augen; überall mit prächtigen Wäldern geschmückte Anhöhen, zwischen deren saftigem Grün die Hütten der Eingebornen hervorleuchteten, während die Thäler mit ihren vielen Ansiedelungen und den von lebenden Hecken umschlossenen Gärten einen fast noch schöneren Anblick boten. Außer den Cocosbäumen bestand die Flora des Landes vorzüglich aus Zuckerrohr, Ingwer, Tamarinden und Baumfarren.

Wallis, der das Land mit einigen Erzeugnissen unserer Klimate bereichern wollte, ließ Pfirsich-, Kirsch- und Pflaumenkerne, auch solche von Citronen, Limonen und Orangen stecken, sowie einige Gemüse aussäen. Der Königin schenkte er eine tragende Katze, zwei Hähne, Hühner, Gänse und andere Thiere, von denen er voraussetzen durfte, daß sie gedeihen und sich leicht vermehren würden.

[67] Nun drängte aber die Zeit, und Wallis mußte an die Abfahrt denken. Als er der Königin hiervon Nachricht gab, sank diese in einen Lehnstuhl und begann so bitterlich zu weinen, daß man sie nur mit Mühe beruhigen konnte. Bis zum letzten Augenblicke blieb sie auf dem Schiffe, und als dieses die Segel entfaltete,»umarmte sie uns, sagt Wallis, so zärtlich und unsere tahitischen Freunde sagten uns so traurig und rührend Lebewohl, daß es mir wirklich selbst an's Herz ging und meine Augen sich mit Thränen füllten.«

Der erste, wenig entgegenkommende Empfang der Engländer, wie die wiederholten feindlichen Versuche der Eingebornen ließen einen so peinlichen Abschied gewiß nicht voraussehen; doch: Ende gut, Alles gut! sagt ja schon ein altes Sprichwort.

Die Bemerkungen, welche Wallis über die Sitten und Gebräuche der Tahitier einflicht, geben wir hier nur kurz wieder, da wir Gelegenheit haben werden, bei der Erzählung der Reisen Bougainville's und Cook's darauf zurückzukommen.

Groß, wohlgebaut, rasch in ihren Bewegungen und ziemlich sonnverbrannt, bekleiden sich die Einwohner mit einem weißen Gewebe, das aus der Rinde eines bestimmten Baumes gewonnen wird. Von den zwei, das ganze Kostüm bildenden Stücken ist das eine viereckig und gleicht fast einer Bettdecke. Mit einer Oeffnung zum Durchstecken des Kopfes versehen, erinnert es an die »Zarape« der Mexikaner und den »Poncho« der Eingebornen in Südamerika. Das andere Stück wird um den Körper gewickelt, aber nicht festgebunden. Fast Alle, Männer sowohl wie Frauen, pflegen sich mit sehr engen Linien, welche Figuren bilden, zu tätowiren. Das Verfahren dabei ist folgendes: Die Haut wird vielfach durchstochen und die kleinen Stichöffnungen werden mit einer aus Oel und Seife bestehenden Paste angefüllt, welche sich unvertilgbar festsetzt.

Die Civilisation steht auf sehr niedriger Stufe. Wir erwähnten schon, daß die Tahitier irdene Gefäße nicht kennen. So schenkte Wallis der Königin unter Anderem einen Fleischtopf, den alle Welt mit der größten Neugier in Augenschein nahm.

Von der Religion der Urbewohner erwähnt der Commandant kein Wort. Es schien ihm nur, daß sie manchmal nach gewissen Orten gingen, die er für Begräbnißplätze hielt, wo sie mit dem Ausdrucke des Schmerzes eine Zeit lang verweilten.

Einer der Tahitier, der mehr als die anderen beanlagt schien, die Sitten der Engländer nachzuahmen und sich zu eigen zu machen, erhielt einen vollständigen [68] Anzug, der ihn recht gut kleidete. Jonathan – so hatte man ihn genannt – zeigte sich sehr stolz über seine äußere Erscheinung. Um seiner neuen Lebensart die Krone aufzusetzen, wollte er auch noch lernen, mit der Gabel zu essen, was ihm freilich nicht gelang. Verleitet von der Macht der Gewohnheit, führte er stets nur die Hand zum Munde, das an den Gabelzinken sitzende Stück aber an der Seite der Ohren vorbei.

Am 27. Juli verließ Wallis die Insel Georg's III. Nachdem er am Ufer der Insel des Herzogs von York hingesegelt, entdeckte er verschiedene Inseln und Eilande, die er nicht anlief. Das waren die Inseln Charles-Saunders, Lord Howe, Scilly, Boscaven und Keppel, wo das feindselige Auftreten der Einwohner und die Schwierigkeit an's Ufer zu gehen, ihn zu landen hinderte.

Nun begann auf der südlichen Halbkugel allgemach der Winter. Das Fahrzeug leckte auf allen Seiten und vorzüglich dessen Hintertheil war durch das Steuerruder sehr arg mitgenommen.

Empfahl es sich nun mehr um das Cap Horn oder durch die Magelhaens-Straße zu gehen? Drohte auf diesem Wege nicht der unvermeidliche Schiffbruch? Sollte Wallis nicht vielmehr Tinian oder Batavia zu erreichen suchen, wo alle Havarien bequem ausgebessert werden konnten, um über das Cap der Guten Hoffnung nach Europa zu gelangen? Er entschied sich für letzteres, steuerte also nach Nordwesten und warf am 19. September, nach höchst günstiger Fahrt, über welche weiter nichts zu sagen ist, im Hafen von Tinian Anker.

Alles, was Byron an diesem Orte erlebt hatte, wiederholte sich auch jetzt. Wallis beklagte sich ebenso wie sein Vorgänger über die Schwierigkeit, Proviant zu erhalten, und über unausstehliche Hitze. Dagegen genasen die Scorbutkranken binnen wenig Tagen, die Segel wurden wieder in Stand gesetzt, das Schiff ausgebessert und frisch kalfatert und auch die Mannschaft blieb von Fieberanfällen glücklich verschont.

Am 16. October 1767 stach die »Dauphin« wieder in See; jetzt wurde sie aber von den schwersten Stürmen überfallen, die die Segel zerrissen und das Leck wieder öffneten, das Steuer zum Theile zerstörten und die Cajüte auf dem Hinterdeck, sowie Alles, was sich auf dem Vorderkastell befand, wegspülten.

Dabei umschiffte man die Baschees und segelte durch die Meerenge von Formosa. Später passirte das Schiff die Inseln Sandy, Small-Key, Long-Island, New-Island, hierauf Condor, Timor, Aros und Pisang, Pulo-Taya, Pulo-Tote und Sumatra und kam am 30. November in Batavia an.

[69] Bei dem letzten Theile der Reise wurden nur Punkte berührt, von denen zu sprechen wir schon wiederholt Gelegenheit hatten. Es bleibt also nur der Vollständigkeit wegen noch anzuführen übrig, daß Wallis von Batavia, wo die Mannschaft von Fieberanfällen litt, erst das Cap, dann St. Helena anlief und nach einer Abwesenheit von sechshundertsiebenunddreißig Tagen wieder bei Dunes ankam.

Bedauernswerth ist es immerhin, daß Hawkesworth nicht die, Wallis von der Admiralität mitgegebenen Ordres mittheilt. So vermag man nicht zu beurtheilen, ob der kühne Seemann denselben streng nachgekommen ist. Man sieht nur, daß er die von seinen Vorgängern gewählte Route ziemlich genau eingehalten hat. Fast Alle steuerten nach dem Gefährlichen Archipel und ließen gerade den inselreichsten Theil Oceaniens beiseite, in dem Cook so viele und wichtige Entdeckungen machen sollte. Als erfahrener Seemann wußte er trotz der so eilig betriebenen und deshalb etwas lückenhaften Ausrüstung seines Schiffes, sich doch in allen schwierigen Lagen zu helfen und das etwas gewagte Unternehmen glücklich zu Ende zu führen. Gleiches Lob verdient er auch wegen seiner stets bewiesenen Menschlichkeit und wegen des Eifers, mit dem er verläßliche Kenntnisse über die von ihm besuchten Völker zu sammeln suchte. Hätte er Fachgelehrte als Beistand gehabt, so wäre die wissenschaftliche Ernte dieser Expedition gewiß noch weit reichlicher ausgefallen. Der Fehler liegt auch hier nur auf Seiten der Admiralität. –

Wir sagten früher, daß die »Dauphin«, als sie am 10. April mit der »Swallow« eben die Magelhaens-Straße verließ, bei frischem Segelwinde der letzteren, die ihr nicht zu folgen vermochte, vorauseilte und sich für immer von dem zweiten Schiffe trennte, was den Kapitän Carteret sehr peinlich berührte. Besser als irgend ein Anderer kannte er den erbärmlichen Zustand seines Schiffes und den unzulänglichen Vorrath an Proviant. Er wußte recht wohl, daß er die »Dauphin« erst in England wieder treffen würde, da keinerlei Verabredung getroffen und kein Sammelplatz bestimmt war – ein schweres Versehen des Kapitän Wallis, vorzüglich da er die Gebrechlichkeit seines Begleitschiffes kannte. Nichtsdestoweniger verbarg Carteret seine Besorgnisse vor der Mannschaft.

Uebrigens ließ das abscheuliche Wetter, das die »Swallow« im Stillen Ocean – der seinen Namen lügenstrafte – empfing, kaum Jemandem zum Ueberlegen kommen. Die augenblickliche Gefahr, welcher man Trotz bieten mußte, um nicht zugrunde zu gehen, verhüllte diejenigen, welche die Zukunft bringen sollte.

[70] Carteret steuerte längs der Küste von Chile nach Norden. Bei der Revision des an Bord befindlichen Vorrathes an Trinkwasser überzeugte er sich, daß dasselbe für die bevorstehende Ueberfahrt auf keinen Fall ausreichen könne. Bevor er also einen westlichen Kurs einschlug, beschloß er, sich auf Juan-Fernandez oder Mas-a-fuero frisch zu versorgen.

Das schlechte Wetter dauerte indessen fort. Am 27. gegen Abend erhob sich plötzlich ein sehr starker Wind, der das Schiff von der rechten Seite traf. Die Heftigkeit des Oceans hätte beinahe die Masten geknickt und das Schiff zum Versinken gebracht. Der Sturm wüthete in gleicher Stärke weiter und die durchnäßten Segel klebten so fest an Masten und Tauen, daß man dieselben kaum regieren konnte.

Am folgenden Tage zerbrach eine Sturzsee die Besanraa gerade da, wo das Segel gerefft war, und setzte das ganze Schiff einige Minuten lang unter Wasser. Das Unwetter ließ darauf nur so lange nach, daß die Mannschaft ein wenig ausruhen und die erlittenen Havarien ausbessern konnte; dann brach es wieder in gleicher Heftigkeit los und hielt, wenigstens mit schweren Böen, bis zum 7. Mai an. Nun wurde der Wind günstiger und drei Tage später kam die Insel Juan-Fernandez in Sicht.

Carteret wußte noch nichts von der Befestigung der Insel durch die Spanier. Er verwunderte sich deshalb nicht wenig, am Ufer eine Menge Leute und nahe am Strande eine Batterie von vier Geschützen zu sehen, während auf einem nahen Hügel ein Fort mit zwanzig Schießscharten lag, über dem die spanische Flagge wehte. Starke Windstöße hinderten ihn am Einlaufen in die Cumberland-Bai, und nachdem er hier einen Tag lang gekreuzt, mußte er sich entschließen, nach Mas-a-fuero weiterzusegeln. Hier traten ihm jedoch dieselben Hindernisse und die hohle See mit furchtbarer Brandung entgegen, so daß er nur mit größter Mühe einige Wassertonnen füllen lassen konnte.


Kopfputz der Bewohner Tahitis. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 68.)

Mehrere seiner Leute, die das zu aufgeregte Meer am Lande zurückgehalten hatte, erlegten eine hinreichende Menge Perlhühner, um die ganze Mannschaft zu bewirthen. Außer daß noch zwei Seekälber getödtet und viele Fische gefangen wurden, bot dieser Aufenthalt keinerlei Vortheile, zeichnete sich aber im Gegentheil durch so stürmisches Wetter aus, daß das Schiff wiederholt in Gefahr kam, an der Küste zu scheitern.

Mehrmals kam Carteret, wenn ihn auch ungestüme Winde hin und her trieben, nach Mas-a-fuero zurück und fand dadurch Gelegenheit, gewisse Irrthümer des[71] Verfassers der Reise des Admiral Anson aufzuhellen, womit er sehr werthvolle Anhaltspunkte für Seefahrer lieferte. Bei der Abreise von Mas-a-fuero steuerte Carteret nach Norden in der Hoffnung, den Südostpassat zu treffen; da er aber weiter, als beabsichtigt, hinauf getrieben wurde, beschloß er, die Inseln St. Ambroise und St. Felix oder St. Paul aufzusuchen. Jetzt, nach der Besitznahme und Befestigung der Insel Juan-Fernandez durch die Spanier konnten jene im Falle eines Krieges den Engländern von großem Nutzen sein. Green's Seekarten und Robertson's »Elemente der Schifffahrt« stimmten jedoch bezüglich deren Lage [72] nicht überein. Carteret, der dem letzteren Werke mehr Vertrauen schenkte, suchte nach ihnen im Norden und – verfehlte sie. Nach Durchlesung der von Waser, dem Schiffsarzte Davis', verfaßten Beschreibung glaubte er, diese beiden Inseln seien das von jenem Flibustier bei Gelegenheit seiner Fahrt im Süden der Galapagos-Inseln gefundene Land und Davis-Land existire überhaupt nicht. Hiermit beging er den doppelten Fehler, erstens die Inseln St. Felix mit Davis-Land zu identificiren, und zweitens das Vorhandensein des letzteren, unter welchem nämlich die Osterinsel zu verstehen ist, zu leugnen.


Inseln der Königin Charlotte. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 69)

»Wir beobachteten, sagt Carteret, unter diesem Breitengrade (18° westlich von seinem Abfahrtspunkte) wiederholt frischere Winde, eine nach Norden verlaufende Strömung und noch andere Anzeichen, daß wir uns in der Nähe des so eifrig gesuchten Davis-Landes befänden. Da sich aber von Neuem ein günstiger Wind erhob, steuerten wir 1/4 Südwest und kamen bis 28°30' südlicher Breite, woraus folgt, daß [73] ich, wenn es dieses Land oder nur etwas dem Aehnliches gab, es unzweifelhaft hätte antreffen oder doch zu Gesicht bekommen müssen. Ich hielt mich auf 28° südlicher Breite, 40° westlich von der Stelle meiner Abfahrt und, meiner Schätzung nach, 121° westlich von London.«

Da alle Seefahrer noch immer an die Existenz eines südlichen Continents glaubten, so konnte sich Carteret natürlich gar nicht vorstellen, daß Davis-Land nichts sei, als eine kleine, in dem grenzenlosen Ocean verlorene Insel. Als er nun dieses vermeintliche Festland nicht entdeckte, schloß er auch auf das Nichtvorhandensein jenes Davis-Landes. Wir wissen jetzt, daß er sich auch hierin täuschte.

Bis zum 7. Juni setzte Carteret seine Nachforschungen fort. Er befand sich unter 28° der Breite und 112° westlicher Länge, d. h. ganz in der Nähe der Osterinsel. Es war jetzt Mitte des Winters. Der Seegang blieb unaufhörlich schwer, der Wind heftig und unbeständig, die Witterung trübe, nebelig und kalt, mit vielem Regen, Schnee und häufigem Donner. Offenbar verhinderten die außergewöhnliche Dunkelheit und der Nebel, hinter dem sich die Sonne mehrere Tage lang verbarg, Carteret die Osterinsel aufzufinden, denn verschiedene Anzeichen, wie Schaaren von Vögeln und schwimmende Algen, mußten ihm doch die Nachbarschaft eines Landes verrathen.

Jene atmosphärischen Störungen trugen nicht wenig dazu bei, die Fahrt zu verlangsamen. Die »Swallow« war nun überdies noch ein schlechter Segler, man kann sich also leicht den Mißmuth, die Sorge und Angst des Kapitäns vorstellen, der seine Mannschaft immer mit dem Hungertode bedroht sah. Jedenfalls setzte er aber die Fahrt nach Westen mit vollen Segeln, Tag und Nacht, bis zum 2. Juli fort.

An diesem Tage entdeckte man Land im Norden und am nächsten Tage segelte Carteret so nahe längs desselben hin, daß er es deutlicher vor Augen hatte. Es war nichts als ein großer Felsen, von fünf Meilen Umfang und mit Bäumen bedeckt, der unbewohnt schien, an dem man aber wegen der, bei der hohlen See überaus stürmischen Brandung nicht zu landen vermochte. Man [74] nannte ihn Pitcairn, nach dem Namen Dessen, der ihn zuerst erblickte. Hier machten sich bei den Matrosen, die bisher wenigstens bei guter Gesundheit geblieben waren, die ersten Spuren des Scorbuts bemerkbar.

Am 11. kam unter 22° der Breite und 141°34' westlicher Länge (von London) wiederum Land in Sicht, dem man zu Ehren des zweiten Sohnes des Königs den Namen Osnabrugh beilegte.

Am folgenden Tage entsendete Carteret eine Abtheilung seiner Leute nach zwei anderen Inseln, auf denen man aber weder eßbare Vegetabilien, noch Wasser antraf. Dagegen wurden mehrere, so wenig scheue Vögel, daß sie sich bei der Annäherung eines Menschen nicht von der Stelle bewegten, mit der bloßen Hand gefangen.

Alle diese Länder gehörten zu dem Gefährlichen Archipel (auch »Inseln der Gefahr« genannt), einer langen, niedrigen Kette von Eilanden und Atolls, welche alle Seefahrer wegen der wenigen Hilfsquellen, die sie bieten, halb zur Verzweiflung brachten. Carteret glaubte das von Quiros gesehene Land vor sich zu haben; das letztere, nach der Urbezeichnung Tahiti, liegt jedoch weiter im Norden.

Leider machten die gewöhnlichen Krankheiten nun tägliche Fortschritte. Der häufige Wechsel des Windes und die Beschädigungen des Schiffes ließen dieses nur um so langsamer vorwärts kommen. Carteret hielt es deshalb für gerathen, eine Route zu wählen, auf der er eher hoffen durfte, Nahrungs- und Stärkungsmittel zu finden und die so höchst nothwendigen Reparaturen vornehmen zu können.

»Ich beabsichtigte, sagt Carteret, nach der Ausbesserung des Fahrzeuges und Wiedereintritt der besseren Jahreszeit meine Fahrt nach Süden fortzusetzen, um neue Entdeckungen in diesem Theile der Erde zu machen. Im Falle der Auffindung eines Festlandes, das mir hinreichenden Proviant sicherte, wollte ich dann längs dessen Südküste hinsegeln, bis die Sonne wieder den Aequator passirte, und in tieferer südlicher Breite entweder nach dem Cap der Guten Hoffnung oder auch nach Osten zurück gehen, wenn nöthig, die Falklands-Inseln anlaufen und von da aus geraden Weges nach Europa steuern.«

Leider vermochte Carteret diese löblichen Pläne, die ihn als wirklichen Entdeckungsfahrer kennzeichnen, den die Gefahr mehr reizt, als sie ihn abschreckt, nicht vollständig durchzuführen. Er traf nämlich den Passat erst unter 16° der Breite, doch blieb die Witterung trotzdem sehr ungünstig. So sah er auch, [75] obwohl er in der Nähe der Inseln der Gefahr war, die Byron schon 1765 entdeckte, weder diese, noch ein anderes Land.

»Wir kamen wahrscheinlich, sagt er, bei einem oder dem anderen vorüber, das uns der Nebel verbarg, denn während dieser Fahrt flatterten oft sehr viele Vögel um das Schiff. Commodore Byron hatte bei seiner letzten Reise die nördlichste Grenze dieses Theiles des Oceans berührt, in dem die Salomons-Inseln liegen sollen; da ich nun viel weiter südlich gesegelt bin, habe ich alle Ursache zu glauben, daß die Lage derselben, wenn sie überhaupt existiren, auf allen Karten sehr unrichtig angegeben ist.«

Die letztere Voraussetzung traf in der That zu, doch existiren die genannten Inseln wirklich, und Carteret lief sie einige Tage später selbst an, freilich ohne dieselben zu erkennen.

Die vorräthigen Lebensmittel waren inzwischen entweder gänzlich aufgezehrt oder verdorben, Tauwerk und Segel vom Sturm zersetzt, das Reservegut ererschöpft und die Hälfte der Mannschaft lag krank darnieder, als zu alledem noch ein neues Unglück hinzu kam. Es entstand nämlich ein Leck, und zwar unterhalb der Wasserlinie, so daß derselbe unmöglich geschlossen werden konnte, so lange man sich auf offenem Meer befand. Ganz unerwarteter Weise kam da am nächsten Tage schon Land in Sicht. Es ist wohl überflüssig zu sagen, mit welcher Freude, welchem Jubel dasselbe begrüßt wurde. Das Gefühl der Ueberraschung und der winkenden Rettung läßt sich, nach Carteret's eigenem Ausdruck, nur mit dem vergleichen, das der Verbrecher empfinden mag, wenn er auf dem Schaffot seine Begnadigung empfängt. Es war das übrigens die Insel Nitendit, welche schon Mendana gesehen hatte.

Kaum griff der Anker in den Grund, als man ein Boot aussendete, um einen Wasserplatz aufzusuchen. Auf dem Strande zeigten sich zuerst schwarze, wollköpfige, ganz nackte Eingeborne, welche indeß entflohen, bevor das Boot anlangte. Ein schöner Fluß mit gutem Trinkwasser inmitten eines undurchdringlichen Waldes voller Bäume und Sträucher, welche bis zum Strande herab wucherten, und eine wilde bergige Landschaft – das war das Bild, welches der Führer des Bootes von dem Lande entwarf.

Am nächsten Tage wurde der Hochbootsmann noch einmal mit der Schaluppe ausgesandt, um einen bequemen Landungsplatz ausfindig zu machen, und erhielt den Auftrag, durch kleine Geschenke womöglich das Wohlwollen der Eingebornen zu erwerben. Es war ihm ausdrücklich vorgeschrieben, sich keinerlei[76] Gefahr auszusetzen und unbedingt zum Schiffe zurückzukehren, wenn mehrere Piroguen auf ihn zukämen, ferner das Boot nie zu verlassen und nur je zwei Mann auf einmal an's Land zu schicken, während die Anderen sich zur Vertheidigung bereit halten sollten. Carteret sandte auch sein eigenes Boot an's Land, um Wasser zu holen. Einige Eingeborne schossen Pfeile auf dasselbe ab, ohne glücklicher Weise Jemanden zu verletzen. Inzwischen kehrte auch die Schaluppe zu der »Swallow« zurück. Der Hochbootsmann hatte zwei Pfeile im Körper und die Hälfte der Leute war so schwer verwundet, daß jener und drei andere Matrosen wenige Tage später starben.

Der Vorgang war folgender gewesen: da er als der Fünfte an einer Stelle ausstieg, wo man mehrere Hütten bemerkte, hatte der Hochbootsmann mit den Eingebornen bald einen friedlichen Tauschhandel begonnen. Bald vermehrte sich die Anzahl der Wilden und er sah auch, daß mehrere Piroguen auf die Schaluppe zuruderten, konnte diese jedoch nicht eher wieder erreichen, als ihn ein ganz unerwarteter Angriff überraschte. Verfolgt von den Pfeilen der Eingebornen, welche selbst bis an die Schultern in's Wasser liefen, und von den Piroguen gejagt, konnte er nur entkommen, nachdem er mehrere getödtet und eines ihrer Boote in den Grund gebohrt hatte.

Dieser Versuch zur Auffindung einer geeigneten Stelle, wo man die »Swallow« hätte auf den Strand setzen können, war also so unglücklich ausgefallen, daß Carteret sein Schiff gleich wo es sich befand, auf die Seite legen ließ, um den Leck zu verschließen, so gut es anging. Wenn es dem Zimmermann, übrigens dem Einzigen, der noch bei leidlicher Gesundheit war, nicht gelang, denselben gänzlich zu verstopfen, so verkleinerte er ihn doch bedeutend. Während nun nochmals ein Boot nach dem Wasserplatz abfuhr, säuberte man vorher den Wald durch Kanonenschüsse vom Schiffe und durch Gewehrfeuer von der Schaluppe aus. Schon arbeiteten die Matrosen eine gute Viertelstunde, als sie plötzlich mit Pfeilen überschüttet wurden, von denen Einer von ihnen schwer an der Brust getroffen ward. So mußte man sich allemal zu denselben Maßregeln entschließen, wenn Wasser gefaßt werden sollte.

Wollte man der Krankheit Einhalt thun, so mußten um jeden Preis frische Nahrungs- und Stärkungsmittel beschafft werden, die an diesem Orte nicht zu erhalten waren. Carteret lichtete also am 17. August die Anker, nachdem er die Insel zu Ehren des Lords der Admiralität »Egmonts-Insel« und die Bai, in der er gelegen, die »Swallow-Bucht« getauft hatte. Obwohl er hier das von [77] den Spaniern schon Santa-Cruz genannte Land vor sich zu haben glaubte, verfiel er doch der damals gerade im Schwange befindlichen Mode, jedem von ihm besuchten Orte einen neuen Namen beizulegen. Dann segelte er in geringer Entfernung von der Küste hin, überzeugte sich, daß die Bevölkerung der Insel eine dichte war, und daß unter derselben vielfache Streitigkeiten herrschten. Hierdurch und durch die Unmöglichkeit, Lebensmittel zu erhalten, sah sich Carteret behindert, die übrigen Inseln der Gruppe, welche er »Königin Charlotte-Inseln« nannte, zu besuchen.

»Die Bewohner der Insel Egmont, sagt er, sind sehr gewandt, stark und unternehmend. Sie schienen ebenso gut im Wasser wie auf dem Lande zu leben, denn sie springen aus ihren Piroguen fast jede Minute einmal in's Meer....

Ein von denselben abgeschossener Pfeil drang sogar durch die Schanzkleidung des Schiffes und verwundete einen Officier auf dem Achterdeck gefährlich am Schenkel. Die Pfeile haben eine Spitze von Stein, niemals bemerkten wir aber daran irgend ein Metall. Das Land ist im Allgemeinen mit Wald bedeckt, von Bergen erfüllt und von vielen Thälern zerschnitten.«

Am 18. August 1767 verließ Carteret diesen Archipel in der Absicht, nach Neu-Britannien zu segeln. Vorher glaubte er wohl noch einige Inseln anzutreffen, wo er mehr Glück haben würde. Am 20. entdeckte er in der That ein niedriges Eiland, das er Gower nannte, und wo er sich einige Cocosnüsse verschaffen konnte. Am nächsten Tage fand er die Insel Simpson und Carteret, ferner eine Gruppe von neun Inseln, die er für das von Tasman entdeckte Ohang-Java hielt; später nach und nach Charles-Hardy, Winchelsea, welche er nicht als zu dem Salomons-Archipel gehörend ansah, Schouten's St. Jean und endlich Neu-Britannien, das er am 28. August erreichte.

Er fuhr zur Aufsuchung eines bequemen und sicheren Hafens längs der Küste desselben hin und machte in verschiedenen Baien Halt, wo er sich Holz, Cocos-und Muscatnüsse, Aloë, Zuckerrohr, Bambus und Palmenkohl verschaffen konnte.

»Dieser Kohl, sagt er, ist weiß, kraus von Blättern und hat einen zuckerhaltigen Saft; wenn man ihn roh genießt, schmeckt er fast wie Kastanien, gekocht aber besser als die besten Pastinaken. Wir schnitten denselben in kleine Stückchen und mischten ihn mit unserer Tafelbouillon, die uns, mit etwas Hafergrütze vermengt, ein sehr gutes Essen lieferte.

[78] Die Wälder waren belebt von zahlreichen Schwärmen von Tauben, Papageien und verschiedenen unbekannten Vögeln. Die Engländer besuchten auch mehrere verlassene Wohnungen. Wenn man von letzteren auf die Civilisation eines Volkes schließen darf, so mußten die Insulaner hier auf der niedrigsten Stufe stehen, denn sie besaßen die ärmlichsten Hütten, die Carteret überhaupt zu Gesicht bekommen hatte.

Der Befehlshaber benutzte seinen hiesigen Aufenthalt, um die ›Swallow‹ noch einmal umlegen und den Leck untersuchen zu lassen, den die Zimmerleute so gut wie möglich ausbesserten. Die Planken waren sehr abgenutzt, der Kiel von Würmern ganz zernagt; letzteren schützte man daher möglichst durch einen dicken Anstrich mit Pech und Theer.

Am 7. September nahm Carteret die lächerliche Ceremonie der Besitzergreifung des Landes im Namen Georg's III. vor; dann schickte er ein Boot auf Recognoscirung aus, das eine Menge Cocosnüsse und Palmenkohl, eine köstliche Labung für die Kranken an Bord, mitbrachte.

Obwohl der östliche Mousson noch lange Zeit wehen mußte, beschloß der Commandant doch, in Hinsicht auf den schlechten Zustand seines Schiffes, baldigst nach Batavia abzureisen, wo er seine Mannschaft wieder ausruhen und sich erholen, und die ›Swallow‹ gründlich ausbessern lassen zu können hoffte. Er verließ also am 9. September den Carteret-Hafen, den besten, den er seit der Magelhaens-Straße gefunden hatte.

Bald drang er in den Golf ein, den Dampier früher St. Georgs-Bai nannte, und den er als eine Meerenge erkannte, welche Neu-Britannien von Neu-Irland trennte. Er nahm diesen Canal, dem er den Namen St. Georges ließ, in Augenschein und beschrieb ihn in seinem Bericht mit einer Genauigkeit, welche für die Seefahrer seiner Zeit von hohem Werthe sein mußte. Dann folgte er der Küste Neu-Irlands bis an ihr westliches Ende. In der Nähe einer kleinen Insel, die er ›Sandwich‹ nannte, trat er auch mit den Eingebornen in nähere Beziehungen.

Die Insulaner, sagt er, sind schwarz und haben Wolle auf dem Kopfe wie die Neger, aber nicht so eine platte Nase und so wulstige Lippen. Wir urtheilten, daß sie zu derselben Menschenrace gehören möchten wie die Bewohner der Insel Egmont. So wie diese, gehen sie vollkommen nackt, mit Ausnahme einiger Ketten von Muscheln, die sie um Arme und Beine gebunden tragen. Gleichwohl huldigen sie einer Praxis, ohne welche auch unsere Damen und [79] [81]jungen Modeherren sich nicht für vollständig angekleidet halten würden. Sie bedecken nämlich die Haare, oder vielmehr die Wolle auf ihrem Kopfe mit weißem Puder; es scheint also, daß die Mode, sich zu pudern, schon sehr alt und viel weiter verbreitet ist, als man gewöhnlich annimmt.... Sie sind mit Spießen und großen keulenförmigen Stöcken bewaffnet, doch sahen wir bei ihnen niemals Pfeile und Bogen.«


Karte der Insel Otahiti. [Facsimile, Alter Kupferstich.] (S. 72.)

Nahe dem südwestlichen Ende von Neu-Irland, entdeckte er noch ein weiteres Land, dem er den Namen »Neu-Hannover« beilegte, und etwas entfernt davon[81] den Herzog von Portland-Archipel. Obgleich dieser Theil des Berichtes über seine Reise in bisher noch unbekannten Gegenden gerade eine Menge werthvoller Einzelheiten enthält, so entschuldigt sich Carteret, ein zuverlässigerer und eifrigerer Seefahrer als seine Vorgänger Byron und Wallis, doch noch ganz besonders, daß er nicht mehr zu sammeln im Stande gewesen sei.


Einige Eingeborne schossen Pfeile ab. (S. 77.)

»Die Beschreibung des Landes, sagt er, seiner Erzeugnisse und Bewohner wäre gewiß weit vollständiger und eingehender ausgefallen, wenn ich durch meine Krankheit nicht so geschwächt und erschöpft gewesen wäre, daß ich den Functionen, die mir aus Mangel an Officieren alle zufielen, fast erlag. Als ich mich kaum fortzuschleppen vermochte, mußte ich jede Wache anführen und mich in alle anderen Arbeiten mit meinem Lieutenant theilen, dessen Gesundheit ebenfalls nicht wenig zu wünschen übrig ließ.«

Von dem St. Georgs-Kanal aus steuerte man nun nach Westen. Carteret entdeckte noch mehrere Inseln; da ihn seine Krankheit aber während einiger Tage daran hinderte, das Deck zu besteigen, so konnte er deren Lage nicht genau feststellen. Er gab ihnen den Namen »Admiralitäts-Inseln« und sah sich zweimal genöthigt, von den Feuerwaffen Gebrauch zu machen, um sich der Angriffe der Eingebornen zu erwehren. Er kam hierauf nach der Insel Durour, nach Matty und den Cueden, deren Bewohner höchst erfreut waren, einige Stücke eines eisernen Reisens zu erhalten. Carteret behauptet, er habe wohl für einige metallene Geräthschaften alle Producte des Landes aufkaufen können. Lebten diese Völker auch in der Nachbarschaft von Neu-Guinea und den Archipelen, die er eben besucht hatte, so waren dieselben doch nicht schwarz, sondern kupferfarben. Sie hatten sehr lange, schwarze Haare, regelmäßige Züge und auffallend weiße Zähne. Mittelgroß, kräftig und beweglich, waren sie sehr heiter, zutraulich und kamen furchtlos an Bord des Schiffes. Einer von ihnen verlangte von Carteret sogar, ihn auf seiner Reise begleiten zu dürfen, und er weigerte sich, trotz aller Einreden seiner Landsleute und des Kapitäns standhaft, die »Swallow« zu verlassen. Einem so festen Willen gegenüber gab denn Carteret endlich nach; der arme Indianer aber, der den Namen Joseph Freewill erhalten hatte, erkrankte bald und starb schon auf Celebes.

Am 29. October erreichten die Engländer den nördlichsten Theil von Mindanao. Immer nach Wasser und frischen Früchten ausspähend, suchte Carteret hier vergeblich eine Bai, welche Dampier als sehr wildreich geschildert hatte. Etwas weiterhin traf er wohl auf einen Wasserplatz, das feindselige [82] Auftreten der Eingebornen nöthigte ihn aber nochmals, auf das hohe Meer hinauszugehen.

Von Mindanao aus steuerte der Befehlshaber nach der Macassar-Straße, zwischen Borneo und Celebes, und fuhr am 14. November in dieselbe ein. Das Schiff kam hier aber so wenig vorwärts, daß es in vierzehn Tagen nur achtundzwanzig Meilen zurücklegte.

»Krank und geschwächt, schreibt er, halb todt, angesichts des Landes, das wir nicht erreichen konnten, und Stürmen ausgesetzt, die uns fast zugrunde richteten, wurden wir nun gar noch von einem Seeräuber angefallen.«

Dieser griff, in der Hoffnung, die Engländer im Schlafe zu überraschen, die »Swallow« um Mitternacht an. Die Matrosen vertheidigten sich aber so muthig und geschickt, daß sie den malayischen Prao bald zum Sinken brachten.

Am 12. December sah Carteret zu seinem Leidwesen, daß der Westmousson aufgesprungen war. Die »Swallow« befand sich nicht in dem Zustande, gegen denselben ankämpfend, noch dazu bei widriger Strömung, Batavia zu erreichen. Er mußte sich also begnügen, nach Macassar, damals die Hauptniederlassung der Holländer auf Celebes, zu segeln. Fünfunddreißig Wochen lang waren die Engländer von der Magelhaens-Straße aus unterwegs, als sie ankamen.

Kaum hatten sie vor dem Hafen Anker geworfen, als ein vom Gouverneur abgesandter Holländer an Bord der »Swallow« kam. Er schien sehr erregt, da er sah, daß das Schiff der englischen Kriegsmarine angehörte. Am folgenden Tage schickte Carteret seinen Lieutenant Gower, um die Erlaubniß zu erlangen, in den Hafen einzulaufen, daselbst Stärkungsmittel für seine fast mit dem Tode ringende Mannschaft einzukaufen, um das Schiff auszubessern und hier das Umspringen des Mousson abzuwarten, aber man verweigerte ihm nicht nur an's Land zu gehen, sondern die Holländer beeilten sich auch, ihre Truppen zusammenzuziehen und ihre Schiffe klar zum Gefecht zu machen. Nach fünf Stunden traf endlich die Antwort des Gouverneurs an Bord ein, der Carteret's Wunsch ziemlich unhöflich und ohne jede Bemäntelung abschlug. Gleichzeitig verbot jener den Engländern, an irgend einem, der holländischen Regierung unterworfenen Orte an's Land zu gehen.

Alle Gegenvorstellungen Carteret's, der die Unmenschlichkeit dieser Weigerung hervorhob, selbst seine Drohung mit der Gewalt, erzielten kein anderes Resultat, als daß ihm zugestanden wurde, etwas Proviant einzukaufen und nach einer kleineren Bai in der Nähe zu segeln. Dort werde er, sagte man, [83] gegen den Mousson hinreichend Schutz finden, er könne daselbst auch ein Hospital für seine Kranken errichten; endlich böten sich ihm dort mehr Heilmittel für diese, während man ihm alles sonst noch Nothwendige von Macassar aus senden werde. In Gefahr, Hungers zu sterben und unterzugehen, mußte sich Carteret diesen Anforderungen fügen und sich entschließen, nach der Rhede von Bouthain zu segeln.

Hier wurden die Kranken zwar in einem Hause am Strande untergebracht, durften sich aber nicht weiter als dreißig Ruthen von demselben entfernen. Sie waren stets beobachtet und kamen mit den Eingebornen nicht in Berührung. Endlich konnten sie nichts, außer durch Vermittlung der holländischen Soldaten kaufen, welche von diesem Vorrechte einen sehr ausgiebigen Gebrauch machten und oft nicht weniger als tausend Procent Nutzen nahmen. Alle Klagen der Engländer verhallten nutzlos; sie mußten sich eben während des ganzen Aufenthaltes jener im höchsten Grade erniedrigenden Oberaufsicht unterwerfen.

Erst mit Rückkehr des Ostmoussons konnte Kapitän Carteret am 22. Mai 1768 Bouthain verlassen, nach langen, unaufhörlichen Quälereien und Beunruhigungen, die wir hier nicht im Einzelnen wiedergeben können, die aber seine Geduld oft auf eine sehr harte Probe stellten.

»Celebes, sagt er, ist der Schlüssel der Molukken oder Gewürzinseln, welche nothwendiger Weise dem Volke unterthan sind, dem diese Insel gehört. Die Stadt Macassar ist auf einer Landspitze erbaut und wird von einem oder zwei Flüssen bewässert, welche durch dieselbe oder in ihrer nächsten Nachbarschaft strömen. Der im Allgemeinen ebene Boden bietet einen hübschen Anblick. Es finden sich daselbst viele Pflanzungen und Cocosbäume, mit einer großen Anzahl von Häusern dazu, was auf eine dichte Bevölkerung schließen läßt..... In Bouthain giebt es ausgezeichnetes Rindfleisch, aber zu wenig, um ein Geschwader damit zu versehen, dagegen konnte man Reis, Geflügel und Früchte in beliebiger Menge haben. In den Wäldern irren auch sehr viele Schweine umher, welche sehr billig zu kaufen sind, weil die Landbewohner als Mohammedaner dieselben nicht als Speise benutzen....«

So unvollständig diese Bemerkungen auch sind, so hatten sie ihrer Zeit gewiß einen hohen Werth, und wir neigen zu der Annahme, daß sie auch heute, nach gut hundert Jahren, noch einen Kern von Wahrheit enthalten.

Die Fahrt von Batavia verlief ohne Unfall. Nach verschiedenen Verzögerungen, welche daher rührten, daß die holländische Compagnie von dem [84] Commandanten ein von dem Gouverneur von Macassar ausgestelltes Führungs-Attest verlangte, was Carteret stets verweigerte, erhielt er endlich die Erlaubniß, sein Schiff repariren zu dürfen.

Am 15. September ging die »Swallow«, wiederhergestellt, so gut es eben anging, auf's Neue unter Segel. Sie führte jetzt eine neue, zum Theile aus englischen Matrosen bestehende Besatzung, ohne welche es nicht möglich gewesen wäre, nach Europa zurück zu gelangen. Vierundzwanzig ihrer ersten Leute waren schon todt und gleich viel Andere in so traurigem Zustande, daß noch sieben derselben vor Erreichung des Caps den Geist aufgaben.

Nach einigem Aufenthalt in diesem Hafen, der seiner Mannschaft sehr zu statten kam und bis zum 6. Januar 1769 ausgedehnt wurde, stach Carteret wieder in See und begegnete auf der Höhe von Ascension, wo er angelegt hatte, einem französischen Schiffe. Es war das die Fregatte »Boudeuse«, mit welcher Bougainville eben eine Reise um die Erde ausgeführt hatte.

Am 20. März 1769 ging die »Swallow« auf der Rhede von Spithead, nach einer ebenso schwierigen wie gefahrvollen Fahrt von einunddreißig Monaten, wieder vor Anker.

Es bedurfte wirklich der ganzen seemännischen Erfahrung, des kalten Blutes und des nie erlahmenden Eifers eines Carteret, diese mit einem so wenig geeigneten Schiffe glücklich durchzuführen und dennoch so wichtige Entdeckungen zu machen. Wenn solche zu überwindende Hindernisse seinen Ruhm nur noch glänzender beleuchteten, so fällt die ganze Schmach der erbärmlichen Ausrüstung dagegen auf die englische Admiralität zurück, welche trotz des Einspruches eines erfahrenen Kapitäns, sowohl dessen Leben als auch das so vieler braver Seeleute auf's Spiel setzte.

[85]
3.
III.

Bougainville. – Was aus dem Sohne eines Notars Alles werden kann. – Kolonisation der Malouinen. – Buenos-Ayres und Rio de Janeiro. – Rückgabe der Malouinen an die Spanier. – Hydrographie der Magelhaens-Straße. – Die Pescheräs. – Die vier Facardinen. – Tahiti. – Vorfälle während des Aufenthaltes daselbst. – Producte des Landes und Sitten der Eingebornen. – Die Samoa-Inseln. – St. Esprit-Land oder die Neuen Hebriden. – Die Louisiade. – Die Inseln der Anachoreten. – Neu-Guinea. – Boutan. – Von Batavia nach St. Malo.


Während Wallis seine Reise um die Erde vollendete und Carteret seine lange und mühselige Fahrt fortsetzte, war eine französische Expedition zu dem Zwecke ausgerüstet worden, um in der Südsee auf Entdeckungen auszugehen.

Unter dem alten Regierungssystem, wo Alles von persönlicher Willkür abhing, wurden auch Titel, Grade und Stellungen vielfach je nach Gunst verliehen. Es war also gar nicht zu verwundern, daß ein Soldat, der vor kaum vier Jahren den Dienst in der Landarmee mit dem Grade eines Obersten quittirt hatte, mit dem eines Schiffskapitäns in die Marine übertrat und eine solche verantwortungsvolle Stelle übernahm.

Nur in außergewöhnlichen Fällen wurden diese auffallenden Maßregeln durch die Talente Desjenigen, der von ihnen Nutzen zog, entschuldigt.

Ludwig Anton de Bougainville erblickte das Licht der Welt am 13. November 1729. Als Sohn eines Notars sollte auch er zuerst die richterliche Laufbahn erwählen und trat wirklich als Advocat auf. Ohne Neigung zu der väterlichen Beschäftigung, widmete er sich jedoch fast ausschließlich den Wissenschaften, gab ein »Lehrbuch der Integral-Rechnung« heraus und ließ sich nebenbei noch unter die schwarzen Jäger aufnehmen. Von den drei Carrièren, die er ergriffen hatte, verließ er die beiden ersten bald vollständig, blieb auch der dritten nicht lange treu, sondern wandte sich einer vierten, der Diplomatie, zu, um diese endlich gegen eine fünfte, die des Seemannes, zu vertauschen, zuletzt starb er, in der sechsten Lebensstellung, als – Senator.

Erst Adjutant Chevert's, dann Secretär bei der Gesandtschaft in London, wo er als Mitglied in die königliche Akademie der Wissenschaften eintrat, reiste er im Jahre 1756 mit dem Grade eines Kapitäns der Dragoner von Brest ab, um sich Montcalm in Canada anzuschließen. Als Adjutant dieses Generals zeichnete er sich bei mehreren Gelegenheiten so vortheilhaft aus, daß er sich das besondere Vertrauen seines Vorgesetzten gewann und nach Frankreich zurückgesendet wurde, um Verstärkung zu verlangen.

[86] Frankreich hatte gerade damals so zahlreiche Unfälle in Europa erlitten, daß es aller seiner Kräfte bedurfte, sich hier seiner Feinde zu wehren. Als der junge Bougainville nun dem Herrn von Choiseul den Zweck seiner Mission auseinandersetzte, erwiderte der Minister schroff abweisend:

»Wenn das Feuer schon das Haus ergriffen hat, bekümmert man sich nicht um die Ställe. – Es wird wenigstens Niemand sagen können, antwortete Bougainville schnell, daß Sie, Herr Minister, wie – ein Pferd sprechen!«

Dieser Einfall war zu geistreich und zu beißend, als daß er ihm nicht das Wohlwollen des Ministers hätte verscherzen sollen. Zum Glück liebte Frau von Pompadour die schlagfertigen Leute; sie stellte Bougainville dem Könige vor, und wenn jener auch für seinen General nichts auszurichten vermochte, so gelang es ihm doch, sich zum Oberst und Ritter des heiligen Ludwig ernennen zu lassen, obgleich er erst sieben Dienstjahre zählte. Nach Canada zurückgekehrt, ließ er es sich angelegen sein, Ludwig's XV. Vertrauen zu rechtfertigen, und that sich bei mehreren Gefechten rühmlich hervor. Nach dem Verluste dieser Kolonie diente er in Deutschland unter Choiseul-Stainville.

Der Friede von 1763 machte seiner militärischen Laufbahn ein Ende. Das Leben in der Garnison konnte einem so lebhaften Geiste, einem an Bewegung gewöhnten Manne wie Bougainville unmöglich genügen. Da entwarf er den sonderbaren Plan, die Falklands-Inseln im äußersten Süden Amerikas zu kolonisiren und dorthin die canadischen Ansiedler zu führen, welche kurz vorher nach, Frankreich gegangen waren, um dem tyrannischen Joche Englands zu entfliehen. Begeistert für diese Idee, wandte er sich an mehrere Rheder in St. Malo, welche seit Anfang dieses Jahrhunderts den genannten Archipel besuchen ließen und ihm den Namen der Malouinen gegeben hatten.

Sobald er sich deren Zustimmung gesichert, entwickelte Bougainville in einer Eingabe an das Ministerium mit glänzender Darstellung die etwas problematischen Vortheile dieser Niederlassung, welche durch ihre glückliche Lage den nach der Südsee segelnden Schiffen als erwünschter Zufluchtsort sollte dienen können. Er erlangte wirklich die nachgesuchte Autorisation, gleichzeitig mit seiner Ernennung zum Schiffskapitän.

Es war im Jahre 1763. Man durfte zwar nicht erwarten, daß die Officiere, welche von der Pique auf gedient hatten, diese Ernennung, welche sich durch nichts rechtfertigen ließ, mit günstigen Augen ansehen würden. Das bekümmerte aber den Marine-Minister Choiseul Stainville sehr wenig. Bougainville[87] hatte unter seinem eigenen Oberbefehl gestanden, und er fühlte sich als viel zu großer Herr, um nicht die Nergeleien des Officier-Corps der Marine unbeachtet zu lassen.


Kampf der »Swallow« mit einem malayischen Prao. (S. 83.)

Nachdem Bougainville die Herren de Nerville und d'Arboulin, seinen Vetter und seinen Onkel, für die eigenen Pläne gewonnen, ließ er sofort unter der Leitung Guyot-Duclos in St. Malo die »Aigle« von 20 Kanonen und die »Sphinx« von 12 Kanonen ausrüsten, auf denen er mehrere canadische Familien einschiffte. Am 15. September reiste er von St. Malo ab, ging vor der Insel St. Catherine, an der Küste Brasiliens, vor Anker, später bei Montevideo, wo [88] er viel Pferde und Rinder einkaufte, und landete an den Malouinen in einer großen Bai, die ihm seinen Zwecken gut zu entsprechen schien; bald mußte er sich freilich überzeugen, daß das, was alle Seefahrer für mäßig hohe Wälder gehalten hatten, nichts war als niedriges Schilf. Kein Baum, kein Strauch wuchs auf der ganzen Insel. Als Brennmaterial fand sich glücklicher Weise eine Menge ausgezeichneter Torf. Auch Fischfang und Jagd lieferten reichlichen Ertrag.

Zu Anfang bestand die Kolonie aus neunundzwanzig Personen, für welche man kleine Wohnhäuschen und ein Magazin für die Lebensmittel erbaute. Gleichzeitig [89] entwarf und begann man die Anlage einer Befestigung, welche vierzehn Kanonen aufnehmen sollte. Herr de Nerville erbot sich zur Leitung der Niederlassung, während Bougainville am 5. April nach Frankreich zurückkehrte. Dort sammelte er neue Kolonisten und nahm eine reichliche Ladung Provisionen aller Art ein, mit denen er am 5. Januar 1765 wieder ankam.


Bougainville [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 86.)

Bougainville [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 86.)


Bald darauf ging er nach der Magelhaens-Straße ab, um eine Ladung Holz einzunehmen, wobei er, wie wir oben erwähnten, die Schiffe des Commodore Byron traf, denen er bis zum Port Famine (Hungerhafen) folgte. Hier verschaffte er sich mehr als 10.000 Baumpflanzen verschiedenen Alters, die er nach den Malouinen überzuführen gedachte. Als er den Archipel am nächsten 27. April wieder verließ, zählte die Kolonie achtzig Einwohner unter einem vom Könige besoldeten Generalstabe. Gegen Ende des Jahres 1765 wurden die beiden Schiffe mit Lebensmitteln und neuen Ansiedlern zurückgeschickt.

Die Niederlassung nahm jetzt schon eine bestimmtere Gestalt an, da setzten sich die Engländer an dem von Byron entdeckten Port Egmont fest. Gleichzeitig versuchte der Kapitän Macbride die Oberhoheit über die Kolonie zu erlangen, indem er behauptete, daß diese Länder dem Könige von England gehörten, obgleich Byron die Malouinen erst zu Gesicht bekam, als die Franzosen schon seit zwei Jahren festen Fuß gefaßt hatten. Nun trat Spanien mit seinen, jedenfalls begründeteren Ansprüchen auf und erklärte die Kolonie für ein zum Gebiete Südamerikas gehöriges, also ihm untergebenes Land. Weder England, noch Frankreich wollte wegen des Besitzes dieses für den Handel ziemlich unwichtigen Archipels Streitigkeiten beginnen, und so erhielt Bougainville den Befehl, seine Kolonie an Spanien unter der Bedingung zu übergeben, daß der Hof von Madrid für alle entstandenen Kosten aufkomme. Bald darauf veranlaßte die französische Regierung die regelrechte Auslieferung der Malouinen an die spanischen Emissäre.

Dieser etwas unüberlegte Kolonisationsversuch wurde übrigens doch zur Ursache und Quelle des Glücks für Bougainville, da ihn das französische Ministerium beauftragte, um die zuletzt ausgerüsteten Schiffe wenigstens zu benützen, durch die Südsee zurückzukehren und daselbst auf Entdeckungen auszugehen.

In den ersten Tagen des Monats November 1766 begab sich Bougainville nach Nantes, wo sein zweiter Officier, Duclos-Guyot, ein erfahrener Seemann, aber ergraut in unteren Stellungen, nur weil er nicht von Adel war, jetzt als Führer eines Branders, die Ausrüstung der Fregatte »Boudeuse« von [90] 28 Kanonen überwachte. Am 15. November segelte Bougainville von der Rhede von Mindin, an der Mündung der Loire, nach dem La Plata-Strome ab, wo er die beiden spanischen Fregatten »La Esmeralda« und »La Libre« treffen sollte. Kaum gelangte aber die »Boudeuse« auf das hohe Meer, als sich ein entsetzlicher Sturm erhob. Die Fregatte erlitt trotz ihrer neuen Takelage namhafte Havarien und mußte zur Ausbesserung nach Brest zurückkehren, wo sie am 21. November eintraf. Schon die erste Probe überzeugte den Befehlshaber derselben, daß die »Boudeuse« für die von ihr erwarteten Dienste nicht besonders geeignet war. Er verminderte also die Höhe der Masten und vertauschte die Geschütze gegen solche von leichterem Kaliber; trotz alledem schien die Fregatte einem schweren Seegang und den Stürmen des Cap Horn nicht gewachsen. Da das Zusammentreffen mit den Spaniern einmal bestimmt war, mußte Bougainville wieder auf das Meer hinausgehen. Der Generalstab des Schiffes bestand derzeit aus elf Officieren und drei Freiwilligen, unter Letzteren der Prinz von Nassau-Siegen. Die Mannschaft zählte dreihundert Matrosen, Schiffsjungen und Diener.

Bis zum La Plata blieb das Meer ziemlich ruhig und gestattete Bougainrille vielerlei Beobachtungen über die Strömungen, welche schon zu vielen Irrthümern bei Abschätzung des zurückgelegten Weges Veranlassung geworden waren.

Am 31. Januar ankerte die »Boudeuse« vor Montevideo, wo sie die beiden spanischen Fregatten, unter dem Commando Philippe Ruis Puentes, schon seit einem Monate erwarteten. Der Aufenthalt Bougainville's auf der Rhede und der darauf folgende vor Buenos-Ayres, wo er mit dem Gouverneur wegen seiner Mission in Unterhandlung trat, bot ihm Gelegenheit, über die Stadt und die Sitten ihrer Bewohner mancherlei merkwürdige Beobachtungen zu machen, die wir hier nicht unerwähnt lassen können. Buenos-Ayres erschien ihm für die Anzahl seiner Einwohner, welche zwanzigtausend nicht überschreiten mochte, entschieden zu groß. Es erklärt sich das dadurch, daß die Häuser alle nur ein Stockwerk haben, daneben aber von großen Gärten und Höfen umgeben sind. Die Stadt hat nicht nur keinen Hafen, sondern auch nicht einmal einen Molo. Die Seeschiffe sind daher genöthigt, ihre Ladung auf Lichterschiffen zu löschen, welche dann in einen kleinen Fluß einfahren, wo die Ballen wiederum auf Wagen geladen werden, um in die Stadt zu gelangen. Was Buenos-Ayres einen originellen Charakter verleiht, das ist die große Menge von Mönchs- und Nonnenklöstern.

[91] »Fast jeden Tag des Jahres, sagt Bougainville, feiert man hier Festtage gänzlich unbekannter Heiligen durch Processionen und Feuerwerke. Die Ceremonien beim Gottesdienst gleichen mehr einem Schauspiel. Die Jesuiten gaben hier den Frauen noch mehr Gelegenheit, ihre Frömmigkeit zu bethätigen, als ihre Vorgänger. Sie errichteten im Zusammenhange mit ihrem Kloster ein besonderes Haus unter dem Namen ›Casa de los ejercicios de las mujeras‹, d. h. Haus der Frauenandacht. Dahin kamen Frauen und Mädchen ohne Zustimmung ihrer Männer und Eltern, um sich durch zwölftägige Bußübungen zu reinigen. Hier wurden sie auf Kosten der Gesellschaft Jesu untergebracht und beköstigt, und in dieses Heiligthum hatte kein anderer Mann Zutritt außer den Brüdern des heiligen Ignaz (von Loyola); selbst weiblichen Dienerinnen blieb es verwehrt, ihre Herrinnen zu begleiten. Die Andachtsübungen bestanden in stiller Betrachtung, Gebet, Katechese, Wiederholung des Glaubensbekenntnisses und Geißelung. Man zeigte uns an den Mauern der Kapelle noch das Blut, das jene frommen Magdalenen bei ihren Bußübungen verspritzten.«

Die Umgebungen der Stadt erwiesen sich fleißig angebaut und mit vielen Landhäusern, sogenannten »Quintas«, übersäet. Schon in der Entfernung von zwei oder drei Meilen von Buenos-Ayres aber fand man nichts als endlose Ebenen, ohne jede Abwechslung und im unbestrittenen Besitz von Pferden und Büffeln, welche deren einzige Bewohner bildeten. Diese Thiere weideten hier in solcher Menge, sagt Bougainville, »daß die Reisenden, wenn sie Hunger hatten, einen Stier erlegten, davon verzehrten, was sie essen konnten, und das Uebrige für die wilden Hunde und die Tiger liegen ließen«.

Die zu beiden Seiten des La Plata hausenden Indianer konnten von den Spaniern noch nicht unterworfen werden. Man nannte sie »Indios bravos«.

»Sie sind von mittlerer Größe, sehr häßlich und fast Alle mit Aussatz behaftet. Ihre Hautfarbe zeigt ein tiefes Braun, das Fett aber, mit dem sie sich einzusalben pflegen, läßt sie noch dunkler erscheinen. Von Kleidungsstücken tragen sie nichts als einen mantelartigen Ueberwurf aus Ziegenfell, der ihnen bis zu den Füßen herabhängt und in den sie sich einhüllen.... Diese Indianer verbringen ihr Leben meist zu Pferde, wenigstens in der Nachbarschaft der spanischen Niederlassungen. Dorthin kommen sie zuweilen mit ihren Frauen, um Branntwein einzukaufen, und trinken dann unablässig, bis sie regungslos liegen bleiben.... Manchmal rotten sie sich auch zu Trupps von zwei-bis dreihundert Mann zusammen und rauben dann die Thiere von den spanischen Ländereien [92] oder greifen selbst Karawanen von Reisenden an, die sie plündern, niedermetzeln oder in die Sklaverei abführen. Leider ist diesem Uebel nicht zu steuern; wie sollte man auch solche wilde Völkerschaften zügeln, welche in einem so großen und uncultivirten Lande umherschweifen, daß es schon schwer genug ist, sie nur aufzufinden?«

Der Handel lag hier gänzlich darnieder, seit das Verbot bestand, europäische Waaren auf dem Landwege nach Peru und Chile zu schaffen. Doch sah Bougainville noch ein Schiff mit einem Cargo, im Werthe von einer Million Piastern von Buenos-Ayres auslaufen, »und wenn alle Landbewohner, fügt er hinzu. Gelegenheit hätten, nur ihre Felle und Häute nach Europa abzusetzen, so würden sie davon allein reich werden«.

Der Ankerplatz von Montevideo ist recht sicher, obwohl man hier nicht selten von den »Pamperos«, das sind Südweststürme mit furchtbaren Gewittern, überrascht wird. Die Stadt bietet nichts Merkwürdiges; ihre Umgebungen sind nicht bebaut und man muß hier Mehl. Brot und überhaupt Alles, was die Schiffe brauchen, erst von Buenos-Ayres kommen lassen. Dagegen findet man, Früchte, wie Feigen, Pfirsiche, Aepfel und dergleichen in Menge, und ebenso viel eßbares Fleisch, wie im ganzen übrigen Lande.

Es ist interessant, die Documente von vor hundert Jahren mit denen unserer jetzigen Reisenden, und vorzüglich mit Emil Daireaux' Buche über den La Plata zu vergleichen. In manchen Beziehungen stimmen die Bilder Beider noch heute überein, nach anderen Seiten freilich – z.B. bezüglich des Unterrichtswesens, von dem Bougainville noch kein Wort zu erwähnen fand – hat man hier auffallende Fortschritte gemacht.

Nach Einnahme der nöthigen Lebensmittel und Vorräthe an Wasser und lebendem, Fleisch gingen die drei Schiffe am 28. Februar 1767 nach den Malouinen unter Segel. Die Ueberfahrt war nicht vom Glück begünstigt. Schnell wechselnde Winde, schwerer Seegang und stürmische Witterung verursachten manche Havarien der »Boudeuse«. Am 23. März ging sie in der Baie française vor Anker und traf daselbst am folgenden Tage auch die beiden spanischen Schiffe, welche vom Sturm ebenfalls viel zu leiden gehabt hatten.

Am 1. April fand die feierliche Uebergabe des Etablissements an die Spanier statt. Nur wenige Franzosen machten von der Erlaubniß des Königs Gebrauch, auf den Malouinen zu verbleiben, sondern fast Alle zogen es vor, auf den wieder nach Montevideo abgehenden spanischen Fregatten an Bord zu [93] gehen. Bougainville selbst mußte die Flute »Etoile« abwarten, welche ihm Provisionen zuführen und ihn auf der Reise um die Erde begleiten sollte.

Inzwischen verfloß der März, April und Mai, ohne daß die »Etoile« anlangte, und doch erschien es unmöglich, über den Pacifischen Ocean mit dem für sechs Monate berechneten Vorrath an Lebensmitteln zu segeln, den die »Boudeuse« selbst mit sich führte. Bougainville beschloß also, am 2. Juni nach Rio de Janeiro zu gehen, das er Herrn de Giraudais, dem Befehlshaber der »Etoile«, als Ort des Zusammentreffens bezeichnet hatte, wenn diesen irgend welche Umstände hindern sollten, die Malouinen selbst anzulaufen.

Die Fahrt verlief unter so günstigem Wetter, daß er kaum achtzehn Tage brauchte, um die portugiesische Kolonie zu erreichen. Hier wartete die »Etoile« erst seit vier Tagen, weil sie Frankreich weit später, als man hoffte, verlassen hatte. Sie war Sturmes halber gezwungen gewesen, in Montevideo Schutz zu suchen, und von hier aus, entsprechend den hinterlassenen Instructionen, nach Rio abgesegelt.

Von dem Grafen d'Acunha, dem Vicekönig von Brasilien, sehr freundlich empfangen, fanden die Franzosen Gelegenheit, in der Oper die »Komödie der Irrungen« von einer Mulatten-Truppe dargestellt zu sehen und die Meisterwerke der großen italienischen Componisten von einem elenden Orchester ausgeführt zu hören, das ein buckliger Abbé im Priester-Ornat dirigirte.

Das Wohlwollen des Grafen d'Acunha war aber leider nicht von langer Dauer. Bougainville, der mit Erlaubniß des Vicekönigs eine Schnaue gekauft hatte, sah plötzlich deren Auslieferung verweigert. Ebenso wurde ihm untersagt, von der königlichen Werft das nöthige Holz zu entnehmen, das er schon erhandelt, und endlich wehrte man ihm auch noch, während der Reparation der »Boudeuse« mit seinem Stabe in einem kleinen Hause in der Nähe der Stadt zu wohnen, das ihm ein Privatmann zur Verfügung gestellt hatte. Um allen Mißhelligkeiten zu entgehen, betrieb Bougainville seine Abreise so eilig als möglich.

Bevor er die Hauptstadt Brasiliens verließ, verbreitete sich der französische Commandant eingehend über die Schönheit des Hafens, seine romantischen Umgebungen, und läßt sich auch ausführlich über die reichlichen Schätze des Landes aus, für welche der Hafen den Stapelplatz bildet.

»Die sogenannten ›Hauptminen‹, sagt er, liegen der Stadt am nächsten und höchstens fünfundsiebzig Meilen davon entfernt. Sie bringen dem Könige jedes Jahr an ›Fünften‹ mindestens hundertzwölf Aroben Gold ein; im Jahre [94] 1762 ergaben sich sogar hundertneunzehn. Unter der Gruppe der Hauptminen verstand man die von Rio des Morts, von Sabara und von Sero-Frio. Die erstere liefert außer dem Gold, das man ans ihr gewinnt, alle die Diamanten, welche aus Brasilien kommen. Mit Ausnahme der Diamanten sind alle übrigen Edelsteine hier nicht als Contrebande anzusehen; sie gehören den Unternehmern, welche nur verpflichtet sind, über die gefundenen Diamanten genaue Rechenschaft abzulegen und sie dem vom Könige zu diesem Zwecke eingesetzten Intendanten abzuliefern. Der Intendant verwahrt sie in einer mit Eisen beschlagenen und mit drei Schlössern versehenen Cassette. Den einen Schlüssel zu dieser besitzt er selbst, den zweiten der Vicekönig und den dritten der Provedor de hacienda reale. Die erste Cassette wird alsdann in eine zweite eingeschlossen, auf der die drei genannten Personen ihre Siegel anbringen, und welche die drei Schlüssel der ersteren enthält. Der Vicekönig hat nicht das Recht, zu untersuchen, was sie enthält. Er sorgt nur dafür, daß Alles in einen dritten, starken Koffer kommt, den er, nach Versiegelung des Schlosses, nach Lissabon sendet.«

Trotz dieser Vorsichtsmaßregeln und der hohen Strafen, welche jeden Diamantendieb treffen, wird doch noch ein unglaublicher Betrug getrieben. Jene Diamanten bilden übrigens nicht die einzige Revenue des Königs von Portugal, sondern Bougainville rechnet, daß dessen gesammte Einnahmen nach Abzug der Unterhaltung der Truppen, des Gehaltes der Civilbeamten und aller Verwaltungskosten, aus Brasilien allein zehn Millionen Pfund erreichen dürften.

Von Rio nach Montevideo ereignete sich kein bemerkenswerther Zwischenfall; auf dem La Plata aber wurde die »Etoile« von einem spanischen Schiffe angesegelt, wobei sie das Bugspriet, die Gallion und verschiedenes Tauwerk einbüßte. Diese Havarien und die Heftigkeit des Stoßes, welcher das Schiff etwas leck gemacht hatte, nöthigten dasselbe, nach Encenada de Baragan zurückzukehren, wo es leichter war als in Montevideo, die nöthigen Reparaturen auszuführen. Doch konnte man den Strom nicht vor dem 14. November verlassen.

Dreizehn Tage später befanden sich die Schiffe in Sicht des Caps der Jungfrauen, am Eingange der Magelhaens-Straße, in welche sie sofort einfuhren. Die Possessions-Bai, die erste, der man begegnet, stellt eine große Einbuchtung dar, welche allen Winden ausgesetzt ist und nur schlechte Ankerplätze bietet. Vom Cap der Jungfrauen bis zum Cap Orange rechnet man etwa fünfzehn Meilen, während die Breite der Meerenge überall fünf bis sieben Meilen beträgt. Die erste enge Fahrstraße ward ohne Schwierigkeit überwunden und [95] in der Boucault-Bai Anker geworfen, wo zehn Officiere und Matrosen an's Land gingen.

Diese machten bald Bekanntschaft mit den Patagoniern und tauschten verschiedene, für jene werthvolle Kleinigkeiten gegen Vigogne- und Guanacofelle aus. Die Einwohner waren zwar von großer Figur, doch nicht über sechs Fuß hoch.

»Wahrhaft riesig, sagt Bougainville, erschien mir an ihnen nur ihre ungeheure Schulterbreite, die Dicke ihres Kopfes und die Stärke der Gliedmaßen. Sie sahen kräftig und wohlgenährt aus; ihre Nerven schienen straff und das Fleisch fest und zäh; mit einem Worte, sie gleichen Menschen, welche im Naturzustande und bei vollsaftiger Nahrung sich frei entwickelt haben, soweit das eben möglich war.«

Von dem ersten nach dem zweiten Sunde, der ebenso glücklich passirt ward, mögen es sechs oder sieben Meilen sein. Derselbe ist nur eineinhalb Meile breit und etwa vier Meilen lang. In diesem Theile der Meerenge trafen die Schiffe auf die Inseln St. Barthelemy und Elisabeth. An der letzteren gingen die Franzosen an's Land, fanden aber weder Holz, noch Wasser, sondern nur ein Stück gänzlich unfruchtbares Erdreich.

Von eben dieser engen Straße ab erscheint dagegen die amerikanische Küste reichlich mit Wald bestanden. Ueberwand Bougainville nun auch die ersten schwierigen Stellen mit großem Glücke, so sollte er dafür später Gelegenheit finden, seine Geduld zu beweisen. Es ist nämlich für das hiesige Klima charakteristisch, daß Veränderungen in der Atmosphäre so unerwartet und heftig auftreten, daß Niemand davon auch nur eine Ahnung haben kann. In Folge dessen kommt es zu Havarien, wo man am wenigsten daran denkt, und zu Verzögerungen der Fahrt, wenn die Schiffe nicht gar gezwungen werden, an der Küste Schutz zu suchen, um ihre Schäden auszubessern.

Die Bai Guyot-Duclos ist ein ausgezeichneter Ankerplatz, wo man bei sechs bis acht Faden Tiefe guten Grund findet. Bougainville hielt hier an, um seine Wassertonnen neu zu füllen und sich womöglich etwas frisches Fleisch zu verschaffen; er fand aber nur eine kleine Zahl wilder Thiere. Zunächst lief man nun die Landspitze St. Anna an. Hier hatte Sarmiento im Jahre 1581 die Kolonie Philippeville gegründet. In einem vorhergehenden Abschnitte haben wir schon die schreckliche Katastrophe geschildert, in Folge welcher diese Stelle den Namen »Port Famine« erhielt. Die Franzosen entdeckten bald verschiedene Baien, Caps und kleine Häfen, in welche sie einliefen. Es waren das die Bai [96] Bougainville, wo die »Etoile« gekielholt wurde, der Hafen »Beau-Bassin«, die Cormandière-Bai, an der Küste von Feuerland das Cap »Forward«, das die südlichste Spitze der Meerenge und Patagoniens bildet, die »Cascade-Bai« auf Feuerland, deren Sicherheit und guter Ankergrund, neben der Leichtigkeit, sich hier Holz und Wasser zu beschaffen, aus ihr ein Plätzchen machen, das dem Seefahrer nichts zu wünschen übrig läßt.


Man ließ sie tanzen. (S. 98.)

Die Häfen, welche Bougainville entdeckte, haben auch noch den Vorzug, daß man von ihnen aus bequem laviren kann, um das Cap Forward, einen wegen seiner ungestümen und widrigen [97] Winde, die man hier allzu häufig antrifft, allgemein gefürchteten Punkt, zu umsegeln.

Den Anfang des Jahres 1768 verlebte man in der Fortescue-Bai, in deren Grunde sich der Hafen Galant öffnet, dessen Gestalt de Gaines schon früher sehr genau aufgenommen hat. Ein abscheuliches Wetter, von dem der schlechteste Winter in Paris keine Vorstellung aufkommen läßt, hielt die französische Expedition hier drei Wochen lang zurück. Sie wurde unterdessen von einer Gesellschaft »Pescherähs«, das sind Bewohner von Feuerland, besucht, welche auch die Schiffe bestiegen.

»Man ließ sie singen, tanzen, sagt der Bericht, Instrumente hören und vor Allem essen, was sie mit gutem Appetit thaten. Ihnen war Alles recht, Brot, Salzfleisch, Talg, sie verzehrten eben, was man ihnen vorsetzte.... sie zeigten kein Erstaunen, weder über die Schiffe selbst, noch über andere Gegenstände, die man ihnen zeigte, was ohne Zweifel daher rührt, daß man schon einige elementare Vorstellungen haben muß, um die Werke der Menschenhand zu bewundern. Diese rohen Menschen betrachteten die Meisterwerke der Industrie wie die Naturerscheinungen als etwas selbstverständliches. Sie sind klein, behend, mager und verbreiten einen unausstehlichen Geruch um sich. Dabei gehen sie beinahe nackt, denn sie tragen nur schlechte Felle von Meerwölfen, welche noch dazu zu klein sind, um sie zu umhüllen.... Die Frauen sind häßlich und ihre Männer scheinen sich blutwenig um sie zu bekümmern.... Diese Wilden wohnen, Männer, Frauen und Kinder bunt durcheinander, in niedrigen Hütten, in deren Mitte ein Feuer brennt. Sie nähren sich vorzüglich von Muschelthieren, doch benützen sie zur Jagd auch Hunde und Schlingen von Walfischbarten.... Uebrigens sind es gutmüthige Leute, freilich gleichzeitig so schwächlicher Natur, daß darauf nicht sehr viel zu geben ist. Von allen Wilden, die ich gesehen habe, trugen die Pescherähs die wenigste Kleidung.«

Der Aufenthalt an diesem Orte sollte noch durch einen traurigen Zwischenfall bezeichnet werden. Ein Kind von etwa zehn Jahren war an Bord gekommen, und man hatte ihm einige Stückchen Glas und Spiegelscherben gegeben, ohne zu ahnen, welchen Gebrauch es davon machen würde. Diese Wilden haben, wie es scheint, die Gewohnheit, Talgstückchen als Talisman in die Kehle zu stecken. Der Knabe hatte es mit dem Glase ebenso machen wollen; als die Franzosen abfahren wollten, sahen sie, wie jener sich schmerzhaft wand und Blut erbrach. Sein Rachen und Zahnfleisch waren tief zerschnitten. Trotz der Beschwörungen [98] und Abreibungen eines Zauberers, oder vielleicht gar in Folge der gar zu energischen Behandlungsweise desselben, litt das Kind entsetzliche Qualen und gab auch bald darauf seinen Geist auf. Das war für die Pescherähs das Signal zur allgemeinen Flucht. Sie glaubten ohne Zweifel, die Franzosen hätten sie behext und sie müßten Alle auf diese Weise umkommen.

Als die »Boudeuse« dann am 16. Januar die Insel Rupert zu erreichen suchte, wurde sie von der Strömung bis auf eine halbe Kabellänge in die Nähe des Ufers getrieben. Der schleunigst ausgeworfene Anker zerbrach und die, Fregatte hätte, ohne einen zum Glück aufspringenden Landwind, unrettbar scheitern müssen. Man sah sich in Folge dessen genöthigt, nach dem Hafen Galant zurückzukehren. Das geschah übrigens gerade zur rechten Zeit, denn am anderen Tage wüthete ein entsetzlicher Sturm.

»Nachdem wir im Hafen Galant sechsundzwanzig Tage lang von unbeständigen und widrigen Winden heimgesucht worden waren, reichten sechsunddreißig Stunden einer so günstigen Brise, wie ich sie kaum je erlebt habe, hin, uns bis zum Pacifischen Ocean zu treiben, eine Segelfahrt, welche bezüglich der Schnelligkeit, mit der wir von genanntem Hafen bis nach der Mündung der Meerenge gelangten, wohl einzig dastehen dürfte. Ich schätze die Gesammtlänge der Meerenge vom Cap der Jungfrauen bis zu dem der Pfeiler auf etwa hundertvierzig Meilen. (Heute wissen wir, daß die Magelhaens-Straße sechshundert Kilometer lang ist.) Wir brauchten in Allem zweiundfünfzig Tage zur Fahrt durch dieselbe.... Trotz der Schwierigkeiten, die wir dabei zu überwinden hatten (und hier stimmt Byron auch mit Bougainville überein), würde ich doch diesen Weg stets dem um das Cap Horn herum vorziehen, wenigstens in der Zeit von Ende September bis Ende März, in den anderen Monaten des Jahres freilich lieber auf dem offenen Meere segeln. Widrige Winde und schwerer Seegang sind an sich keine Gefahren, während es unklug ist, nahe zwischen zwei Ländern im Finstern herumzutappen. Immer wird man in der Meerenge einige Zeit aufgehalten werden, doch ist diese Zeit nicht als gänzlich verloren zu betrachten. Man findet in derselben vieles und gutes Wasser, Holz, Muscheln, stellenweise auch schöne Fische, und ich bin überzeugt, daß der Scorbut einer Mannschaft viel mehr mitspielt, die um das Cap Horn gesegelt ist, als derjenigen, die durch die Magelhaens-Straße in das westliche Meer gelangte. Als wir aus derselben herauskamen, hatten wir keinen einzigen Kranken.«

[99] Die Ansicht Bougainville's hat bis in die letzte Zeit viele Widersacher gefunden und die von ihm so warm empfohlene Route wurde von den Seefahrern fast vollständig vernachlässigt. Mit noch größerem Rechte geschieht das heutzutage, wo der Dampf das Seewesen vollkommen umgestaltet und alle Bedingungen der Nautik verändert hat.

Kaum war er in die Südsee gelangt, als Bougainville zu seinem Erstaunen südliche Winde antraf. Er mußte in Folge dessen darauf verzichten, die Insel Juan-Fernandez anzulaufen, was er von vornherein im Willen hatte.

Mit dem Befehlshaber der »Etoile« war Verabredung dahin getroffen worden, daß die beiden Schiffe, um einen größeren Theil des Meeres übersehen zu können, soweit von einander entfernt segeln sollten, als das möglich war, ohne einander aus den Augen zu verlieren, und daß die Flute jeden Abend bis auf eine halbe Meile in die Nähe der Fregatte zurückkehren sollte, so daß das kleine Schiff, wenn die »Boudeuse« eine Gefahr bemerkte, derselben entgehen konnte.

Bougainville sachte nach der Osterinsel eine Zeit lang vergeblich. Dann erreichte er im Monat März den Breitengrad der auf Bellin's Karte irrthümlicher Weise unter dem Namen Quiros-Inseln verzeichneten Länder und Inseln. Am 22. desselben Monats bekam er vier Eilande in Sicht, denen er den Namen »die vier Facardines« beilegte und welche einen Theil des Gefährlichen Archipels bilden, jener Anhäufung niedriger, halb mit Wasser bedeckter Sternkorallen-Wucherungen, welche aufzufinden alle Seeleute, die durch die Magelhaens-Straße oder um das Cap Horn herum in die Südsee steuerten, sich das Wort gegeben zu haben scheinen. Etwas weiter hin wurde eine fruchtbare, von gänzlich nackt gehenden Wilden bewohnte Insel entdeckt, welch' letztere lange Spieße mit drohenden Geberden schwangen, woher jene den Namen »Insel der Lanciers« erhielt.

Wir wollen hier nicht wiederholen, was wir über die Natur der Insel, über die Schwierigkeit der Landung an derselben und über die wilde und ungastliche Bevölkerungschon mehrfach zu sagen Gelegenheit hatten. Diese Insel der Lanciers z.B. ist dieselbe, welche Cook Thrum-Cap nannte, und Bougainville's Insel de la Harpe, die er am 24. entdeckte, entsprach der Insel Bow desselben Seefahrers.

Da der Befehlshaber wußte, daß Roggeween bei der näheren Untersuchung dieser Gegend beinahe umgekommen wäre, und der Ansicht war, daß deren [100] weitere Kenntnißnahme die damit verknüpften Gefahren in keiner Weise aufwöge, segelte er sofort nach Süden und verlor bald den ausgedehnten Archipel aus dem Auge, der sich auf eine Länge von fünfhundert Meilen hin erstreckte und nicht weniger als sechzig Einzelinseln und Inselgruppen umfaßte.

Am 2. April sah Bougainville einen hohen und steilen Berg, dem er den Namen »Pic de la Boudeuse« gab. Es war die Insel Maïtea, welche Quiros schon »La Dezana« getauft hatte. Am 4. befanden sich die Schiffe bei Sonnenaufgang in Sicht von Tahiti, einer langen Insel, die aus zwei, durch eine kaum eine Meile breite Landzunge verbundenen Halbinseln besteht.

Ueber hundert Piroguen mit Auslegern umschwärmten bald die beiden Schiffe; sie waren mit Cocosnüssen und anderen köstlichen Früchten beladen, welche man ohne Schwierigkeit gegen allerhand Kleinigkeiten eintauschte. Bei einbrechender Nacht erglänzte das Ufer von tausend Feuern, die man vom Bord durch einige Raketen beantwortete.

»Der Anblick dieser amphitheatralisch aufsteigenden Küste, sagt Bougainville, bot uns ein reizendes Bild. Obgleich die Berge sich hier zu beträchtlicher Höhe erheben, so zeigt sich doch nirgends das nackte Gestein; Alles ist dicht mit Holz bedeckt. Wir trauten kaum unseren Augen, als wir einen bis zum äußersten, isolirten Gipfel mit Bäumen bestandenen Spitzberg erblickten, der sich etwa in der Mitte der Insel über die anderen Berggruppen erhob; er schien nicht mehr als dreißig Toisen im Durchmesser zu haben und nahm weiter oben immer mehr an Dicke ab; aus der Ferne hätte man denselben wohl für eine ungeheure Pyramide halten können, welche die Hand eines gewandten Decorateurs mit Blätterguirlanden geschmückt hatte. Das weniger hoch gelegene Land enthält da und dort Wiesen und Buschwerk, und längs des ganzen Ufers zieht sich nahe dem Strande, am Fuße des Oberlandes, ein Streifen niedriger, dicht mit Pflanzenwuchs bedeckter Erde hin. Hier gewahrten wir auch inmitten der Bananen, Cocospalmen und anderer mit Früchten beladener Bäume die Wohnungen der Insulaner.«

Der ganze nächstfolgende Tag wurde mit dem Tauschhandel hingebracht. Außer den Früchten boten die Eingebornen auch Hühner, Tauben, Fischerei-Geräthschaften, Werkzeuge, Stoffe und Muscheln an, für welche sie Nägel und Ohrgehänge verlangten. Am 6. Morgens, nachdem man drei Tage lang an der Küste hin gekreuzt, um eine sichere Rhede zu finden, entschloß sich Bougainville, in der Bai vor Anker zu bleiben, die er am Tage seiner Ankunft gesehen hatte.

[101] »Der Zuzug von Piroguen, sagte er, war rings um die Schiffe so stark, daß wir viele Mühe hatten, uns inmitten der Menge und des Geräusches am Ufer festzulegen. Alle kamen mit dem Rufe: ›Tayo!‹, was Freunde bedeuten soll, und suchten ihre wohlwollende Gesinnung durch allerlei andere Zeichen auszudrücken. In den Booten befanden sich auch viele Frauen, welche an Gestalt den meisten Europäern kaum etwas nachgaben und an Körperschönheit wohl mit allen wetteifern könnten.«

Bougainville's Koch hatte trotz des ergangenen Verbotes es doch zu ermöglichen gewußt, zu entwischen und an's Land zu gehen. Kaum aber daselbst angekommen, wurde er von einer zahlreichen Menge umringt, die ihn vollständig auskleidete, um alle Theile seines Körpers in Augenschein zu nehmen. Er wußte natürlich nicht, was man mit ihm vornehmen würde, und hielt sich schon für verloren, als man ihm seine Kleider wieder zustellte und ihn die Eingebornen mehr todt als lebendig nach dem Schiffe zurückbrachten. Bougainville wollte ihn noch tadeln, der arme Kerl behauptete aber, er könne ihm drohen, mit was er nur wolle, so würde er ihm damit nicht so viel Angst einjagen, als er auf dem Lande schon ausgestanden habe. Sobald das Schiff vertäut lag, ging auch Bougainville in Begleitung mehrerer Officiere an's Land, um einen Wasserplatz zu suchen. Schnell umringte ihn eine ungeheure Menschenmenge, die ihn mit größter Neugier betrachtete und immerfort »Tayo! Tayo!« schrie. Ein Eingeborner nöthigte ihn in sein Haus und setzte ihm Früchte, geröstete Fische und Wasser vor. Bei der Rückkehr nach dem Strande wurden die Franzosen von einem hübsch gewachsenen Insulaner aufgehalten, der unter einem Baume liegend ihnen anbot, den Rasen, der ihm als Lagerstatt diente, mit ihm zu theilen.

»Wir erfüllten seinen Wunsch, sagt Bougainville. Der Mann neigte sich dann zu uns und sang leise, in Begleitung einer Art Flöte, die ein Anderer mit der Nase blies, ein Lied von scheinbar anakreontischem Charakter; eine reizende und des Pinsels eines Boucher würdige Scene. Vertrauungsvoll gingen vier Insulaner mit an Bord, speisten mit Vergnügen und blieben daselbst über Nacht. Wir spielten ihnen Einiges auf der Flöte, der Baßgeige und auf der Violine vor und brannten zu ihrer Belustigung ein kleines Feuerwerk von Raketen und Schwärmern ab. Dieses Schauspiel erregte zwar ihr freudiges Erstaunen, aber erschreckte sie doch ein wenig.«

Bevor wir weiter gehen und andere Auszüge aus Bougainville's Bericht mittheilen, halten wir uns für verpflichtet, den Leser darauf aufmerksam zu [102] machen, daß er diese, Virgil's Idyllen in den bukolischen Gesängen würdigen Bilder nicht etwa zu genau nimmt. Die fruchtbare Phantasie des Erzählers sacht offenbar Alles zu verschönern. Der reizende Anblick, den er vor Augen hat, die pittoreske Natur genügen ihm noch nicht, und er glaubt seiner Schilderung noch mehr Lichter aufsetzen zu müssen, während er sie damit nur überladet. Jedenfalls vollendete er seine Arbeit in gutem Glauben und gewiß halb unbewußt. Man darf eben allen diesen Beschreibungen nicht in allen Punkten trauen. Für diese damals zeitgemäße Richtung findet sich ein wahrhaft merkwürdiger Beweis in dem Berichte über die zweite Reise Cook's. Hodges, der die Expedition als Maler begleitete, führt uns auf einem Bilde, das die Landung der Engländer an der Insel Middelbourgh darstellt, Leute vor, welche kein Mensch für Bewohner der oceanischen Welt halten, sondern die Jedermann in Hinblick auf ihre Toga weit eher für Zeitgenossen des Cäsar oder Augustus ansehen würde. Und doch hatte der Maler die Originale vor Augen, also unschwer Gelegenheit, eine Scene, deren Zeuge er gewesen, in aller Treue wiederzugeben. Heutzutage trägt man der Wahrheit doch strenger Rechnung. Da sind die Berichte der Reisenden nicht durch unnützen Plunder oder falschen Schmuck entstellt. Verfallen sie dadurch auch in den Ton der trockenen Darstellung, der dem gewöhnlichen Leser nicht gefällt, so findet dafür der Gelehrte in ihnen doch eine verläßliche Quelle und die Bausteine zu einer für den Fortschritt der Wissenschaften nützlichen Arbeit.

Wir folgen nun unserem Erzähler weiter.

An dem Ufer des kleinen, im Hintergrunde der Bai mündenden Flusses ließ Bougainville seine Kranken unterbringen und stellte auch Wasserfässer mit einer Wache zu deren Sicherheit auf. Diese Anordnungen erregten doch einigermaßen das Mißtrauen und den Verdacht der Eingebornen. Letztere gestatteten den Fremdlingen zwar gern, an's Land zu gehen und während des Tages auf ihrer Insel umherzuschweifen, wünschten aber offenbar, daß diese sich wenigstens während der Nacht nach den Schiffen zurückbegäben. Bougainville bestand aber auf seinem Willen und bestimmte nur im voraus die Dauer seines Aufenthaltes.


Insel der Lanciers. (S. 100.)

Von diesem Augenblick an war das beste Einvernehmen wieder hergestellt. Für die vierunddreißig Scorbutkranken und ihre dreißig Wärter und Wächter wurde ein großer Schuppen eingerichtet und auf allen Seiten verschlossen, so daß er nur einen einzigen Eingang behielt, vor dem die Eingebornen eine Menge Gegenstände aufstapelten, die sie austauschen wollten. Die einzige Unannehmlichkeit, [103] die man hier zu erdulden hatte, bestand darin, daß man Alles, was an's Land gebracht worden war, stets im Auge behalten mußte, »denn in ganz Europa giebt es nicht so gewandte Spitzbuben, als diese Leute hier«. Einer löblichen Gewohnheit, welche nach und nach allgemeiner wurde, folgend, beschenkte Bougainville den Häuptling der Ansiedlung mit ein Paar Truthühnern, nebst männlichen und weiblichen Canarienvögeln, und ließ ein Stück Land in Stand setzen, das er mit Roggen, Gerste, Hafer, Reis, Mais, Zwiebeln und dergleichen besäete.

[104] Am 10. ward ein Eingeborner durch einen Schuß getödtet, ohne daß Bougainville, trotz der strengsten Nachforschungen, den Urheber des abscheulichen Mordes ausfindig zu machen vermochte. Die Eingebornen glaubten offenbar, daß ihr Landsmann den Fremden zuerst Unrecht gethan haben werde, und führten dem Markte ihre Erzeugnisse mit unerschüttertem Vertrauen nach wie vor zu.


Piroguen der Marquesas-Inseln. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 101.)

Der Befehlshaber wußte recht wohl, daß die Rhede keinen guten Schutz gewährte und der Meeresgrund aus großen Korallen bestand. Am 12. fügte die »Boudeuse«, von der der Greling (kleinstes Kabeltau) eines Ankers sich an [105] den Korallen zerschnitten hatte, der »Etoile« schwere Beschädigungen zu, indem sie auf letztere lostrieb. Während die Mannschaft an Bord noch mit Ausbesserung derselben beschäftigt und ein Boot ausgefahren war, um eine andere Durchfahrt zu suchen, welche es den beiden Schiffen dann gestattet hätte, bei jedem Winde auszulaufen, hörte Bougainville, daß drei Insulaner in ihren Hütten durch Bajonettstiche getödtet worden waren und daß die Eingebornen auf diese Schreckensnachricht hin Alle in das Innere entflohen seien.

Ohne Rücksicht auf die den Schiffen drohende Gefahr ging der Kapitän sofort an's Land und ließ die Urheber jenes Verbrechens in Ketten legen, das ja leicht ein ganzes Volk gegen die wenigen Franzosen hätte aufhetzen können. Dank dieser schnellen und strengen Maßregel, beruhigten sich die Einwohner und die Nacht verlief ohne Zwischenfall.

Uebrigens machten derlei Vorkommnisse Bougainville noch nicht die meiste Sorge. Er kehrte also so schnell als möglich nach seinem Schiffe zurück. Während eines starken Hagelschauers mit heftigen Windstößen, grobem Seegang und mächtigem Donner wären die beiden Fahrzeuge beinahe an die Küste geworfen worden, wenn sich nicht zur rechten Zeit ein frischer Wind vom Lande erhoben hätte. Die Anker-Grelinge rissen und es fehlte wenig, so wären die Schiffe auf die Klippen getrieben worden, wo sie natürlich bald in Stücke gehen mußten. Die »Etoile« konnte glücklicher Weise die hohe See gewinnen und bald gelang das auch der »Boudeuse«, wobei sie auf dieser Rhede nicht weniger als sechs Anker zurückließen, die ihnen auf der ferneren Reise gewiß von großem Nutzen gewesen wären.

Kaum wurden die Eingebornen die nahe bevorstehende Abfahrt der Franzosen gewahr, als sie mit Stärkungsmitteln aller Art in großer Menge herzuströmten. Gleichzeitig sprach ein Eingeborner, Namens Aoturu, den Wunsch aus, der ihm auch gewährt wurde, Bougainville auf seiner Reise zu begleiten. In Europa angelangt, wohnte Aoturu elf Monate über in Paris, wo er bei der besten Gesellschaft die wohlwollendste Aufnahme fand. Als er im Jahre 1770 nach seiner Heimat zurückkehren wollte, benutzte die Regierung eine sich bietende Gelegenheit, ihn zunächst nach Isle de France zu bringen. Von hier aus sollte er sich, sobald es die Jahreszeit erlaubte, nach Tahiti begeben; er starb aber auf dieser Insel, ohne nach seiner Heimat die reichliche Ladung an nützlichen Werkzeugen, Sämereien und Thieren überführen zu können, die ihm von Seite der französischen Regierung geschenkt worden war.

[106] Tahiti, das wegen der Schönheit seiner Frauen von Bougainville den Namen »Neu-Kithere« erhielt, ist die größte Insel der Gruppe der Gesellschafts-Inseln. Obgleich von Wallis, wie wir früher erwähnten, schon besucht, fügen wir noch einige Nachrichten hinzu, die man Bougainville zu verdanken hat.

Die hauptsächlichsten Erzeugnisse waren damals Cocosnüsse, Bananen, Brotbäume, Yamswurzeln, Curasol, Zuckerrohr u.s.w. Der auf der »Etoile« eingeschiffte Naturforscher de Commerson fand hier die Flora Indiens wieder. An Vierfüßlern gab es nur Schweine, Hunde und Ratten, die letzteren in großer Menge.

»Das Klima ist so gesund, sagt Bougainville, daß trotz der hier vorgenommenen anstrengenden Arbeiten und trotzdem, daß unsere Leute hier beständig halb im Wasser und der brennenden Sonne ausgesetzt waren, auch auf der blanken Erde unter freiem Himmel schliefen, doch kein Mensch erkrankte. Die Scorbutkranken, die wir an's Land brachten und welche daselbst kaum eine völlig ruhige Nacht gehabt haben, erlangten ihre Kräfte wieder und erholten sich in ganz kurzer Zeit so weit, daß sie als geheilt an Bord zurückkehren konnten. Welche schlagendere Beweise könnte man wohl verlangen für die Heilsamkeit der Luft und der Lebensweise der Urbewohner, als die Gesundheit und Kraftfülle derselben, obwohl sie in Häusern wohnen, welche allen Winden offen stehen und die Erde, die ihnen als Lagerstatt dient, kaum mit einigen Blättern bedecken; als das glückliche Alter, das sie ohne Beschwerde erreichen, die Feinheit ihrer Sinne und die auffallende Schönheit der Zähne, die man auch noch bei den Bejahrtesten beobachtet!«

Der Charakter dieser Völker erschien sanft und gutmüthig. Wenn eigentliche Bürgerkriege unter ihnen auch deshalb nicht vorkommen, weil das Land in kleine, unter je einem unabhängigen Häuptling stehende Districte zerfällt, so giebt es doch nicht selten Streitigkeiten mit den Bewohnern der benachbarten Inseln. Nicht zufrieden damit, die mit bewaffneter Hand gefangenen Männer und Knaben zu tödten, ziehen sie den ersteren auch noch die Kinnhaut mit dem Barte ab und heben diese gräßliche Trophäe sorgfältig auf. Ueber ihre Religion und sonstigen Gebräuche konnte Bougainville nur unbestimmte Nachrichten sammeln. Nur den Cultus, den sie den Verstorbenen widmen, vermochte er besser kennen zu lernen. Sie bewahren die Leichen nämlich sehr lange Zeit an der freien Luft auf einer Art Schaffot, das mit einer Art Hängematte überdeckt wird. Trotz des üblen Geruches, den die in Fäulniß übergehenden Cadaver [107] ausströmen, wehklagen die Frauen doch jeden Tag eine Zeit lang neben diesen Monumenten und benetzen die widerwärtigen Ueberbleibsel ihrer Lieben mit Thränen und – mit Cocosöl.

Die Erzeugnisse des Bodens gedeihen hier so reichlich und verursachen so wenig Arbeit, daß Männer und Frauen sonst fast stets in süßem Nichtsthun hin leben. Dabei erscheint es gar nicht so auffallend, daß die Letzteren für die Todtenklagen so viel Zeit übrig haben. Tanz, Gesang, langdauernde Plaudereien voll ungezwungener Heiterkeit haben bei den Bewohnern von Tahiti eine so leichte Fassungsgabe und einen so beweglichen Geist entwickelt, daß es selbst die Franzosen wundernahm, welche man doch nicht für sehr ernsthaft hält, ein Vorwurf, der ihnen freilich meist von Denen gemacht wird, die nicht so lebhaft, heiter und geistreich sind wie sie. Es war fast unmöglich, die Aufmerksamkeit der Ureinwohner längere Zeit zu fesseln. Alles interessirte, aber nichts beschäftigte dieselben. Trotz dieses Mangels an Reflexion waren sie doch gewerbfleißig und ziemlich geschickt. Ihre Piroguen z.B. schienen ebenso zweckmäßig wie solid gebaut. Angeln und Fischereigeräthe waren sehr sorgfältig gearbeitet. Ihre Netze glichen ganz den unsrigen. Die aus der Rinde eines gewissen Baumes hergestellten Stoffe waren künstlich gewebt und mit glänzenden Farben geschmückt.

Wir glauben den Eindruck, den Bougainville von den Tahitiern mit hinwegnahm, dahin zusammenfassen zu können, daß wir sagen, sie sind ein Volk von »Lazzaronis«.

Am 16. April befand sich Bougainville um acht Uhr Morgens etwa zehn Meilen nördlich von Tahiti, als er unter dem Winde Land bemerkte. Obwohl das selbe drei Inseln zu bilden schien, bestand es doch nur aus einer einzigen. Es hieß, nach Aoturu's Aussage, Omaitia. Der Befehlshaber, der sich hier nicht weiter aufhalten wollte, suchte auf seinem Wege nun vorzüglich die Inseln der Gefahr zu vermeiden, da ihm Roggeween's Unfälle bekannt waren. Während des ganzen Monats April blieb übrigens das Wetter sehr schön und der Wind mäßig.

Am 3. Mai steuerte Bougainville auf ein neues, eben entdecktes Land zu und gewahrte an anderen Stellen auch noch weitere Inseln. Die Küste der größten derselben erschien sehr steil; sie bestand in der That nur aus einem bis zum Gipfel mit Bäumen besetzten Berge, ohne Thäler und Strandgebiet. Man bemerkte auf derselben einige Feuer und vereinzelte im Schatten von Cocosbäumen errichtete Hütten, während etwa dreißig Männer am Ufer hin und her liefen.

[108] Gegen Abend näherten sich den Schiffen einige Piroguen, und nach kurzem, sehr erklärlichem Zaudern begann der Tauschhandel. Für ihre Cocosnüsse, Goyaven und ziemlich schlechten Stoffe, welche wenigstens denen auf Tahiti nachstanden, verlangten die Eingebornen vorzüglich nach Stückchen von rothem Tuche, wiesen aber Eisen, Nägel und Ohrgehänge verächtlich zurück, die Gegenstände, welche auf dem Bourbonen-Archipel, mit welchem Namen Bougainville die Tahiti-Gruppe bezeichnet, so großen Anklang gefunden hatten. Brust und Oberschenkel bis zum Knie liebten die Eingebornen tief blau zu färben; Bart trugen sie nicht, das Haar dagegen in einem starken Bündel auf dem Scheitel befestigt.

Am nächsten Tage sah man noch mehrere zu demselben Archipel gehörige Inseln. Ihre scheinbar sehr wilden Bewohner wagten niemals in die Nähe der Schiffe zu kommen.

»Die Länge dieser Insel, heißt es in dem Berichte, ist ungefähr dieselbe, auf der Abel Tasman zu sein glaubte, als er die Inseln Amsterdam, Rotterdam und Prinz Wilhelm, sowie die Fleenskerk-Untiefen entdeckte. Es ist auch nahezu dieselbe wie die der Salomons-Inseln. Uebrigens deuteten die Piroguen, welche wir in der Richtung nach Süden auf die hohe See hinausfahren sahen, darauf hin, daß dort noch weitere Inseln liegen müssen. Diese Länder scheinen demnach eine, sich unter demselben Meridian hinstreckende Kette zu bilden. Die Inseln, welche man den Schiffer-Archipel nennt, liegen unter 14° südlicher Breite, und zwar 171 und 172° westlicher Länge von Paris.«

Nach dem Verbrauche der frischen Nahrungsmittel fing der Scorbut wieder an sich zu zeigen. Man mußte also daran denken, irgendwo an's Land zu gehen. Am 21. desselben Monats wurden die Inseln Pentecosta, Aurora und die Leprosen wahrgenommen, welche den von Quiros im Jahre 1606 entdeckten Archipel der Neuen Hebriden bilden. Da eine Landung bequem ausführbar erschien, beschloß der Commandant, eine Abtheilung aus Land zu senden, um Cocosnüsse und andere antiscorbutische Früchte zu holen. Im Laufe des Tages schloß sich auch Bougainville selbst jener an. Die Matrosen fällten Holz und die Eingebornen halfen jenen, es zu verladen. Trotz dieses scheinbar guten Verhältnisses entschlugen sich die Letzteren doch nicht gänzlich alles Mißtrauens und behielten ihre Waffen in Händen; selbst Diejenigen, welche keine solche bei sich führten, hatten große Steine neben sich, um diese zur Vertheidigung zu gebrauchen. Nach hinlänglicher Belastung der Boote mit Holz und, Früchten schiffte Bougainville [109] seine gesammte Mannschaft wieder ein. Da drängten die Eingebornen in dichter Menge heran und überschütteten die Abfahrenden mit einem Hagel von Pfeilen, Lanzen und Zagaien; Einzelne sprangen sogar in's Wasser, um die Franzosen besser angreifen zu können. Da mehrere in die Luft abgefeuerte Schüsse keine Wirkung auf die Wilden hervorbrachten, so vertrieb man dieselben mit einer wohlgezielten Gewehrsalve.

Wenige Tage später kam ein Boot, das an der Leprosen-Insel nach einer Ankerstelle sachte, in die Lage, angegriffen zu werden. Nachdem es zwei Pfeile erhalten, gaben die Leute Feuer und unterhielten dasselbe dann so lebhaft, daß Bougainville seine Mannschaft in ernstlicher Gefahr glaubte. Bei diesem Zusammentreffen fielen zahlreiche Opfer; die in die Wälder entflohenen Wilden stießen ein entsetzliches Geheul aus. Es war ein wirkliches Blutbad. Sehr beunruhigt über das andauernde Schießen, wollte der Commandant dem Boote schon noch ein zweites zu Hilfe schicken, als er das andere um die Ecke kommen sah. Er ließ dasselbe sofort zu sich rufen. »Ich ergriff darauf, sagt er, die strengsten Maßregeln, um uns nicht wieder durch einen solchen Mißbrauch unserer überlegenen Kräfte zu entehren.«

Welche traurige Erscheinung, die Seefahrer immer und immer wieder ihre Macht so leichtsinnig mißbrauchen zu sehen! Empört diese Wuth, zu zerstören, ohne jeden Grund, jede Nothwendigkeit, ja, ohne nur dazu gereizt zu sein, nicht jedes bessere Gefühl? Welcher Nation die Entdeckungsreisenden auch immer angehören mögen, stets sehen wir sie dasselbe Verbrechen begehen. Man hat also gar keine Ursache, nur dem oder jenem Volke einen derartigen Vorwurf zu machen, er trifft leider die ganze Menschheit.

Nachdem sich Bougainville mit dem Nothwendigsten versorgt, stach er wieder in See.

Der Seefahrer scheint vorzüglich darauf ausgegangen zu sein, recht viel neue Entdeckungen zu machen, denn er nimmt alle Länder, die er antrifft, nur sehr oberflächlich, sozusagen im Fluge in Augenschein, und von allen seinem Berichte beigefügten, übrigens sehr zahlreichen Karten umfaßt nicht eine einzige weder einen ganzen Archipel, noch löst sie die Fragen, die man bei einer neuen Entdeckung wohl zu stellen berechtigt ist. Kapitän Cook verfuhr nicht auf dieselbe Weise. Seine sorgfältigen, mit großer Ausdauer durchgeführten Untersuchungen sichern ihm schon deshalb allein einen weit höheren Rang als dem französischen Seefahrer.

[110] Die Länder, welche die Franzosen eben aufgefunden hatten, waren keine anderen als die Inseln des Heiligen Geistes. Malicolo nebst St. Barthelemy und die dazu gehörigen Eilande. Obwohl er nun die Identität dieser Gruppe mit Quiros' Tierra del Espiritu-Santo erkannte, konnte Bougainville doch nicht umhin, ihr einen neuen Namen zu geben, und nannte er sie den Archipel der »Grünen Cycladen«, eine Benennung, für die man in späterer Zeit den Namen die »Neuen Hebriden« einführte.

»Ich glaube wohl, sagt er, daß das Land hier der nördlichste Punkt des schon von Roggeween unter dem 11. Breitengrade gesehenen ist, das er damals Tienhoven und Gröningen taufte. Uns schien, als wir hier landeten, Alles darauf hinzudeuten, daß wir uns im südlichen Theile der Tierra del Espiritu-Santo befanden. Unsere eigenen Beobachtungen stimmten mit Quiros' Bericht vollständig überein, und was wir zu Augen bekamen, reizte uns nur zu neuen Nachforschungen. Eigenthümlich ist es, daß wir, genau unter der nämlichen Breite und Länge, unter welcher Quiros seine große Bai St. Jaques und St. Philippe verlegt, und an einer Küste, die man auf den ersten Blick für die eines Festlandes halten könnte, eine Durchfahrt auffanden, genau von derselben Breite, die er der Oeffnung seiner Bai giebt. Sollte der spanische Seefahrer hier falsch gesehen haben? Sollte er über seine Entdeckungen absichtlich haben einige Unklarheit bestehen lassen? Sollten die Geographen durch eignes Hinzuthun das Land des Heiligen Geistes mit Neu-Guinea verwechselt haben? Um dieses Problem zu lösen, mußte man demselben Breitengrade etwa noch auf dreihundertfünfzig Meilen folgen. Ich entschloß mich dazu, obwohl der Zustand und die Menge unserer Nahrungsmittel es rathsam erscheinen ließen, sobald als möglich eine europäische Niederlassung aufzusuchen. Man wird sehen, daß wir nahe daran waren, die Opfer unserer Ausdauer zu werden.«

Während sich Bougainville hier aufhielt, riefen ihn verschiedene dienstliche Angelegenheiten nach seinem Begleitschiffe der »Etoile«, wo er eine eigenthümliche Thatsache constatirte, welche doch schon längere Zeit der Gegenstand der Unterhaltung der Mannschaft gewesen war. Der Naturforscher de Commerson hatte als Diener einen gewissen Barré. Dieser, ein unermüdlicher, intelligenter Mensch und selbst schon geübter Botaniker nahm an allen Ausflügen seines Herrn Theil und trug stets die Küsten, Lebensmittel, Waffen und Pflanzenhefte, so daß er sich den Beinamen »das Saumthier« erworben hatte.


Das Abenteuer Barré's. (S. 112.)

Seit einiger Zeit hieß es nun plötzlich, Barré sei ein Weib. Sein glattes Gesicht, der Ton [111] der Stimme, seine Zurückhaltung und einige andere Zeichen schienen diesen Verdacht zu bestätigen, als ein Vorkommniß auf Tahiti denselben zur Gewißheit erhob.

De Commerson war an's Land gegangen, um zu botanisiren, und Barré begleitete ihn wie gewöhnlich mit dem ganzen Geräthe, als Letzterer plötzlich von Eingebornen umringt wurde, welche mit dem Geschrei, er sei eine Frau, sich schon anschickten, ihre Behauptungen zu bestätigen. Ein Fähnrich, Herr von Bournand, hatte große Mühe, ihn den Händen derselben zu entreißen und nach dem Boote zurückzubringen.

[112] Während seines Aufenthaltes auf der »Etoile« ließ sich Barré dem Befehlshaber gegenüber zu einem Geständniß herbei. In Thränen aufgelöst, bekannte der Gehilfe des Naturforschers die Wahrheit und entschuldigte sich, seinen Herrn getäuscht zu haben, indem er sich diesem bei der Abreise in Männerkleidern vorstellte. Ohne Angehörige und durch einen Proceß ruinirt, hatte das junge Mädchen jene Verkleidung gewählt, um sich selbst besser durchzuhelfen. Sie wußte übrigens, als man an Bord ging, daß es galt, eine Erdumsegelung auszuführen, aber diese Aussicht erschreckte sie viel weniger, sondern bestärkte sie nur in ihrem Entschlusse.


Inseln der Louisiaden. (S. 115.)

»Das dürfte also die erste Frau sein, welche eine Reise um die Welt mitgemacht hat, sagt Bougainville, und ich muß ihr das Zeugniß geben, daß sie sich an Bord stets untadelhaft betragen hat. Sie ist weder häßlich, noch hübsch und mag sechsundzwanzig bis siebenundzwanzig Jahre zählen. Man wird zugeben, daß die Barré, wenn die Schiffe an einer einsamen Insel [113] verunglückt wären, gewiß die besten Aussichten für die Zukunft gehabt hätte.«

Am 29. Mai verlor die Expedition das Land aus dem Gesicht. Jetzt schlug man einen westlichen Kurs ein. Am 4. Juni zeigte sich unter 15°50' der Breite und 148°10' östlicher Länge eine gefährliche Klippe, welche so wenig über das Wasser emporragte, daß man sie in zwei Meilen Entfernung nicht einmal vom Top der Masten aus wahrnehmen konnte. Die Auffindung noch weiterer Risse, eine Menge dahertreibender Stämme, Früchte und ganze Seeeichen, sowie die verhältnißmäßige Ruhe des Meeres, Alles deutete auf die Nähe eines großen Landes in Südosten hin. Es war das »Neu-Holland«.

Bougainville beschloß nun, sich aus diesem gefährlichen Fahrwasser zurückzuziehen, wo er nichts zu finden hoffen durfte als ein mit Klippen und Untiefen erfülltes Meer. Auch noch ein anderer Grund drängte ihn, einen andern Weg einzuschlagen; sein Proviant ging zu Ende, das gesalzene Fleisch begann faulig zu werden und die Leute verzehrten lieber Ratten, wenn sie solche fangen konnten. Brot war nur noch für zwei Monate, Gemüse nur für vierzig Tage übrig. Alles wies darauf hin, nach Norden zurückzukehren.

Unglücklicher Weise legte sich der Wind von Süden, und als er wieder aufsprang, brachte er die ganze Expedition in die größte Gefahr. Am 10. Juni erblickte man Land im Norden, und zwar den Grund der Louisiaden-Bucht, welche den Namen »Orangerie-Sackgasse« erhalten hat. Das Land bot ein verlockendes Aussehen. Längs des Meeres hin dehnte sich ein niedriger Strand aus mit Bäumen und Gebüschen, deren balsamischer Duft bis zu den Schiffen herüberdrang, während sich der Erdboden allmählich amphitheatralisch nach den inneren Bergen hin erhob, die ihre hohen Wipfel in den Wolken verbargen.

Leider sollte es unmöglich werden, diesem reichen und fruchtbaren Gebiete einen Besuch abzustatten, ebenso wie im Westen eine nach dem Süden von Neu-Guinea führende Durchfahrt aufzusuchen, welche durch den Carpentaria-Golf auf dem kürzesten Wege nach den Molukken geführt hätte. Gab es überhaupt eine solche Straße? Es erschien das sehr zweifelhaft, denn man glaubte das Land sich ohne Ende nach Westen weiter erstrecken zu sehen. Jetzt galt es, so[114] schnell als möglich wieder aus dem Golfe herauszukommen, in den man sich unbesonnener Weise hineingewagt hatte.

Von einem Wunsche bis zu dessen Verwirklichung ist es aber immer weit. Vergeblich boten die beiden Schiffe bis zum 31. Juni Alles auf, um sich von dieser mit Klippen und Rissen übersäeten Küste nach Westen hin zu entfernen, da Wind und Strömungen sie an derselben festzuhalten gewillt schienen. Nebel und Regen trugen das ihrige dazu bei, daß man sich mit der begleitenden »Etoile« nur durch dann und wann gelöste Kanonenschüsse in Verbindung erhalten konnte. Sobald der Wind wechselte, wollte man sogleich auf das hohe Meer hinaussegeln; dieser wehte aber aus Ostsüdost, wobei man den etwa zurückgelegten Weg immer bald wieder verlor.

Während dieser bösen Kreuzfahrt mußten nun auch die Brot- und Gemüse-Rationen vermindert und ein strenges Verbot erlassen werden, altes Leder zu verzehren, während die letzte an Bord befindliche Ziege geopfert wurde.

Der Leser, welcher gemüthlich am Ofen sitzt, vermag sich kaum freilich eine Vorstellung davon zu machen, mit welcher Angst man in jenen unbekannten Meeren segelte, wo man an allen Seiten auf Risse stoßen oder dm.ch widrige Winde und unerwartete Strömungen in eine schwere Brandung getrieben werden konnte, während der Nebel diese Gefahren auch dem schärfsten Auge verhüllte.

Erst am 26. wurde das Cap de Délivrance umschifft; nun war auch die Möglichkeit gegeben nach Nordost weiter vorzudringen.

Zwei Tage später hatte man etwa sechzig Meilen nach Norden zu zurückgelegt, als mehrere Stücke Land sichtbar wurden. Bougainville glaubte, sie gehörten zu den Louisiaden; gewöhnlich betrachtet man sie dagegen als zusammenhängend mit dem Salomons-Archipel, den Carteret, der einige Jahre vorher hier war, ebenso zuerst entdeckt zu haben glaubte, wie der französische Seefahrer.

Bald schwärmten zahlreiche Piroguen ohne Ausleger um die beiden Schiffe herum. In denselben saßen Männer von ebenfalls so schwarzer Farbe wie die Afrikaner, und mit krausen, langen röthlichen Haaren. Sie trugen Zagaien, stießen ein lautes Geschrei aus und verriethen überhaupt nicht besonders freundliche Absichten. Uebrigens mußte man auch aus anderen Gründen auf eine Landung verzichten. Die Wellen brachen sich am Ufer nämlich mit furchtbarer Gewalt und das Vorland war so schmal, daß man es kaum sah.

Rings von Inseln umgeben und von dichtem Nebel verhüllt, segelte Bougainville auf gut Glück in eine vier bis fünf Meilen breite Wasserstraße [115] ein, wo der Seegang so stark war, daß die »Etoile« die Luken schließen mußte. An der östlichen Küste derselben zeigte sich eine hübsche Bai, welche einen guten Ankerplatz versprach. Sogleich wurden Boote ausgesendet, um den Grund zu untersuchen. Während diese noch mit ihrer Arbeit beschäftigt waren, näherten sich etwa zehn Piroguen mit gegen fünfzig, mit Lanzen, Bogen und Schildern bewaffneten Männern. Die Piroguen trennten sich bald in zwei Abtheilungen, um die französischen Boote zu umzingeln. Kaum in Schußweite angekommen, entsendeten sie über dieselben eine Wolke von Pfeilen und kleinen Wurfspießen; selbst eine Gewehrsalve hielt sie nicht auf, sondern es bedurfte einer zweiten, um sie in die Flucht zu treiben. Zwei Piroguen, deren Insassen in's Wasser sprangen, wurden dabei genommen. Lang und gut gearbeitet, erschienen sie an der Spitze mit einem ausgemeißelten Menschenkopf geschmückt, dessen Augen von Perlmutter, die Ohren von Schildkrot und die Lippen lebhaft roth gefärbt waren. Die Wasserstraße, wo dieser Angriff stattgefunden hatte, erhielt die Benennung »Straße der Krieger«, während man die Insel zu Ehren des französischen Marineministers »Choiseul« taufte.

Beim Verlassen derselben wurde wieder ein neues Land gefunden, nämlich die Insel Bougainville, deren nördlichste Spitze oder das Cap Lawerdy mit der Bouka-Insel zusammenzuhängen scheint. Die letztere, von Carteret im Vorjahre gesehen und von ihm Winchelsea getauft, schien sehr dicht bevölkert, wenigstens nach der großen Anzahl von Hütten zu urtheilen, die sie bedeckte. Ihre Bewohner, von Bougainville als Neger bezeichnet, wahrscheinlich, um sie von den Polynesiern und Malayen zu unterscheiden, sind Papuas und von derselben Abstammung wie die Eingebornen Neu-Guineas. Ihre kurzlockigen Haare waren roth gefärbt, die Zähne hatten von der Gewohnheit des unablässigen Betelkauens dieselbe Farbe angenommen. Die mit Cocospalmen und anderen Bäumen bestandene Küste versprach Stärkungsmittel in Ueberfluß; widrige Winde und heftige Strömungen führten die beiden Schiffe aber bald hinweg.

Am 6. Juli warf Bougainville an der von Schouten entdeckten Südküste von Neu-Irland Anker, und zwar an derselben Stelle, wo Carteret gelegen hatte.

»Wir beförderten unsere Wasserfässer an's Land, meldet der Bericht, errichteten einige Zelte und begannen Wasser zu fassen, Holz zu fällen und Kleidungsstücke zu waschen, was Alles höchst nöthig war.

Unser Landungsplatz war prächtig und zeigte einen seinen sandigen Grund ohne Felsen oder starken Wellenschlag; das Innere des kleinen Hafens enthielt [116] auf einer Strecke von kaum vierhundert Schritt vier schöne, klare Bäche. Drei derselben nahmen wir in Gebrauch; aus dem einen erhielt die ›Boudeuse‹, aus dem anderen die ›Etoile‹ ihr Wasser, während der dritte zum Waschen benutzt wurde. Holz fand sich am Strande des Meeres, und zwar in mehreren Arten, welches sich alles gut als Brennholz, einiges auch für Zimmermannsarbeiten, für die gewöhnliche und selbst für Kunsttischlerei eignete. Die beiden Schiffe lagen eines von dem anderen und vom Ufer nur so weit entfernt, daß man einander anrufen konnte. Der Hafen und dessen Umgebungen erwiesen sich übrigens bis auf weite Strecken hinaus unbewohnt, was uns eine sehr erwünschte Sicherheit und Freiheit der Bewegung gewährleistete. Ebenso konnten wir weder einen sichereren Ankerplatz, noch eine bequemere Stelle wünschen, um Wasser und Holz einzunehmen, an den Schiffen die so dringend nothwendigen Reparaturen auszuführen und unsere Scorbutkranken nach Belieben in den schönen Wäldern umherspazieren zu lassen. Das waren die Vorzüge dieses Ruheplatzes; er hatte indessen auch einige Schattenseiten. Trotz aller Nachsuchungen fand man hier weder Cocosnüsse, noch Bananen oder irgend welche Naturerzeugnisse, die man mit Güte oder Gewalt in jedem bewohnten Lande hätte erlangen können. Da sich auch der Fischfang nicht ergiebig erwies, so durfte man hier eben nur so lange verweilen, als unbedingt nöthig war. Man hatte ferner alle Ursache, zu fürchten, daß die Kranken hier nicht genesen würden. Wohl kamen keine heftigeren Anfälle vor, doch mußten sich noch Einzelne legen, und da sich auch die Anderen hier nicht besserten, so mußte man auf ein desto schnelleres Fortschreiten des Uebels rechnen.«

Kaum rasteten die Franzosen wenige Tage später an dieser Stelle, als ein Matrose eine Bleiplatte fand, auf der noch der Rest einer englischen Inschrift zu lesen war; man sah aus derselben ohne Mühe, daß Carteret ein Jahr vorher eben hier gelegen hatte.

Auch den Jägern bot das Land nur geringe Beute. Wohl sahen diese einige Eber und wilde Schweine, doch kamen sie nicht zum Schuß. Dafür erlegten sie sehr schöne Tauben mit weißgrauem Hals und Bauche und grüngoldigem Gefieder, ferner Turteltauben, Paradiesammern, Papageien, eine Art Vögel mit einer Federkrone und Krähen, deren Geschrei dem Bellen eines Hundes zum Verwechseln ähnlich klang. Von Bäumen und Gesträuchen gedeihen hier der Betel, Arekanußbaum, der Kalmus, der Pfefferstrauch u.s.w. Gefährliche Reptilien gab es in den Sumpfniederungen in Menge und in den Urwäldern [117] viele Schlangen, Scorpione und andere giftige Thiere. Leider machten diese Feinde des Menschen nicht das Land allein unsicher. Ein Matrose, der nach Muschelthieren suchte, wurde von einer Art Schlange gestochen. Nach fünf-bis sechsstündigem schweren Leiden und schrecklichen Krämpfen ließen erst seine Schmerzen nach und endlich brachten ihn Theriak und Schußwasser, die man gleich nach seiner Verwundung angewendet hatte, wieder auf die Füße. Dieser Zwischenfall ließ den Eifer der Liebhaber der Conchyliologie merklich erkalten.

Am 22. machte sich, nach einem schweren Sturm, auf den Schiffen ein wiederholtes Erdbeben bemerkbar, bei dem das Meer sich mehrmals hintereinander hob und senkte, was die mit Fischen beschäftigten Matrosen nicht wenig erschreckte. Trotz des Regens und der fast unaufhörlichen Gewitter ging doch Tag für Tag eine Abtheilung aus, um Latanen, Palmenkohl und Schildkröten zu holen. Man versprach sich zwar Berge und Wunder, meist kehrten die Leute aber mit leeren Händen, nur bis auf die Knochen durchnäßt, von ihrem Ausfluge zurück. Eine Naturmerkwürdigkeit und eine tausendmal schönere, als je ein Künstler zur Ausschmückung eines Königspalastes erdacht hat, zog jeden Tag nicht wenige Besucher an, welche nicht satt wurden, sie zu bewundern.

»Es war das ein Wasserfall. Ihn zu beschreiben, wäre unmöglich. Man müßte, um eine Vorstellung von dessen Schönheit zu geben, mit dem Pinsel die Feuerfunken der von der Sonne vergoldeten Wasserwirbel malen, den feuchten Schatten der Tropenbäume, die aus dem Wasser selbst hervorragen, und das phantastische Spiel des Lichtes auf einer großartigen Landschaft, welche des Menschen Hand noch nicht berührt hat.«

Sobald der Wind umschlug, verließen die Schiffe den Hafen Praslin und folgten der Küste von Neu-Britannien weiter bis zum 3. August. Die »Etoile«, unterwegs von einer Menge Piroguen angegriffen, mußte den auf sie abgeschossenen Pfeilen und geschleuderten Steinen mit Flintenschüssen antworten, welche die Angreifer schnell in die Flucht trieben. Am 4. bekam man die von Dampier als Mathias- und Stürmischen Inseln bezeichneten Länder in Sicht. Drei Tage später fand man die Insel der Anachoreten, so genannt von einer großen Menge mit dem Fischfang beschäftigter Piroguen, deren Insassen bei der Annäherung der »Boudeuse« und der »Etoile« sich nicht im Geringsten aus ihrer Ruhe stören und gar nicht in den Sinn kommen ließen, mit den Fremden in Verbindung zu treten. Nach einer Reihe, halb unter dem Wasser stehender Eilande, an welchen die Fahrzeuge zu scheitern in Gefahr kamen und die [118] Bougainville, »l'Echiquier« (das Schachbrett) nannte, zeigte sich nun die Küste von Guinea, welche hoch und bergerfüllt nach Westnordwesten verlief. Am 12. entdeckte man eine ausgedehnte Bai; die bis jetzt widrigen Strömungen aber führten die Schiffe von derselben gegen zwanzig Meilen weit auf die hohe See hinaus, so daß nur zwei Berge am Eingange von jener, der »Cyklop« und »Bougainville«, sichtbar blieben.

Weiter sah man die Arimoa-Inseln, deren größte kaum vier Meilen in der Länge mißt; schlechtes Wetter und starke Strömungen nöthigten die Schiffe aber, sich auf dem hohen Meer zu halten und auf jede nähere Kenntnißnahme derselben zu verzichten. Doch mußte man immer daran denken, bald wieder an's Land zu gehen, um nicht den Weg zu verlieren und die Fahrstraße nach dem indischen Meere zu verfehlen. So segelte man nur noch an den Inseln Mispulu und Waigiu, im äußersten Nordosten Neu-Guineas vorüber.

Der sogenannte Kanal der Franzosen, der die Schiffe endlich aus dieser Anhäufung kleiner Inseln und gefährlicher Klippen befreite, wurde glücklich passirt. Nun segelte Bougainville auf den Archipel der Molukken zu, wo er für die fünfundvierzig Scorbutkranken, die er an Bord hatte, die nöthigen Hilfsmittel zu finden hoffte.

Bei seiner vollständigen Unkenntniß der Vorgänge in Europa seit seiner Abreise, wollte sich Bougainville nicht nach einer Colonie begeben, wo er der Schwächere gewesen wäre. Die kleine Niederlassung der Holländer auf Boero oder Buru entsprach seinen Absichten vollkommen, vorzüglich weil dort auch leicht Stärkungsmittel zu haben sein mußten. Mit lebhafter Freude begrüßten die Mannschaften den Befehl, in den Golf von Cajeti einzufahren. An Bord gab es fast Niemand, der nicht mehr oder weniger vom Scorbut zu leiden gehabt hätte, und die Hälfte der Leute, sagt Bougainville, war absolut nicht im Stande, ihre Dienste zu thun.

»Die uns noch verbleibenden Nahrungsmittel waren so verfault und übelriechend geworden, daß die schlimmsten Augenblicke unserer traurigen Tage stets diejenigen waren, wenn die Glocke uns zum Verspeisen dieser ekelhaften und ungesunden Lebensmittel rief. Um wie viel verlockender erschien unseren Augen dann das liebliche Boero oder Buru! Mitten in der Nacht machte sich ein höchst angenehmer, von den aromatischen Pflanzen, mit denen die Molukken geradezu bedeckt sind, herrührender Geruch schon einige Meilen draußen im Meere bemerkbar, gleichsam der Vorbote, der das Ende unserer Leiden anmeldete.

[119] Der Anblick des ziemlich großen Städtchens, das im Hintergrunde des Golfes lag, die verankerten Schiffe, die in den umgebenden Wiesenplänen umherschweifenden Hausthiere, Alles erregte ein allgemeines Entzücken, das ich gewiß selbst getheilt habe, aber trotzdem zu beschreiben nicht im Stande bin.«

Kaum waren die »Boudeuse« und die »Etoile« vor Anker gegangen, als der Resident der Niederlassung zwei Soldaten absendete, um sich bei dem französischen Commandanten nach der Ursache zu erkundigen, die ihn veranlaßte, hier einzulaufen, da er doch wissen müsse, daß das nur den Schiffen der indischen Compagnie gestattet sei. Bougainville beauftragte sofort einen Officier, jenem die Erklärung zu bringen, daß nur Hunger und Krankheiten ihn gezwungen hätten, in den ersten Hafen, den er auffand, einzulaufen. Auch werde er Boero verlassen, sobald er die nöthige Hilfe, die er höchst dringend brauche und um die er mi Namen der Menschlichkeit bitte, erhalten habe. Der Statthalter schickte ihm nun den Befehl des Gouverneurs Amboine, der ihm ausdrücklich verbot, kein fremdes Schiff in seinen Hafen aufzunehmen, und bat Bougainville, ihm eine schriftliche Erklärung darüber abzugeben, warum er hier trotzdem eingelaufen sei, um seinem Vorgesetzten im Nothfalle den Beweis beibringen zu können, daß er nicht gegen die Vorschrift gefehlt, sondern nur dem Zwange der Umstände nachzugeben habe.

Als Bougainville das Certificat unterzeichnet hatte, entwickelten sich zwischen ihm und den Holländern bald die herzlichsten Beziehungen. Der Statthalter wollte den Stab der beiden Schiffe bei der Tafel empfangen und es wurde auch ein Contract wegen Lieferung frischen Fleisches abgeschlossen. An Stelle des Brotes trat nun der Reis, die gewöhnliche Nahrung der Holländer, und außerdem wurden den Mannschaften frische Gemüse vorgesetzt, welche auf dieser Insel keineswegs allgemein angebaut werden, sondern von dem Statthalter aus dem Garten der Compagnie selbst bezogen worden waren. Für die Kranken wäre es gewiß wünschenswerth gewesen, die Rast hier noch etwas zu verlängern, das bevorstehende Aufhören des Ostmoussons drängte Bougainville aber, nach Batavia zu segeln.


Kapitän Cook. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 123.)

Am 7. September verließ der Commandant Boero mit der Ueberzeugung, daß die Seefahrt in dem Archipel beiweitem nicht so gefährlich sei, als die Holländer gewöhnlich behaupten. Auf die französischen Karten konnte man sich hier allerdings nicht verlassen; sie waren weit geeigneter, die Schiffe in's Verderben zu führen, statt sie zu leiten. Bougainville schlug also den Weg durch [120] die Button- und Saleyer-Straße ein. Diese von den Holländern selbst benützte Passage ist den anderen Nationen sehr wenig bekannt; der Bericht beschreibt hier auch mit größter Sorgfalt den zurückgelegten Weg von Cap zu Cap. Wir halten uns bei diesem Theile der Fahrt nicht auf, obwohl gerade er sehr lehrreich, aber mehr für Fachleute geschrieben ist.

Am 28. September gelangten die »Etoile« und die »Boudeuse« nach einer Reise von zehneinhalb Monat seit der Abfahrt aus Montevideo nach Batavia, [121] der schönsten Colonie der ganzen Erde. Jetzt ist die Reise eigentlich als beendet anzusehen. Nachdem er noch die Isle de France, das Cap der Guten Hoffnung und die Insel Ascension berührt, bei welcher er auch Carteret auffand, kehrte Bougainville am 16. Februar 1769 nach St. Malo zurück; er hatte, seitdem er Nantes vor zwei Jahren und vier Monaten verlassen, übrigens nur sieben Mann verloren.

Die noch übrige Laufbahn dieses glücklichen Seefahrers liegt unserer Aufgabe ferner, wir erwähnen derselben nur mit wenig Worten. Er nahm am Kriege in Amerika Theil und bestand im Jahre 1781 ein ehrenvolles Gefecht vor dem Fort Royal de Martinique. Seit 1780 Geschwader-Chef, erhielt er zehn Jahre später den Auftrag, auf der meuterischen Flottille Albert de Rious' die Ordnung wieder herzustellen. Im Jahre 1792 zum Vice-Admiral ernannt, suchte er die Annahme dieses Postens abzulehnen, weil er ihn für einen bloßen Titel ohne Amt betrachtete. Später in das Längenbureau und das Institut von Frankreich berufen, zur Würde eines Senators erhoben und von Napoleon I. mit der Grafenwürde beehrt, starb Bougainville am 31. August 1811 »an Jahren und an Ehren reich«.

Bougainville's Namen hat vorzüglich der Umstand so volksthümlich gemacht, daß er der erste Franzose war, der eine Erdumsegelung ausführte. Kommt ihm auch das Verdienst zu, einige unbekannte oder doch wenig bekannte Archipele entdeckt, wenn auch nicht näher erforscht zu haben, so verdankt er seinen Ruf doch weit mehr dem Reize, der Leichtigkeit und Lebendigkeit seines Reiseberichtes, als seinen eigentlichen Arbeiten. Daß er mehr bekannt wurde als andere französische Seeleute und erfolgreiche Wettbewerber, rührt nicht daher, daß er mehr geleistet hätte als diese, sondern nur, daß er seine Abenteuer in einer Weise zu erzählen wußte, welche seine Zeitgenossen interessirte.

Was Guyot Duclos betrifft, so verschuldete es seine Stellung als zweiter Officier und seine bürgerliche Abkunft, daß er ohne Belohnung ausging. Seine spätere Ernennung zum Ritter des heiligen Ludwig verdankt er nur seiner Rettung der »Belle-Poule«. Obschon 1722 geboren und seit 1734 im Dienst, nahm er doch 1791 noch die Stellung eines Schiffslieutenants ein. Erst mußten mit der neueren Zeit vorurtheilsfreiere Minister an's Ruder kommen, damit er wenigstens zum Kapitän avancirte, gewiß eine sehr verspätete Belohnung so langer und erfolgreicher Dienste. Er starb in St. Servan am 10. März 1794.

[122]
3. Capitel
1.
I.

Anfang seiner seemännischen Laufbahn. – Er übernimmt das Commando über die »Aventure«. – Feuerland. – Entdeckung einiger Inseln des Pomutu-Archipels. – Ankunft in Tahiti. – Sitten und Gebräuche der Einwohner. – Auffindung anderer Inseln der Gesellschaftsgruppe. – Ankunft in Neu-Seeland. – Zusammentreffen mit den Ureinwohnern. – Entdeckung der Cooks-Meerenge. – Umschiffung der beiden großen Inseln. – Sitten und Erzeugnisse des Landes.


Bei der Schilderung des Lebenslaufes eines berühmten Mannes wird man immer gut daran thun, auch die unscheinbarsten Züge nicht zu übergehen, welche bei jedem Anderen vielleicht ganz ohne Interesse wären. Sie erhalten nicht selten eine besondere Bedeutung, denn man erkennt in denselben die Spuren eines unbewußten Triebes, und häufig werfen sie ein helles Licht auf den Charakter des Helden, dessen Bild man zeichnet. So verweilen wir also auch ein wenig bei den unbedeutenden Anfängen eines der größten Seeleute, deren sich England rühmen kann.

James Cook wurde am 27. October 1728 zu Morton, in Yorkshire, geboren. Er war der neunte Sohn des Dienstknechtes einer Bäuerin, Namens Grace. Kaum acht Jahre alt, half der kleine James schon seinem Vater bei den schweren Landarbeiten auf dem Gute Airy-Holme, in der Nähe von Ayton. Seine Gewandtheit und Arbeitslust erregten die Theilnahme des Besitzers, der ihn lesen lernen ließ. Mit dem 13. Lebensjahre kam er in die Lehre zu einem gewissen William Sanderson, einem Krämer in Staith, wo sich ein kleiner, aber unwichtiger Hafen befand. Dem jungen Cook wollte es jedoch nicht im mindesten gefallen, in einem Comptoir zu sitzen, und er benutzte jede freie Stunde, um mit den Seeleuten am Hafen zu plaudern.

Mit Zustimmung seiner Eltern verließ er denn auch bald den Laden des Krämers wieder, um sich als Schiffsjunge bei den Rhedern Jean und Henri Walker zu verdingen, deren Schiffe an den Küsten Englands und Irlands Kohlen beförderten. Als Leichtmatrose, als Matrose und später Befehlshaber machte sich Cook bald mit seinem neuen Berufe vollständig vertraut.

Im Frühjahr 1755, als zwischen Frankreich und England die ersten Feindseligkeiten ausbrachen, lag das Schiff, auf welchem Cook diente, eben in der[123] Themse vor Anker. Die Kriegsmarine recrutirte ihre Mannschaft damals mittelst des »Pressens« der Matrosen. Cook sachte sich zuerst zu verbergen; bald aber trat er, von einer dunklen Ahnung getrieben, auf der »Aigle«, einer Fregatte von sechzig Kanonen, ein, welche damals unter dem Befehl des Kapitäns Sir Hugues Palliser stand.

Intelligent, thätig und mit allen vorkommenden Arbeiten wohl vertraut, zog Cook bald die Aufmerksamkeit der Officiere auf sich, die ihn auch dem Befehlshaber empfahlen. Gleichzeitig erhielt der Letztere ein Schreiben des Parlamentsmitgliedes für Scarborough, der ihm den jungen Cook, auf die dringendsten Vorstellungen der Bewohner des Dorfes Ayton hin, warm empfahl, worauf dieser ihm denn auch bald die Stelle des Hochbootsmannes anvertraute. Am 15. Mai 1759 schiffte er sich auf der »Mercure« mit der Bestimmung nach Canada ein, wo diese sich dem Geschwader Sir Charles Sunder's anschloß, das in Verbindung mit General Wolf Quebeck belagerte.

Hier war es, wo Cook zum ersten Male Gelegenheit fand, sich auszuzeichnen. Mit der Sondirung des St. Lorenzo zwischen der Insel Orleans und dem nördlichen Ufer des Stromes betraut, führte er diese Sendung mit großem Geschick aus und konnte trotz der Schwierigkeiten und Gefahren der Unternehmung sogar eine recht gute Karte des Kanals entwerfen. Seine hydrographischen Aufnahmen erwiesen sich so genau und vollständig, daß er den Befehl erhielt, die fahrbaren Stellen des Stromes unterhalb Quebeck aufzusuchen. Er unterzog sich dieser Untersuchung mit so viel Sorgfalt und Einsicht, daß seine Karte auf Veranlassung der englischen Admiralität herausgegeben wurde.

Nach der Einnahme von Quebeck ging Cook an Bord der »Northumberland«, unter dem Befehle des Lord Colville, und er benutzte seinen Aufenthalt an der Küste von Neu-Fundland dazu, sich dem Studium der Astronomie zu widmen. Bald übertrug man ihm die wichtigsten Arbeiten. Er entwarf den Plan von Placentia und nahm die Küste von St. Pierre und Miquelon auf. Im Jahre 1764 zum Marine-Ingenieur für Neu-Fundland und Labrador ernannt, wurde er drei Jahre hintereinander mit hydrographischen Untersuchungen beschäftigt, die ihm die Aufmerksamkeit des Ministeriums zuzogen und zur Beseitigung vieler Irrthümer auf den Karten von Amerika Veranlassung gaben. Gleichzeitig reichte er bei der Königlichen Gesellschaft zu London eine Denkschrift über die Sonnenfinsterniß ein, welche er 1766 in Neu-Fundland beobachtet hatte, ein Schriftchen, das später in denPhilosophical Transactions im Druck erschien.

[124] Cook sollte bald die Belohnung erhalten für so viele verdienstvolle Arbeiten, seine mühsamen und desto anerkennenswertheren Studien, als ihm der elementare Unterricht dazu gänzlich gefehlt und er sich ohne Hilfe eines Lehrers allein hatte vorbilden müssen.

Eine wissenschaftliche Frage von hoher Bedeutung, der 1769 vorhergesagte Vorübergang der Venus vor der Sonnenscheibe, erregte damals das Interesse der gesammten gelehrten Welt. In der Ueberzeugung, daß diese Erscheinung nur in der Südsee werde mit Erfolg zu beobachten sein, hatte die englische Regierung beschlossen, eine wissenschaftliche Expedition dahin abzusenden. Die Leitung derselben wurde dem berühmten Hydrographen A. Dalrymple angeboten, der ebenso bekannt war wegen seiner gründlichen astronomischen Kenntnisse, wie wegen seiner geographischen Untersuchungen in den südlichen Meeren. Seine Anforderungen aber, sein Verlangen, das Kapitänspatent zu erhalten, was ihm Eduard Hawker hartnäckig verweigerte, bestimmten den Secretär, der Admiralität für die beabsichtigte Expedition einen anderen Befehlshaber in Vorschlag zu bringen. Seine Wahl fiel auf James Cook, für den auch Hugues Palliser mit Wärme eintrat, und welcher dann mit dem Range eines Schiffslieutenants das Commando der »Endeavour« erhielt.

Cook zählte damals vierzig Jahre. Es war das sein erstes Commando in der königlichen Flotte. Die ihm anvertraute Mission verlangte sehr verschiedenartige Eigenschaften, die man nur selten in einem Seemanne vereinigt antraf. Wenn die Beobachtung des Venus-Durchganges auch der Hauptzweck der Reise war, so bildete diese doch nicht den einzigen, denn Cook sollte gleichzeitig eine Entdeckungs- und Erforschungsreise im Pacifischen Ocean unternehmen. Das arme Kind aus Yorkshire sollte sich dieser schwierigen Aufgabe denn auch vollkommen gewachsen zeigen.

Während man mit der Ausrüstung der »Endeavour« beschäftigt war, achtzig Mann Besatzung für dieselbe auserwählte, für achtzehn Monat Proviant und zehn Kanonen nebst zwölf Steinböllern einnahm, kehrte Kapitän Wallis eben von seiner Reise um die Erde nach England zurück. Ueber die günstigste Oertlichkeit für die Beobachtung des Venus-Durchganges befragt, bezeichnete Letzterer eine von ihm entdeckte Insel, die er Georg III. Insel getauft hatte und welche, wie man seitdem wußte, von den Eingebornen Tahiti genannt wurde. Hier sollte Cook also seine Beobachtungen anstellen. Mit ihm schifften sich ein Charles Green, der Assistent des Doctor Bradley von der Sternwarte in Greenwich, [125] dem der astronomische Theil der Arbeit zufiel, Doctor Solander, ein schwedischer Arzt und Schüler Linné's, auch Professor im British Museum, für das Fach der Botanik, und endlich Sir Joseph Blanks, der mit ähnlichen Reisen nur seine Thatenlust befriedigen und seinen Reichthum ehrenhaft verwenden wollte. Als er die Universität Oxford verließ, hatte dieser Weltmann Neu-Fundland und Labrador besucht und bei dieser Reise viel Interesse an der Botanik gewonnen. Dieser nahm auch noch zwei Maler mit, den einen für die Landschaften und Porträts, den anderen für naturgeschichtliche Gegenstände, ferner einen Secretär und vier Diener, darunter zwei Neger.

Am 26. August 1768 verließ die »Endeavour« Plymouth und ankerte am 13. September vor Funchal auf der Insel Madeira, um frische Lebensmittel einzunehmen und einige Untersuchungen anzustellen. Die Expedition fand eine sehr ehrenvolle Aufnahme. Bei einem Besuche, den der Stab der »Endeavour« dem Kloster der heiligen Clarissinnen abstattete, baten diese armen und unwissenden Klausnerinnen dringend, ihnen zu sagen, wann es donnern würde und wo sich auf dem Gebiete des Klosters eine gute Trinkquelle, welche sie nöthig brauchten, vorfinden möchte. So kenntnißreich sie auch waren, so konnten doch weder Banks, Solander oder Cook auf solche naive Fragen Antwort geben.

Von Madeira bis Rio de Janeiro, wo die Expedition am 13. November ankam, verlief die Reise ohne jeden Unfall; der Empfang, den Cook bei den Portugiesen fand, entsprach aber keineswegs seinen Erwartungen. Während der ganzen Zeit seines Aufenthaltes hatte er mit den ewigen Nörgeleien des Vicekönigs zu kämpfen, der ziemlich unwissend und jedenfalls nicht im Stande war, die hohe wissenschaftliche Bedeutung der Expedition zu begreifen. Doch konnte er den Engländern wenigstens frische Nahrungsmittel, die sie nothwendig brauchten, nicht verweigern. Als Cook jedoch am 5. December am Fort Santa Cruz vorüberfuhr, um die Bai zu verlassen, sendete man ihm zwei scharfe Kanonenschüsse nach, was ihn veranlaßte, sofort vor Anker zu gehen und nach der Ursache dieser Beleidigung zu fragen. Der Vicekönig antwortete, der Commandant des Fort habe Befehl, kein Schiff passiren zu lassen, das nicht vorher gemeldet sei, und obwohl der Vicekönig von Cook's Abreise rechtzeitig unterrichtet worden war hatte man doch aus reiner Nachlässigkeit unterlassen, auch dem Commandanten des Forts diese Mittheilung zu machen. Sollte man dieses Ver fahren nun als eine bloße Unart des Vicekönigs betrachten, oder war er wirklich reine Sorglosigkeit? Wenn der Beamte überhaupt seine Functione [126] so unaufmerksam erfüllte, dann mochte die portugiesische Colonie wahrlich gut verwaltet sein!

Am 14. Januar 1769 drang Cook in die Lemaire-Straße ein.

»Die Fluth war hier so stark, sagt Kippis in seinem ›Leben des Kapitän Cook‹, daß das Wasser bis über das Cap San-Diego hinauf schäumte und das heftig umhergeworfene Schiff oft lange Zeit mit dem Bugspriet unter den Wellen versteckt blieb. Am nächsten Tage warf man in einem kleinen Hafen Anker, in dem man Port Maurice erkannte, und bald legte man in der Bai des Guten Fortgangs an. Als die ›Endeavour‹ hier vor Anker lag, traf die Herren Banks, Solander und Doctor Green und Herrn Monkhouse, den Schiffschirurgen und ihren Begleitern ein recht bedauerlicher Unfall. Sie befanden sich auf dem Wege nach einem Berge, um daselbst Pflanzen zu suchen, und klommen diesen eben hinan, als sie von einer so strengen und unerwarteten Kälte überrascht wurden, daß Alle Gefahr liefen, dabei umzukommen. Doctor Solander ward vollständig gelähmt. Zwei schwarze Diener starben auf der Stelle; die Herren selbst konnten das Schiff erst nach zwei Tagen wieder erreichen. Sie beglückwünschten sich wegen ihrer Rettung mit einer Freude, die nur der zu begreifen vermag, der selbst in ähnlicher Gefahr geschwebt hat, während Cook ihnen seine Befriedigung bezeigte, von der Unruhe befreit zu sein, welche ihre lange Abwesenheit ihm verursacht hatte. Dieser Vorfall lieferte eine Probe für die Strenge des Klimas. Für dieses Land war es jetzt Mitte Sommers und der Morgen des Tages, wo jene die furchtbare Kälte überfiel, eben so warm gewesen, wie etwa der Monat Mai in England.«

James Cook konnte auch einige merkwürdige Beobachtungen über die wilden Bewohner dieser einsamen Gegenden machen. Aller Bequemlichkeiten des Lebens gänzlich beraubt, ohne Kleidung, ohne Schutz gegen die Unbeständigkeit des eisigen Klimas, ohne Waffen oder Industrie, die es ihnen ermöglichte, sich auch nur die nothwendigsten Geräthschaften herzustellen, führen sie ein höchst elendes Dasein und vermögen sie kaum das Leben zu fristen. Von allen Tauschobjecten, die man ihnen anbot, zogen sie aber doch gerade diejenigen vor, die ihnen am wenigsten nützen konnten.

So nahmen sie mit Vorliebe Armspangen und Halsbänder an, ließen aber Aexte, Messer und Angeln beiseite liegen. Unempfänglich für das behagliche Wohlbefinden, das uns so unentbehrlich ist, erschien ihnen vielmehr das Ueberflüssige nothwendiger.

[127] Cook durfte sich übrigens beglückwünschen, diesen Weg gewählt zu haben, denn er brauchte nur dreißig Tage, um Feuerland von der Lemaire-Straße bis drei Grad nördlich von der Magelhaens-Straße zu umschiffen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß er einer weit beträchtlicheren Zeit bedurft hätte, um die vielfach gewundene Magelhaens-Straße zu passiren. Die sehr genauen astronomischen Beobachtungen, die er in Verbindung mit Green anstellte, die Vorschriften, welche er über diese gefährliche Meeresgegend ausarbeitete, haben seinen Nachfolgern mannigfache Erleichterung gewährt und viel dazu beigetragen, die Karten Hermite's, Lemaire's und Schouten's zu verbessern.

Vom 21. Januar, dem Tage, wo er das Cap Horn umschiffte, bis zum 1. März beobachtete Cook auf einer Strecke von 660 Seemeilen keine bemerkbare Strömung. Er entdeckte inzwischen mehrere, zum Gefährlichen Archipel gehörige Inseln, denen er die Namen »Lagon«, »Bonnet«, »Are«, »Groupes« und »Insel der Vögel«, sowie »Ketten-Insel« beilegte. Die meisten waren bewohnt und mit Pflanzenwuchs bedeckt, der Seeleuten, welche seit drei Monaten nichts als Himmel und Wasser und höchstens die übereisten Felsen von Feuerland gesehen hatten, leicht als recht üppig erscheinen konnte. Später gelangte man nach der Insel Maitea, von Wallis Osnabrugh genannt, und bekam am Morgen des 11. Juni endlich Tahiti in Sicht.

Zwei Tage nachher warf die »Endeavour« in dem von Wallis Port-Royal getauften Hafen von Matavaï Anker, wo jener Kapitän einen Kampf mit den Eingebornen zu bestehen hatte, die er leicht genug besiegte. Unterrichtet von den Ereignissen während des Aufenthaltes seines Vorgängers, suchte Cook die Wiederholung ähnlicher Auftritte um jeden Preis zu vermeiden. Das glückliche Gelingen seiner beabsichtigten Beobachtungen hing ja sehr wesentlich davon ab, daß er durch nichts gestört und durch keine Sorge beunruhigt würde. Er verkündigte seiner Mannschaft also gleich zu Anfang gewisse Verhaltungs-Maßregeln, deren Uebertretung mit den strengsten Strafen bedroht wurde.


Inneres eines Moraï von Otooi (S. 132.)

Cook erklärte darin, daß er mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln die Freundschaft der Eingebornen zu erwerben wünsche; dann bezeichnete er ausdrücklich Diejenigen, welche den nothwendigen Proviant einkaufen sollten, und verbot jedem Anderen, ohne seine specielle Erlaubniß einen Tauschhandel zu beginnen. Die an's Land gesendeten Leute sollten ihren Posten unter keinerlei Vorwand verlassen, und wenn sich ein Arbeiter oder Soldat Werkzeuge oder Waffen entwenden ließe, sollte ihm der Werth derselben nicht nur an der [128] Löhnung gekürzt, sondern der Betreffende je nach der Bedeutung des Falles auch noch besonders gestraft werden.

Zum Schutze der beobachtenden Gelehrten gegen jedweden Angriff beschloß Cook auch noch eine Art irort zu errichten, in dem sich jene im Schußbereiche der Geschütze der »Endeavour« aufhalten könnten. Er ging also mit den Herren Banks, Solander und Green an's Land, fand bald eine geeignete Stelle und begrenzte sofort und vor den Augen der Eingebornen das Terrain, welches er in Anspruch zu nehmen gedachte. Ein gewisser Owhaw, der auch zu Wallis in[129] guten Beziehungen gestanden hatte, überbot sich förmlich in Freundschafts-Bezeugungen. Nach vollendetem Entwurfe zu dem Plane des Forts ließ Cook dreizehn Mann nebst einem Officier zurück, um die aufgeschlagenen Zelte zu bewachen, und begab sich mit seinen Begleitern in das Innere der Insel. Da rief ihn das Knattern von Flintenschüssen plötzlich zurück.

Es war ein peinlicher Zwischenfall eingetreten, der leicht hätte die ernsthaftesten Folgen haben können.

Einer der um die Zelte herumlungernden Eingebornen hatte einen Wachtposten überrascht und sich dessen Gewehres bemächtigt. Sofort feuerten die Anderen eine Salve auf die ganz unschuldige, entferntere Menschenmenge ab, welche zum Glück Niemanden verletzte. Der Dieb dagegen wurde verfolgt, eingefangen und mußte mit dem Leben büßen.

Die hierdurch entstehende Aufregung kann man sich wohl unschwer vorstellen. Cook mußte alle Künste aufwenden, um die Eingebornen zu besänftigen. Er bezahlte ihnen Alles, was er zur Errichtung des Forts bedurfte, und erlaubte nicht, einen Baum ohne deren Zustimmung anzutasten. Endlich ließ er auch den Fleischer der »Endeavour«, der die Frau eines hervorragenden Häuptlings mit dem Tode bedroht hatte, an den Mast binden und mit Tauenden auspeitschen. Diese Maßregeln trugen dazu bei, den peinlichen Eindruck jenes traurigen Vorfalles zu verwischen, so daß die freundschaftlichen Beziehungen keine weitere Störung erlitten.

Jetzt näherte sich nun der Zeitpunkt zur Ausführung des vornehmsten Zweckes der Reise. Cook traf sofort seine Maßnahmen in Uebereinstimmung mit den empfangenen Instructionen. So sandte er einen Theil der Beobachter mit Joseph Banks nach Eimeo, einer Insel in der Nachbarschaft. Vier Andere suchten sich einen geeigneten, von dem Fort hinreichend entfernten Standpunkt aus, während Cook in dem letzteren selbst, das auch den Namen »Venusspitze« behalten hat, den Vorübergang des Planeten abzuwarten beschloß. Die dem Beobachtungstage vorhergehende Nacht verlief in der Befürchtung, daß die Witterung sich ungünstig gestalten könne, am 3. Juli leuchtete aber die Sonne vom Morgen ab in hellstem Glanze, und während des ganzen Tages hinderte kein Wölkchen die Wahrnehmung der seltenen Himmelserscheinung.

»Die Beobachtung war für die Astronomen im höchsten Grade anstrengend, sagt W. de Fonveille in einem Artikel der ›Natur‹ vom 28. März 1874, denn sie begann um 9 Uhr 21 Minuten des Morgens und dauerte bis 3 Uhr 10 Minuten [130] Nachmittags, fiel also in die Tageszeit der drückendsten Hitze. Das Thermometer zeigte bis 120° Fahrenheit (fast gleich 49° Celsius!). Cook berichtet, und das erscheint sehr glaublich, daß er sich selbst über das Ende seiner Beobachtung nicht mehr recht klar gewesen sei. Unter derartigen thermometrischen Verhältnissen büßt eben der Menschenorganismus, diese bewundernswerthe Maschine, seine Leistungsfähigkeit gar zu leicht ein.«

Bei der Berührung des äußeren Sonnenrandes verlängerte sich scheinbar die Scheibe der Venus, so als würde diese von dem mächtigen Gestirne angezogen; es bildete sich ein dunkler Punkt oder ein nur etwas helleres Ligament als der Kern des Planeten. »Alles in Allem, sagt Cook, gelang die Lösung unserer Aufgabe gleich gut im Fort wie im Osten der Insel. Vom Aufgange der Sonne bis zu deren Untergange schwebte nicht ein einziges Wölkchen am Himmel, und wir Alle, Green, Doctor Solander und ich beobachteten den ganzen Venus-Durchgang unbehindert. Green's Teleskop war ebenso stark wie das meinige, das des Doctor Solander noch etwas größer. Wir Alle bemerkten rings um den Planeten eine Atmosphäre oder leuchtende Nebelhülle, welche die Bestimmung der genauen Berührungszeit schon am äußeren, vorzüglich aber am inneren Rande etwas beeinträchtigte, wodurch unsere Beobachtungen mehr, als man erwarten sollte, von einander abwichen.«

Während sich nun Officiere und Gelehrte mit dieser hochwichtigen Aufgabe beschäftigten, drangen einige Leute der Besatzung in das Waarenmagazin ein und stahlen daraus etwa einen Centner Nägel. Sie begingen damit eine sträfliche Unbedachtsamkeit, welche für die ganze Expedition von den schlimmsten Folgen sein konnte. Gerade diesen, von den Eingebornen fast am lebhaftesten begehrten Tauschartikel gab es am Markte nun plötzlich in so großer Menge, daß jene dadurch leicht zu weit höheren Forderungen verleitet werden konnten. Einer der Diebe, bei dem man freilich nur noch siebenzig Stück Nägel vorfand, ward zwar entdeckt, aber trotz der ihm zudictirten vierundzwanzig Hiebe wollte er seine Mitschuldigen nicht verrathen.

Aehnliche Fälle ereigneten sich noch mehrfach, das gute Einvernehmen erlitt indessen keine besondere Einbuße. Die Officiere konnten unbehelligt wiederholte Ausflüge nach dem Innern der Insel unternehmen, um sich über die Sitten der Bewohner zu unterrichten und wissenschaftliche Untersuchungen anzustellen.

Bei Gelegenheit einer solchen Excursion begegnete Banks einer Gesellschaft wandernder Musikanten und improvisirender Sänger. Er bemerkte voll [131] Verwunderung, daß der Inhalt ihrer Lieder sich auf die Ankunft der Engländer und auf einige Ereignisse während des Aufenthaltes derselben bezog. Banks folgte dem Flusse, der bei Matavaï in's Meer einmündete, möglichst weit stromaufwärts und entdeckte dabei mehrfache Spuren eines längst erloschenen Vulkans. Er verstreute und vertheilte an die Eingebornen eine Menge Samen von Küchengewächsen, z.B. von Wassermelonen, Orangen, Limonen u.s.w., und ließ außerdem auch in der Nähe des Forts einen Garten anlegen, in dem er eine große Menge von Rio de Janeiro mitgenommener Samenkerne steckte.

Bevor sie die Anker lichteten, wollten Cook und seine Hauptmitarbeiter noch den Gesammtumfang der Insel bestimmen, den sie auf etwa dreißig Meilen schätzten. Bei Gelegenheit der deshalb vorgenommenen Reise machten sie mit den Häuptlingen der verschiedenen Districte Bekanntschaft und sammelten reiche Erfahrungen über die Sitten und Gebräuche der Eingebornen.

Eine der auffallendsten Gewohnheiten z.B. bestand darin, die Zersetzung der Leichen in der freien Luft vor sich gehen zu lassen und nur deren trockene Gebeine zu beerdigen. Der Cadaver liegt dabei etwas erhöht unter einer fünfzehn Fuß langen und elf Fuß breiten Hängematte in einer Art Schuppen; nur eine Seite desselben steht offen, die drei anderen sind durch Weidenflechtwerk geschlossen. Das Brett, auf dem der todte Körper ruht, befindet sich etwa fünf Fuß über dem Erdboden. Hier liegt der Leichnam ausgestreckt und mit Stoffen umhüllt, die Keule und seine Steinaxt an der Seite. An der offenen Seite des Raumes hängen einige, rosenkranzartig verbundene Cocosnüsse; eine im Innern desselben stehende, halb getheilte Cocosnuß enthält Trinkwasser und an einem Pfeiler hängt ein Sack mit stark gerösteten Brotbaumfrüchten. Ein solches Grabdenkmal heißt »Toupapow«. Man weiß nicht, wie sich dieser seltsame Brauch, die Todten bis zur Verwesung aller Weichtheile über der Erde aufzubewahren, einst eingebürgert haben mag. Cook überzeugte sich nur, daß die Eingebornen den Friedhöfen, in der Landessprache »Moraï«, eine Art religiösen Cultus weihen und das Annähern der Fremden stets mit großer Unruhe zu betrachten schienen.

Eine Speise, die für besonders vorzüglich gehalten wird, liefert das Fleisch der Hunde. Die zum Verzehren Aufgezogenen erhalten niemals selbst Fleisch, sondern nur Brotfrüchte, Cocosnüsse, Yamswurzeln und andere Vegetabilien. Sie werden geschlachtet in ein Loch auf erhitzte Steine gelegt, mit frischen Blättern und erwärmten Steinen zugedeckt und dann mit Erde überschüttet.

[132] Nach vier Stunden ist dann der Schmorbraten gar, und Cook, der selbst davon gegessen hat, erklärt ihn ebenfalls für einen Leckerbissen.

Vom 11. Juli ab bereitete man sich zur Weiterreise. Bald waren die Thüren und Pallisaden des Forts entfernt und dessen Mauern niedergelegt.

Da kam einer der Eingebornen, der mit den Europäern immer auf bestem Fuße gestanden hatte, mit seinem Diener, einem Knaben von dreizehn Jahren, an Bord der »Endeavour«. Er hieß Tupia. Früher erster Minister der Königin Oberea, gehörte er jetzt zu den vornehmsten Priestern von Tahiti. Er verlangte, mit nach England gehen zu dürfen. Verschiedene Gründe bestimmten Cook, ihn mit an Bord zu nehmen. In Folge der vorher eingenommenen hohen Stellung und seines zuletzt geführten Amtes in Bezug auf Tahiti allseitig gut unterrichtet, war dieser Eingeborne im Stande, über seine Landsleute den verläßlichsten Aufschluß zu geben und diese gleichzeitig der europäischen Civilisation zugänglicher zu machen. Endlich hatte er auch die benachbarten Inseln schon besucht und kannte die Schifffahrt in diesen Gewässern.

Am 16. Juli gab es an Bord der »Endeavour« großes Gedränge. Die Eingebornen kamen, um von ihren englischen Freunden und ihrem Landsmanne Tupia Abschied zu nehmen. Die Einen vergossen in stillem, aufrichtigem Schmerze reichliche Thränen; Andere schienen sich überbieten zu wollen, wer am erbärmlichsten heulen könne; ihr ganzes Benehmen erschien aber weit mehr gemacht.

In Tahitis unmittelbarer Nähe befanden sich nach Tupia's Aussage vier Inseln: Huaheine, Ulietea, Otaha und Bolabola, wo es leicht sein sollte, sich wilde Schweine, Geflügel und andere Nahrungsmittel zu verschaffen, welche während der letzten Zeit des Aufenthaltes in Matava (etwas knapp geworden waren. Cook zog es indessen vor, eine kleine, acht Meilen nördlich von Tahiti gelegene Insel, Tethuroa mit Namen, zu besuchen; dort gab es aber keine Niederlassungen von Eingebornen, und man erkannte es für unnütz, daselbst zu verweilen.

In Sicht von Huaheine näherten sich der »Endeavour« mehrere Piroguen, deren Insassen sich erst nach Verständigung mit Tupia herbeiließen, an Bord zu kommen. Der König Oree, der sich unter jenen befand, zeigte sich über Alles, was er auf dem Schiffe sah, höchlichst erstaunt. Durch den wohlwollenden Empfang seitens der Engländer bald zutraulicher gemacht, ging er sogar so weit, seinen Namen mit dem Cooks vertauschen zu wollen; stets nannte er sich selbst [133] von da ab nur Cookee und bezeichnete den Befehlshaber dafür mit seinem eigenen Namen. Der Anker fiel in einem schönen Hafen und das Officiercorps ging sofort an's Land. Ueberall fand man die nämlichen Sitten, dieselbe Sprache und ganz die gleichen Producte wie in Tahiti.

Sieben bis acht Meilen von hier im Südwesten liegt Ulietea. Cook ging daselbst ebenfalls an's Land und ergriff von dieser Insel nebst den Nachbar-Eilanden feierlich Besitz. Er benutzte auch die Zeit seines Aufenthaltes zu einer hydrographischen Aufnahme der Küsten, während ein Leck unter der Pulverkammer der »Endeavour« ausgebessert wurde. Nachdem er dann noch einige kleinere Eilande besichtigt, gab er der ganzen Gruppe den Namen »die Gesellschafts-Inseln«.

Am 7. August ging Cook wieder unter Segel. Sieben Tage später entdeckte er die Insel Oteroah. Das feindselige Auftreten der Einwohner verhinderte die »Endeavour«, sich hier aufzuhalten, und so segelte sie bald weiter nach Süden.

Am 25. August feierte die Mannschaft den Jahrestag der Abfahrt aus England. Am 1. September wurde das Meer, unter 40°22' der Breite und 174°29' westlicher Länge, in Folge eines heftigen Westwindes sehr aufgeregt; die »Endeavour« mußte nach Norden wenden, um vor dem Sturme zu flüchten. Bis zum 3. hielt das schlechte Wetter gleichmäßig an, erst dann gestaltete es sich insoweit günstig, daß man wieder einen westlichen Kurs einhalten konnte.

Während der letzten Tage des Monats kündigten verschiedene Anzeichen, wie dahertreibende Holzstücke, Wasserpflanzen und Landvögel, die Nähe einer Insel oder eines Continents an. Am 5. October nahm das Wasser eine andere Färbung an, und am Morgen des 6. kam eine nach West Viertel-Nordwest verlaufende Küste in Sicht. Je mehr man sich ihr näherte, desto ausgedehnter schien sie zu sein. Der allgemeinen Anschauung nach war der so lange gesuchte, von den Kosmographen für nothwendig als Gegengewicht gegen die anderen Welttheile erklärte Continent, die »Terra australis incognita« nun endlich aufgefunden. In Wahrheit hatte man hier nur die Ostküste der nördlicheren jener beiden Inseln, welche den Namen Neuseeland erhalten haben, vor sich.

Bald beobachtete man auch Rauch an verschiedenen Stellen des Ufers, dessen Einzelheiten nun deutlicher hervortraten. Die Hügel erschienen meist mit Wald bedeckt, und in den Thälern sah man sehr große Bäume. Später zeigten sich kleine, aber nette Häuser und kamen Piroguen und endlich auch Eingeborne [134] auf dem Strande zum Vorschein. Auf einer Anhöhe bemerkte man eine hohe, regelrechte Pallisade, die den ganzen Gipfel des Hügels umschloß. Die Einen sahen sie für die Umzäunung eines Thierparkes, die Anderen für ein Gehege für Hausthiere an, ohne eine Menge ebenso scharfsinniger Deutungen zu erwähnen, welche sich alle als falsch erwiesen, als man erfuhr, daß jenes ein »I-pah« war.

Am 8. gegen vier Uhr Nachmittags fiel der Anker in einer Bai an der Mündung eines kleinen Flusses. Auf jeder Seite derselben thürmten sich weiße Felsen empor, im Hintergrunde breitete sich ein dunkles Land aus, das etagenförmig aufstieg und mittelst vieler Einzelerhöhungen mit einer, weit im Innern verlaufenden mächtigen Gebirgskette zusammenzuhängen schien; das war das Bild dieses Theiles des Landes.

Cook, Banks und Solander sprangen in zwei, von einer Abtheilung der Mannschaft besetzte Boote. Als sie sich der Stelle näherten, an der die Eingebornen versammelt waren, ergriffen diese die Flucht. Das verhinderte die Engländer jedoch nicht daran, an's Land zu gehen, wobei sie ein Boot unter Bewachung von vier Schiffsjungen zurückließen, während das andere eine Strecke vom Ufer entfernt hielt.

Kaum befanden sich jene eine Strecke weit von der Schaluppe, als vier mit langen Lanzen bewaffnete Männer aus dem Walde hervorbrachen, um sich derselben zu bemächtigen. Sie hätten fast ihre Absicht erreicht, wenn nicht die Leute aus dem anderen Boote den Schiffsjungen zugerufen hätten, sich von der Strömung ruhig wegtreiben zu lassen. Diese wurden aber so hitzig verfolgt, daß der Führer der Pinasse einen Schuß über die Köpfe der Eingebornen hinwegfeuern mußte. Nach kurzem Zaudern setzten sie indessen doch die Verfolgung fort, bis ein zweiter wohlgezielter Schuß einen derselben todt niederstreckte. Seine Begleiter versuchten zuerst zwar, ihn mitzunehmen, doch mußten sie das aufgeben, um ihre Flucht zu beschleunigen. Auf das Geräusch jener Detonationen hin kehrten die an's Land gegangenen Officiere schnell nach dem Schiffe zurück, von wo aus sie bald die am Strande wieder versammelten Eingebornen das Vorgefallene lebhaft besprechen hörten.


Ein »I-pah«. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 135.)

Cook wünschte indeß, mit ihnen in Verbindung zu treten. Er ließ also drei Boote flott machen und ging mit Banks, Solander und Tupia an's Land, wo ihn etwa fünfzig am Ufer sitzende Eingeborne erwarteten. Als Waffen führten diese lange Spieße und ein etwa fußlanges Messer oder ein ebenfalls fußlanges, [135] gut polirtes Instrument aus grünem Talkstein, das vier bis fünf Pfund wiegen mochte. Es war das der »Patu-Patu« oder »Toki«, eine Art Streitaxt aus Stein oder Knochen mit sehr scharfer Schneide. Alle erhoben sich gleichzeitig und bedeuteten den Engländern durch Zeichen, sich zurückzuziehen.


Diese wurden aber so hitzig verfolgt.... (S. 135.)

Nachdem die Marinesoldaten das Land betreten, ging Cook mit seinen Begleitern auf die Eingebornen zu. Tupia sagte diesen, die Engländer kämen mit friedlichen Absichten und wünschten nur Wasser und Proviant einzunehmen, [136] wofür sie mit Eisen bezahlen würden, dessen Gebrauch er ihnen mittheilte. Man sah mit großer Befriedigung, daß die Angeredeten ihn vollkommen verstanden, da ihre Sprache nur einen besonderen Dialekt der auf Tahiti herrschenden bildete.

Nach mehrfachem Hin- und Herreden kamen etwa dreißig Wilde über den Fluß. Man schenkte ihnen einige Gegenstände aus Glas und Eisen, die sie nicht sonderlich zu beachten schienen. Als es aber dem Einen gelungen war, sich das Seitengewehr Green's durch List anzueignen, nahmen auch die Anderen wieder [137] eine drohende Haltung an, so daß man wenigstens auf den Dieb Feuer gab und denselben schwer verletzte, wonach die Uebrigen eiligst schwimmend das andere Ufer zu erreichen suchten.

Diese verschiedenen Versuche zur Anknüpfung einiger Handelsbeziehungen mit den Eingebornen waren so unglücklich ausgefallen, daß Cook nicht ferner darauf bestand, sondern einen anderen Wasserplatz aufzusuchen beschloß. Inzwischen bemerkte man zwei Piroguen, welche an das Ufer zu gelangen suchten. Cook traf Anstalt, ihnen den Weg zu verlegen. Die eine entkam mit Hilfe der Ruder, die andere ward abgefangen; doch trotz Tupia's Versicherungen der freundschaftlichen Absichten der Engländer, griffen die Eingebornen zu den Waffen und schritten sogar zum Angriff. Eine Gewehrsalve tödtete vier von jenen, drei Andere, die in's Meer gesprungen waren, wurden nach lebhafter Gegenwehr gefangen.

Cook's Aeußerungen über diesen traurigen Zwischenfall sprechen so laut zu seiner Ehre und weichen so auffallend von der damals leider gebräuchlichen Handlungsweise ab, daß wir nicht umhin können, sie hier wortgetreu mitzutheilen.

»Ich kann mir nicht verheimlichen, daß mich alle gefühlvollen Menschenseelen tadeln müssen, auf die armen Indianer haben schießen zu lassen, und wenn ich das ruhig überlege, mache ich mir auch selbst die bittersten Vorwürfe. Sie verdienten den Tod gewiß deshalb noch nicht, daß sie meinen Versicherungen keinen Glauben schenkten und es abschlugen, an Bord zu kommen, wenn sie auch keine directe Gefahr vor Augen sahen; die Natur meines Auftrages zwang mich indeß, ihr Land kennen zu lernen, was nicht zu erreichen war, wenn ich es nicht entweder durch offene Gewalt erzwang, oder das Zutrauen und die Zustimmung der Bewohner gewann. Den Weg der Geschenke hatte ich schon vorher vergeblich eingeschlagen; in dem Wunsche, jeden feindseligen Zusammenstoß zu vermeiden, sachte ich nun einige derselben auf mein Schiff zu locken, das einzige Mittel, sie zu überzeugen, daß wir, weit entfernt davon, ihnen ein Leid zuzufügen, vielmehr ihnen zu nützen suchen wollten. Bis hierher wäre wohl an meiner Handlungsweise nichts auszusetzen, freilich hätten wir in dem unerwarteten Kampfe ebenso vollständig siegen können, ohne jenen vier Indianern das Leben zu rauben, man bedenke aber wohl, daß Jeder, der sich in ähnlicher Lage befindet, wenn der Befehl zum Feuern einmal gegeben ist, die Folgen desselben nicht mehr abzuwägen vermag.«

[138] An Bord wurden die Gefangenen möglichst zuvorkommend aufgenommen, um ihnen das Vorgefallene, wenn auch nicht vergessen, so doch weniger peinlich zu machen, mit Geschenken überhäuft und mit Arm-und Halsbändern geschmückt; als wir aber Anstalt trafen, sie wieder an's Land zu setzen, und sie bemerkten, daß die Boote nach der Flußmündung zu steuerten, erklärten sie, daß hier ihre Feinde wohnten und sie daselbst bald ermordet und aufgezehrt sein würden. Man brachte sie trotzdem an's Land, und es schien nicht, als ob ihnen ein Leid widerfahren wäre.

Am Morgen des 11. October verließ Cook diese elende Gegend. Er gab ihr den Namen »Bai der Armuth«, weil er von Allem, was er bedurfte, nichts Anderes als Holz zu erlangen vermochte. Unter 38°42' südlicher Breite und 181°36' westlicher Länge gelegen, zeigt diese Bai die Form eines Hufeisens und bietet einen guten Ankerplatz, obwohl sie allen Winden offen steht.

Cook folgte nun der Küste weiter nach Süden, taufte die hervorragendsten Punkte und nannte z.B. eine Insel »Portland« wegen der Aehnlichkeit derselben mit der gleichnamigen Insel im englischen Canal. Die Beziehungen zu den Eingebornen gestalteten sich niemals günstiger, und nur die beispiellose Geduld der Engländer ließ es dabei nicht zum offenen Kampfe kommen.

Eines Tages umschwärmten mehrere Piroguen das Schiff, von denen man gegen Nägel und Glaswaaren Fische eintauschte, als die Eingebornen Tayeto, den Diener Tupia's, raubten und mit ihm hinwegzurudern suchten. Man mußte auf die frechen Buben Feuer geben; der kleine Tahitier machte sich die durch das Schießen hervorgerufene Bestürzung zunutze, um in's Meer zu springen, wo er von der Pinasse der »Endeavour« aufgenommen wurde.

Da Cook auch bis zum 17. October keinen geeigneten Hafen fand und der Seegang immer ungünstiger wurde, glaubte er hier viel Zeit zu verlieren, die er mit der Besichtigung des nördlichen Ufers besser ausfüllen könnte; er ließ also wenden und steuerte den eben zurückgelegten Weg wieder zurück.

Am 23. October erreichte die »Endeavour« eine Bai, Tolaga genannt, in der sich nicht der geringste Wellenschlag bemerkbar machte. Das Wasser war ausgezeichnet und auch Proviant leicht zu beschaffen, zumal da die Eingebornen hier ein freundliches Entgegenkommen zeigten.

Nachdem alle Maßregeln zum Schutze der Arbeiter getroffen waren, gingen die Herren Banks und Solander an's Land, um Pflanzen zu suchen, und bekamen bei ihrem Ausfluge einige bemerkenswerthe Dinge zu Gesicht. Inmitten [139] eines Thales und umringt von steilen Bergen erhob sich ein vollständig durchlöcherter Felsen, durch dessen Oeffnung man auf der einen Seite das Meer, auf der anderen einen Theil der Bai und der umgebenden Hügel erblicken konnte. Auf der Rückkehr nach dem Schiff begriffen, wurden die Botaniker von einem Greise aufgehalten, der sie den landesüblichen Exercitien mit der Lanze und dem Patu-Patu beiwohnen ließ. Bei einem anderen Spaziergange kaufte Doctor Solander einen Kreisel, der dem bekannten europäischen Spielwerke vollkommen ähnlich war, und die Indianer gaben ihm auch noch durch Zeichen zu verstehen, daß derselbe mittelst einer Peitsche getrieben werden müsse.

Auf einer Insel zur Linken des Eingangs der Bai sahen die Engländer die größte Pirogue, die sie jemals gefunden hatten. Diese maß nicht weniger als achtundsechzigeinhalb Fuß Länge, fünf Fuß Breite und drei Fuß sechs Zoll Höhe und war am Vordertheil mit erhabenen Sculpturen in eigenthümlichem Geschmack geziert, unter denen Spirallinien und sonderbar gestaltete Figuren vorherrschten.

Am 30. October, nachdem er genügend Holz und Wasser gefaßt hatte, ging Cook wieder unter Segel und folgte der Küste nach Norden.

In der Umgebung einer Insel, der der Kapitän den Namen Maire gegeben hatte, benahmen sich die Eingebornen unverschämter und diebischer als je vorher. Dennoch mußte er sich zur Beobachtung eines Merkur-Durchgang es fünf bis sechs Tage an dieser Stelle aufhalten. Um den Wilden aber zu beweisen, daß man die Engländer nicht ungestraft mißhandeln dürfe, schoß man auf einen Dieb, der sich ein Stück Segel angeeignet hatte, eine Kugel ab, die ihn indeß nicht stärker als ein tüchtiger Hieb mit dem Rohrstocke traf. Eine Kugel aber, welche mehrmals auf dem Wasser ricochettirte und wiederholt über die Piroguen sprang, erschreckte die Eingebornen dermaßen, daß sie so schnell als möglich nach der Küste zurückruderten.

Am 9. November gingen Cook und Green an's Land, um den Merkur-Durchgang zu beobachten. Green faßte nur den Eintritt des Planeten in's Auge, während Cook die Höhe der Sonne maß. Wir haben nicht die Absicht, den englischen Seefahrern Tag für Tag und Stunde für Stunde bei ihrer eingehenden Besichtigung Neuseelands zu folgen. Die sich gleichmäßig wiederholenden Vorfälle, die Erzählungen der Kämpfe mit den Eingebornen und die, wenn auch noch so anziehenden Beschreibungen von Naturschönheiten dürften unsere Leser doch nicht lange fesseln. Wir gehen also über den hydrographischen Theil der [140] Reise hinweg, um uns der Schilderung der heutzutage stark veränderten Sitten der Eingebornen zuzuwenden.

Die Merkurs-Bai liegt im Grunde der langen, vielfach eingeschnittenen Halbinsel, welche von Osten nach Nordosten verläuft und den nördlichsten Theil Neuseelands bildet. Am 15. November, gerade als die »Endeavour« diese Bai verließ, ruderten mehrere Canots gleichzeitig auf das Schiff zu.

Zwei derselben, heißt es in dem Berichte, welche gegen sechzig bewaffnete Männer führten, näherten sich so weit, daß man einander hören konnte, worauf die Eingebornen ihren Kriegsgesang begannen; als sie aber bemerkten, daß man ihnen wenig Aufmerksamkeit schenkte, singen sie an, die Engländer mit Steinen zu werfen, und ruderten näher heran. Bald rüsteten sie sich zu einem wirklichen Angriffe und schienen sich auf unsere Reisenden stürzen zu wollen, während sie sich gegenseitig durch ihre Gesänge ermuthigten. Ohne Aufforderung von anderer Seite, machte ihnen Tupia lebhafte Vorwürfe und sagte ihnen auch, daß die Engländer Waffen besäßen, welche geeignet wären, sie augenblicklich zu vernichten. Ihre Antwort darauf lautete: »Kommt nur an's Land, so werden wir Euch Alle umbringen. – Gut, antwortete Tupia, doch wie kommt Ihr dazu, uns auf dem Meere zu belästigen? Uns liegt nichts daran, mit Euch zu kämpfen, auch nehmen wir Eure Herausforderung nicht an, denn wir haben keine Ursache zum Streite. Das Meer ist für unser Schiff ebenso gut frei wie für Euch!« Eine so einfache und doch überzeugende Redeweise hätte Niemand Tupia zugetraut. Auch waren Cook und die übrigen Engländer davon wirklich freudig überrascht.

Im Verlauf seines hiesigen Aufenthaltes entdeckte der Kapitän auch noch einen ziemlich beträchtlichen Fluß, den er »Themse« nannte. Seine Ufer bekleideten ganz ähnliche Baumarten wie die in der »Bai der Armuth«. Einer derselben maß, sechs Faß über dem Erdboden, noch neunzehn, Fuß im Umfange; ein anderer nicht weniger als neunzig Faß Höhe bis an die ersten Aeste.

Wenn es zu wiederholten Zwistigkeiten mit den Eingebornen kam, so war das Unrecht dabei doch nicht immer auf Seite der Letzteren.

»Mehrere Leute vom Schiffe, sagt Kippis, die sich durch eine wahrhaft lykurgische Strenge hervorthaten, wenn die Indianer bei einem Fehltritt betroffen wurden, machten sich kein Gewissen daraus, in eine seeländische Pflanzung einzubrechen und daselbst eine Menge Pataten zu stehlen. Cook verurtheilte die Diebe zu zwölf Ruthenhieben. Zwei derselben ließen die Strafe ruhig über sich [141] ergehen; der Dritte behauptete aber hartnäckig, die Beraubung einer indianischen Anpflanzung sei einem Engländer nicht als Missethat anzurechnen. Cook antwortete auf diese unbegründete Casuistik einfach damit, daß er den Mann in den Raum einsperren und nicht eher wieder heraus ließ, bis er sich selbst bereit erklärte, dafür noch sechs Hiebe zu erhalten.«

Am 30. December umschifften die Engländer einen Landvorsprung, den sie für Tasman's Cap Maria-van-Diemen hielten; hier trafen sie aber so widrige Winde, daß Cook in drei Wochen nur zehn Meilen zurücklegen konnte. Zum Glück hielt er sich die ganze Zeit über in gehöriger Entfernung vom Ufer, sonst würden wir heute kaum in der Lage sein, dessen Abenteuer zu erzählen.

Nachdem er eine Anzahl hervorragender Punkte der Westküste mit Namen bezeichnet, kam Cook am 16. Januar 1770 in Sicht eines mächtigen, schneebedeckten Bergriesen, den er Mount Egmont nannte, zu Ehren des wiederholt erwähnten Grafen gleichen Namens. Kaum gelangte man über jenen hinaus, als man die Küste in einem großen Bogen vor sich ausgestreckt liegen sah. Dabei erschien sie durch kleinere Landspitzen mehrfach getheilt, und in eine der dadurch gebildeten Rheden beabsichtigte Cook einzulaufen, um sein Schiff kielholen und ausbessern zu lassen, sowie um neue Vorräthe an Holz und Wasser einzunehmen. Er landete im Grunde einer beschränkteren Bucht, wo sich ein kleiner Bach und Bäume im Ueberfluß vorfanden, da der Wald nur dicht am Meeresstrand aufhörte, wo ihm eben der Erdboden fehlte. Er benutzte die guten Verhältnisse, die sich hier mit den Eingebornen entwickelten, sich zu erkundigen, ob diese jemals schon ein ähnliches Fahrzeug wie die »Endeavour« gesehen hätten, überzeugte sich aber, daß man hier von Tasman nicht das Geringste wußte, obwohl dessen Bai der Mörder von seinem eigenen Ankerplatze nur fünfzehn Meilen entfernt lag.

In einem Korbe der Seeländer fand man auch einmal zwei abgenagte Knochen. Von einem Hunde schienen sie nicht herzurühren und bei näherer Betrachtung erwiesen sich dieselben als menschliche Ueberreste. Die darum befragten Eingebornen gaben auch ohne Scheu die Antwort, daß sie ihre Feinde meist zu verzehren pflegten. Einige Tage später brachten sie sogar sieben Menschenköpfe mit an Bord der »Endeavour«, an denen noch Haare und Fleisch festsaßen, woraus sie aber das, für einen besonderen Leckerbissen gehaltene Gehirn schon entfernt hatten. Das Fleisch war weich und durch irgend ein Mittel offenbar gegen die Fäulniß geschützt worden, denn es verbreitete noch keinen widerlichen Geruch. Banks konnte einen solchen Kopf nur mit Mühe käuflich [142] erwerben, vermochte aber den Greis, der jene mitgebracht hatte, auf keine Weise zur Abtretung eines zweiten zu bewegen, wahrscheinlich weil die Neuseeländer dieselben als eine Trophäe und einen Beweis ihrer Tapferkeit ansehen.

Die nächstfolgenden Tage verbrachte man mit der Besichtigung der Umgebung und mit verschiedenen Spaziergängen Bei einem solchen Ausfluge bestieg Cook einen höheren Hügel und konnte von demselben aus sowohl den ganzen, von ihm so benannten »Königin Charlotten-Kanal« überblicken, als auch die jenseitige Küste, deren Entfernung er auf vier Meilen schätzte. Der Nebel verhinderte, dieselbe nach Südosten weiterhin zu erkennen. Er hatte aber genug gesehen, um zu der Ueberzeugung zu gelangen, daß dort die große Insel, welche er fast vollständig umschifft hatte, endigte. Es blieb ihm nun also die Erforschung der weiter im Süden gelegenen Insel übrig. Er wollte eine solche auch ausführen, sobald er sich mittelst Durchschiffung des Königin Charlotten-Kanals überzeugt hätte, daß derselbe wirklich eine Meerenge sei.

In der Nähe fand Cook auch Gelegenheit, einen »I-pah« zu besuchen. Auf einem kleinen Holme oder einem schwer zu ersteigenden Felsen errichtet, stellt ein I-pah nichts Anderes als ein befestigtes Dorf dar.

Meist haben die Eingebornen den natürlichen Schwierigkeiten noch künstliche Hindernisse hinzugefügt, welche den Zugang noch gefährlicher machen. Mehrere solche, von den Engländern besuchte Anlagen waren von einem zweifachen Graben mit Brustwehr und doppelten Palissaden umschlossen. Der zweite Graben hatte nicht weniger als vierundzwanzig Faß Tiefe. Innerhalb der engeren Palissade erhob sich eine gegen vierzig Fuß lange und sechs Fuß breite Plattform auf etwa zwanzig Fuß hohen, starken Holzpfeilern. Hier nahmen die Vertheidiger des Ortes Stellung und konnten etwa andrängende Feinde leicht mit den, für diesen Fall in großen Mengen aufgehäuften Wurflanzen und Steinen überschütten. Diese Befestigungen sind für die Eingebornen so gut wie uneinnehmbar, wenn sie die Besatzung derselben nicht durch andauernde Umzingelung zur Ergebung zwingen.

»Es erscheint wunderbar, bemerkt Cook, daß Leute, deren Scharfblick und Sorgfalt hinreichten, fast ohne Werkzeuge derartige zur Vertheidigung so zweckmäßig angelegte Werke zu errichten, nicht darauf verfielen, sich außer der mit der Hand geschleuderten Lanze irgend eine andere in der Ferne wirkende Waffe herzustellen.


Tahitischer Flötenspieler. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Sie kennen jedoch weder den Bogen, um einen Pfeil abzuschießen, noch die Schleuder, um einen Stein zu werfen, was um so mehr auffallen [143] muß, als die Erfindung der Schleuder, der Bogen und Pfeile doch weit einfacher erscheint als die der Festungswerke, welche diese Völker erbauten, während man jene beiden Waffen fast in allen Theilen der Erde und selbst bei den wildesten Völkerschaften antrifft.«


Ein Fia-soka [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Am 6. Februar verließ Cook die Bai und segelte nach Osten in der Hoffnung, vor der zurückkehrenden Fluth leicht in den Eingang zur Meerenge einfahren zu können. Um 7 Uhr Abends wurde das Schiff von einer heftigen [144] [146]Strömung bis in die Nähe einer kleinen Insel außerhalb des Caps Koamaroo verschlagen. Hier erhoben sich sehr spitzige Felsen aus dem Meeresgrunde. Jeden Augenblick wuchs die Gefahr. Zur Rettung des Schiffes gab es nur ein einziges Mittel. Glücklicher Weise sollte sich dasselbe bewähren. Nur eine Kabellänge weit trieb die »Endeavour« noch von den Rissen, da ließ man bei fünfundsiebzig Faden Wasser den Anker fallen. Er griff gut ein und die Strömung, welche, nachdem sie sich an genannter Insel gebrochen, eine andere Richtung einschlug, drängte das Schiff von dem nächsten Risse ab. Noch immer konnte es jedoch nicht für gerettet gelten, denn es befand sich stets in der gefährlichen Nachbarschaft der Felsen, und die Strömung legte fünf Meilen in der Stunde zurück.

Erst als die Fluth nachließ, konnte das Schiff sich freimachen, und da gleichzeitig auch ein günstiger Wind aufsprang, gelangte es schnell nach der schmalsten Stelle der Meerenge, die es nun glücklich passirte.

Die nördlichere Insel von Neuseeland, welche in der Ursprache Caheinomauwe heißt, war indeß noch nicht in allen ihren Theilen erforscht; etwa fünfzehn Meilen ihrer Küste hatte man noch nicht besichtigt. Daraufhin behaupteten mehrere Officiere, im Gegensatze zu des erfahrenen Cook Anschauung, daß dieselbe nicht eine Insel, sondern einen Continent bilde. Obwohl des Commandanten Ansicht für ihn selbst längst feststand, so hielt er doch einen solchen Kurs ein, daß sich seine Officiere von der Irrigkeit ihrer Anschauung überzeugen konnten. Nach zweitägiger Fahrt und nach Umschiffung des Caps Palliser fragte er sie, ob sie sich nun bekehrt hätten. Auf ihre bejahende Antwort hin verzichtete Cook darauf, bis zum äußersten, schon von der Ostseite aus gesehenen Ende von Caheinomauwe weiterzusegeln, und beschloß, längs der ganzen Küste des von ihm schon einmal gesehenen Landes, d. h. der Südinsel Pawai-Punamu, hinabzufahren.

Das Ufer derselben erschien meistens wenig fruchtbar und unbewohnt. Uebrigens mußte er sich stets gegen vier bis fünf Meilen von demselben entfernt halten.

In der Nacht des 9. März glitt die »Endeavour« über mehrere Felsen hinweg und man erkannte am nächsten Morgen, daß sie in großer Gefahr geschwebt hatte. Diese Klippen erhielten den Namen »die Fallen«, weil sie den zu vertrauensvollen Seefahrern wirklich gleich solchen in den Weg gelegt scheinen.

An dem nämlichen Tage entdeckte Cook auch noch die Spitze, die er als das südlichste Ende Neuseelands ansah und deshalb »Süd-Cap« taufte. Es war [146] das ein Theil der Insel Steward. Da von Südwesten her große Wogen gegen das Schiff anspülten, als es das Cap doubtirte, setzte Kapitän Cook voraus, daß in dieser Richtung kein Land mehr liegen könne. Er schlug also den Weg nach Norden wieder ein, um mit der Westküste die Umschiffung Neuseelands zu vollenden.

Ziemlich am Ende dieser Küste entdeckte man eine Bai, welche den Namen »Dusky-Bai« erhielt. Diese Gegend ist unfruchtbar, zerrissen und mit Schnee bedeckt. In der Ausdehnung von drei bis vier Meilen umschloß die Dusky-Bai, welche eben so tief als breit zu sein schien, mehrere Inseln, hinter denen ein Schiff ohne Zweifel sicheren Schutz gefunden hätte. Cook hielt es aber nicht für gerathen, sich hier aufzuhalten, da er wohl wußte, daß ein geeigneter Wind, um aus diesen Gewässern zurückzukommen, nur einmal im Monat wehte. Hierin stimmte er übrigens nicht mit seinen Officieren überein, welche, nur den augenblicklichen Vortheil in's Auge fassend, die späteren Nachtheile eines längeren Aufenthaltes übersahen.

Die Besichtigung des westlichen Ufers von Tawai-Punamu verlief übrigens ohne weiteren Zwischenfall.

»Von der Dusky-Bai bis 44°20' der Breite, sagt Cook, erstreckt sich eine in gerader Linie verlaufende Hügelkette, die sich vom Meeresstrande erhebt und dicht mit Wäldern bedeckt ist. Gleich hinter diesen Hügeln erblickt man Berge, die eine zweite, weit höhere Kette bilden und aus steilen, ganz nackten, Felsen bestehen, außer den Stellen, wo sie mit Schnee bedeckt sind, den man in großen Massen sieht... Man vermag sich kaum einen wilderen, trostloseren und erschreckenderen Anblick zu denken, als den dieses Landes, wenn man es vom Meere aus betrachtet, denn soweit das Auge trägt, gewahrt man nichts als Felsenspitzen, die so nahe beieinander aufstreben, daß sich zwischen ihnen an Stelle der Thäler nur schluchtenartige Einschnitte vorfinden.«

Von 44°20' bis 42°8' wechselt das Bild; die Berge treten mehr zurück und das Meer ist von Hügeln und fruchtbaren Thälern begrenzt.

Von 42°8' bis 41°30' erstreckt sich eine große, steile, mit dunklen Waldungen bedeckte Küste. Uebrigens segelte die »Endeavour« zu fern vom Ufer und die Witterung war zu trübe, als daß man die Einzelheiten der Küstenlandschaft hätte deutlich genug erkennen können. Nachdem man das ganze Land umschifft, steuerte das Fahrzeug wieder nach dem Eingange des Königin Charlotte-Kanals zurück.

[147] Cook versorgte sich hier mit Holz und Wasser; dann beschloß er die Rückreise nach England anzutreten, wenn er es auch lebhaft bedauerte, die Frage nach dem Vorhandensein eines südlichen Continents nicht haben lösen zu können. Jetzt konnte er freilich weder um das Cap Horn, noch um das Cap der Guten Hoffnung zu segeln wagen. Sein Fahrzeug war, mitten im Winter in so tiefer südlicher Breite, voraussichtlich nicht im Stande, diese Fahrt auszuhalten. Es blieb ihm also nichts übrig, als nach Ostindien zu gehen und zu diesem Zwecke westlich, bis zur Küste von Neu-Holland zu steuern.

Bevor wir jedoch die Vorfälle dieses zweiten Theiles seiner Reise schildern, dürfte es angemessen sein, hier einen Rückblick zu thun, und die Beobachtungen kurz zusammenzufassen, welche die Reisenden über die Lage und über die Bewohner von Neuseeland gemacht hatten.

Schon früher erzählten wir, daß dieses Land zuerst von Abel Tasman entdeckt wurde, und schilderten die Ereignisse, welche den Weg des holländischen Kapitäns mit blutigen Spuren bezeichneten. Außer der von Tasman im Jahre 1642 angelaufenen Küste war seitdem niemals ein europäisches Fahrzeug nach Neuseeland gekommen. Was man davon wußte, war so lückenhaft, daß man es, sowie Tasman, für einen Theil des südlichen Festlandes hielt, der von diesem den Namen Staatenland empfangen hatte. Cook kommt die Ehre zu, die Lage der beiden Inseln genau bestimmt und deren Küsten zwischen 44 und 38° südlicher Breite und 170 bis 194° westlicher Länge vollständig umschifft zu haben.

Tawai-Punamu war gebirgig, unfruchtbar und erschien nur schwach bevölkert. Caheinomauwe zeigte einen lachenden Anblick mit seinen Hügeln, Bergen und walderfüllten Thälern, durch welche sich muntere Bäche schlängelten. Auf Grund der von Banks und Solander angestellten Beobachtungen, faßte Cook seine später bestätigten Angaben über Klima und Boden dahin zusammen, daß, wenn die Europäer hier eine Niederlassung gründen wollten, es ihnen wenig Mühe und Arbeit kosten würde, in großem Ueberfluß Alles zu erzeugen, was man nur bedurfte. An Vierfüßlern gab es auf Neu-Seeland nur Ratten und Hunde, letztere nur zum Essen gezüchtet. Neben der Armuth der Fauna besaß das Land aber eine um so üppigere Flora. Ueber die Gewächse, welche die Engländer am meisten interessirten, äußert sich der Bericht wie folgt:

»Statt des Hauses und des Flachses bedienen sich die Eingebornen einer Pflanze, welche alle zu ähnlichen Zwecken in anderen Ländern benutzten weit[148] übertrifft.... Die gewöhnliche Kleidung der Neuseeländer besteht aus Blättern derselben, welche gar nicht weiter bearbeitet sind; sie verfertigen daraus auch Schnüre, Leibwäsche und Tauwerk, das viel haltbarer ist als das aus Hans, welches mit jenem gar keinen Vergleich aushält. Aus derselben Pflanze gewinnen sie mittelst einer anderen Zubereitungsmethode auch ganz seine, seidenglänzende und schneeweiße Fäden, aus denen sie die schönsten Stoffe herzustellen wissen, welche auch überraschend fest sind. Ihre ungeheuer großen Netze bestehen wiederum aus solchen Blättern, die dazu nur in Streifen von geeigneter Breite zerschnitten und zusammengeknüpft werden.«

Diese wunderbare Pflanze, von der man so entzückt war, wie es die vorstehende Beschreibung darstellt, und für welche sich einige Jahre später La Billardière nicht weniger enthusiasmirte, ist heutzutage unter dem Namen »Phormium tenax« bekannt.

Die hierdurch erweckten Hoffnungen mußten später freilich auf ein bescheideneres Maß zurückgeführt werden. Nach der Ansicht des berühmten Chemikers Duchartre zerstört die andauernde Einwirkung feuchter Wärme, und vorzüglich das Waschen, die Faserzellen dieser Pflanze sehr schnell, und das Gewebe zerfällt dann bald in lose Stücke. Immerhin bildet sie einen nicht unbeträchtlichen Ausfuhrartikel. Al. Kennedy führt in seinem beachtenswerthen Reisewerke über Neuseeland an, daß der Export sich im Jahre 1865 zwar nur auf fünfzehn Ballen Phormium bezifferte, schon vier Jahre später – was freilich kaum glaublich erscheint, auf 12.162 Ballen stieg und im Jahre 1870 gar 32.820 Ballen im Werthe von 132.578 Pfd. St. erreichte.

Die hochgewachsenen und wohlgebauten Einwohner waren flink, kräftig und gewandt. Die Frauen zeigten dagegen nicht jene Feinheit der Organe und Weichheit der Körperformen, die sie sonst überall voraushaben. Da sie sich ganz wie die Männer kleideten, konnte man sie nur an dem Ton der Stimme und der größeren Beweglichkeit der Physiognomie erkennen. Da' Angehörigen ein und desselben Stammes lebten untereinander zwar in den friedlichsten Verhältnissen, waren aber unerbittlich gegen ihren Feinde, denen sie keinen Pardon gaben und deren Leichen ihnen zu gräulichen Festmahlen dienten, welche sich durch die Kargheit an thierischen Lebensmitteln wenigstens erklären, wenn auch nicht entschuldigen lassen.

»Es erscheint vielleicht auffallend, sagt Cook, so häufige Kriege in einem Lande zu finden, wo auch ein errungener Sieg so wenig Vortheile zu bieten verspricht.«

[149] Außer dem Bedürfniß aber, sich Fleischnahrung zu verschaffen, das oft genug allein zu Kriegen führt, bestand die Bevölkerung, was Cook damals nicht wußte, aus zwei verschiedenen, fast von Natur feindseligen Racen.

Alte Sagen melden, daß die Maoris vor etwa dreizehnhundert Jahren von den Sandwichinseln eingewandert seien. Man darf das für ziemlich verläßlich halten, da diese hervorragende polynesische Race fast alle Inselgruppen des unendlichen Pacifischen Oceans bevölkert hat. Von der Insel Haouaïki, das wäre das Havaï der Sandwichinseln oder Saouaï, ein Glied der Schifferinseln, ausgegangen, hätten die Maoris demnach die Ureinwohner zurückgedrängt und fast ausgerottet.

Wirklich haben die ersten Ansiedler unter den Eingebornen Neuseelands zwei vollkommen verschiedene Typen gefunden; der eine, und zwar der überwiegende, erinnerte unwillkürlich an die Bewohner von Havaï, oder der Marquisen- und Tonga-Insel, während der zweite eine auffallende Uebereinstimmung mit der melanesischen Race zeigte. Diese von Freieinet herrührenden Nachrichten, welche Hochstetter erst neuerdings in allen Theilen bestätigte, stimmen vollständig mit Cook's merkwürdiger Angabe überein, daß Tupia sich als Eingeborner von Tahiti mit den Neuseeländern ohne Schwierigkeit zu verständigen vermochte.

Heutzutage sind die Polynesier, Dank dem Fortschritte der Linguistik und Anthropologie, besser bekannt; zur Zeit Cook's besaß man über dieselben nur Vermuthungen, und jener war vielleicht der Erste, durch den einige Kenntniß von jenen alten Ueberlieferungen verbreitet wurde.

»Alle glaubten fest, sagt er, daß ihre Voreltern vor langer Zeit aus einem anderen Lande gekommen seien, das nach der gewöhnlichen Annahme Heavise hieß.«

Jener Zeit ernährte der Boden also keinen anderen Vierfüßler als den Hund, und auch dieser war hier erst von außerhalb eingeführt worden. Die Neuseeländer besaßen zur täglichen Nahrung nur eine kleine Auswahl Pflanzen, welche den Engländern übrigens unbekannt blieben. Zum Glück erwiesen sich die Küsten ziemlich fischreich, ein Umstand, dem die Bewohner es allein verdankten, nicht Hungers sterben zu müssen.

Gewöhnt an fortwährende Kriege und in jedem Fremden einen Feind sehend, der für sie noch dazu den Werth eines Schlachtthieres hatte, erklärt sich die Neigung der Eingebornen, die Engländer anzugreifen. Sobald sie sich aber von der Unzulänglichkeit ihrer Mittel und von der Macht ihrer Gegner überzeugt,[150] sowie auch eingesehen hatten, daß man es möglichst vermied, jene todbringenden Maschinen, deren entsetzliche Wirkung sie zuerst erfuhren, anzuwenden, behandelten sie die Seefahrer als Freunde und benahmen sich gegen diese stets überraschend ehrlich und offenherzig.

Besaßen die bis jetzt besuchten Inselbewohner keine Idee von Decenz und Scham, so war das doch nicht der Fall bei den Neuseeländern, wofür Cook mehr als einen merkwürdigen Beweis beibringt. Ohne so reinlich zu sein wie die Tahitier, welche sich schon wegen ihres wärmeren Klimas weit häufiger baden, verwandten sie doch ziemliche Sorgfalt auf ihre persönliche Erscheinung und verirrten sich sogar bis zu einer gewissen Coquetterie. So pflegten sie auch das Haar entweder mit Fischthran oder Vogelfett einzusalben, das aber sehr bald ranzig wurde, so daß sie dann einen fast ebenso unangenehmen Geruch um sich verbreiteten wie die Hottentotten. Ferner herrschte die Sitte des Tätowirens, was mit geschickter Hand und einem bei so niedrig stehenden Bevölkerungen bewundernswerthen Geschmack ausgeführt wurde.

Zu ihrem großen Erstaunen bemerkten die Engländer, daß die Frauen hier ihre Toilette weit mehr vernachlässigten als die Männer. Die Haare trugen sie kurz geschnitten, ohne jeden Putz, und benützten dieselben Kleider wie die Letzteren. Als einzige Zierde steckten sie sich nur die sonderbarsten suchen durch die Ohren, wie Stoffe, Federn, Fischgräten, Holzstückchen, ohne diejenigen, welche sie mittelst einer Schnur wieder an jenen befestigten, wie z.B. eine Art Nadeln und grüne Talksteine, die Nägel oder Zähne ihrer verstorbenen Angehörigen und überhaupt allerlei Gegenstände, die ihnen gerade in die Hände fielen.

Es erinnert das an einen von Cook mitgetheilten Vorfall mit einer Tahitierin. Diese Frau wollte gern Alles haben, was sie sah, und sprach auch einmal den Wunsch aus, ein Vorlegeschloß an ihrem Ohrläppchen zu befestigen. Man gab ihr nach, warf dann aber vor ihren Augen den Schlüssel desselben in's Meer. Einige Zeit darauf verlangte sie, ob ihr nun das Gewicht dieses Schmuckes zu schwer wurde, oder sie denselben nur gegen einen anderen austauschen wollte, wiederholt, ihr jenes wieder abzunehmen.


Eine neuseeländische Familie. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Diesen Wunsch mußte man ihr freilich versagen, indem man ihr klar machte, daß ihr Begehr ein so unvorsichtiges gewesen sei, daß es nicht mehr als billig erscheine, wenn sie nun auch die unbequemen Folgen desselben verspüren müsse. Die Kleidung der Neuseeländer bestand meist aus einem Stück Stoff, das etwa zwischen einer Strohmatte und Tuchgewebe die Mitte hielt und ihnen von den Schultern bis auf [151] die Kniee herabhing, während sie gelegentlich auch ein zweites Stück trugen, das am Gürtel befestigt bis zur Erde herabreichte. Doch hatten sie das letztere eben nicht häufig im Gebrauch. Trugen sie nun blos das obere Kleidungsstück und kauerten sie etwa auf dem Erdboden, so sahen sie einer Hütte mit Strohdach zum Verwechseln ähnlich. Diese rohen Mäntel erschienen manchmal mit Fransen von verschiedener Farbe und, wenn auch seltener, mit in Streifen geschnittenen Hundefellen sehr elegant ausgestattet. Was die Leute zu leisten vermochten, [152] verrieth vorzüglich die Construction ihrer Piroguen. Die Kriegsboote konnten wohl vierzig bis fünfzig bewaffnete Männer aufnehmen, und ein bei Ulaga gemessenes hatte eine Länge von achtundsechzigeinhalb Fuß. Sie waren mit erhabenen Arbeiten und mit schwarzen, schwimmenden Federfransen prächtig verziert. Nur die kleinsten derselben hatten die sogenannten Ausleger. Die Fischerboote zeigten sich ebenfalls am Vorder- und Hintertheil mit einer menschlichen Figur mit abstoßendem Gesicht und heraushängender Zunge geschmückt, deren [153] Augen aus zwei weißen Muscheln hergestellt wurden. Nicht selten pflegte man zwei solche Piroguen aneinander zu koppeln, während wiederum nur die kleinsten mit Auslegern versehen waren, um das Kentern derselben zu verhüten.


Kopf eines tätowirten Neuseeländers. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 151.)

»Da nur Unmäßigkeit und vernachlässigte Körperübung die einzigen Ursachen der Krankheiten sind, sagt Cook, kann es nicht überraschen, daß diese Völkerschaften sich ununterbrochen einer fast vollkommenen Gesundheit erfreuen. Stets, wenn wir in ihre Dörfer kamen, umringten uns Kinder und Greise, Männer und Weiber und starrten uns mit der nämlichen Neugier an, die uns trieb, jene zu sehen; nie kam uns aber ein Kranker zu Gesicht, und selbst von denen, die wir ganz nackt sahen, haben wir bei Keinem weder den geringsten Ausschlag, noch Spuren von Pusteln oder Beulen gefunden.«

2.
II.

Entdeckung der Ostküste Australiens. – Bemerkungen über die Bewohner und die Erzeugnisse des Landes. – Strandung der »Endeavour«. – Fortdauernde Gefahren der Schiffahrt. – Durchsegelung der Torres-Straße. – Die Eingebornen von Neu-Guinea. – Rückkehr nach England.


Am 31. März 1770 verließ Cook Cap Farewell und Neuseeland, um nach Westen zu steuern. Am 19. April traf er ein Land, das sich unter 37°58' der Breite und 210°39' westlicher Länge von Nordosten nach Südwesten hin ausdehnte. Gestützt auf die Angaben der Tasman'schen Karten betrachtete er jenes als das Land, welches der genannte Seefahrer Van-Diemensland getauft hatte. Jedenfalls fand er keine Gelegenheit festzustellen, ob der vor ihm liegende Theil der Küste mit Tasmanien zusammenhing oder nicht. Auf der Fahrt nach Norden benannte er alle hervorragenderen Punkte, wie die Hicks-Spitze, Ramhead, Cap Howe, Dromedar-Berg, Upright-Spitze, Pigeon-House u.s.w.

Diese Gegend von Australien war bergig und mit zerstreuten Bäumen besetzt. Einzelne Rauchsäulen ließen zwar erkennen, daß das Strandgebiet bewohnt sei, aber die nur dünn gesäete Bevölkerung hatte nichts Eiligeres zu thun, als zu entfliehen, sobald die Engländer Anstalt trafen, an's Ufer zu gehen.

[154] Die ersten Eingebornen, deren man ansichtig wurde, waren mit langen Spießen und einem Stück Holz bewaffnet, das in der Form etwa einem türkischen Säbel gleichkam. Es war das der berüchtigte »Boomerang«, eine Wurfwaffe, die in den Händen der Eingebornen ebenso gefährlich, wie in denen der Europäer unschuldig ist. Das Gesicht dieser Wilden schien mit einem weißen Puder bedeckt, ihr Körper war mit breiten Streifen von derselben Farbe überzogen, welche, schräg über die Brust verlaufend, den Bandelieren der Soldaten ähnelten: auch hatten sie gleiche Streifen rings um den Ober- und Unterschenkel, die man aus einiger Entfernung hätte für Strumpfbänder halten können, wenn jene nicht vollständig nackt gegangen wären.

An einer anderen Stelle versuchten die Engländer ebenfalls an's Land zu gehen. Zwei Eingeborne aber, welche man durch Zuwerfen von Nägeln, Glaswaaren und anderen Kleinigkeiten erst zutraulicher zu machen sich bemühte, zeigten eine so drohende Haltung, daß man sich genöthigt sah, einen Schuß über ihre Köpfe weg abzugeben. Eine kurze Zeit standen sie ganz starr vor Schreck über den Knall; da sie sich aber nicht verwundet fühlten, begannen sie ihre feindseligen Demonstrationen auf's Neue, indem sie Steine und Wurfspieße nach dem Boote schleuderten. Nun richtete man einen scharfen Schuß nach den Beinen des älteren Wilden. Der arme Teufel entfloh auf der Stelle nach einer der Hütten, kehrte jedoch bald mit einem Schilde zurück und versuchte sich zwar nochmals zur Wehr zu stellen, mußte sich aber bald von der Ohnmacht seines Widerstandes überzeugen. Die Engländer gingen nun an's Land und nach den Wohnungen in der Nähe zu, wo sie eine Menge Lanzen vorfanden. In derselben Bucht landete auch eine andere Abtheilung mit den Wassertonnen; es erwies sich jedoch unmöglich, mit den Eingebornen in Verbindung zu treten, da diese sofort entflohen, sobald die Engländer sich dem Strande näherten.

Bei Gelegenheit eines Ausfluges auf dem Lande fanden Cook, Banks und Solander auch die Fußspuren verschiedener Thiere. Sehr schöne Vögel gab es in großer Menge. Die vielen Pflanzenspecies, welche die Naturforscher in dieser Gegend fanden, veranlaßten Cook, ihr den Namen Botany-Bai zu geben. Die ausgedehnte, sichere und bequeme Bai liegt unter 34° der Breite und 208°37' westlicher Länge. Holz und Wasser waren gleichfalls leicht zu erlangen.

»Die Bäume hier, sagt Cook, erreichen fast dieselbe Höhe wie die Eichen Englands, ja, ich sah auch einen, der ihnen sehr ähnlich sah. Es ist das derselbe, der ein rothes Gummi, ähnlich dem ›Drachenblut‹ ausschwitzt.«

[155] Jedenfalls ist hier von einer Eukalypten-Art die Rede. Unter den mancherlei Fischen, welche sich in großen Schaaren umhertummeln, ist besonders der Nagelroche hervorzuheben, von dem ein ausgeweidetes Exemplar noch dreihundertsechsunddreißig Pfund wog.

Am 6. Mai verließ Cook wieder die Botany-Bai und segelte längs der Küste nach Norden hin, wobei er sich stets in einer Entfernung von zwei bis drei Meilen hielt. Die Fahrt selbst verlief sehr einförmig. Einiges Interesse gewährten nur der häufige und unvorherzusehende Wechsel der Meerestiefen und die Klippenreihen, welche man vermeiden mußte.

Bei einer späteren Landung überzeugten sich die Reisenden, daß das Land weit schlechter war als in der Umgebung der Botany-Bai. Der Boden bestand nur aus Sand und die Hügelabhänge erschienen mit verstreuten oder ganz einzelstehenden Bäumen bedeckt, doch ohne jedes niedere Buschwerk. Die Matrosen erlegten auch eine junge Trappe, welche sie für das beste Stück Wild erklärten, das sie seit der Abreise aus England gegessen hätten. Aus diesem Grunde erhielt die Stelle den Namen Bustard-Bai. Hier fischte man ferner eine Menge Austern jeder Art, darunter vorzüglich kleine Perl-Austern.

Am 25. Mai befand sich die »Endeavour« eine Meile weit vom Lande, gerade gegenüber einer Spitze, welche genau unter dem Wendekreise des Steinbocks lag. Am nächsten Tage beobachtete man, daß die Fluth hier um sieben Fuß stieg und fiel. Die Fluthwelle verlief dabei nach Westen, während der Ebbe aber strömte das Wasser nach Osten, d. h. gerade entgegen der Bewegung an der Bustard-Bai. In der Nähe lagen auch viele Inseln, zwischen denen das Fahrwasser eng und ziemlich seicht war.

In der Hoffnung, eine bequeme Stelle zu finden, wo er Kiel und Rumpf seines Schiffes säubern lassen könnte, landete Cook mit Solander und Banks in einer geräumigen Bucht. Kaum an's Ufer getreten, sahen sie sich aber durch ein dichtes, bärtiges und mit scharfen Spitzen besetztes Gras – wahrscheinlich eine Art Spinifex – sehr am Gehen gehindert, da dessen Stacheln an der Kleidung hängen blieben, diese durchdrangen und die Haut empfindlich verletzten. Gleichzeitig fielen ganze Wolken von Marangouins (eine Art Mücken) und Mosquitos über sie her und belästigten sie durch schmerzhafte Stiche. Eine geeignete Stelle zur Vornahme der beabsichtigten Arbeiten fand sich zwar bald, nirgends aber ein Wasserplatz. Auf den nur einzeln vorhandenen Gummibäumen hingen ungeheure Nester von weißen Ameisen, welche mit Vorliebe an den Sprößlingen [156] derselben sitzen und sie bald ihres Milchsaftes berauben. Prächtig schillernde Schmetterlinge schaukeln sich in der Luft.

Das waren zwar lauter merkwürdige und interessante Beobachtungen, nur befriedigten sie auf keine Weise den Kapitän, der sich außer Stand sah, seinen Bedarf an Wasser zu decken. So gab sich hier gleich zu Anfange der hervorstechendste Zug der Neuen Welt kund, der es an Quellen, Flüssen und Strömen bekanntlich auffallend fehlt.

Auch ein zweiter, am Abend desselben Tages unternommener Versuch hatte kein besseres Resultat. Cook überzeugte sich jedoch, daß die Bai sehr tief war, und beschloß, sie am folgenden Tage in ihrem ganzen Umfange zu besichtigen. Er fand dabei, daß die Breite derselben hinter dem Eingange wesentlich zunahm und sie zuletzt einen ausgedehnten Binnensee bildete, der nach Nordwesten zu wieder mit dem Meere in Verbindung stand. Ein anderer Arm verlief nach Osten, und man durfte wohl annehmen, daß auch dieser See im Grunde der Bai eine andere Verbindung mit dem Meere haben werde. Dieser Theil Australiens erhielt den Namen Neu-Süd-Galles. Unfruchtbar, sandig und trocken, fehlte ihm Alles, was zur Begründung einer Kolonie unumgänglich nothwendig ist. Diese oberflächliche Besichtigung, welche sich meist nur auf die hydrographischen Verhältnisse der Umgebung bezog, konnte die Engländer natürlich nicht auf die Vermuthung bringen, daß hier die reichsten mineralischen Schätze der Erde verborgen lagen.

Vom 31. Mai bis 10. Juni ging die Fahrt in gleich eintöniger Weise von statten. An letzterem Tage sah sich die »Endeavour«, welche an dieser Küste, mitten durch Klippen und Untiefen, eine Strecke von zweiundzwanzig Graden, d. h. gegen 1300 Meilen ohne jeden Unfall zurückgelegt hatte, plötzlich der schlimmsten Gefahr, die man sich nur denken kann, ausgesetzt.

Man segelte eben unter dem 16. Grade der Breite und unter 214°39' westlicher Länge, als Cook, der zwei niedrige waldbedeckte Inseln gerade vor sich sah, den Befehl gab, sich während der Nacht auf offener See zu halten, um die in dieser Gegend von Quiros entdeckten Inseln aufzusuchen, einen Archipel, den einige Geographen fälschlich als zu einem großen Lande gehörig bezeichnet haben. Von neun Uhr Abends ab zeigte die Sonde von Viertelstunde zu Viertelstunde eine stetig abnehmende Tiefe. Alle Welt verweilte auf dem Deck und der Anker war schon in Bereitschaft, als die Wassertiefe plötzlich wieder bedeutend zunahm. Man schloß daraus, daß das Schiff nun die letzten bei Sonnenaufgang [157] beobachteten Sandbänke passirt habe, und freute sich, daß diese Gefahr überstanden sei. Da die Tiefe immer noch weiter zunahm, begaben sich Cook und seine Officiere, welche keine Wache hatten, ruhig in ihre Cabinen.

Um elf Uhr Nachts aber zeigte die Sonde, welche eben erst fünfundzwanzig Faden Wasser gemeldet hatte, plötzlich nur siebenzehn, und noch ehe man dazu kam, sie nochmals auszuwerfen, streifte die »Endeavour« schon den Meeresgrund und stieß, von den Wogen gepeitscht, mit dem Hintertheil auf die Spitze eines Felsens.

Die Lage war eine ziemlich ernste. Von einem Wellenberge über den Rand einer Klippe gehoben, war die »Endeavour« nun in eine Aushöhlung derselben gesunken. Schon bei Mondschein sah man um das Schiff einen Theil des falschen Kiels und einige Planken der zweiten Umkleidung umhertreiben.

Zum Unglück war die Strandung während der Hochfluth erfolgt. Ohne Zeit zu verlieren, warf man sechs Geschütze, Fässer, Tonnen, den eisernen Ballast und Alles über Bord, was nur geeignet wär, das auf dem Felsen tanzende Schiff zu erleichtern. Die Schaluppe wurde in's Wasser gesetzt, Raaen und Stengen abgenommen, das Sorrtau des Fährbootes über Steuerbord ausgelegt und der Teyanker an derselben Seite hinabgelassen, da man bemerkte, daß das Wasser hinter dem Achter mehr Tiefe hatte. So kräftig man sich aber auch am Gangspill abmühte, es gelang doch nicht, das Schiff wieder flott zu machen.

Der anbrechende Tag zeigte das ganze Entsetzliche der Lage. Vom Lande lag das Fahrzeug über acht Meilen entfernt; dazwischen keine Insel, auf der man hätte Zuflucht suchen können, wenn das Schiff, wie zu erwarten war, in Stücke gehen sollte. Obwohl man eine Last von über fünfzig Tonnen entfernt hatte, hob es sich bei der Fluth doch nur um anderthalb Fuß. Glücklicher Weise ließ der Wind nach, ohne welchen Umstand die »Endeavour« gewiß bald nur noch ein Wrack gewesen wäre. Das in den Raum eindringende Wasser stieg jedoch immer mehr, obwohl zwei Pumpen mit dessen Beseitigung beschäftigt waren, so daß man noch eine dritte benutzen mußte.

Schlimme Aussicht! Wurde das Schiff flott, so lag die Befürchtung nahe, daß es sinken würde, sobald es von dem Felsen nicht mehr gehalten wurde; blieb es fest sitzen, so zerstörten es ohne Zweifel die Wellen in kurzer Zeit. Die Boote alle aber reichten nicht hin, die ganze Besatzung auf einmal an's Land zu schaffen. Hätte man nicht erwarten sollen, daß sich die Disciplin unter solchen Verhältnissen lockerte? Wer konnte dafür einstehen, daß eintretende [158] Streitigkeiten das Unglück nicht noch vermehren würden? Und wenn ein Theil der Matrosen das Land erreichte, welches Schicksal stand ihnen bevor auf diesem ungastlichen Strande, wo sie sich kaum mit Netzen und Feuerwaffen hätten den nothdürftigsten Unterhalt verschaffen können? Was sollte endlich aus Denen wer den, die auf dem Schiffe zurückblieben? Wohl mochten sich Alle mit diesen Gedanken tragen. Das Gefühl der Pflicht war aber so stark, und der Einfluß eines Führers, der sich bei seiner ganzen Mannschaft beliebt zu machen gewußt hatte, so weitreichend, daß solche Befürchtungen sich auch nicht durch einen Schrei, nicht durch die geringste Unordnung verriethen.

Die Kräfte der an den Pumpen nicht beschäftigten Leute wurden vorsichtig aufgespart bis zu der Zeit, wo sich das Los Aller entscheiden würde. Man traf dabei so geschickte Anordnungen, daß alle Mann am Gangspill angriffen, als die Fluth den höchsten Stand erreicht hatte, und – es gelang das Schiff flott zu machen – während man mit großer Freude bemerkte, daß es auch ohne die Unterstützung des Felsens nicht mehr Wasser schluckte als vorher.

Die seit vierundzwanzig Stunden in Todesangst schwebenden Matrosen waren aber nun am Ende ihrer Kräfte. Alle fünf Minuten mußten die Leute an den Pumpen wechseln, da sie erschöpft zusammenbrachen.

Da sollte eine neue Hiobspost die Entmuthigung noch weiter steigern. Der mit der Messung des Wassers beauftragte Mann meldete, daß dasselbe in kurzer Zeit um achtzehn Zoll zugenommen habe. Zum Glück überzeugte man sich sehr bald, daß er nur falsch gemessen hatte, worüber sich die Mannschaft so freute, als ob schon jede Gefahr vorüber wäre.


Känguruhs.

Da kam ein Officier, Namens Monkhouse, auf einen vortrefflichen Gedanken. Er ließ an der Seite des Fahrzeuges ein gereeftes Beisegel hinab, das man mit Kabelgarn, Wolle und Excrementen der an Bord befindlichen Thiere vollgestopft hatte. Auf diese Weise gelang es, den Leck größtentheils auszufüllen. Augenblicklich dachten die Leute, welche vorher die einzige Rettung darin sahen, das Schiff auf den Strand zu setzen und aus seinen Trümmern ein anderes Fahrzeug herzustellen, das sie nach Ostindien bringen könnte, nur noch daran, einen irgend brauchbaren Hafen zu finden, um jenes frisch zu verkleiden.

Den ersehnten Hafen entdeckten sie wirklich am 17. Juni an der Mündung eines Wasserlaufes, den Cook den »Endeavour-Fluß« nannte.

Die nothwendigen Arbeiten zur Ausbesserung des Schiffes wurden ohne Zögern in Angriff genommen und so sehr als möglich beschleunigt. Die Kranken[159] brachte man an's Land und der Stab begab sich wiederholt ebendahin, um für die Scorbutkranken etwas frisches Fleisch zu erlangen. Tupia bemerkte ein Thier, das Banks, seiner Beschreibung nach, für einen Wolf gehalten zu haben scheint. Mehrere Tage später erlegte man jedoch einige andere, welche mittelst der beiden Hinterfüße sprangen und wahrhaft erstaunliche Sätze machten. Das waren Känguruhs, große Säugethiere, die sich nur in Australien fanden und die bis jetzt noch kein Europäer erblickt hatte. Die Wilden zeigten sich hier weniger scheu als an jedem andern Orte. Man konnte sich denselben nicht allein nähern,[160] [162] sondern sie verweilten auch, von den Engländern freilich stets freundlich behandelt, mehrere Tage unter diesen.


Die Flotte von Otuhiti versammelt sich vor Oparée. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

»Sie waren im Allgemeinen, sagt der Bericht, von gewöhnlicher Größe, hatten dabei aber auffallend kleine Gliedmaßen; ihre Hautfarbe war ziemlich nußbraun oder ähnlich der dunkleren Chocolade; die nicht wolligen schwarzen Haare trugen sie ziemlich kurz geschnitten, die Einen glatt, die Anderen in Locken... einzelne Theile des Körpers hatten sie roth bemalt, und Einer hatte um die Oberlippe und auf der Brust weiße Streifen, welche sie ›Carbanda‹ nannten. Ihre Gesichtszüge waren keineswegs unangenehm; sie hatten lebhafte Augen, sehr weiße, gleichförmige Zähne und eine sanfte, melodische Stimme.«

Mehrere trugen einen eigenthümlichen Schmuck, von dem Cook ein Beispiel bisher nur in Seeland zu Gesicht bekam, nämlich einen Vogel in Fingergröße, der durch die Nasenscheidewand gesteckt war.

Bald darauf entstand eine Streitigkeit wegen Schildkröten, welche die Mannschaft gefangen hatte und von denen die Eingebornen ihren Theil beanspruchten, obgleich sie bei dem Fange gar nicht betheiligt gewesen waren. Da man ihrem Wunsche nicht nachkam, zogen sie sich zurück und setzten das dürre Gras in Brand, in dem sich der Lagerplatz der Engländer befand. Diese verloren alle vorräthigen Lebensmittel, genossen aber, da das Feuer sich weiter verbreitete und auch die Bäume der benachbarten Hügel ergriff, die ganze Nacht hindurch ein wirklich großartiges Schauspiel.

Die Herren Banks und Solander führten inzwischen einen recht glücklichen Jagdzug aus; sie erlegten Känguruhs, Opossums (das sind virginische Beutelthiere), eine Art Puter, Wölfe, mehrere Arten Schlangen, darunter auch einige giftige; gleichzeitig beobachteten sie große Schaaren von Vögeln, wie Hühnergeier, Falken, Cacadus, Goldammern, Papageien, Tauben und manche andere unbekannte Arten.

Als er aus dem Endeavour-Flusse herauskam, konnte sich Cook hinlänglich von der Schwierigkeit der Schifffahrt in diesen Gewässern überzeugen. Auf allen Seiten drohten hier Klippen und Untiefen. Am Abend mußte man sich entschließen, vor Anker zu gehen, da es unmöglich schien, während der Nacht durch dieses Labyrinth von Rissen weiter zu segeln. Ganz draußen, am Horizont, schien das Meer mit großer Heftigkeit über eine solche Felsenkette zu branden, welche man also für die letzte ansehen durfte. Als Cook nach fünf langen Tagen unter fortwährendem Kampfe gegen widrige Winde dahin kam, entdeckte [162] er drei Inseln, welche gegen vier bis fünf Meilen weiter im Norden lagen. Seine Prüfungen sollten jedoch noch nicht zu Ende sein. Noch immer umringten das Fahrzeug niedrige und dicht bei einanderliegende Eilande, zwischen welche man sich kaum hineinwagen durfte. Cook fragte sich auch, ob es nicht gerathener sein möge, zurückzukehren und eine andere Fahrstraße aufzusuchen. Die durch einen solchen Umweg verursachte Verzögerung hätte ihn aber gewiß am rechtzeitigen Eintreffen in Indien gehindert. Gegen ein derartiges Project sprach auch noch ein anderes, unumgängliches Hinderniß: das Schiff besaß jetzt Proviant nur noch für drei Monate.

In dieser verzweifelten Lage beschloß Cook nun, sich so weit als möglich von der Küste zu entfernen und die äußere Klippe zu umschiffen. Bald fand er auch einen Kanal, der ihn in kurzer Zeit in das offene Meer führte.

Natürlich jubelten Alle aus Herzenslust über diesen glücklichen Wechsel ihrer Lage, sagt Kippis. Ihre hohe Befriedigung sprach sich in dem ganzen Auftreten der Engländer aus, die seit fast drei Monaten unaufhörlich mit dem Tode bedroht gewesen waren.

In jener Nacht, wo sie vor Anker lagen, hörten sie das wüthende Meer sich an den Felsen brechen und wußten, daß sie verloren waren, wenn das Ankertau riß. Dreihundertsechzig Meilen hatten sie zurückgelegt, während stets ein Mann allein damit beschäftigt blieb, die Sonde auszuwerfen und die Risse zu untersuchen, durch welche sie segelten, wofür man von keinem anderen Schiffe ein ähnliches Beispiel kennt.

Auch wenn ihnen eine so schlimme Gefahr nicht wieder drohte, hatten die Engländer noch genug Ursache, besorgt zu sein, wenn sie die lange Reise bedachten, die sie noch durch wenig bekannte Meere und auf einem Schiffe, das jede Stunde neun Zoll Wasser einsog, mit Pumpen in schlechtem Zustand und zu Ende gehenden Provisionen, vollenden sollten.

Uebrigens entgingen die Seefahrer jener schrecklichen Gefahr nur, um am 16. August von einer fast ebenso großen überrascht zu werden. Von der Fluth nach einer Klippenreihe gezogen, über welche das Meer sehr hoch emporschäumte, außer Stande, einen Anker auszuwerfen, und bei vollständiger Windstille blieb ihnen nur das eine Hilfsmittel übrig, die Boote auf das Meer zu setzen und das Schiff durch Rudern zu schleppen. Trotz aller Anstrengung der Matrosen schwebte die »Endeavour« nur noch hundert Schritte vor dem Risse, als sich eine so leichte Brise, daß man sie unter anderen Umständen gewiß gar nicht [163] bemerkt hätte, erhob und es ermöglichte, das Schiff abzutreiben. Schon zehn Minuten später legte sie sich indeß wieder und noch einmal wurde die »Endeavour« bis zweihundert Schritt vor die Brandung gezogen. Nach mehreren ebenso fruchtlosen Versachen entdeckte man zum Glück eine enge Oeffnung zwischen den Rissen.

»Die Gefahr, welche diese bot, erschien uns weniger grausam, als hier in so schrecklicher Lage noch länger auszuharren, heißt es in dem Berichte. Ein glücklicher Weise wehender leichter Wind, die Ruder der Boote und die Fluth brachten das Schiff bald vor jene Oeffnung, durch welche es mit gewaltiger Schnelligkeit hindurchsegelte. Die Macht der Strömung schützte die ›Endeavour‹ davor, nach einer Seite des Kanals abzuweichen, der übrigens bei nur einer Meile Breite einen sehr sandigen Grund und wechselnde Tiefe zeigte, welche zwischen dreißig und sieben Faden schwankte.«

Wenn wir bei den Zufälligkeiten dieser Reise etwas länger verweilten, so geschah es, weil sie in bisher unerforschten Meeren und mitten durch Klippen und Strömungen vor sich ging, welche noch gefährlich genug für den Seefahrer sind, jetzt, wo man genaue Karten über dieselben besitzt, es aber noch mehr sein mußten, wenn man, wie Cook es von der Küste Neuseelands aus that, mitten durch unbekannte Hindernisse vordringt, zu deren Vermeidung die Sicherheit des Blickes und der Instinct des Seemannes nicht immer ausreichen.

Noch harrte eine letzte Frage ihrer Lösung. Bildeten Neu-Holland und Neu-Guinea nur ein einziges Land? Sind sie durch einen Meeresarm oder eine enge Wasserstraße von einander getrennt?

Cook näherte sich also dem Lande trotz der hier unausbleiblichen Gefahren und folgte der Küste Australiens gegen Norden. Am 21. August umschiffte er die Spitze von Neu-Holland, der er den Namen Cap York gab, und drang in einen Kanal mit vielen Inseln in der Nähe des großen Landes ein, woraus er die Hoffnung schöpfte, endlich eine Durchfahrt nach dem indischen Meere gefunden zu haben. Darauf landete er noch einmal, hißte die englische Flagge, nahm feierlich für König Georg III. von der ganzen Ostküste, vom 38. bis zum 10. Grade südlicher Breite Besitz, gab dem Lande den Namen Neu-Süd-Galles und ließ, um die Ceremonie würdig zu beschließen, drei Kanonensalven abgeben.

Jetzt drang Cook in die Torres-Straße ein, die er den »Endeavour-Sund« nannte, entdeckte und taufte die am südwestlichen Eingange derselben gelegenen Wallis-Inseln, die Insel Booby, die Prinz von Galles-Gruppe und steuerte [164] nun nach der Südküste von Neu-Guinea, der er, ohne einmal landen zu können, bis zum 3. September folgte.

An diesem Tage ging Cook mit elf bewaffneten Personen, darunter Solander, Banks und seine Diener, an's Ufer. Kaum hatten sie sich eine Viertelmeile vom Schiffe entfernt, als drei Indianer mit großem Geschrei aus dem Walde hervor- und auf sie zustürzten.

»Der uns zunächst Befindliche, sagt der Bericht, schwang irgend etwas mit der Hand, das er vorher an der Seite hängen hatte und das wie Kanonenpulver brannte, doch hörten wir kein Geräusch dabei.«

Cook und seine Begleiter sahen sich genöthigt, auf die Eingebornen zu feuern, um das Boot wieder erreichen zu können, von dem aus sie jene mit Bequemlichkeit betrachten konnten. Sie glichen vollkommen den Australiern, trugen wie sie die Haare kurz und gingen ganz nackt; nur schien ihre Haut etwas weniger dunkel, wahrscheinlich weil sie nicht so schmutzig war.

»Inzwischen brannten die Eingebornen ihr Feuer in wechselnden Zwischenräumen wohl vier- bis fünfmal ab. Wir haben nicht die geringste Vorstellung davon, woraus jenes bestand und was sie damit beabsichtigten; sie hielten einen kurzen Stab in der Hand, vielleicht ein hohles Rohr, den sie von einer Seite zur anderen bewegten; und bald sahen wir dann Rauch und Flammen, ganz wie bei einem Gewehrschüsse und ebenso von kurzer Dauer. Auch vom Schiffe aus bemerkte man diese auffallende Erscheinung, und war dabei die Täuschung so groß, daß die Leute an Bord die Indianer im Besitze von Feuerwaffen glaubten; auch wir selbst hätten nicht daran gezweifelt, daß sie auf uns schössen, wenn unser Boot dabei nicht so nahe gewesen wäre, daß wir den Knall der Explosion unbedingt hätten hören müssen.«

Trotz der vielen Erklärungsversuche, zu denen diese Thatsache Veranlassung gab, blieb sie doch unaufgeklärt, und nur das Zeugniß eines so wahrheitliebenden Seefahrers läßt sie uns glaublich erscheinen.

Mehrere englische Officiere verlangten sofort an's Land zu gehen, um Cocosnüsse und andere Früchte zu holen, der Commandant wollte aber das Leben seiner Matrosen nicht um einer so läppischen Genugthuung willen auf's Spiel setzen. Uebrigens drängte es ihn auch, Batavia zu erreichen, um sein Schiff gründlich ausbessern zu können. Endlich hielt er es für unnütz, noch länger in diesen, von den Spaniern und Holländern schon so oft besuchten Gegenden zu verweilen, wo er voraussichtlich keinerlei neue Entdeckungen zu machen vermochte.

[165] Nur beiläufig berichtigte er die Angaben der Lage der Inseln Arrow und Veasel, segelte dann nach Timor und rastete ein wenig bei Savu, wo sich die Holländer vor kurzer Zeit festgesetzt hatten. Hier verproviantirte sich Cook wieder frisch und bestimmte mittelst einer sehr sorgfältigen Beobachtung seine Position zu 10°35' der Breite und 237°30' westlicher Länge.

Nach kurzem Aufenthalte gelangte die »Endeavour« nun nach Batavia, wo sie wiederum möglichst gut in Stand gesetzt wurde. Nach so vielen glücklich überstandenen Gefahren sollte jedoch diese Rast in einem ungesunden Lande mit endemischen Fiebern der ganzen Reisegesellschaft sehr verderblich werden. Banks, Solander, Cook und die meisten Matrosen erkrankten; mehrere starben auch, darunter leider der Schiffsarzt Monkhouse, sowie Tupia und der kleine Tayeto. Nur zehn Mann blieben vom Fieber wirklich verschont. Am 27. December stach die »Endeavour« wieder in See und legte am 5. Januar 1772 bei der Prinzeninsel an, um Lebensmittel einzunehmen.

Die Krankheiten, welche unter der Mannschaft herrschten, nahmen nun einen noch ernsteren Charakter an. Dreiundzwanzig Personen erlagen denselben, unter ihnen auch der Astronom Green.

Nachdem er am Cap der Guten Hoffnung gehalten, wo er nach allen Seiten einen ausgezeichneten Empfang fand, ging Cook wieder in See, berührte St. Helena und warf am 11. Juni, nach einer Abwesenheit von nahezu vier Jahren, wieder vor Dunes Anker.

So endete Cook's erste Reise, » bei welcher er, sagt Kippis, so viele Gefahren überwand, so viele Länder entdeckte und häufig genug den Beweis lieferte, daß er eine hervorragende Befähigung besaß, so gefahrvolle Unternehmungen und aufreibende Anstrengungen durchzuführen und auszuhalten!«

[166]
4. Capitel
1.
I.

Aufsuchung des südlichen Festlandes. – Zweiter Aufenthalt bei Neuseeland. – Der Archipel Pomutu. – Zweiter Aufenthalt in Tahiti. – Besichtigung der Tonga-Inseln. – Dritter Besuch Neuseelands. – Zweite Kreuzfahrt im südlichen Ocean. – Beschäftigung der Osterinsel. – Besuch auf den Marquejas-Inseln.


Hätte auch die Regierung James Cook für die Art und Weise, wie er sich des ihm anvertrauten Auftrages entledigte, nicht belohnen wollen, so verlangte das doch die Stimme des Volkes. Am 29. August zu dem Grade eines »Comanders« ernannt, fühlte sich der große Seefahrer, im Vollbewußtsein seiner Verdienste um England und die Wissenschaften, doch nicht hinreichend belohnt. Er hatte wenigstens gehofft, zum Schiffs-Kapitän erhoben zu werden. Lord Sandwich, der damalige Vorsteher der Admiralität, bedeutete ihm aber, daß man das unmöglich könne, ohne gegen althergebrachten Gebrauch zu verstoßen und die Avancementsordnung im Seekriegsdienste zu umgehen.

Cook bemühte sich inzwischen, alles nothwendige Material zu beschaffen um eine vollständige Beschreibung seiner Reise zu veröffentlichen; bald erhielt er aber so wichtige Aufträge, daß er seine Anmerkungen und Tagebücher dem Doctor Hawkesworth auslieferte, der Alles ordnen und im Druck herausgeben sollte.

Gleichzeitig wurden die von ihm in Verbindung mit Green angestellten Beobachtungen des Venus-Durchganges, nebst den zugehörigen Berechnungen und astronomischen Aufnahmen der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften übergeben welche deren hohen Werth freimüthig anerkannte.

Die ansehnlichen, von Kapitän Cook erzielten Erfolge waren aber immer noch nicht vollständig, wenigstens insofern, als sie den Glauben an einen südlichen Continent noch nicht zerstörten. Immer lag diese Chimäre den Gelehrten der Zeit noch am Herzen. Da sie nun zugeben mußten, daß weder Neuseeland, noch Australien einen Theil dieses Festlandes bildeten, und daß die »Endeavour« doch unter Breiten gesegelt sei, wo sie jenen hätte auffinden müssen, so behaupteten sie, derselbe liege noch weiter im Süden, und zählten alle Consequenzen auf, welche dessen Entdeckung nach sich ziehen müsse. Die Regierung beschloß also, diese schon seit so langen Jahren schwebende Frage nun endlich zu lösen [167] und deshalb eine neue Expedition auszusenden, über deren Anführer ein Zweifel nicht aufkommen konnte. Die Natur dieser Reise erforderte ganz besonders construirte Fahrzeuge. Da die »Endeavour« schon wieder nach den Falklands-Inseln unterwegs war, erhielt das Marine-Bureau Befehl, zwei Fahrzeuge zu kaufen, die ihm für diese Aufgabe am geeignetsten schienen.


Drei Indianer stürzten aus dem Walde hervor. (S. 165.)

Cook antwortete auf eine diesbezügliche Anfrage, daß dieselben sehr fest sein, doch nur geringen Tiefgang, dagegen hinreichenden Raum haben sollten, um, entsprechend der Zahl der Bemannung und Dauer der Reise Proviant und [168] Munition in genügender Menge aufnehmen zu können. Die Admiralität kaufte zwei in Whitby gebaute Schiffe von demselben Erbauer, der auch die »Endeavour« geliefert hatte. Das größere derselben maß 462 Tonnen und erhielt den Namen die »Resolution«. Das zweite faßte nur 336 Tonnen und hieß die »Aventure«. In Deptford und Woolwich wurden sie zur Reise armirt. Cook übernahm das Commando der »Resolution« und der Kapitän Tobias, Furneaux, früher Officier bei Wallis, wurde mit dem der » Aventure« betraut. Der zweite und dritte Lientenant, sowie mehrere der an Bord befindlichen Unterofficiere [169] und Matrosen hatten schon die Fahrt der »Endeavour« mitgemacht. Wie man sich leicht denken kann, wurde auf die Ausrüstung alle mögliche Sorgfalt verwendet. Lord Sandwich und Kapitän Palliser überwachten dieselbe in allen Theilen persönlich.

Jedes Schiff führte für zweiundeinhalb Jahr Vorräthe aller Art. Man bewilligte Cook sogar ganz außergewöhnliche Dinge, die er als Hilfsmittel gegen den Scorbut bezeichnet hatte. Es waren das z.B. Malz, Sauerkraut, Salzkohl, Bouillontafeln, Saleb und Mostrich, sowie Carottenmarmelade und Würze von eingedicktem Bier, womit er auf Empfehlung des Baron Storch in Berlin und des Herrn Pelham, Secretär im Bureau der Lebensmittel-Lieferanten, Versuche machen sollte.


Eisberge (S. 173.)

Gleichzeitig verfrachtete man auf jedes Schiff die einzelnen Theile eines Fahrzeuges von zwanzig Tonnen, bestimmt zum Transport der Mannschaften, im Falle die Schiffe zugrunde gehen sollten.

Ein Landschaftsmaler, William Hodges, zwei Naturforscher, Jean Reinhold Forster und dessen Sohn Georges, nebst zwei Astronomen, W. Wales und W. Bayley, wurden, mit den besten Instrumenten versehen, auf den beiden Schiffen untergebracht.

Mit einem Worte, es war nichts vernachlässigt worden, aus der Expedition den größtmöglichen Nutzen zu ziehen. In der That sollte sie auch eine unerwartete Menge neuer Nachrichten heimbringen, welche sich für die Fortschritte der Naturwissenschaften im Allgemeinen, wie vorzüglich für die Physik, Ethnographie, Schiffskunde und Geologie höchst förderlich erwiesen.

»Am 25. Juni, sagt Cook, erhielt ich von Plymouth meine Instructionen. Nach diesen sollte ich mich auf kürzestem Wege nach der Insel Madeira begeben, dort Wein an Bord nehmen und nach dem Cap der Guten Hoffnung segeln, wo die Mannschaften ausruhen und ich weiteren Proviant, sowie alles Andere einkaufen konnte, was ich für nöthig erachtete. Dann war mir vorgeschrieben, nach Süden zu gehen, womöglich das Cap Circoncision aufzusuchen, das Bouvet unter 54° südlicher Breite und etwa 11°20' östlich von Greenwich entdeckt haben sollte; wenn ich dasselbe fände, mich darüber zu unterrichten, ob es zu einem Festlande gehöre oder nur eine Insel bilde; im ersten Falle nichts zu unterlassen, um jenes in möglichst großer Ausdehnung zu besichtigen; dort Alles zu beobachten und aufzuzeichnen, was für die Schifffahrt und den Handel von Nutzen oder für die Fortschritte der Naturwissenschaften von Bedeutung sein könnte.

[170] Man empfahl mir ferner, auf die geistigen Eigenschaften, das Temperament, den Charakter und die Anzahl der Bewohner, wenn ich solche anträfe, ein Auge zu haben und alle ehrlichen Mittel anzuwenden, um mit diesen einen Allianz- und Freundschafts-Vertrag abzuschließen.

Weiter schrieben meine Instructionen vor, im Osten oder Westen, je nach dem Punkte, wo ich mich befände, auf Entdeckungen auszugehen, mich dem Südpole so weit als möglich zu nähern und dort so lange zu verweilen, als das der Zustand der Schiffe, das Befinden der Mannschaft und der Vorrath an Lebensmitteln erlaubte; aber immer dafür zu sorgen, daß noch so viel Proviant vorhanden sei, um einen bekannten Hafen zu erreichen, wo ich mich mit frischen Vorräthen zur Rückkehr nach England versorgen sollte.

Endlich ward ich beauftragt, wenn das Cap Circoncision eine Insel wäre oder ich dasselbe nicht aufzufinden vermöchte, im ersten Falle deren Lage genau zu bestimmen, in beiden Fällen nach Süden aber so weit vorzudringen, als ich hoffen durfte, das gesuchte Festland zu finden; dann nach Osten zu steuern, um nach demselben zu suchen und die Inseln anzulaufen, die sich in jenem Theile der südlichen Halbkugel finden könnten, immer aber, wie oben gesagt, so nahe als möglich dem Pole, bis ich ganz um diesen herum gekommen sei; mich endlich nach dem Cap der Guten Hoffnung und von da nach Spithead zurückzubegeben.«

Am 13. Juli lichtete Cook im Kanal von Plymouth die Anker und kam am 19. desselben Monats in Funchal, auf der Insel Madeira, an. Dort besorgte er sich das Nöthige und segelte bald darauf nach Süden weiter. Da er sich aber überzeugte, daß seine Wasservorräthe nicht ausreichen würden, um mit denselben das Cap der Guten Hoffnung zu erreichen, so beschloß er, die Fahrt zu unterbrechen und bei den Inseln des Grünen Vorgebirges vor Anker zu gehen. Er lief also am 10. August in den Hafen von Praya ein, den er vier Tage später wieder verließ.

Cook hatte auch den Aufenthalt in diesem Hafen seiner Gewohnheit nach dazu benutzt, alle Nachrichten zu sammeln, welche für Seefahrer von Nutzen sein konnten. Seine Beschreibung ist heute um so werthvoller, als sich in jenen Orten sehr Vieles verändert hat und auch in genanntem Hafen mancherlei Arbeiten vorgenommen worden sind, welche für die daselbst ankernden Schiffe ganz andere Verhältnisse geschaffen haben.

Am 23. desselben Monats bemerkte Cook, als sich wegen heftiger Winde Alle hatten auf dem Deck aufhalten müssen, die ersten verderblichen Folgen der[171] Feuchtigkeit in jenen heißen Klimaten, und er befahl deshalb, stets bemüht, seine Leute bei guter Gesundheit zu erhalten, das Zwischendeck zu lüften. Er ließ sogar Feuer anzünden, um es auszuräuchern und schneller zu trocknen, und ergriff überhaupt nicht nur alle die Maßregeln, welche ihm Lord Sandwich und Sir Hugh Palliser anempfohlen hatten, sondern auch diejenigen, welche ihm die Erfahrungen von seiner ersten Weltumseglung her eingaben.

Dank dieser Vorsorge, hatte denn die »Resolution«, als sie am 30. October am Cap der Guten Hoffnung anlangte, nicht einen einzigen Kranken. Begleitet von Kapitän Furneaux und den beiden Herren Forster, stattete Cook sofort einen Besuch ab bei dem holländischen Gouverneur, Baron von Plettemberg, der ihm zuvorkommend Alles zur Verfügung stellte, was die Kolonie nur bieten konnte. Hier vernahm er auch, daß zwei von der Insel Maurice im Monat März abgegangene französische Schiffe am Cap angelaufen seien, bevor sie nach den südlichen Meeren steuerten, wo sie, unter dem Befehl des Kapitän Marion, auf Entdeckungen ausgehen wollten.

Während dieses sich über die vorherige Berechnung hinaus ausdehnenden Aufenthaltes traf Forster auch den schwedischen Botaniker Sparmann, einen Schüler Linné's, den er unter Zusicherung eines hohen Gehaltes bestimmte, die Expedition zu begleiten. Gewiß verdient die Uninteressirtheit Forster's alles Lob, der nicht davor zurückschreckte, sich einen Rivalen zu erwerben und ihn fast aus eigenen Mitteln belohnte, nur um in den zu besuchenden Ländern desto ausführlichere naturhistorische Studien machen zu können.

Am 22. November wurden die Anker gelichtet und brachen die beiden Schiffe nach Süden auf, im Begriffe, das Cap Circoncision aufzusuchen, das Kapitän Bouvet am 1. Januar 1739 entdeckt hatte. Bald nahm die Temperatur merklich ab und Cook ließ an seine Matrosen warme Kleidungsstücke austheilen, die er von der Admiralität geliefert erhalten hatte.

Vom 29. November bis 6. December wüthete ein entsetzlicher Sturm. Die Fahrzeuge wurden aus ihrer Route so weit nach Osten verschlagen, daß man auf die Aufsuchung des Cap Circoncision verzichten mußte. Eine weitere Folge dieses schlechten Wetters und des plötzlichen Ueberganges aus der Hitze zur strengen Kälte war der Verlust fast aller am Cap eingeschifften lebenden Thiere. Endlich belästigte die Feuchtigkeit die Matrosen dermaßen, daß die Branntwein-Rationen erhöht werden mußten, um sie arbeitsfähig zu erhalten. Am 10. December begegnete man unter 50°40' südlicher Breite dem ersten Eise. Regen und [172] Schnee folgten sich ohne Unterlaß. Dabei verbreitete sich ein so dichter Nebel, daß die Schiffe eine jener schwimmenden Klippen erst wahrnahmen, als sie sich kaum noch eine Meile davon entfernt befanden. Eine dieser Inseln, sagt der Bericht, maß zweihundert Fuß in der Höhe, vierhundert in der Breite und zweitausend Fuß in der Länge.

»Angenommen, dieses Eisstück habe eine ganz regelmäßige Form besessen und seine Tiefe unter dem Wasser habe 1800 Faß betragen, seine Gesammthöhe also ungefähr 2000 Fuß, so würde seine Masse mit Zugrundelegung der eben genannten Verhältnisse nicht weniger als 1600 Millionen Kabiksuß Eis enthalten haben.«

Je mehr man nach Süden vordrang, desto zahlreicher wurden die Eisblöcke. Das Meer war dabei so aufgeregt, daß die Wogen an diesen Eisbergen hinaufstürmten und an deren entgegengesetzter Seite wieder in seinem, unfühlbarem Staube herabsanken; ein Schauspiel, das die Seele wirklich mit Bewunderung erfüllte! Dieser Empfindung mischte sich auch die des Schreckens bei, wenn man sich vorstellte, daß das Fahrzeug von einer dieser ungeheueren Massen getroffen werden könnte, die es augenblicklich zermalmen mußten. Die Gewohnheit der Gefahr erzeugt jedoch sehr bald eine gewisse Gleichgiltigkeit, so daß Jeder weiter nichts sah als die außerordentliche Schönheit dieses gewaltigen Kampfes der Elemente.

Am 14. December hinderte eine grenzenlose Eiswand, die bis über den Horizont hinaus reichte, die Schiffe, noch weiter nach Süden zu segeln, und man mußte also längs derselben hinfahren. Sie bildete keine gleichmäßige Ebene, denn man bemerkte darauf wiederum Einzelberge, ähnlich denen, die man während der vorhergehenden Tage angetroffen hatte. Einige Personen glaubten Land unter dem Eise zu sehen; auch Cook ließ sich einen Augenblick täuschen; als der Nebel aber verschwand, überzeugte man sich bald von dem leicht erklärlichen Irrthum.

Am folgenden Tage beobachtete man, daß die Schiffe in einer lebhaften Strömung trieben. Der alte Forster und der Astronom Wales bestiegen ein Boot, um deren Schnelligkeit zu messen. Noch während dieser Beschäftigung nahm der Nebel wieder so sehr zu, daß sie das Fahrzeug gänzlich aus dem Gesicht verloren. In einer erbärmlichen Schaluppe, ohne Instrumente und Proviant, mitten in einem grenzenlosen Meere, fern jeder Küste und umringt von Treibeis war ihre Lage gewiß eine schreckliche. Lange Zeit irrten sie umher, [173] ohne sich vernehmlich machen zu können. Dann hörten sie wenigstens auf zu rudern, um sich nicht allzu weit zu entfernen. Schon verloren sie jede Hoffnung, als der Ton einer Glocke ihr Ohr von fernher traf. Natürlich ruderten sie nun aus Leibeskräften nach dieser Richtung hin; die »Aventure« antwortete bald auf ihre Zurufe und nahm sie nach einigen Stunden schrecklicher Angst wieder auf.

Allgemein herrschte damals die Ansicht, daß das Treibeis sich in Buchten oder Flußmündungen bilde. Auch die Reisenden meinten deshalb in der Nähe eines Landes zu sein, das sich ohne Zweifel hinter der Packeiswand befinden würde.

Schon über dreißig Meilen hatten sie in westlicher Richtung zurückgelegt, ohne in dem Eise eine nach Süden führende Oeffnung zu finden. Kapitän Cook beschloß also nun, ebensoweit nach Osten hin zu fahren. Fand er dabei auch kein Land, so hoffte er doch die Packeiswand umschieffen, weiter nach dem Pole vordringen und damit den unbestimmten Anschauungen der Gelehrten ein Ziel setzen zu können.

Obwohl man sich jetzt aber für diesen Theil der Erde mitten im Sommer befand, nahm die Kälte doch mit jedem Tage noch weiter zu. Die Matrosen beklagten sich und der Scorbut brach an Bord aus. Durch die Vertheilung noch wärmerer Kleidung und die Anwendung der in solchen Fällen angezeigten Heilmittel, wie Malz und Citronensaft, wurde man bald der Krankheit Herr und konnte die Mannschaft die strenge Temperatur ungestraft aushalten.

Am 29. December gewann Cook die Ueberzeugung, daß das Packeis nirgends mit Land in Verbindung stand. Er entschied sich nun dahin, nach Osten bis zum Meridian von Circoncision zu segeln, wenn ihm kein Hinderniß entgegenträte.

Während er dieses Project zur Ausführung brachte, wurde der Wind so heftig und das Meer so bewegt, daß die Schifffahrt zwischen dem mit furchtbarem Krachen gegeneinander stoßenden Eise äußerst gefährlich wurde; noch mehr, als man im Norden ein Eisfeld wahrnahm, das sich bis über Sehweite hinaus erstreckte. Sollte das Schiff wohl während langer trostloser Wochen hier gefangen liegen, »festgenagelt«, wie die Wallfischfahrer sagen, oder gar Gefahr laufen, wie ein Span zerquetscht zu werden? Cook versuchte weder nach Westen, noch nach Osten zu entfliehen, er drang beherzt weiter nach Süden vor. Uebrigens befand er sich jetzt in der vermeintlichen Breite des Cap Circoncision und fünfundsiebenzig Meilen südlich von dem Punkte, wo jenes liegen sollte. Existirte das von Bouvet entdeckte Land also wirklich – worüber man jetzt völlig im [174] Klaren ist – so konnte es nur eine wenig ausgedehnte Insel, jedenfalls aber kein Festland sein.

Der Commandant hatte keine Ursache, in dieser Gegend noch länger zu verweilen. Bei 67°15' südlicher Breite verschloß ihm eine neue Packeiswand, die von Osten nach Westen hintrieb, den weiteren Weg, und er fand auch nirgends eine Oeffnung in derselben. Daneben erschien es als einfaches Gebot der Klugheit, sich hier, nachdem zwei Drittel des Sommers schon vorüber waren, nicht länger aufzuhalten. Er beschloß also ohne Zögern das kürzlich von den Franzosen entdeckte Land aufzusuchen.

Am 1. Februar 1773 befanden sich die Schiffe unter 48°30' der Breite und 48°7' östlicher Länge, also ziemlich genau unter dem Meridian der Insel Mauritius. Nach fruchtloser Kreuzfahrt von Osten nach Westen mußte man wohl zu dem Schlusse kommen, daß, wenn sich hier überhaupt ein Land vorfinde, dasselbe nur eine kleine Insel darstellen könne, anderen Falles hätte es jetzt aufgefunden werden müssen.

Am 8. Februar bemerkte der Kapitän zu seinem Leidwesen, daß die »Aventure« ihm nicht mehr als Begleitschiff folge. Schon seit zwei Tagen erwartete er sie vergeblich, obwohl er in kurzen Zwischenräumen einen Kanonenschuß lösen und während der Nacht auf dem Oberdeck ein helles Feuer unterhalten ließ. Die »Resolution« mußte ihre Fahrt allein fortsetzen.

Am 17. Februar zwischen Mitternacht und drei Uhr Morgens wurde die Mannschaft Zeuge eines prachtvollen Schauspiels, das noch keines Europäers Auge geschaut hatte, nämlich eines Südpolarlichtes.


Neuseeländische Kriegs-Pirogue. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

»Der Officier der Wache, sagt der Bericht, beobachtete, daß daraus von Zeit zu Zeit spiral- und kreisförmige Strahlen emporschossen, dann seine Helligkeit zunahm, so daß es einen wunderschönen Anblick gewährte. Es schien keine bestimmte Richtung zu haben, im Gegentheile erfüllte es dann und wann das ganze Himmelsgewölbe mit seinem vielfarbigem Lichte.«

Nach einem wiederholten Versuche, den südlichen Polarkreis zu überschreiten – ein Versuch, auf den man wegen des Nebels, Schnees und der ungeheueren schwimmenden Eisberge bald verzichten mußte – schlug Cook nun den Weg nach Norden wieder ein, in der Ueberzeugung, daß hinter ihm kein Land von Bedeutung liege, und begab sich nach Neuseeland, das er der »Aventure« im Fall einer Trennung als Sammelplatz bezeichnet hatte. Schon am 25. März ankerte er in der Dusky-Bai, nach einer ununterbrochenen Seefahrt [175] von hundertsiebenzig Tagen, bei der er nicht weniger als 3660 Meilen zurückgelegt hatte, ohne nur ein einziges Mal Land zu sehen. Sobald er einen bequemen Platz zum Anlegen gefunden, beeilte sich der Befehlshaber, seiner Mannschaft Alles zugute kommen zu lassen, was das Land an Pflanzen, Fischen und Geflügel bot, während er selbst, meist mit der Sonde in der Hand, die Bucht und ihre Umgebungen untersuchte, wo er nur wenige Eingeborne traf, mit denen er nur selten in Beziehungen kam. Eine einzige Familie erwies sich [176] jedoch zutraulicher und schlug ihr Lager in der Nähe des Wasserplatzes auf Cook ließ ihr ein Concert geben, in dem Querpfeife und Dudelsack sich freilich vergeblich um die Palme bemühten, da die Neuseeländer die Trommel jedem anderen Instrumente vorzogen.


Geräthe und Waffen der Neuseeländer. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Am 18. April kam ein Häuptling mit seiner Tochter an Bord. Bevor er das Schiff jedoch bestieg, schlug er mit einem in der Hand gehaltenen Zweige an die Seite desselben und richtete an die Fremdlinge eine Ansprache, eine bei [177] den Insulanern der Südsee allgemein verbreitete Sitte. Kaum hatte er den Fuß auf das Deck gesetzt, als er dem Kapitän ein Stück Stoff und eine Axt aus grünem Talkstein anbot, eine Freigebigkeit, die man von den Neuseeländern bisher noch nicht kannte.

Der Häuptling nahm das Schiff ganz im Einzelnen in Augenschein; um seine Dankbarkeit zu beweisen, tauchte er die Finger in einen an seinem Gürtel befestigten Sack und wollte dem Commandanten mit dem darin enthaltenen stinkenden Oele das Haar einsalben. Cook hatte die größte Mühe, sich dieser Ehrenbezeugung zu entziehen, welche ihm also nicht mehr zu gefallen schien als damals Byron in der Magelhaens-Straße; der Maler Hodges mußte sich aber zum Ergötzen der gesammten Besatzung jener Operation unterziehen. Dann verschwand der Häuptling, um nie wiederzukehren, und nahm neun Aexte und dreißig, ihm von den Officieren geschenkte Tischlermesser mit. Jetzt an Schätzen reicher als vielleicht alle Neuseeländer zusammen, beeilte er sich offenbar, dieselben in Sicherheit zu bringen, aus Furcht, daß man sie ihm wieder abnehmen könnte.

Vor der Abfahrt setzte Cook auch fünf Gänse an's Land, die einzigen, welche von den am Cap mit eingeschifften noch übrig waren. Er hoffte, daß sich dieselben in dem wenig bevölkerten Lande unschwer vermehren würden, und er ließ außerdem ein Stück Ackerland herstellen, das er mit Gemüse besäete. Er arbeitete damit ebenso für die Eingebornen wie für spätere Seefahrer, welche hier einst werthvolle Hilfsmittel finden konnten.

Nach vollendeter hydrographischer Aufnahme der Dusky-Bai steuerte Cook nach dem Königin Charlotte-Kanal, das Stelldichein für den Kapitän Furneaux.

Am 17. Mai genoß die Mannschaft wiederum ein wunderschönes Schauspiel. Sechs Wasserhosen, deren eine, mit einer Breite von sechzig Fuß an der Basis, nur hundert Schritte von dem Schiffe vorüberkam, erhoben sich nacheinander, indem sie, wie durch kräftige Aspiration, die Wolken und das Meer in Verbindung setzten. Diese Erscheinung währte ziemlich drei Viertelstunden lang. Während die Mannschaft zu Anfang erklärlicher Weise nicht wenig erschrak, verwandelte sich dieses Gefühl doch bald in das der reinen Bewunderung über jene damals noch sehr wenig bekannten Meteore.

Am nächsten Tage, als die »Resolution« in den Königin Charlotte-Kanal einfuhr, sah man auch die »Aventure« wieder, welche hier schon seit sechs Wochen wartete. Nachdem er am 1. März Van-Diemens-Land erreicht, war Furneaux siebzehn Tage lang an dessen Küste hingesegelt; er hatte dasselbe aber verlassen [178] müssen, ohne sich, wie er glaubte, davon wirklich zu überzeugen, daß dasselbe einen Theil Neu-Hollands bilde. Erst dem Chirurgen Baß blieb es vorbehalten, diesen Irrthum zu beseitigen. Am 9. April am Königin Charlotte-Kanal angelangt, benutzte der Führer der »Aventure« seine Muße, einen Garten anzulegen und auch mit den Seeländern in Verbindung zu treten, die ihm übrigens unzweifelhafte Beweise der bei ihnen noch herrschenden Antropophagie lieferten.

Bevor er seine Entdeckungsreise fortsetzte, folgte Cook demselben Gedanken, der ihn auch bei seinem Verfahren an der Dusky-Bai geleitet hatte. Er setzte einen Widder und ein Lamm, einen Bock und eine Ziege, ein Schwein und zwei tragende Zuchtsauen an's Land. Ebenso steckte er Kartoffeln, von denen sich erst auf der nördlicheren der beiden Neuseeland bildenden Inseln einige vorfanden.

Die Eingebornen ähnelten sehr denen an der Dusky-Bai; sie erschienen aber sorgloser, liefen während des Abendessens von einem Raum zum anderen und verzehrten ohne Auswahl Alles, was man ihnen anbot. Man konnte sie unmöglich dazu bewegen, einen Tropfen Wein oder Branntwein zu trinken, dagegen wußten sie Zuckerwasser sehr zu schätzen.

»Sie erfaßten Alles, was sie sahen, sagt Cook, gaben es auch wieder zurück, wenn wir ihnen durch Zeichen zu verstehen gaben, daß wir es nicht verschenken wollten oder nicht entbehren konnten. Einen vorzüglichen Werth schienen sie auf Glasflaschen zu legen, die sie ›Tawhaw‹ nannten; als man sie aber etwas über die Härte und den Gebrauch des Eisens aufgeklärt hatte, zogen sie dieses allen Glaswaaren, Bändern oder dem Papiere vor. Unter jenen befanden sich auch einige Frauen, deren Lippen mit kleinen schwarzblauen Punkten überdeckt waren; ihre Wangen erschienen von einer aus Bergmehl und Oel bestehenden Mischung lebhaft roth gefärbt. Sie hatten, wie die an der Dusky-Bai, nur schwache, etwas verkümmerte Beine, was sicher von dem Mangel an Körperübung und der Gewohnheit, immer mit gekreuzten Beinen zu sitzen, herkommt; ein wenig mag dazu auch die kauernde Stellung, die sie in den Piroguen gewöhnlich einzunehmen pflegen, noch überdies beitragen. Ihr Teint ist hellbraun, die Haare sehr schwarz und das Gesicht rundlich; Nase und Lippen sind etwas dick, doch nicht abgeplattet, und die lebhaften Augen haben einen recht sprechenden Ausdruck. In Reih und Glied aufgestellt, legten die Eingebornen ihre Oberkleider ab; einer derselben begann auf wenig einnehmende Weise zu singen und zu tanzen, und die Anderen wiederholten dessen Bewegungen. Sie streckten z.B. die Arme aus, stießen abwechselnd mit den Füßen auf die Erde [179] und verdrehten sich dabei ganz entsetzlich; die letzten Worte des Gesanges wiederholten Alle zusammen, wobei wir leicht ein gewisses Versmaß heraushörten; ob die Zeilen mit Reimen ausgingen, war freilich nicht zu unterscheiden; die Musik selbst klang ziemlich wild und recht eintönig.«

Mehrere Seeländer erkundigten sich auch nach Tupia; als sie erfuhren, daß derselbe gestorben sei, gaben sie ihren Schmerz durch ein mehr erkünsteltes Geheul, als durch aufrichtiges Beileid kund.

Cook sah keinen einzigen Eingebornen von denen wieder, die er bei seiner ersten Reise getroffen hatte. Er schloß daraus, wohl mit einigem Recht, daß Diejenigen, welche im Jahre 1770 an der Meerenge seßhaft waren, von hier vertrieben worden seien oder sich auch aus freien Stücken nach anderen Orten gewendet haben mochten. Auch schien die Anzahl der Eingebornen nur zwei Drittel der früheren zu betragen. Der I-pah stand öde und auch viele andere Wohnungen längs der Meerenge waren verlassen.

Als die beiden Schiffe wieder bereit waren, weiter zu segeln, ertheilte Cook dem Kapitän Furneaux seine Instructionen. Er wollte etwa bis auf 41 bis 46° der Breite und 140° westlicher Länge herabfahren, wenn er dann kein Land anträfe nach Tahiti steuern, das als Sammelplatz bestimmt wurde, um dann nach Neuseeland zurückzukehren und von hier aus alle noch unbekannten Theile des Meeres zwischen dieser Insel und dem Cap Horn zu durchforschen. Gegen Ende Juli trat nach einigen sehr heißen Tagen der Scorbut unter der Mannschaft der »Aventure« auf. Die der »Resolution« entgingen der Krankheit in Folge der von Cook nie vernachlässigten Vorsichtsmaßregeln, der auch selbst mit gutem Beispiele voranging, indem er Tag für Tag etwas Sellerie und Löffelkraut verzehrte.

Am 1. Juli befanden sich die Schiffe unter 25°1' der Breite und 134°6' westlicher Länge, d. h. in der Position, wo nach Carteret die Insel Pitcairn liegen sollte. Cook suchte dieselbe vergeblich. Leider zwang ihn die auf der »Aventure« noch immer herrschende Krankheit, seine Fahrt wesentlich abzukürzen. Er wollte gern die Längenlage dieser Insel entweder bestätigen oder richtigstellen, um danach die aller übrigen, von Carteret entdeckten Länder zu bestimmen, welche jener ohne Mithilfe astronomischer Beobachtungen erhalten hatte. Da er nun aber die Hoffnung, einen südlichen Continent aufzufinden, verloren hatte, segelte er nach Nordosten und traf bald auf mehrere, schon von Bougainville besuchte Inseln.

[180] »Diese niedrigen Inseln, mit denen die Südsee in den Tropengegenden erfüllt ist, sagt er, liegen in ihren unteren Theilen in gleichem Niveau mit dem Wasser, während die übrigen Theile nur eine bis zwei Ruthen über dasselbe emporragen. Ihre Form ist meist kreisrund; sie umschließen dabei ein Becken mit Salzwasser, und das Meer ringsum hat eine unergründliche Tiefe. Sie erzeugen nur sehr wenig; die Cocosbäume sind darunter vielleicht noch das Werthvollste; trotz dieser Unfruchtbarkeit und ihres kleinen Flächenraumes sind doch die meisten bewohnt. Man vermag nicht leicht zu erklären, wie diese kleinen Eilande sich bevölkert haben mögen, so wie es nicht weniger schwierig scheint, zu bestimmen, woher die südlichsten Inseln des Stillen Oceans ihre Bewohner bekommen haben.«

Am 15. August lief Cook die von Wallis entdeckte Insel Osnabrugh oder Mairea an und begab sich nach der Bai Oaiti-Piha, wo er so viel als möglich Proviant einnehmen wollte, ehe er nach Matavaï abging.

»Am frühen Morgen, erzählt Forster, genossen wir eine jener herrlichen Stunden, welche die Dichter aller Nationen zu schildern bestrebt gewesen sind. Ein sanfter Lufthauch trug uns die Wohlgerüche des Landes zu und kräuselte die lachende Fläche des Meeres. Die waldbedeckten Berge erhoben stolz das majestätische Haupt, auf dem schon der Schimmer der erwachenden Sonne ruhte. Mehr in unserer Nähe lag eine Reihe lieblicher Hügel, wie jene mit dichtem Gehölz bedeckt, unter das sich sattgrüne und warme, braune Farbentöne mischten. An ihrem Fuße breitete sich eine weite Ebene mit Brotfruchtbäumen aus, über welchen schlanke Palmen ihre zierlichen Wipfel schaukelten. Alles schien noch zu schlummern. Die Morgenröthe verbreitete nur einen unbestimmten Schein und ein friedliches Halbdunkel bedeckte die reizende Landschaft. Bald unterschieden wir nun vereinzelte Hütten zwischen den Bäumen und die Piroguen am Strande. Eine halbe Meile von diesem entfernt, brachen sich die langen Wellen an einer kaum hervorstehenden Felsenbank, während das Wasser im Hafen sich nicht im mindesten bewegte. Nun goß das Tagesgestirn seinen Goldglanz über Land und Meer. Die Bewohner der Insel erwachten und belebten nach und nach das reizende Bild. Beim Anblick unserer Schiffe eilten Mehrere nach ihren Piroguen und ruderten, offenbar erfreut über den Anblick, zu uns heran. Wir dachten nicht im Geringsten daran, hier von irgend welcher Gefahr bedroht zu sein, oder daran, daß Schiffe und Mannschaft an dieser lang ersehnten Küste nur mit genauer Noth dem Untergange entfliehen sollten.«

[181] Welch' ein beneidenswerther Maler, der so frische und wechselvolle Farben zu finden verstand! Noch heute geben sie eine treffende Anschauung von jenem Bilde. Man bedauert dabei nur, jene kühnen Seefahrer, jene Gelehrten, welche die Sprache der Natur so wohl verstanden, nicht haben begleiten zu können. Warum blieb es uns versagt, die unschuldigen und friedlichen Volksstämme in jenem Goldenen Zeitalter kennen zu lernen, während sie in unserer Zeit des Dampfes und des Eisens mehr und mehr von der Erde verschwinden!

Die Fahrzeuge trieben nur noch eine halbe Meile von erwähntem Risse, als der Wind sich legte. Trotz aller Anstrengung der Schaluppen hätten sie jetzt an jenen Klippen elend scheitern müssen, als ein geschicktes Manöver des Befehlshabers, das die Fluth und eine schwache Landbrise noch unterstützte, sie der drohenden Gefahr entriß. Dennoch hatten sie schon einige Havarien erlitten und die »Aventure« z.B. drei Anker eingebüßt.

Eine Menge Piroguen umschwärmten die Schiffe und vertauschten gegen verschiedene Kleinigkeiten aus Glas allerlei Früchte; Geflügel und Schweine brachten die Eingebornen dagegen nicht. Diejenigen, welche man in der Nähe der Hütten sah, gehörten dem Könige, und jene hatten keine Erlaubniß zu deren Verkaufe. Viele Tahitier fragten auch nach Tupia, sprachen aber nicht weiter von ihm, als sie die Umstände erfuhren, unter denen er gestorben war.

Am nächsten Tage ankerten die beiden Schiffe auf der Rhede von Oaiti-Pika, zwei Kabellängen vom Ufer, und wurden bald von Besuchern und Händlern bestürmt. Einige machten sich die herrschende Dunkelheit zunutze, die schon verkauften Waaren wieder in ihre Piroguen zu werfen, um sie sich noch einmal bezahlen zu lassen. Um dieser Betrügerei ein Ende zu machen, ließ Cook die Spitzbuben fortjagen, nachdem sie einige Hiebe erhalten hatten, eine Strafe, welche sie ohne Murren hinnahmen.

Des Nachmittags gingen die beiden Kapitäne an's Land, um den Wasserplatz zu besichtigen, den sie für gut erklärten. Während dieses kleinen Ausfluges drängten sich eine Menge Eingeborner an Bord, die sich sichtlich bemühten, ihren aus den früheren Mittheilungen Bougainville's und Cook's schon bekannten übeln Ruf zu bekräftigen.

»Ein auf dem Vorderkastell stehender Officier, heißt es in dem Berichte, wollte einem in einer Pirogue sitzenden, etwa sechsjährigen Kinde einige Glasstückchen geben, ließ diese aber unversehens in's Meer fallen. Sofort sprang das Kind in's Wasser und tauchte nieder, bis es dieselben vom Grunde heraufbrachte.

[182] Als Anerkennung seiner Geschicklichkeit warfen wir ihm noch einige Kleinigkeiten zu; diese Freigebigkeit lockte eine große Anzahl Männer und Frauen zusammen, welche uns durch ihre überraschende Gewandtheit in der Ausführung der verschiedensten Schwimm- und Taucher-Kunststückchen höchlich ergötzten. Wenn man sie so im Wasser und die Geschmeidigkeit ihrer Glieder sah, hätte man sie wahrlich fast für Amphibien halten mögen.«

Inzwischen erwischte man einige an Bord gekommene Tahitier beim Stehlen. Einer hatte sich ziemlich den ganzen Tag über in Cook's Wohnraum zu schaffen gemacht und sprang nun eiligst in's Meer, so daß der über sein unverschämtes Auftreten erzürnte Kapitän ihm einen Schuß über den Kopf nachfeuerte. Ein zur Aufbringung der Piroguen der Diebe nachgesendetes Boot wurde bei der Annäherung an das Ufer mit Steinwürfen empfangen, so daß man einen Kanonenschuß abgeben mußte, um die Angreifer zum Rückzuge zu nöthigen. Diese Feindseligkeiten blieben indeß ohne weitere Folgen; die Eingebornen kehrten an Bord zurück, als ob gar nichts vorgefallen wäre. Cook vernahm von denselben, daß die meisten seiner alten Bekannten aus der Umgebung von Matava in einer zwischen den Bewohnern der beiden Halbinseln stattgefundenen Schlacht geblieben seien.

Die Officiere unternahmen zu Lande wiederholte Spaziergänge; der von seinem Eifer für botanische Forschungen getriebene Forster fehlte bei keinem. Bei einem solchen Ausfluge lernte er auch die Art und Weise kennen, wie die Tahitierinnen ihre Stoffe herstellen.

»Kaum waren wir einige Schritte gegangen, erzählt er, als ein aus dem Walde kommendes Geräusch unsere Ohren traf. Demselben nachgehend, gelangten wir an einen kleinen Schuppen, wo fünf bis sechs, zu beiden Seiten eines langen, viereckigen Holzstückes sitzende, Frauen die faserige Rinde des Maulbeerbaumes klopften, um daraus ihre Kleiderstoffe zu bereiten. Sie bedienten sich dazu eines anderen vierkantigen Holzstückes, das an den Seiten verschieden breite, parallele Längsrinnen zeigte. Sie hielten auch kurze Zeit inne, um uns die Rinde, den Schlägel und den, ihnen als Tisch dienenden Balken betrachten zu lassen; dazu zeigten sie uns in einer großen hohlen Cocosnuß eine klebrige Flüssigkeit, die sie dann und wann benützten, um die Rindenstücke mit einander zu verbinden. Dieser, unserer Untersuchung nach vonHibiscus esculentus herstammende Leim ist unentbehrlich zur Herstellung ihrer ungeheuer großen Gewebe oder Stoffe, welche manchmal in der Breite von zwei bis drei und in der Länge von fünfzig [183] Ruthen aus kleinen Rindenstückchen eines Baumes von geringer Stärke zusammengesetzt sind.... Die mit dieser Arbeit beschäftigten Weiber trugen schmutzige, zerrissene Kleidung und hatten sehr harte und schwielige Hände.«

Am nämlichen Tage bemerkte Forster einen Mann mit außerordentlich langen Nägeln, worüber jener, als einen Beweis, daß er nicht für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten brauche, sehr stolz zu sein schien. Auch aus dem Königreiche Annam, aus China und anderen Gegenden wird dieser eigenthümlichen, kindischen Mode erwähnt. Nur ein einziger Finger hat einen minder langen Nagel; [184] derselbe dient dazu, sich zu – kratzen, was in den Ländern des äußersten Ostens oft höchst nothwendig ist.


Ein Eingeborner, der sich den lieben langen Tag füttern ließ. (S. 185.)

Bei einem anderen Spaziergange traf Forster auf einen im üppigen Grase behaglich dahingestreckten Eingebornen, der sich den lieben langen Tag über von seinen Frauen nur – füttern ließ. Diese elende Persönlichkeit, welche sich mästete, ohne der menschlichen Gesellschaft irgend einen Dienst geleistet zu haben, erinnerte den englischen Naturforscher lebhaft an John Mandeville's zornige Auslassung beim Erblicken »eines solchen Vielfraßes, der seine Tage hinbrachte, [185] ohne sich nur durch die kleinste Waffenthat auszuzeichnen, und in Sinneslust dahinlebte wie ein Schwein, das man in einem Stalle mästet«.

Am 22. August ging Cook auf die Nachricht hin, daß sich der König Waheatua in der Nähe befinde und den Wunsch geäußert habe, ihn zu sehen, mit Kapitän Furneaux, den beiden Herren Forster und mehreren Eingebornen an's Land. Er traf jenen, der ihm mit so großem Gefolge entgegenkam, und erkannte ihn sofort wieder, da er den König schon im Jahre 1769 wiederholt gesehen hatte.

Derselbe nannte sich als Kind damals Te-Arne, hatte nach seines Vaters Tode aber den Namen Waheatua angenommen. Er ließ den Kapitän auf seinem eigenen Sessel Platz nehmen und erkundigte sich angelegentlich nach mehreren Engländern, die er bei Gelegenheit der früheren Erdumsegelung kennen gelernt hatte.


O-Too, König von Tahiti. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 187.)

Cook beschenkte ihn nach der gewöhnlichen Begrüßung mit einem Hemd, einer Axt, mit Nägeln und anderen Kleinigkeiten; von allen diesen Gaben fand aber bei der Königin sowohl, wie bei den Eingebornen, welche ihrer Bewunderung durch lautes Freudengeschrei Luft machten, ein über Messingdraht angeordnetes Büschel rother Federn die hervorragendste Anerkennung.

Waheatua, der König von Klein-Tahiti, mochte jetzt siebzehn bis achtzehn Jahre zählen. Groß und wohlgestaltet, hätte er, ohne einen, sein Gesicht entstellenden Zug von Furcht und Mißtrauen, recht wohl ein wirklich majestätisches Aussehen haben können. Seine nächste Umgebung bildeten mehrere Häuptlinge und Vornehme des Landes, die sich Alle durch besondere Größe, ein mit auffallenden Tätowirungen versehener unter ihnen, auch durch ungeheure Wohlbeleibtheit auszeichneten. Der König bewies diesem die achtungsvollste Ehrerbietung und befragte ihn jeden Augenblick. Cook hörte dabei, daß ein spanisches Schiff mehrere Monate vor ihm bei Tahiti gelegen hatte, und erfuhr später, daß es das von Callao kommende Fahrzeug Buenecheaus' gewesen war.

Während sich Etee, des Königs Vertrauter, mit einigen englischen Officieren über religiöse Gegenstände unterhielt und sie fragte, ob man bei ihnen auch einen Gott habe, vertrieb sich der König die Zeit mit Betrachtung der Uhr des Commandanten. Ganz erstaunt über das Geräusch, das man in derselben hörte, was er mit den Worten: »Sie spricht!« bezeichnete, fragte er auch, wozu sie wohl diente. Man erklärte ihm, daß sie die Zeit bestimme und hierin etwa der Sonne gliche; Waheatua gab ihr sofort den Namen »die kleine Sonne«, um anzudeuten, daß er die Erklärung verstanden habe.

[186] Am 24. gingen die Schiffe, begleitet von vielen, mit Cocosnüssen und Früchten beladenen Piroguen wieder unter Segel. Statt diese letzte Gelegenheit zur Erwerbung europäischer Waaren habgierig auszunutzen, verschleuderten die Eingebornen vielmehr ihre Erzeugnisse erstaunlich billig. So konnte man z.B. ein Dutzend der schönsten Cocosnüsse für eine einzige Glasperle erhalten. Dieser Ueberfluß an frischer Nahrung stellte die etwas wankende Gesundheit der Seeleute bald wieder her, und viele Matrosen, welche sich bei der Ankunft in Osnabrugh kaum fortschleppen konnten, bewegten sich bei der Abfahrt ohne jede Beschwerde.

Am 26. erreichten die »Resolution« und die »Aventure« den Hafen von Matavaï. Bald sammelte sich an Bord eine große Menge Tahitier. Die Meisten kannte der Kapitän schon, des wärmsten Empfanges erfreute sich indeß Lieutenant Pickersgill, der Wallis im Jahre 1767, und zwei Jahre später auch Cook begleitet hatte.

Cook ließ zunächst für die Kranken, die Böttcher und die Segelmacher Zelte errichten; dann fuhr er mit Kapitän Furneaux und den beiden Forster's nach Oparee ab. Bald kam das Boot an einem Moral aus Steinen und einem schon unter dem Namen Moraï Toota hah's bekannten Grabmale vorüber. Als Cook dasselbe ebenso nannte, unterbrach ihn ein Eingeborner mit den Worten, daß man dasselbe seit Tootahah's Tode den Moraï O-Too's nenne.

»Eine wohl angebrachte Lection für Fürsten, die man damit schon bei Lebzeiten daran erinnert, daß sie ebenfalls sterblich sind, und auch das Stückchen Land, welches ihr Leichnam braucht, ihnen nicht mehr gehört. Der Häuptling nebst seiner Frau legten beim Vorüberfahren die Kleidung von den Schultern ab, als Zeichen der Ehrfurcht der Urbewohner jedes Standes vor einem Moral, der bei Allen im Geruche besonderer Heiligkeit steht.«

Cook wurde beim Könige O-Too bald vorgelassen. Nach einigen Ehrenbezeugungen bot er ihm Alles an, was er in dessen Augen für werthvoll hielt, da es ihm nützlich schien, die Freundschaft dieses Mannes zu gewinnen, von dem jedes Wort für die Furchtsamkeit seines Charakters zeugte. Groß und gut gewachsen, mochte der König etwa dreißig Jahre alt sein. Er erkundigte sich nach Tupia und den Gefährten Cook's, ohne einen davon gesehen zu haben. Auch an alle, dem Anscheine nach einflußreichsten Persönlichkeiten seiner Umgebung wurden Geschenke mit vollen Händen vertheilt. Die Frauen schickten sofort ihre Dienerinnen aus, »große Stücke ihrer schönsten, scharlach, rosenroth [187] oder paillegelb gefärbten und mit den besten wohlriechenden Oelen imprägnirten Stoffe zu holen. Sie ordneten diese über unserer Kleidung und benahmen sich dabei mit so zuvorkommender Liebenswürdigkeit, daß wir ihnen nicht wehren konnten«.

Am nächsten Tage stattete O-Too seinen Gegenbesuch bei dem Kapitän ab. Er betrat das Schiff nicht eher, als bis Cook sich in eine große Menge landesüblicher Gewänder hüllte, und wagte in das Zwischendeck nicht hinabzusteigen, bevor nicht sein Bruder dasselbe besichtigt hatte. Man nöthigte den König und sein Gefolge, zum Frühstück Platz zu nehmen, wobei die Eingebornen über die Bequemlichkeit der Stühle ganz entzückt erschienen. O-Too wollte kaum eine Speise kosten, welche Scheu seine Begleiter indeß keineswegs an den Tag legten. Er bewunderte sehr einen prächtigen, langhaarigen spanischen Jagdhund, welcher Forster angehörte, und bezeigte den Wunsch, ihn zu besitzen. Man schenkte ihm denselben augenblicklich und er ließ ihn durch einen Vornehmen seines Gefolges hinter seinen Stuhl führen. Nach dem Frühstücke begleitete der Commandant O-Too, dem Kapitän Furneaux noch einen Bock und eine Ziege geschenkt hatte, nach der Schaluppe. Während eines Ausfluges im Innern des Landes traf Pickersgill auch die alte Oberea wieder, die seinerzeit Wallis eine so innige Anhänglichkeit erwies. Sie schien alle ihre Würden verloren zu haben und befand sich in so ärmlichen Verhältnissen, daß sie ihren Freunden nicht einmal ein Geschenk verabreichen konnte.

Als Cook am 1. September abreiste, bat ein junger Tahitier, Namens Poreo, darum, ihn begleiten zu dürfen. Der Befehlshaber ertheilte seine Zustimmung in der Hoffnung, daß jener ihm nützlich sein könne. Als er die Heimat am fernen Horizonte verschwinden sah, konnte sich Poreo der Thränen nicht enthalten. Die Officiere mußten ihm Trost zusprechen mit der Versicherung, daß sie jetzt seine Väter sein würden.

Cook begab sich nun nach der, nur fünfundzwanzig Meilen entfernten Insel Huaheine, wo er am 3. des Morgens vor Anker ging. Die Insulaner schafften hier eine Menge großen Geflügels herbei, das man um so freudiger entgegennahm, als in Tahiti gerade hieran einiger Mangel herrschte. Bald wimmelte der Markt von Schweinen, Hunden und Früchten, die man vortheilhaft gegen Aexte, Nägel und Glaswaaren eintauschte.

Ebenso wie Tahiti zeigte auch diese Insel Spuren vulkanischer Ausbrüche und der Gipfel eines Hügels die unverkennbare Form eines Kraters. Der [188] Anblick des Landes ist, in verkleinertem Maßstabe, dem von Tahiti gleich, denn Huaheine mißt nur sieben bis acht Meilen im Umfange.

Cook beeilte sich hier, seinen alten Freund Oree zu besuchen. Der König, ein Feind aller Förmlichkeiten, warf sich weinend dem Kapitän in die Arme und stellte ihm dann seine näheren Freunde vor, denen dieser einige Geschenke zukommen ließ. Dem Könige selbst bot er das Beste an, was er besaß, denn er betrachtete diesen Mann fast als Vater. Occe versprach, die Engländer mit allem Nothwendigen zu versorgen, und hielt auch getreulich Wort.

Am 6. des Morgens jedoch wurden die im Tauschhandel begriffenen Matrosen von einem ganz roth übermalten, in der Kriegstracht auftretenden Eingebornen, der in jeder Hand eine Keule führte, unversehens überfallen. Cook kam eben an's Land, stürzte sich auf den Wilden, rang mit demselben und entriß ihm glücklich seine Waffen, die er zertrümmerte.

An demselben Tage ereignete sich auch noch ein anderer Vorfall. Sparrman hatte sich, um zu botanisiren, unkluger Weise weit in das Innere begeben. Einige Eingeborne benutzten den Augenblick, als er eine Pflanze untersuchte, ihm das Jagdmesser, seine einzige Waffe, aus dem Gürtel zu rauben, womit sie ihm einen Hieb über den Kopf versetzten, sich dann auf ihn stürzten und mm einen Theil der Kleidung stückweise vom Leibe rissen. Sparrman gelang es jedoch, sich zu erheben und in der Richtung nach dem Strande zu entfliehen. Durch Gebüsch und Wurzelwerk aber mehrfach aufgehalten, gelang es den Wilden, ihn wieder einzuholen, die ihm nun die Hände abschneiden wollten, um sich seines Hemdes zu bemächtigen, das am Vordertheil der Arme zugeknöpft war, als es ihm zum Glück gelang, die Bündchen mit den Zähnen zu zerreißen. Da ihn andere Insulaner so halbnackt und gemißhandelt erblickten, gaben sie ihm ihre eigene Kleidung und führten ihn nach dem Tauschhandelsplatze zurück, wo sich eben viele Eingeborne befanden. Als Sparrman in diesem Aufzuge erschien, ergriffen Alle die Flucht, ohne daß ihnen Jemand etwas zu Leide gethan hatte. Cook glaubte anfänglich, sie wären bei einem Diebstahle betroffen worden. Als ihn der Anblick des Naturforschers eines Besseren belehrte, rief er sogleich einige Eingeborne zurück, versicherte diesen, daß es ihm nicht in den Sinn kommen werde, an Unschuldigen Rache zu üben, und brachte seine Klage unmittelbar bei Oree vor. Der König war untröstlich und wüthend über das Vorgefallene und versprach, nichts zu unterlassen, um die Diebe zu ermitteln und das Gestohlene wieder herbeizuschaffen.

[189] Trotz alles Flehens der Eingebornen bestieg der König die Schaluppe des Commandanten und begann mit diesem die Aufsuchung der Schuldigen. Letztere hatten sich freilich aus dem Staube gemacht, so daß man auf deren sofortige Entdeckung verzichten mußte. Oree begleitete nun Cook auf das Schiff, speiste mit ihm daselbst und wurde bei seiner Rückkehr an das Ufer mit den lebhaftesten Jubelrufen seitens seiner Unterthanen empfangen, welche ihn schon niemals wiederzusehen glaubten.

»Einer der erfreulichsten, von dieser Reise mit heimgebrachten Eindrücke, sagt Forster, ist der, daß wir, statt die Ureinwohner jener Insel völlig in Sinnenlust versunken zu sehen, wie das frühere Reisende fälschlich behaupteten, unter ihnen vielmehr recht unverdorbene und zarte menschliche Empfindung fanden. Natürlich giebt es Verbrecher unter jedem Volke; man wird aber in England und in jedem civilisirten Lande gewiß fünfzigmal mehr Bösewichte antreffen, als auf diesen Inseln.«

Eben als die Schiffe abfahren wollten, kam Occe mit der Meldung, daß die Diebe ergriffen wären, und lud den Commandanten ein, zur Beiwohnung ihrer Bestrafung mit an's Land zu kommen. Jetzt war das freilich unthunlich. Dann wollte der König Cook noch eine halbe Meile weit in See begleiten und nahm von ihm rührend zärtlichen Abschied.

Der Aufenthalt hier war sehr ersprießlich gewesen. Die beiden Fahrzeuge nahmen, ohne des Geflügels und der Früchte zu erwähnen, mehr als dreihundert Schweine mit. Ohne Zweifel hätten sie sich bei längerer Dauer desselben leicht noch mehr verschlaffen können.

Kapitän Furneaux hatte ebenfalls einen jungen Mann, Namens Omai, mit an Bord genommen, dessen Benehmen und leichte Auffassungsgabe eine hohe Meinung von den Bewohnern der Gesellsthaftsinseln geben mußte. Nach der Ankunft in England wurde dieser Tahitier durch den Grafen Sandwich, den ersten Lord der Admiralität, dem Könige vorgeführt. Gleichzeitig fand er in den Herren Banks und Solander Beschützer und Freunde, welche seine freundliche Aufnahme bei den ersten Familien Großbritanniens vermittelten. Zwei Jahre lang blieb er im Lande und schiffte sich dann bei Cook's dritter Reise zur Rückkehr nach seiner Heimat wieder mit ein.

Der Commandant segelte nun zunächst nach Ulietea, wo er von den Eingebornen sehr entgegenkommend empfangen wurde. Diese erkundigten sich eifrig nach Tupia und den Engländern, die sie auf der »Endeavour« gesehen hatten.

[190] Der König Oree beeilte sich, die alte Bekanntschaft mit Cook zu erneuern, und lieferte ihm Alles, was die Insel nur hervorbrachte. Während des hiesigen Aufenthaltes ging der, auf der »Resolution« eingeschiffte Poreo mit einem jungen Tahitier, der ihn zu überreden gewußt haben mochte, an's Land und kehrte auch nicht wieder an Bord zurück. An seine Stelle trat ein Jüngling von siebzehn bis achtzehn Jahren, gebürtig aus Bolabola und Oedidi mit Namen, der sich erboten hatte, mit nach England zu gehen. Der Schmerz, den derselbe beim Abschiede von seinen Landsleuten zu erkennen gab, ließ auf ein gutes Herz unverkennbar schließen.

Mit über vierhundert Schweinen, vielem Federvieh und Obst aller Art verließen die Schiffe die Gesellschaftsinseln nun endgiltig am 17. September und schlugen einen Kurs nach Westen ein. Sechs Tage später kam eine der Harvey-Inseln in Sicht und am 1. October fiel der Anker vor Eoa, der von Tasman und Wallis früher Middelbourg genannten Insel.

Der Empfang seitens der Eingebornen war ein recht herzlicher. Ein Häuptling, Taï-One, kam an Bord, berührte des Kapitäns Nase mit einer Wurzel der Pfefferstaude und setzte sich, ohne ein Wort zu sprechen, nieder. Das Bündniß war durch jene einfache Ceremonie geschlossen und wurde durch das Verschenken einiger Kleinigkeiten nur noch bekräftigt.

Taï-One geleitete die Engländer in das Innere des Landes. So lange die Wanderung währte, sahen sich die Ankömmlinge von dichten Schaaren der Eingebornen umringt, die ihnen Stoffe und Strohmatten im Austausch gegen Nägel anboten. Oft trieben die Wilden ihre Freigebigkeit sogar so weit, für ihre Gaben keine Gegengeschenke annehmen zu wollen.

Taï-One führte die neuen Freunde auch nach seiner im Grunde eines lieblichen Thales und im Schatten einiger Sandhecks gelegenen Behausung. Er ließ ihnen einen, vor ihren Augen aus dem Safte der »Eava« oder »Ava« bereiteten Liqueur vorsetzen, dessen Genuß auf allen Inseln Polynesiens eingebürgert zu sein scheint.


Denkmäler der Osterinsel. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 198.)

Man gewann denselben auf folgende Weise: Zuerst wurden die Wurzeln der Pflanze, einer Art Pfefferstrauch, zerkaut, dann in ein geräumiges Holzgefäß geworfen und mit Wasser übergossen. Nachdem die Mischung darin trinkbar geworden, füllten sie die Eingebornen in große, grüne, kelchförmig zusammengebogene Blätter, deren jedes über eine halbe Pinte faßte. Cook kostete nur allein von dem Getränk. Die wenig appetitliche Art seiner Zubereitung hatte [191] den Durst seiner Begleiter schon gelöscht; die Eingebornen besaßen eine solche Zurückhaltung dagegen nicht, und bald war die Butte bis auf den Grund geleert.

Die Engländer besuchten hierauf einige Anpflanzungen oder durch verschlungene Rosenhecken abgesonderte Gärten, welche mittelst hölzerner, in Haspen hängender Thüren in Verbindung standen. Die blühende Landcultur und der hochentwickelte Eigenthumsbegriff bewiesen eine weit höhere Civilisation als die Tahitis.

[192] Trotz des ihm zu Theil gewordenen wohlwollenden Empfanges mußte Cook diese Insel doch bald verlassen, da er sich um keinen Preis weder Schweine, noch Geflügel verschaffen konnte, um nach der Insel Amsterdam, dem Tonga-Tabu der Urbewohner, zu segeln, wo er hoffen durfte, alle nöthigen Lebensmittel zu erhalten.


Mann und Frau der Osterinsel. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 199.)

Bald ankerten die Schiffe auf der Rhede von Van-Diemen bei achtzehn Faden Wasser und einer Kabellänge von dem die ganze Küste umschließenden [193] Klippengürtel. Die sehr zutraulichen Eingebornen brachten Stoffe, Strohgeflechte, Werkzeuge, Waffen, Zieraten und bald auch Schweine und Geflügel herbei. Oedidi kaufte ihnen eifrig rothe Federn ab, die seiner Versicherung nach auf Tahiti in hohem Preise standen.

Mit einem Eingebornen, Namens Attago, der sich ihm von der ersten Stunde ab angeschlossen hatte, ging Cook einmal an das Land. Bei diesem Spaziergange bemerkte er einen, den Moraïs ähnlichen Tempel, der hier mit der Allgemeinbenennung Faïtoka bezeichnet wurde. Errichtet auf einem, den Erdboden um sechzehn bis achtzehn Fuß überragenden, von Menschenhand aufgeworfenen Hügel, hatte das Gebäude die Form eines länglichen Viereckes, zu dem man mittelst zweier steinerner Treppen gelangte. So wie die Wohnungen der Eingebornen war es auf Pfählen mit Sparren erbaut und mit Palmenblättern bedeckt. Zwei roh gearbeitete, zwei Fuß lange Holzbilder standen in den Ecken.

»Da ich weder die Eingebornen noch ihre Götter beleidigen wollte, wagte ich nicht, diese zu berühren, fragte Attago aber, ob das ›Eatuas‹ oder Götter seien. Ich weiß zwar nicht, ob er mich verstand, sofort nahm er sie aber in die Hände und drehte und wendete sie rücksichtslos um wie ein gewöhnliches Stück Holz, was mich überzeugte, daß jene keine Götzenbilder vorstellen konnten.«

Einige Diebstähle kamen zwar mitunter vor, sie störten jedoch das gute Einvernehmen nicht, und man konnte sich mit einer hinreichenden Menge von Stärkungsmitteln versorgen.

Vor seiner Abreise hatte der Kapitän auch noch eine Zusammenkunft mit einer ganz außerordentlich verehrten Persönlichkeit, die die Eingebornen übereinstimmend als König bezeichneten.

»Ich fand den Mann sitzend, sagt Cook, aber mit einem so dummen und mürrischen Anstrich von erkünstelter Würde, daß ich ihn trotz aller Versicherungen doch nur für einen Schwachsinnigen hielt, den das Volk in seiner abergläubischen Anschauungsweise anbetete. Ich grüßte und sprach auf ihn, doch antwortete er weder, noch schenkte er mir auch nur einige Aufmerksamkeit.... Schon schickte ich mich zum Weggehen an, als mir ein Eingeborner auf gar nicht mißzudeutende Weise zu verstehen gab, daß jener ihr König sei. Ich bot ihm nun als Geschenk ein Hemd, eine Axt, ein Stück rothen Stoffes, einen Spiegel, einige Nägel, Denkmünzen und Glasperlen an. Er nahm zwar Alles, oder er duldete vielmehr, die Geschenke auf oder rings um ihn niederzulegen, [194] ohne seine Gravität zu verlieren, ohne ein Wort zu sprechen, ja, ohne nur den Kopf nach rechts oder links zu wenden.«

Am folgenden Tage sandte der Häuptling indessen einen Korb mit Bananen nebst einem gebratenen Schweine und ließ dazu sagen, das schicke der »Ariki« der Insel dem »Ariki« des Fahrzeuges.

Dieser Archipel erhielt von Cook den Namen »die Inseln der Freunde«. Schouten und Tasman hatten die Inseln schon gesehen und als Cocos-Inseln oder Inseln der Verräther, der Hoffnung oder Horns bezeichnet.

Wegen der Unmöglichkeit, sich Wasser zu verschaffen, mußte Cook Tonga eher verlassen, als er gewollt hatte. Gleichwohl gelang es ihm, manche Beobachtungen über die Erzeugnisse des Landes und die Sitten seiner Bewohner zu sammeln, deren hervorragendste wir im Nachstehenden wiedergeben.

Mit vollen Händen hat die Natur ihre Schätze über die Inseln Tonga und Eoa ausgestreut. Cocosbäume, Palmen, Brotfruchtbäume, Yamswurzeln und Zuckerrohr sind die gewöhnlichsten. An eßbaren Thieren finden sich hier außer Geflügel freilich nur Schweine, und wenn der Hund nicht vorkommt, so ist er doch wenigstens bekannt. An den Küsten wimmelt es von köstlichen Fischen.

Von derselben Größe und fast ebenso weiß wie die Europäer, sind die Urbewohner dieser Insel wohlgebaut und haben einnehmende Gesichtszüge. Ihre Haare von ursprünglich schwarzer Farbe pflegen sie mit verschiedenem Puder so zu färben, daß man weiße, rothe, sogar blaue findet, was eine höchst eigenthümliche Wirkung hervorbringt. Die Gewohnheit des Tätowirens herrscht ganz allgemein. Die gewöhnlichen Kleidungsstücke sind höchst einfach. Ein Stück um den Gürtel befestigter und bis zu den Knieen herabhängender Stoff – das ist Alles. Die auf Tonga wie überall putzsüchtigeren Frauen aber verfertigen sich Schürzen aus Cocosfasern, welche sie mit kleinen Muscheln, bunten Stoffläppchen und Federn auszuschmücken lieben.

Die Eingebornen haben auch noch einige Eigenthümlichkeiten, welche die Engländer bei ihnen zum ersten Male beobachteten. So pflegen sie Alles auf den Kopf zu nehmen, was man ihnen giebt, und thun das auch, um einen Handel als abgeschlossen zu bezeichnen. Stirbt einer ihrer Freunde oder Eltern, so schneiden sie sich ein oder mehrere Fingerglieder oder einen ganzen Finger ab. Ihre Wohnungen bauen sie nicht zu Dörfern zusammen, sondern errichten sie einzeln und zerstreut inmitten der Pflanzungen. Aus demselben Materiale [195] hergestellt und nach ganz gleichen Plänen construirt wie die auf den Gesellschaftsinseln, sind sie gewöhnlich nur etwas höher als diese.

Die »Aventure« und »Resolution« lichteten am 7. October die Anker, passirten am nächsten Tage die von Tasman entdeckte Insel Pylstart und liefen am 21. desselben Monats in die Hawke-Bai in Neuseeland ein.

Cook schiffte nun eine Anzahl Thiere aus, die er im Lande einbürgern wollte, und segelte dann nach dem Königin Charlotte-Kanal weiter; inzwischen überraschte ihn ein heftiger Sturm, der ihn von der »Aventure« trennte, die er erst in England wiederfinden sollte.

Am 95. November reparirte der Kapitän die Havarien seines Schiffes und unterrichtete sich, bevor er von Neuem auf das Meer hinausging, von dem Zustande und der Menge seines Proviants, wobei er leider die Entdeckung machte, daß viertausendfünfhundert Pfund Zwieback vollständig verdorben und über dreitausend in nicht viel besserem Zustande waren.

Während seines hiesigen Aufenthaltes erhielt Cook einen neuen und noch schlagenderen Beweis von der Anthropophagie der Neuseeländer. Ein Officier hatte den Kopf eines jungen Mannes gekauft, der eben getödtet und verspeist worden war. Als das einige Eingeborne bemerkten, baten sie dringend, auch ein Stück davon zu erhalten. Cook überließ ihnen denselben, und aus der Gier, mit der sie sich auf die widerliche Speise stürzten, entnahm er, mit welchem Vergnügen diese Kannibalen eine Nahrung verzehren, die sie sich immerhin nicht allzu häufig verschaffen können.

Am 26. November verließ die »Resolution« Neuseeland, um sich noch einmal in die schon durchfahrenen eisigen Gegenden zu wagen. Um wie viel beschwerlicher sollte sich aber diese Reise gestalten! Tag für Tag wiederholten sich die in diesen hohen Breiten so gewöhnlichen Unfälle. Oedidi erstaunte gewaltig über den weißen Regen, den Schnee, der ihm in der Hand zerschmolz; noch mehr aber, als er das erste wirkliche Eis zu Gesicht bekam, das er für weiße Erde erklärte.

»Schon am äußersten Ende der gemäßigten Zone hatte ihn eine andere Erscheinung in größte Verwunderung versetzt, sagt der Bericht. So lange sich die Schiffe daselbst aufhielten, hatten wir so gut wie gar keine Nacht und konnten auch noch um Mitternacht bei Tageslicht schreiben. Oedidi wollte kaum seinen Augen trauen und versicherte uns, seine Landsleute würden ihn für einen Lügner halten, wenn er ihnen von versteinertem Regen und fortwährendem Tageslichte erzählte.«

[196] Nach und nach gewöhnte sich der junge Tahitier freilich an diese Erscheinung, denn das Schiff drang durch das Treibeis bis zum 71. Grad südlicher Breite vor. Endlich gewann Cook die Ueberzeugung, daß der Zutritt zu einem etwa vorhandenen Continent doch auf jeden Fall durch Eis gesperrt sei, und entschloß er sich nun, wieder nach Norden zu steuern.

Die Befriedigung darüber war eine allgemeine. An Bord gab es Niemand, der nicht an langdauerndem heftigen Rheumatismus gelitten, oder wenigstens einen Anfall von Scorbut gehabt hätte. Der Kapitän selbst quälte sich mit einer galligen Krankheit, die ihn sogar an das Bett fesselte. Acht Tage lang schwankte er zwischen Tod und Leben und erholte sich nur unter vielen Leiden sehr langsam. Bis zum 11. März hielt man den nämlichen Kurs ein. Welche Freude, als da bei Sonnenaufgang der Wachtposten: »Land! Land!« über das Schiff rief.

Es war die Osterinsel Roggeween's oder das sogenannte Davis-Land. Bei der Annäherung an das Ufer erregten die Aufmerksamkeit der Seefahrer zuerst jene riesenhaften Statuen, welche früher schon die Holländer mit Verwunderung gesehen hatten.

»Die Breite der Osterinsel, sagt Cook, stimmt bis auf eine oder zwei Minuten mit der Angabe von Roggeween's eigenhändigem Journal überein und ihre Länge ist nur um einen Grad falsch angegeben.«

Das aus zerrissenen Felsen mit düsterem eisenähnlichen Aussehen bestehende Ufer verrieth seinen Ursprung von mächtigen vulkanischen Eruptionen her. Nur in der Mitte der unfruchtbaren und halb verlassenen Insel fanden sich einige Anpflanzungen.

Das erste Wort, welches die Bewohner aussprachen, die nach dem Schiffe kamen, um sich einen Strick zu erbitten, war wunderbarer Weise ein tahitisches. Uebrigens erkannte man auch aus allem Uebrigen, daß sie von dort herstammten. So wie die Tahitier, waren sie tätowirt, und mit denselben Stoffen bekleidet, wie man sie auf den Gesellschafts-Inseln findet.

»Die Einwirkung der Sonne auf den Kopf, heißt es in dem Berichte, hatte sie zur Erfindung verschiedener Mittel gedrängt, um sich dagegen zu schützen. Die meisten Männer trugen eine Art Reif von zwei Zoll Höhe, der über und über mit Gras besetzt und mit einem starken Büschel schwarzer Federn vom Halse des Fregattvogels bedeckt ist. Andere haben ungeheure Hüte aus Federn der braunen Seemöven, fast so umfangreich wie die Perrücken der europäischen[197] Richter; wieder Andere endlich einen einfachen Holzreifen mit Seeschwalbenfedern, welche in der Luft schwanken. Die Frauen lieben einen großen und breiten Hut aus recht hübschem Strohgeflecht, der nach vorn zu eine Spitze, über dem Scheitel eine Art Giebel und an den Seiten zwei große Flügel bildet.

Mehrere Abtheilungen durchstreiften das ganze Land, das mit schwärzlichen porösen Steinen bedeckt, einen trostlosen Anblick bot. Zwei bis drei Arten welken Grases, die kümmerlich inmitten der Felsen wuchsen, einige magere Gesträuche, darunter vorzüglich die Papierstaude, Hibiscus, Mimosen und dann und wann eine Banane, das war die ganze Vegetation, die in diesem Lavahausen ihr Leben fristete.

Ganz in der Nähe des Landungsplatzes erhob sich eine senkrechte Mauer, nach allen Regeln der Kunst aus quadratisch behauenen Steinen aufgeführt und offenbar für lange Dauer berechnet. Weiterhin, inmitten eines wohlgepflasterten Hofes stand ein Monolith, einen Menschen in halber Figur darstellend, von 20 Fuß Höhe und 5 Fuß Breite, der nur grob ausgearbeitet und dessen Kopf so schlecht hergestellt war, daß man Augen, Nase und Mund kaum erkennen konnte; nur die langen Ohren, die man der Sitte gemäß hier zu tragen und künstlich zu vergrößern pflegt, erschienen gänzlich vollendet.

Diese übrigens zahlreichen Monumente scheinen sicherlich nicht von dem Geschlechte, das die Engländer jetzt antrafen, hergestellt oder errichtet, es müßte denn sehr schnell gänzlich ausgeartet sein. Wenn die Eingebornen denselben keine besondere Aufmerksamkeit widmeten, sie in gutem Zustande zu erhalten, so erwiesen sie ihnen doch eine gewisse Verehrung und zeigten sich sehr unzufrieden, als man den Hof betrat, der dieselben enthielt. Uebrigens finden sich diese riesigen Wachtposten nicht nur am Strande des Meeres. Auf den Abhängen der Berge, in den Höhlen mancher Felsen trifft man noch viele andere, die einen aufrechtstehend oder durch irgend eine Erschütterung umgestürzt, andere noch zum Theile in Verbindung mit dem Gestein, aus dem sie gemeißelt wurden. Welche plötzliche Katastrophe mag einst diese Arbeiten unterbrochen haben? Was bedeuten überhaupt diese Monolithen? Von welcher längstvergangenen Zeit zeugen sie für die Thätigkeit eines Volkes, das für immer von der Erde verschwunden oder in der Nacht früherer Jahrhunderte verloren gegangen ist? Das dürften wohl jetzt und immerdar ungelöste Räthsel bleiben.

Der Tauschhandel ging hier ziemlich leicht vor sich. Man hatte dabei nur die wahrhaft wunderbare Geschicklichkeit der Insulaner im heimlichen Entleeren [198] fremder Taschen zu überwachen. Die wenigen frischen Nahrungsmittel, die man sich zu verschaffen vermochte, leisteten doch eine recht fühlbare Hilfe; nur der Mangel an Trinkwasser verhinderte Cook, länger an der Osterinsel zu verweilen.

Er richtete seinen Kurs nun nach dem seit 1595 von keinem Europäer wieder besuchten Marquisen-Archipel Mendana's. Kaum schaukelte sein Schiff aber auf der See, als er auf's Neue einen Anfall jenes Gallenfiebers bekam, an dem er schon einmal so empfindlich gelitten hatte. Auch an Scorbut erkrankten wieder mehrere Leute, während alle Diejenigen, welche auf der Osterinsel längere Ausflüge unternommen hatten, im Gesichte von der Sonne gänzlich verbrannt waren.

Am 7. April 1774 endlich fand Cook den Archipel der Marquisen, erst nachdem er alle fünf Positionen, welche die Geographen für denselben angaben, aufgesucht hatte. Man ging bei Tao-Wahl, Mendana's Santa-Christina vor Anker. Bald wurde die ›Resolution‹ von Piroguen umringt, deren Vordertheil mit Steinen beladen war, während jeder Mann in denselben eine Schleuder um die Hand gewickelt trug. Dennoch verkehrte man mit den Eingebornen ganz friedlich und der Tauschhandel begann.

Diese Insulaner waren wohlgebaut, sagt Forster, von hübschem Gesichte und gelblichem oder lohähnlichem Teint, während viele über den ganzen Körper verstreute seine Striche sie fast schwarz erscheinen ließen.... Dichte Bäume erfüllten die Thäler rings um unseren Hafen und Alles entsprach der einzig bekannten, noch von den Spaniern herrührenden Beschreibung. Am Walde, fern vom Strande, erblickten wir viele Feuer, ein Beweis, daß das Land stark bevölkert sein mochte.«

Die Schwierigkeit, sich Lebensmittel zu beschaffen, bestimmte Cook, bald wieder abzureisen, doch gelang es ihm, manche interessante Beobachtungen über dieses Volk zu machen, das er als eines der schönsten in ganz Oceanien bezeichnet. Die Ureinwohner hier scheinen wirklich alle Anderen an Regelmäßigkeit der Züge zu übertreffen. Die Uebereinstimmung in ihrer Sprache mit der der Tahitier aber weist doch auf ein und denselben Ursprung mit den Letzteren hin.

Der Marquisen-Archipel besteht aus fünf Inseln: Magdalena, San-Pedro, Dominica, Santa-Christina und der Insel Hood, so genannt nach dem Namen des Freiwilligen, der sie zuerst erblickte. Santa-Christina ist durch eine ziemlich hohe Bergkette getheilt, an welche sich niedrige, ans dem Meere aufsteigende Hügel anschließen. Zwischen den Bergen liegen enge tiefe fruchtbare Thäler [199] mit vielen Obstbäumen und von krystallhellen Bächen bewässert. Der Hafen von Madre de Dios, den Cook »Resolutions-Hafen« taufte, ist etwa in der Mitte der Westküste von Santa-Christina zu suchen. Hier dehnen sich zwei sandige Buchten aus, in denen zwei Bäche münden.

2.
II.

Wiederholter Besuch Tahitis und des Archipels der Freunde. – Besichtigung der Neuen Hebriden. – Entdeckung Neu-Caledoniens und der Insel der Pinien. – Aufenthalt im Königin Charlotte-Kanal. – Süd-Georgia. – Katastrophe der »Aventure«.


Cook hatte jene Inseln am 12. April verlassen und segelte auf Tahiti zu, als er fünf Tage später gegen seinen Willen mitten in den Pomutu-Archipel gerieth. Er landete an Byron's Insel Tinkea, deren Bewohner, die wohl Ursache gehabt haben mochten, sich über jenen Seefahrer zu beklagen, das Vordringen der Engländer nur mit mißgünstigen Augen betrachteten. Letztere konnten sich nur zwei Dutzend Cocosnüsse und fünf Schweine verschaffen, obwohl diese auf der Insel in Menge vorhanden zu sein schienen. In einem anderen Bezirke gestaltete der Empfang sich freundlicher. Die Eingebornen umringten die Fremdlinge und berührten deren Nasen nach Art der Neuseeländer. Oedidi kaufte mehrere Hunde, deren langes weißes Haar in seiner Heimat zur Ausschmückung der Panzer der Krieger diente.

»Die Eingebornen theilten uns mit, sagt Forster, daß sie Löffelkraut zerkleinern und dasselbe, mit gewissen Muschelthieren vermengt, in's Meer werfen, wenn sie ein Volk Fische sehen. Diese Lockspeise betäubt für einige Zeit die Fische, welche in Folge dessen nach der Wasseroberfläche herauskommen, wo sie leicht gefangen werden.«


Eingeborne der Marquesas-Inseln (S. 199.)

Der Commandant nahm hierauf noch einige andere Inseln dieses ausgedehnten Archipels in Augenschein, die er alle den früher gesehenen ähnlich fand, und vorzüglich die Gefährlichen Inseln, zwischen denen Roggeween die Galeere »Die Afrikanerin« verlor und denen Cook den Namen »Palliser-Inseln« gegeben hatte. Dann steuerte er nach Tahiti, das seine Matrosen wegen der [200] schon bekannten Freundlichkeit der Eingebornen fast als eine neue Heimat betrachteten. Die »Resolution« warf am 22. April in der Bai von Matavaï Anker, wo man den erwarteten wohlwollenden Empfang fand. Wenige Tage später besuchten König O-Too und mehrere Häuptlinge die Engländer und brachten ihnen zehn oder zwölf Schweine nebst vielen Früchten als Geschenk mit.

Cook beabsichtigte zuerst, hier nur so lange Zeit zu verweilen, als der Astronom Wales brauchte, um einige Beobachtungen zu vollenden; der Ueberfluß an guten Nahrungsmitteln bestimmte ihn aber, seinen Aufenthalt noch auszudehnen.

[201] Am 26. des Morgens bemerkte der Kapitän, der sich in Begleitung mehrerer Officiere nach Oparec begeben hatte, um dem König seinen Gegenbesuch abzustatten, eine ungeheure Flotte von über dreihundert Piroguen, die längs der Küste aufgestellt und alle bemannt waren. Gleichzeitig sammelte sich am Strande eine große Menge Krieger. Diese während einer Nacht aufgebotene Macht erregte zuerst natürlich den Verdacht der Officiere; der ihnen zu Theil werdende Empfang zerstreute jedoch bald jede Befürchtung.

Hundertsechzig besonders große, mit Flaggen und Wimpeln geschmückte Kriegspiroguen und hundertsiebzig kleinere zum Transport des Proviants bildeten die Flotte, die nicht weniger als siebentausendsiebenhundertsechzig Mann Krieger und Lanzenwerfer zählte.

»Der Anblick dieser Flotte steigerte noch unsere Vorstellung von der Macht und dem Reichthum der Insel, und auch die ganze Mannschaft erstaunte darüber nicht wenig. Denkt man dabei noch an die mangelhaften Werkzeuge, welche die Leute besitzen, so muß man wirklich die Geduld und Arbeitslust bewundern, die sie besitzen mußten, um oft enorme Bäume zu fällen, daraus Planken zu schneiden und diese zu glätten und endlich so schwere Fahrzeuge bis zu einem so hohen Grade der Vollkommenheit zu bringen. Alles das hatten sie mit einer Steinaxt, einem Messer, einem Stück Koralle und etwas Haifischhaut ausgeführt. Die Häuptlinge nebst allen Denjenigen, welche die zum Gefecht bestimmte Plateform einnahmen, erschienen in ihrer Kriegertracht, d. h. bekleidet mit einer großen Menge Stoffe und Turbans, oder in einer Art Panzer und mit festen Kopfbedeckungen. Die ungewöhnliche Länge dieser Helme hinderte ihre Träger oft nicht wenig. Die ganze Ausrüstung erschien zum Kämpfen ziemlich unglücklich gewählt und eignete sich höchstens zu einer Parade. Trotz alledem trug dieselbe zur Großartigkeit des Schauspieles nicht wenig bei, und die Krieger selbst bemühten sich auch offenbar, im günstigsten Lichte zu erscheinen.«

Als er nach Matavaï selbst kam, hörte Cook, daß dieses Aufgebot von Machtmitteln bestimmt sei, Eimeo anzugreifen, dessen Häuptlinge das Joch Tahitis abgeschüttelt und sich unabhängig gemacht hatten.

Während der folgenden Tage erhielt der Kapitän den Besuch mehrerer seiner alten Freunde. Alle gaben das lebhafteste Verlangen nach dem Besitze rother Federn zu erkennen, die hier in hohem Werthe standen. Eine einzige solche wurde für ein weit kostbareres Geschenk angesehen als etwa ein Glas oder ein Nagel. Die Tahitier boten dafür tauschweise sogar ihre Trauerkleider [202] an, von denen sie sich bei Cook's erster Reise um keinen Preis trennen wollten.

»Diese aus den seltensten Erzeugnissen der Insel und des umgebenden Meeres zusammengesetzten und mit äußerster Sorgfalt und Geschicklichkeit hergestellten Kleidungsstücke mögen bei ihnen wohl für sehr werthvoll gehalten werden. Wir kauften davon zehn, welche alle nach England mitgenommen wurden.«

Oedidi, der sich vorsorglicher Weise eine große Menge jener Federn verschafft hatte, konnte sich alle seine Wünsche erfüllen. Die Tahitier betrachteten ihn als ein Wunder und schienen begierig, seinen Erzählungen zu lauschen. Nicht allein jeder Häuptling der Insel, sondern selbst die königliche Familie bemühte sich um seine Gesellschaft. Er heirathete die Tochter des Häuptlings von Matavaï und brachte seine Frau auch an Bord, wo es Jeder sich angelegen sein ließ, sie mit einem Geschenke zu erfreuen. Er faßte jedoch den Entschluß, in Tahiti zu bleiben, wo er seine, an einen mächtigen Häuptling verheirathete Schwester wiedergefunden hatte.

Trotz der Diebstähle, welche wiederholte und unangenehme Auseinandersetzungen herbeiführten, gelang es den Engländern doch, während ihrer Rast sich mit mehr Vorräthen zu versehen, als sie jemals besessen hatten. Selbst die alte Oberea, die früher als Königin der Insel galt, als die »Dauphin« im Jahre 1767 hier vor Anker lag, brachte Schweine und Früchte herbei, freilich mit dem Hintergedanken, dafür rothe Federn zu erhalten, welche Jedermann so hohe Achtung verschafften. Man benahm sich ihr gegenüber besonders freigebig und ergötzte die Indianer daneben durch Feuerwerke und militärische Uebungen.

Einige Tage vor seiner Abreise war der Kapitän noch Zeuge einer bisher noch nie gesehenen Vorstellung. O-Too veranstaltete ein simulirtes Seetreffen, das freilich nur zu kurze Zeit währte, um es in allen Einzelheiten genauer verfolgen zu können. Fünf Tage nach Cook's Abfahrt sollte diese Flotte einen wirklichen Kampf aufnehmen, und jener hatte nicht übel Lust, so lange hier zu bleiben; da er aber glaubte, die Eingebornen möchten fürchten, daß er vielleicht Sieger und Besiegte vernichten könnte, entschloß er sich zur Abreise.

Kaum befand sich die »Resolution« außerhalb der Bai, als ein von den Reizen Tahitis verführter Unterkanonier, dem wohl auch O-Too, in Erwartung wirksamer Hilfe dural einen europäischen Krieger, reiche Versprechungen gemacht hatte, unversehens über Bord sprang. Er wurde jedoch durch ein Boot, das[203] Cook sofort zu seiner Verfolgung aussetzte, wieder aufgenommen. Der Kapitän bedauerte es selbst, daß er im Interesse der Disciplin in dieser Weise verfahren mußte, denn er hätte dem Manne, der in England weder Eltern noch Verwandte besaß, die nachgesuchte Erlaubniß, in Tahiti zurückzubleiben, gewiß nicht verweigert.

Am 15. Mai ging die »Resolution« im Hafen O-Wharre an der Insel Huaheine vor Anker. Der alte Häuptling Oree war der Erste, der die Engländer zu ihrer Wiederkehr beglückwünschte und ihnen als Willkommen einige Geschenke brachte. Der Kapitän wollte dieselben durch eine in rothen Federn bestehende Gegengabe vergelten, der Häuptling legte je doch auf Eisen, Aexte und Nägel offenbar einen höheren Werth. Er schien weit unempfänglicher für Alles, als bei dem ersten Besuche; sein Auffassungsvermögen war merkbar geschwächt, jedenfalls eine Folge des berauschenden Getränkes, das die Eingebornen aus dem Pfefferstrauche bereiten. Auch an Ansehen hatte er sichtlich eingebüßt; Cook mußte sogar selbst eine Bande Diebe verfolgen, die sich gewöhnlich im bergigen Theil der Insel aufhielten und sich nicht gescheut hatten, den alten Häuptling selbst zu bestehlen.

Oree zeigte sich sehr erkenntlich für das gute Benehmen, das die Engländer ihm gegenüber stets bewahrten. Er war der Letzte, der das Schiff verließ, als es am 24. April weiter segelte, und da Cook ihm sagte, daß sie sich nun nicht mehr wiedersehen würden, fing er an zu weinen und flehte: »So schickt Eure Kinder her, wir werden sie gut aufnehmen!«

Ein anderes Mal fragte Oree den Kapitän nach dem Namen des Ortes, wo er einst begraben werden würde. »Stepney«, erwiderte Cook. Oree bat ihn, das Wort zu wiederholen, bis er es auszusprechen im Stande sei. Dann riefen hundert Individuen wie aus einem Munde: »Stepney, Moranïo Toote! Stepney, die Grabstätte Cook's!« Der große Seefahrer ahnte, als er diese Antwort gab, freilich weder das traurige Schicksal, das seiner wartete, noch die Mühe, welche seine Landsleute haben sollten, seine irdischen Ueberreste aufzufinden.

Oedidi, der mit den Engländern zuletzt doch noch bis Huaheine gegangen war, fand hier nicht denselben begeisterten Empfang wie in Tahiti. Uebrigens waren seine Reichthümer sehr zusammengeschmolzen und sein Ansehen hielt damit gleichen Schritt.

»Auch er bewahrheitete das alte Sprichwort, heißt es in dem Berichte, daß der Prophet im Vaterlande niemals etwas gilt.... Er verließ uns mit großem Bedauern, das seine Werthschätzung der genossenen Gastfreundschaft deutlich [204] erkennen ließ; als er sich trennen sollte, lief er von Kabine zu Kabine und umarmte Jeden, den er fand. Den Seelenzustand des jungen Mannes bei seinem Scheiden vermag ich nicht erschöpfend zu schildern; sein Augen hefteten sich auf das Schiff unter reichlichen Thränen und er warf sich verzweifelt auf den Boden seiner Pirogue. Als er die Riffkette passirt, sahen wir ihn noch immer mit nach uns ausgebreiteten Armen dastehen!«

Am 6. Juni sah Cook Wallis', von den Eingebornen Mohipa genannte Insel Hove; einige Tage später entdeckte er eine Gruppe mehrerer unbewohnter Eilande, innerhalb eines Klippengürtels, der er, zu Ehren eines Lords der Admiralität, den Namen »Palmerston« gab.

Am 20. bekam man eine steile Felseninsel in Sicht. Mit großen Bäumen und Strauchwerk bedeckt, bot sie nur einen sehr schmalen, sandigen Strand, auf dem sehr bald mehrere Eingeborne von tiefdunkler Farbe zusammenliefen. Zwar versuchten sie, mit einer Lanze und einer Keule bewaffnet, zuerst eine drohende Haltung anzunehmen, zogen sich aber sofort zurück, als die Engländer dem Ufer näher kamen. Kurz darauf belästigten viele Krieger, die sich in einiger Entfernung hielten, die Fremden durch einen Hagel von Pfeilen und durch Steinwürfe. Sparrman wurde am Arme verwundet und Cook wäre bald von einem Wurfspieße durchbohrt worden. Eine gut gezielte Gewehrsalve zerstreute die ungastlichen Insulaner und deren feindseliger Empfang erwarb ihrem Lande den Namen der »Insel Sauva«.

Vier Tage nachher kam Cook wieder nach dem Tonga-Archipel. Er ging diesesmal bei Namuka, Tasman's Rotterdam, an's Land.

Kaum hatte das Fahrzeug Anker geworfen, als es auch schon von einer Menge, mit Bananen und Früchten aller Art beladenen Piroguen umringt wurde, deren Inhalt man gegen Nägel und alte Stückchen Stoffe eintauschte. Dieser freundliche Empfang bestimmte die Naturforscher, an's Land zu gehen und zur Aufsuchung neuer Pflanzen und bisher unbekannter Producte in das Innere der Insel einzudringen. Bei der Rückkehr konnten sie die Schönheit und die pittoresken Reize der gesehenen Landschaften, sowie die Zuvorkommenheit und Zutraulichkeit der Ureinwohner gar nicht genug rühmen.

Schon waren mehrere kleine Diebereien vorgekommen, als ein größerer, frech ausgeführter Diebstahl den Commandanten nöthigte, mit aller Strenge dagegen einzuschreiten. Bei dieser Gelegenheit wurde ein Eingeborner, der sich der Beschlagnahme zweier Piroguen widersetzte, welche die Engländer bis zur[205] Wiederherbeischaffung der entwendeten Waffen in Pfand nehmen wollten, durch einen Flintenschuß schwer verwundet. Cook gab den Insulanern übrigens während dieses zweiten Besuches den Namen des Archipels der Freunde – ohne Zweifel per Antiphrasin, – eine Bezeichnung, die man später gegen den ursprünglichen Namen »Tonga« vertauscht hat.

Nach Westen immer weiter segelnd, lief der unermüdliche Forscher nach und nach die Inseln der Leprosen, Aurora, Pentecoste und endlich Mallicolo an, den Archipel, der von Bougainville den Namen der »Neuen Cycladen« erhalten hatte.

Des Kapitäns Befehle lauteten wie immer dahin, mit den Eingebornen stets in freundschaftliche Handelsbeziehungen zu treten. Der erste Tag verlief hier auch ganz nach Wunsch, die Insulaner feierten sogar die Ankunft der Engländer durch Spiele und Tänze; schon am nächsten Morgen führte aber ein an sich unerheblicher Zwischenfall einen allgemeinen Zusammenstoß herbei.

Ein Eingeborner, dem man den Zutritt zu dem Schiffe verweigert hatte, machte Miene, auf einen Matrosen einen Pfeil abzuschießen. Zuerst suchten ihn seine Landsleute davon abzuhalten. Da kam Cook eben mit einem Gewehr in der Hand auf das Deck. Er richtete sofort einige Worte an den Wilden, der schon wieder nach dem Matrosen zielte. Ohne jedoch auf ihn zu hören, wollte jener nun auf den Commandanten selbst schießen, doch dieser kam ihm zuvor und verletzte ihn mit einer Kugel. Das war das Signal zu einem allgemeinen Angriffe. Eine ganze Wolke von Pfeilen flog auf das Verdeck, ohne glücklicher Weise besonderen Schaden anzurichten. Cook mußte sich immerhin entschließen, einen Kanonenschuß über die Köpfe der Feinde abzufeuern, um jene zu vertreiben.

Wenige Stunden später näherten sich die Eingebornen aber dem Schiffe wieder und knüpften den unterbrochenen Tauschhandel an, als ob gar nichts vorgefallen wäre.

Cook benutzte die eingetretene bessere Stimmung, mit einer bewaffneten Abtheilung zur Aufsuchung von Holz und Wasser an's Land zu gehen. Vier bis fünf bewaffnete Eingeborne befanden sich am Strande. Aus diesen trat ein Häuptling hervor und näherte sich dem Kapitän mit einem grünen Zweige in der Hand, wie auch dieser einen solchen emporhielt. Die beiden Zweige wurden ausgetauscht, der Friede abgeschlossen und einige kleine Geschenke zur Bekräftigung desselben gewechselt. Cook erhielt nun die Erlaubniß, Holz nach Belieben zu entnehmen, doch ohne sich dabei zu weit vom Ufer zu entfernen, und auch [206] die Naturforscher, welche sich nur studienhalber mehr in das Innere des Landes begeben wollten, führte man trotz ihres Widerspruches dahin zurück.

Auffallender Weise legten die Eingebornen auf eiserne Werkzeuge sehr wenig Werth, auch gelang es nur schwer, sich mit den erwünschten Provisionen zu versehen. Nur Wenige ließen sich darauf ein, ihre Waffen gegen Stoffe und dergleichen auszutauschen, diese verfuhren aber mit einer den Engländern bisher nicht bekannten Rechtlichkeit. Schon war die »Resolution« unter Segel, als der Handel sich noch immer fortsetzte und die Eingebornen dem Schiffe mit dem Aufgebote aller Kräfte folgten, um noch solche Gegenstände abzuliefern, für welche sie den bedungenen Preis schon erhalten hatten. Einem derselben gelang es, das Fahrzeug einzuholen; dieser brachte einem Matrosen seine Waffen, für welche er bezahlt worden war, während der Empfänger sich dessen schon nicht mehr erinnerte. Als ihm der Matrose nun etwas dafür geben wollte, schlug es der Wilde ab, indem er ihm zu verstehen gab, daß er schon bezahlt sei.

Cook gab dem Hafen, den er am Morgen des 23. Juli verließ, den Namen »Port-Sandwich«.

Nahm der Kapitän nun einen so günstigen Eindruck von den moralischen Eigenschaften der Bewohner von Mallicolo mit sich hinweg, so war das doch bezüglich ihrer äußeren Erscheinung keineswegs der Fall. Im Gegentheile erscheinen die Bewohner bei ihrer kleinen, unproportionirten Gestalt, der bronzenen Hautfarbe und dem flachen Gesichte mehr als häßlich. Wären Darwin's Theorien schon bekannt gewesen, so hätte Cook in ihnen zweifelsohne jene Zwischenstufe zwischen Mensch und Affe erkannt, deren Mangel die Anhänger der Transformation noch immer in Verzweiflung setzt. Ihre schwarzen, groben, krausen und kurzen Haare und der buschige Bart trugen zur Verbesserung ihres Aussehens auch nicht besonders bei. Den wunderbarsten Eindruck machte aber ihre unerklärliche Gewohnheit, den Leib mittelst eines Strickes so fest einzuschnüren, daß sie fast einer großen Ameise glichen. Ohrgehänge von Schildkrötenschalen. Armbänder aus Schweinezähnen, große Ringe aus Muscheln und ein weißer flacher Stein, den sie durch die Nasenscheidewand gesteckt trugen, bildeten ihre Kleinodien und ihren Schmuck. Als Waffen führten sie Bogen und Pfeile, nebst einer Lanze und Keule. Die oft doppelten oder dreifachen Spitzen ihrer Pfeile benetzten sie mit einer Substanz, welche die Engländer für giftig hielten, da sie bemerkten, daß die Eingebornen jene immer ängstlich in einer Art Köcher verwahrten.

[207] Kaum hatte die »Resolution« Port-Sandwich verlassen, als die ganze Besatzung von Kolik, Erbrechen und heftigen Schmerzen im Kopfe und in den Beinen befallen wurde, was jedenfalls von zwei eben gefangenen und aufgezehrten großen Fischen herrührte, die von der weiter oben erwähnten Drogue betäubt worden sein mochten. Zehn volle Tage vergingen, bevor die Erkrankten wieder gänzlich hergestellt waren. Ein Papagei und ein Hund, welche gleichfalls von jenem Fischfleisch fraßen, verendeten am nächsten Tage. Quiros' Gefährten hatten seinerzeit dieselbe Erscheinung beobachtet und auch später sind noch wiederholte Fälle ähnlicher leichter Vergiftung vorgekommen.

Von Mallicolo aus steuerte Cook nach der Insel Ambrym, welche einen Vulkan zu enthalten scheint, und entdeckte bald eine Gruppe kleiner Eilande, denen er zu Ehren des Professors der Astronomie in Cambridge den Namen »Shepherd-Inseln« gab. Dann bekam er die Inseln der Beiden Hügel, Montagu, Hinchinbrook und endlich die bedeutendste derselben, die Insel Sandwich, nicht zu verwechseln mit dem Archipel gleichen Namens, in Sicht. Alle diese durch Klippen verbundenen und geschützten Inseln waren mit reicher Vegetation bedeckt und zahlreich bevölkert.

Zwei geringfügige Vorfälle nur störten die gewohnte Ruhe an Bord. Einmal brach eine Feuersbrunst aus, welche bald gelöscht wurde, und ein anderes Mal fiel ein Marinesoldat in's Meer, wurde jedoch sofort gerettet.

Am 3. August entdeckte man die Insel Koro-Mango, bei der der Befehlshaber anhalten ließ, da er hier Wasser und einen geeigneten Ankerplatz zu finden hoffte. Die meisten Derjenigen, welche durch den Genuß der schädlichen Fische von Mallicolo erkrankt waren, befanden sich auch jetzt noch nicht ganz wohl und erwarteten von einem Aufenthalte am Lande eine schnellere Wiederherstellung. Der Empfang aber, den sie seitens der mit Keulen, Lanzen und Bogen bewaffneten Eingebornen fanden, versprach nicht zu viel Gutes. Der Kapitän ging also möglichst vorsichtig zu Werke. Da jene sahen, daß sie die Engländer nicht bestimmen konnten, ihre Schaluppe ganz an den Strand zu legen, so versuchten sie, dieselben dazu zu zwingen. Ein Häuptling und mehrere Andere bemühten sich, den Matrosen die Ruder zu entreißen. Cook wollte auf sie schießen, es brannte aber nur der Zündsatz seines Gewehres ab. Sofort wurden die Engländer nun mit Steinen und Pfeilen überschüttet. Der Kapitän befahl darauf, eine allgemeine Salve abzugeben; zum Glück versagte die Hälfte der Musketen, sonst wäre hier gewiß viel Blut geflossen.


[208]
Typus der Sandwich-Insulaner. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 207.)

»Diese Insulaner, sagt Forster, scheinen einem anderen Stamme anzugehören als die Bewohner von Mallicolo; auch sprechen sie eine andere Sprache. Sie sind von mittlerer Größe, aber gut gebaut, und ihre Gesichtszüge machen keinen so unangenehmen Eindruck; ihre Haut ist tiefbraun von Farbe und sie bemalen sich das Antlitz, die Einen schwarz, die Anderen roth; ihre Haare sind lockig und doch ziemlich weich. Die wenigen Frauen, die mir vorkamen, schienen sehr häßlich zu sein... Piroguen sah ich nirgends an der Küste; die Leute [209] leben in Häusern mit einem Dache aus Palmenblättern, und ihre sorgsam gearbeiteten Pflanzungen sind mit Rosenhecken eingefaßt.«

An einen zweiten Landungsversuch war unter diesen Umständen natürlich nicht zu denken. Cook taufte die Stelle, wo jener Zusammenstoß stattfand, das »Cap der Verräther«, und segelte nach einer zwei Tage vorher gesehenen Insel, welche die Eingebornen »Tanna« nannten.

»Hier bemerkten wir, sagt Forster, unter mehreren Hügeln einen von deutlich kugelförmiger Gestalt mit einem Krater in der Mitte; er war braunroth von Farbe und bestand aus einer Anhäufung von verbranntem, völlig unfruchtbarem Gesteine. Von Zeit zu Zeit sprang daraus eine hohe, fast einem Baume ähnliche Rauchsäule empor, deren oberer Theil sich desto mehr verbreiterte, je mehr sie in die Höhe stieg.«

Die »Resolution« sah sich bald von etwa zwanzig Piroguen umringt, deren größte fünfundzwanzig Mann trugen. Diese suchten sich sofort Alles anzueignen, was sie erlangen konnten, wie Bojen, Flaggen und die Haspen des Steuers, das sie abzuheben versuchten. Man mußte einen Vierpfünder abfeuern, um jene zurückzutreiben, und ging hierauf an's Land. Trotz Vertheilung vieler kleiner Geschenke gelang es doch nicht, die Stehlsucht dieses Volkes zu unterdrücken. Es liegt auf der Hand, daß das mindeste Mißverständniß hier zum Blutvergießen hätte führen müssen.

Cook durfte wohl annehmen, daß diese Eingebornen auch Menschenfleisch verzehren, obwohl sie Schweine, Hühner, Wurzeln und Früchte im Ueberflusse besaßen.

Eigentlich verbot es die Klugheit, sich vom Strande weit zu entfernen. Forster wagte sich aber doch einmal ein Stück in das Land hinein und entdeckte dabei eine so heiße Quelle, daß man die Hand nicht eine Secunde lang in dieselbe eintauchen konnte.

Trotz aller Bemühungen gelang es den Engländern doch nicht, bis zu dem eigentlichen Vulkan zu gelangen, der Feuerstrahlen und Rauchsäulen bis zu den Wolken ausstieß und gewaltige Steine hoch in die Luft schleuderte. Solfataren gab es überall in großer Menge und der Erdboden zitterte unausgesetzt unter der Wirkung der mächtigen Naturkräfte im Schoße der Erde.

Ohne ihre Zurückhaltung aufzugeben, wurden die Bewohner von Tanna nach und nach doch etwas zugänglicher, so daß sich einiger Verkehr mit ihnen entwickelte.

[210] »So lange wir sie nicht reizten, sagt Cook, erwiesen sich die Leute überaus gastfreundlich, höflich und von gutem Charakter.... übrigens sind sie ja auch ihres ersten Auftretens wegen gewiß nicht zu tadeln, denn was sollten sie von uns halten, da sie doch unmöglich unsere wahre Absicht errathen konnten? Wir fuhren in ihren Hafen ein, ohne daß sie sich dem widersetzten; wir suchten zwar als Freunde das Land zu betreten, auf ihre Weigerung hin setzten wir uns dennoch durch die Uebermacht unserer Waffen daselbst fest. Was sollten die Insulaner unter solchen Verhältnissen nun von uns denken? Es liegt durch wohl am nächsten, daß sie glaubten, wir seien vielmehr gekommen, uns ihres Landes zu bemächtigen, als sie nur freundschaftlich zu besuchen. Nur allein die Zeit und die nähere Berührung konnten sie ja von unseren besseren Absichten überzeugen.«

Jedenfalls vermochten sich die Engländer jedoch niemals zu erklären, warum man ihnen stets den Zutritt zu den inneren Theilen des Landes verwehrte. War das die Wirkung eines von Natur etwas allzu mißtrauischen Charakters, oder waren sie vielleicht häufigen feindlichen Einfällen seitens ihrer Nachbarn ausgesetzt, wofür ihr Kampfesmuth und die Gewandtheit im Gebrauche der Waffen zu sprechen schienen? Darüber war etwas Sicheres nicht zu erfahren.

Da die Eingebornen auf Alles, was die Engländer ihnen zu bieten vermochten, keinen hohen Werth legten, so brachten sie auch jenen Früchte und Wurzeln, welche dieselben so nöthig brauchten, nur in geringer Menge herbei. Niemals wollten sie z.B. Schweine vertauschen gegen Aexte und dergleichen, obwohl sie deren Nutzen wohl einsahen.

Die Bodenerzeugnisse der Insel bestanden übrigens hauptsächlich aus Brotfruchtbäumen, Cocosnüssen, einer Frucht, welche der Pfirsiche ähnelte und »Pavie« genannt wurde, Yamswurzeln, Pataten, wilden Feigen, Muscatnüssen und mehreren anderen, welche Forster nicht kannte.

Cook verließ Tanna am 21. August, kam nach und nach an den Inseln Erroumann und Annatom vorüber, segelte längs der Sandwichs-Inseln hin, passirte Mallicolo, sowie Quiros, Terra del Espiritu Santo, wo er auch die Baien St. Jacques und St. Philipp unschwer wiedererkannte, und verließ nun endgiltig diesen Archipel, den er mit dem Namen die »Neuen Hebriden« bezeichnete, unter dem sie noch heute bekannt sind.

Am 5. September machte der Commandant eine neue Entdeckung. Das Land, welches er fand, hatte noch niemals eines Europäers Fuß betreten.

[211] Es war das der nördlichste Theil von Neu-Caledonien; der zuerst gesehene Punkt wurde Cap Colnett genannt, nach dem Namen eines Freiwilligen, der ihn vor allen Anderen erblickt hatte. Die Küste war von einem Klippengürtel umschlossen, hinter dem zwei bis drei Piroguen auf dem stilleren Wasser glitten, als wollten sie den Fremden entgegenkommen. Mit Aufgang der Sonne zogen sie jedoch die Segel ein und wurden nicht wieder gesehen.

Nach zweistündigem Laviren vor den äußeren Rissen fand Cook eine Einbuchtung, wo er das Land erreichen konnte. Er steuerte auf dieselbe zu und ging bei Balade vor Anker.

In der nächsten Umgebung bedeckte nur ein weißliches Gras den scheinbar unfruchtbaren Boden. In der Ferne sah man dagegen einzelne Bäume mit weißlichem Stamme, deren Gestalt etwa an die Weiden erinnerte. Es waren »Niaoulis«. Gleichzeitig bemerkte man auch einige, den Bienenstöcken ähnliche Häuser.

Kaum sank der Anker in den Grund, als etwa fünfzehn Piroguen das Schiff umringten. Die Eingebornen kamen vertrauensvoll heran und boten, was sie besaßen, zum Tausche an. Einige bestiegen sogar das Fahrzeug selbst und nahmen es in allen Ecken neugierig in Augenschein. Sie schlugen es ab, von den ihnen angebotenen Speisen, wie Apfelmus, Rindfleisch oder gesalzenem Schweinefleisch, zu genießen, probirten aber wenigstens die Yamswurzeln. Am meisten erstaunten sie über die Ziegen, Schweine, Hunde und Katzen, Thiere, welche ihnen gänzlich unbekannt sein mußten, da sie für dieselben nicht einmal Bezeichnungen hatten. Nägel, wie überhaupt alle eisernen Geräthschaften und rothgefärbte Stoffe, schienen bei ihnen in hohem Preise zu stehen. Die großen und starken wohlgebauten Eingebornen mit gepflegtem Haare und Bart und tiefbrauner Hautfarbe redeten eine Sprache, die mit keiner der von den Engländern bis jetzt vernommenen Aehnlichkeit hatte.

Bei seiner Landung wurde der Kapitän mit dem Ausdrucke der größten Freude und natürlichen Erstaunens seitens eines Volkes aufgenommen, das zum ersten Male Gegenstände sah, von denen es noch niemals eine Ahnung gehabt hatte. Mehrere Häuptlinge geboten der Menge Stillschweigen und begannen eine kurze Ansprache, worauf Cook mit der gewohnten Vertheilung von Kleinigkeiten begann. Dann mischten sich die Officiere unter die Menge, um diese aus der Nähe zu beobachten. Einzelne Eingeborne schienen mit einer Art Aussatz behaftet zu sein, wenigstens waren ihre Arme und Beine manchmal ganz unförmlich [212] angeschwollen. Fast vollständig nackt, benutzten sie als Kleidung nur einen um die Taille geschlungenen Strick von dem ein Stück Stoff herabhing. Verschiedene trugen ungeheure, cylindrische, an beiden Seiten offene Hüte, welche ungefähr den Mützen der ungarischen Hußaren glichen.

An ihren gespaltenen und lang gezogenen Ohren hingen Ringe von Muscheln oder kleine Rollen von Zuckerrohrblättern. Bald traf man auf ein kleines Dorf hinter den Mangobäumen, welche das Ufer umsäumten. Rings um dasselbe befanden sich Pflanzungen von Zuckerrohr, Yamswurzeln und Bananen, die von einem kleinen, aus einem gemeinschaftlichen Wasserlaufe geleiteten Kanal bewässert wurden.

Cook gewann indeß bald die Ueberzeugung, daß er von diesem Volke nichts erhalten könne, als höchstens die Erlaubniß, frei in der Gegend umherzuschweifen.

»Die Eingebornen, sagt er, lehrten uns einige Worte ihrer Sprache, welche mit denen der anderen Insel in keiner Beziehung stand. Ihr Charakter war sanft und friedlich. Kamen wir bei ihren Hütten vorüber und redeten wir sie an, so gaben sie wohl Antwort; setzten wir aber unseren Weg fort, ohne uns weiter an sie zu wenden, so schenkten sie uns nicht die geringste Aufmerksamkeit. Nur die Frauen schienen etwas neugieriger zu sein und versteckten sich gern in seitab liegende Büsche, um uns zu betrachten; doch wagten sie sich ohne Begleitung der Männer nie in unsere Nähe.

Sie zürnten weder, noch erschraken sie darüber, daß wir Vögel durch Flintenschüsse erlegten; im Gegentheile liefen, wenn wir in der Nähe der Häuser waren, junge Leute herbei, welche uns solche zeigten, wahrscheinlich um des Vergnügens willen, sie schießen zu sehen. Gerade in der jetzigen Jahreszeit mochten sie weniger Beschäftigung haben; das Land hatten sie schon bestellt und Wurzeln und Bananen gesteckt, deren Ernte erst im nächstfolgenden Sommer eintrat; vielleicht waren sie eben deshalb weniger als sonst im Stande, uns von ihren Vorräthen abzulassen, denn man darf wohl voraussetzen, daß auch sie der Sitte der Gastfreundschaft huldigten, welche die Insulaner der Südsee für alle Reisenden so interessant macht.«

Was Cook über die Indolenz der Neu-Caledonier sagt, stimmt völlig mit der Wahrheit überein. Was deren Charakter betrifft, so dauerte sein Aufenthalt an der Küste doch etwas zu kurze Zeit, um denselben richtig beurtheilen zu können, und jedenfalls ahnte er nicht im mindesten, daß auch dieses Volk der entsetzlichen Sitte der Anthropophagie huldigte. Er fand hier nur wenig Vögel [213] vor, darunter Wachteln, Turteltauben, Tauben, Sultanhühner, wilde Enten, auch Schmetterlinge und einige in wildem Zustande lebende Hausvögel. Von vierfüßigen Thieren sah er kein einziges, und so blieben auch alle seine Bemühungen, sich Proviant zu verschaffen, gänzlich fruchtlos.

Auf Balada unternahm der Befehlshaber wiederholte Ausflüge in das Land hinein und bestieg z.B. auch einen Gebirgszug, um von da aus einen Gesammtblick über die Umgegend zu gewinnen. Von dem Gipfel eines Felsens aus sah er zu beiden Seiten das Meer und überzeugte sich, daß Neu-Caledonien, hier wenigstens, nicht mehr als zehn Meilen Breite hatte. Im Allgemeinen ähnelte das Land einigen, etwa unter derselben Breite gelegenen Bezirken von Neu-Holland.

Auch die Naturerzeugnisse schienen nahezu dieselben zu sein, ebensowie die Wälder des Unterholzes, ganz wie auf jener größeren Insel, ermangelten. Ferner machte man die Beobachtung, daß die Berge hier Erzlager enthielten, was durch die neuerlichen Auffindungen von Gold, Eisen, Kupfer, Nickel und Steinkohle bestätigt worden ist.

Der nämliche Zufall, der die Besatzung in der Gegend von Mallicolo so empfindlich betroffen hatte, sollte sich auch hier wiederholen.

»Mein Buchführer, sagt Cook, kaufte einen von einem Indianer in der Nähe des Wasserplatzes gefangenen Fisch und sendete mir denselben an Bord. Das uns noch ganz unbekannte Exemplar, das äußerlich etwa den sogenannten Seesonnen glich, gehörte zu Linné's Familie der ›Tetrodon‹. Sein häßlicher Kopf war groß und lang. Ohne Ahnung, daß derselbe giftig sein könne, befahl ich, ihn für das Abendbrot zurecht zu machen. Glücklicher Weise nahm die genaue Beschreibung und das Abzeichnen desselben so viel Zeit in Anspruch, daß man ihn nicht kosten konnte und deshalb nur die Leber desselben briet. Nur die beiden Herren Forster und ich selbst hatten davon genossen, dafür überfiel uns gegen drei Uhr Morgens eine ungemeine Schwäche und Abgeschlagenheit in allen Gliedern. Ich verlor dabei fast jedes Gefühl und konnte z.B. schwere und leichte Körper, wenn ich sie bewegen wollte, nicht mehr unterscheiden. Ein Gefäß voll Wasser und eine Vogelfeder besaß für mich das nämliche Gewicht. Wir gebrauchten nun ein Brechmittel und versuchten dann tüchtig zu schwitzen, was uns eine merkliche Erleichterung verschaffte. Am Morgen ward eines der Schweine, das die Eingeweide des Fisches verschlungen hatte, todt gefunden. Als die Eingebornen an Bord kamen und den noch aufgehängten Fisch bemerkten, machten [214] sie uns sofort darauf aufmerksam, daß das eine ungesunde Nahrung sei; sie gaben ein wahres Entsetzen vor demselben zu erkennen, als man uns denselben aber verkaufte, und selbst, nachdem wir ihn mitgenommen hatten, verrieth Niemand einen solchen Abscheu.«

Cook ließ einen großen Theil der Ostküste aufnehmen. Während dieser Arbeit traf man einen Eingebornen, der ebenso weiß wie ein Europäer aussah, was man von einer gewissen Krankheit herleitete. Wirklich war der Mann ein Albino, ähnlich denjenigen, die wir auf Tahiti und den Gesellschaftsinseln gesehen hatten.

Der Commandant, der auch in Neu-Caledonien die Schweinezüchterei einführen wollte, mußte sich viele Mühe geben, die Eingebornen zur Annahme eines Ebers und einer Zuchtsau zu bestimmen. Erst als er die Vortrefflichkeit dieses Thieres und die Leichtigkeit der Fortpflanzung desselben rühmte, auch seinen Werth noch etwas übertrieb, gestatteten jene deren Ausschiffung an den Strand.

Alles in Allem schildert Cook die Neu-Caledonier als große, kräftige, bewegliche und friedliche Menschen; vorzüglich schreibt er ihnen eine gar seltene Eigenschaft zu: sie waren keine Diebe! Seine Nachfolger in diesem Lande, und vor Allem d'Entrecasteaux, mußten zu ihrem Nachtheile erfahren, daß die Insulaner diese löbliche Eigenschaft nicht mehr bewahrt hatten.

Einige derselben besaßen dicke Lippen und abgeplattete Nasen und überhaupt ganz das Aussehen eines Negers. Ihre von Natur lockigen Haare trugen dazu noch mehr bei.

»Soll ich über die Abstammung dieses Volkes urtheilen, sagt Cook, so würde ich es für eine Mittelrace zwischen den Einwohnern von Tanna und den Freundschaftsinseln, oder vielleicht zwischen denen von Tanna und Neuseeland erklären, weil seine Sprache eine Mischung derjenigen der genannten drei Länder zu sein scheint.«

Die vielfachen Angriffswaffen der Eingebornen, wie Keulen, Lanzen, Wurfspieße, Schleudern und dergleichen, wiesen auf die Häufigkeit der Kriege unter ihnen hin. Die mit den Schleudern geworfenen Steine waren geglättet und von eiförmiger Gestalt. Ihre in runder Form errichteten Häuser glichen etwa Bienenkörben, und das sehr hohe Dach derselben lief oben in eine scharfe Spitze aus.


Die Eingebornen kamen vertrauensvoll heran. (S. 212.)

Darin befanden sich ein oder zwei stets in Brand stehende Feuerherde, deren Rauch freilich keinen anderen Ausgang hatte als die Thür, so daß der Aufenthalt[215] in den Hütten für Europäer so gut wie unerträglich war. Die Bewohner ernähren sich nur von Fischen, Wurzeln, darunter die Yamswurzel und der »Taro«, und von der Rinde eines nur wenig zuckerhaltigen Baumes. Bananen, Zuckerrohr und Brotfruchtbäume gediehen in dem Lande nur vereinzelt, und Cocosbäume entwickelten sich nicht so kräftig wie auf den von der »Resolution« vorher besuchten Inseln. Die Anzahl der Einwohner hätte man anfangs wohl als ziemlich beträchtlich schätzen können; Cook bemerkt dazu aber sehr richtig, daß seine Ankunft ein Zusammenströmen aller Menschen aus der ganzen [216] Nachbarschaft veranlaßt habe; und Lieutenant Pickersgill gewann auch, während seiner hydrographischen Aufnahme, die Ueberzeugung, daß das Land nur dünn bevölkert sei. Die Neu-Caledonier pflegen ihre Todten zu begraben. Einige Leute von der Besatzung besuchten ihre Kirchhöfe und vorzüglich das Grab eines Häuptlings, einen mit ringsum aufgestellten Lanzen, größeren und kleineren Wurfspießen und anderen Waffen geschmückten Hügel.

Am 13. September verließ Cook den Hafen von Balada und segelte immer längs der Küste Neu-Caledoniens hin, ohne daß es ihm gelang, sich frische[217] Nahrungsmittel zu verschaffen. Fast überall bot das Land denselben Anblick trostloser Unfruchtbarkeit. Ganz im Süden dieses ausgedehnten Landes fand man endlich eine kleine Insel, welche wegen der großen Anzahl der dieselbe bedeckenden Bäume die »Insel der Pinien« genannt wurde.


Das sehr hohe Dach derselben lief oben in eine scharfe Spitze aus. (S. 215.)

Es war das eine Art preußischer Föhren, sehr geeignet zu Schiffbalken, welche die »Resolution« nothwendig brauchte. Cook schickte also auch eine Schaluppe mit Arbeitern an's Land, um solche Bäume zu fällen, welche ihnen passend erschienen. Viele derselben maßen im Durchmesser wohl zwanzig Zoll bei einer Höhe von siebzig Fuß, so daß man daraus bequem hätte Masten herstellen können, wenn das Schiff deren bedurft hätte. Die Entdeckung dieser Insel erschien deshalb von um so größerem Werthe, weil sie nebst Neuseeland bis jetzt die einzige war, welche im Pacifischen Ocean Masten und Raaen liefern konnte.

Während seiner südwärts nach Neuseeland gerichteten Fahrt begegnete Cook am 10. October auch einer kleinen, unbewohnten Insel, auf der die Botaniker eine große Menge noch unbekannter Pflanzenarten sammelten. Diese Insel Norfolk – so genannt zur Ehre der Familie Hovard – war dieselbe, welche später ein Theil der Empörer von der »Bounty« kolonisiren sollte.

Am 18. ging die »Resolution« noch einmal im Königin Charlotte-Kanal vor Anker. Die von den Engländern so sorgsam angelegten Gärten hatten die Neuseeländer zwar gänzlich vernachlässigt, dennoch waren einzelne Pflanzen überraschend gut gediehen.

Zuerst erschienen die Eingebornen sehr zurückhaltend und wenig geneigt, die alte Verbindung wieder zu erneuern. Als sie aber die früheren Freunde erkannten, bezeigten sie ihre Genugthuung durch das lauteste und ungebundenste Freudengeschrei. Auf die Frage, warum sie zuerst so scheu und fast furchtsam gewesen seien, gaben sie nur ausweichende Antwort, doch verstand man daraus so viel, daß wiederholt Schlachten und Mordthaten vorgekommen seien.

Natürlich nahmen Cook's Befürchtungen wegen der »Aventure«, von der er seit der letzten Rast an dieser Stelle keinerlei Nachricht hatte, dabei nur noch mehr zu; er konnte aber auf keine Weise die volle Wahrheit erfahren. Was hier vorgefallen, darüber sollte er sich erst am Cap der Guten Hoffnung klar werden, wo er Briefe des Kapitän Furneaux vorfand.

Nachdem er nochmals Schweine ausgeschifft, welche er mit aller Gewalt in Neuseeland heimisch machen wollte, ging der Commandant am 10. November wieder unter Segel und steuerte nun nach Cap Horn.

[218] Das erste Land, welches er nach einem sonst fruchtlosen Kreuzzug erblickte, war die Westküste von Feuerland in der Nähe der Magelhaens-Straße. »Der Theil von Amerika, der uns hier vor Augen kam, schreibt Kapitän Cook, bot einen sehr traurigen Anblick; er schien aus vielen kleinen, zerrissenen Inseln zu bestehen, welche zwar nicht hoch, aber ganz schwarz und offenbar unfruchtbar waren. Weiter rückwärts sahen wir ein hoch aufstrebendes zerklüftetes Land, fast bis zum Fuß mit Schnee bedeckt... es ist dies die wildeste Küste, die ich jemals gesehen habe, sie scheint gänzlich von Felsen, ohne die geringste Spur von Vegetation, erfüllt. Zwischen den Höhen gähnen tiefe Schluchten, deren überragende steile Gipfel hoch zum Himmel emporsteigen. Es giebt vielleicht keinen Punkt auf der Erde, der einen so trostlosen Anblick gewährt. Die Gebirge im Innern des Landes waren duchgängig mit Schnee bedeckt, das an der Küste dagegen nicht. Wir glaubten, daß jenes zu Feuerland selbst gehörte, während die übrigen kleine Inseln darstellten, deren Anordnung das Aussehen einer zusammenhängenden Küste gewährte.«

Trotzdem hielt es der Commandant für angezeigt, in dieser traurigen Einöde eine Zeit lang zu verweilen, um seiner Mannschaft wieder frische Lebensmittel zuzuführen. Am Weihnachts-Kanal, den er mit gewohnter Sorgfalt aufnahm, fand er auch bald einen günstigen Ankerplatz.

Die Jagd lieferte hier wenigstens einige Vögel, und Pickersgill brachte auch einmal außer vierzehn Enten dreihundert Seeschwalbeneier mit auf das Schiff.

»Das setzte mich in den Stand, sagt Cook jedem Mann etwas zuzutheilen; für die Matrosen ein um so größeres Vergnügen, als das Weihnachtsfest heran nahte und sie sich sonst dabei hätten mit Rind- und Pöckelschweinefleisch begnügen müssen.«

Einige Ureinwohner, von der Race, welche Bougainville Pescherähs genannt hatte, kamen ohne großes Zureden an Bord. Cook schilderte diese Wilden mit denselben Farben, deren sich schon der französische Seefahrer bediente. Dem verfaulten Seekalbfleische, mit dem sie sich gewöhnlich nährten, zogen sie die öligen Theile dieser Thiere vor, bemerkt der Kapitän, weil der Genuß dieses Thrans sie mehr gegen die Kälte schützt.

»Wenn man jemals, fügt er hinzu, den Vorzug des civilisirten Lebens vor dem der Wilden anzweifeln wollte, so dürfte wohl der erste Blick auf diese Leute zur Lösung einer solchen Frage hinreichen. Bevor man mir nicht nachweist, daß ein fortwährend von der Unbill des Klimas leidender Mensch glücklich ist,[219] schenke ich den schönen Worten der Philosophen keinen Glauben, da diese Herren doch wohl kaum Gelegenheit gefunden haben, die menschliche Natur unter allen Verhältnissen zu beobachten, oder wohl nicht selbst gefühlt haben, was sie sahen.«

Bald stach die »Resolution« wieder in See und segelte um das Cap Horn, passirte darauf die Lemaire-Straße und kam in Sicht von Staatenland, wo sie einen guten Ankerplatz fand. Diese Gewässer wimmelten von Walfischen, deren Paarungszeit jetzt eben war, wie von Seekälbern und Seelöwen, Pinguins und Cormorans (das sind kleine Seeraben) in geradezu zahllosen Schaaren.

»Doctor Sparrman und ich, sagt Forster, wurden hier auch von einem alten Seebären angefallen, während auf einem Felsen in der Nähe eine große Menge solcher Thiere saßen, welche dem Ausgange des Kampfes zu lauschen schienen. Der Doctor hatte sein Gewehr eben auf einen Vogel abgeschossen und wollte diesen aufheben, als der alte Bär grollend die Zähne zeigte und Anstalt machte, sich auf meinen Begleiter zu stürzen. Von meinem Sitzplatz aus streckte ich die Bestie durch einen Schuß nieder, worauf die anderen, als sie ihren Genossen sich am Boden wälzen sahen, eiligst nach der Seite des Meeres zu entflohen. Mehrere liefen dabei mit solcher Hast davon, daß sie zehn bis fünfzehn Ruthen tief auf spitzige Felsen stürzten. Dennoch glaube ich kaum, daß sie sich dabei besonderen Schaden zugefügt haben werden, denn ihr Fell ist sehr fest und das elastische Fett unter demselben giebt leicht jedem Drucke nach.«

Von Staatenland aus schlug Cook am 3. Januar einen südöstlichen Kurs ein, um diesen Theil des Oceans zu untersuchen, den einzigen, der ihm bisher entgangen war. Bald erreichte er Süd-Georgien, das Laroche 1675 entdeckt und Guyot Duclos, damals als Befehlshaber des spanischen Schiffes »Leone« 1756 wieder besucht hatte. Er bekam dasselbe etwa am 14. Januar 1775 zu Gesicht. An drei verschiedenen Punkten ging der Commandant an's Land und nahm dasselbe im Namen Georg's III. von England, nach dem er es taufte, in Besitz. Die Ufer der »Possessions-Bai«, wo er lag, umschlossen senkrechte Eisfelsen, ganz ähnlich denjenigen, die er früher in hohen südlichen Breiten sah.

»Das Innere des Landes, heißt es in dem Berichte, erscheint nicht minder wild und abschreckend. Die Felsen verbergen ihre Häupter in den Wolken und in den Thälern lagert der ewige Schnee. Man erblickte keinen Baum, nicht einmal einen mageren Strauch.«

Von Georgien aus drang Cook noch weiter nach Südosten, immer zwischen schwimmenden Eismassen, vor. Die fortwährenden Gefahren dieser Fahrt [220] erschöpften die Mannschaft auf's äußerste. Nach und nach wurden das südliche Thule, die Insel Saunders und Chandeleur und endlich Sandwich-Land entdeckt.

Diese unfruchtbaren und wüsten Inselgruppen werden für den Handel und die Geographie stets ohne praktischen Nutzen bleiben. Nach Feststellung ihrer Existenz hatte man keine Ursache, noch über dieselben hinaus vorzudringen, denn es konnten dabei die werthvollen Documente, welche die »Resolution« an Bord hatte, gar zu leicht auf's Spiel gesetzt werden.

Die Entdeckung dieser verlassenen Länder überzeugte Cook, »daß sich wohl auch in der Nähe des Poles noch Länderstrecken befinden mußten, wo sich der größte Theil des auf dem endlosen Ocean treibenden Eises bilden mochte«. Eine geistvolle Bemerkung, welche die Forschungsreisen des 19. Jahrhunderts nach allen Seiten bestätigen sollten.

Nach wiederholter, ebenso fruchtloser Aufsuchung von Bouvet's Cap Circoncision beschloß Cook nun, zum Cap der Guten Hoffnung zurückzukehren, wo er am 22. März 1775 eintraf.

Auch die »Aventure« hatte hier geankert und Kapitän Furneaux einen Brief zurückgelassen, der die Vorkommnisse von Neuseeland schilderte.

Am 13. November 1773 im Königin Charlotte-Kanal angelangt, hatte Furneaux Wasser und Holz einnehmen lassen und nachher unter Führung des Lieutenant Rowe ein Boot abgeschickt, um eßbare Pflanzen zu sammeln. Da er ihn weder am Abend, noch am nächsten Morgen zurückkehren sah, ließ Furneaux, ohne Ahnung von dem inzwischen Vorgefallenen, ihn aufsuchen und berichtet darüber Folgendes:

Nach mancher fruchtlosen Bemühung bemerkte der die Schaluppe commandirende Officier, als er am Strande, nahe der »Kräuter-Bucht« landete, einige verdächtige Anzeichen. Hier lagen nämlich Trümmer des Bootes und mehrere Schuhe, deren einer dem vermißten Officier gehört hatte. Gleichzeitig fand ein Matrose ein Stück frisches Fleisch, das man für Hundefleisch hielt, da die Gewohnheit der Menschenfresserei von dieser Bevölkerung noch nicht bekannt war.

»Wir öffneten später, sagt Kapitän Furneaux, etwa zwanzig am Ufer stehende und mit Stricken verschnürte Körbe. Die einen enthielten geröstetes Fleisch, die anderen Farrenwurzeln, welche den Eingebornen als Brot dienen. Bei weiterer Nachsuchung fanden wir auch eine Hand, in der wir die Thomas Hill's, an den nach Art der Tahitier darauf tätowirten Buchstaben T. H., wieder erkannten.«

[221] In einiger Entfernung bemerkte der Officier vier Piroguen und eine Menge Eingeborne um prasselnde Flammen versammelt. Die Engländer gaben auf dieselben Feuer und jagten damit die Neuseeländer in die Flucht, bis auf zwei, welche nur sehr kaltblütig zurückwichen. Einer derselben wurde noch nachträglich verwundet und die Matrosen gingen nun nach jener Stelle.

»Hier trat uns ein wahrhaft entsetzliches Bild vor die Augen; Köpfe, Herzen und Lungen mehrerer unserer Leute lagen im Sande umher und daneben bissen sich Hunde um die Eingeweide der Ermordeten.« Der Officier hatte zu wenig Mannschaft – nur zehn Mann – um für dieses scheußliche Blutbad Rache zu nehmen. Uebrigens schlug auch das Wetter um, die Wilden rotteten sich in großer Menge zusammen, und er mußte sich beeilen, die »Aventure« wieder zu erreichen.

»Ich glaube immerhin nicht, sagt Kapitän Furneaux, daß diese Schlächterei von Seiten der Wilden vorher geplant war; denn an demselben Morgen, da Rowe das Schiff verließ, begegnete er zwei Piroguen, welche in unserer Nähe an's Land gingen und stets in derselben Bucht liegen blieben. Das Blutbad wurde wahrscheinlich durch eine auf der Stelle ausgefochtene Streitigkeit hervorgerufen; vielleicht hatten unsere Leute auch jede vernünftige Vorsichtsmaßregel außer Acht gelassen, und die Gelegenheit verführte die Indianer. Die Neuseeländer traten überhaupt weniger scheu auf, als sie gesehen hatten, daß auch ein Flintenschuß nicht immer Schaden bringe, und daß man die Waffe erst laden müsse, bevor sie wieder zu gebrauchen sei.«

Bei diesem traurigen Vorfalle verlor die »Aventure« zehn ihrer besten Matrosen. Furneaux hatte Neuseeland am 23. December 1773 verlassen, das Cap Horn umschifft, am Cap der Guten Hoffnung gerastet und war am 14. Juli 1774 nach England zurückgekehrt.

Cook verließ nach Einnahme der nöthigen Nahrungsmittel und vollendeter Ausbesserung seines Schiffes die False-Bucht am 27. Mai, ging bei St. Helena, Ascension, Fernando de Noroncha und bei Fayal, einer der Azoren, an's Land, und lief am 29. Juli 1775 endlich in Plymouth ein. Er hatte während dieser langen Reise von drei Jahren und achtzehn Tagen nur den Verlust von vier Mann zu beklagen, ohne freilich die zehn Matrosen zu zählen, die auf Neuseeland ermordet wurden.

Niemals bisher lieferte eine Expedition eine so reichliche Ernte an Entdeckungen, an hydrographischen, physikalischen und ethnographischen Beobachtungen.

[222] Viele dunkle Punkte in den Berichten früherer Reisender waren durch die gelehrten und scharfsinnigen Untersuchungen Cook's aufgeklärt worden. Dazu kamen die wichtigen Entdeckungen Neu-Caledoniens und die der Osterinsel. Auch die so lange streitige Frage wegen des Vorhandenseins eines südlichen Festlandes erhielt endlich ihre Lösung. Der große Seeheld empfing nun auch sofort die durch seine Mühen und Arbeiten wohlverdiente Belohnung. Neun Tage nach seiner Ankunft schon wurde er zum Schiffskapitän, und am 29. Februar 1776 zum Mitglied der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu London ernannt.

5. Capitel
1.
I.

Aufsuchung der von den Franzosen entdeckten Länder. – Die Kerguelen. – Aufenthalt in Van-Diemens-Land. – Königin Charlotte-Kanal. – Die Insel Palmerston. – Große Feste auf der Insel Tonga.


Der Gedanke, welcher früher so viele Forscher veranlaßt hatte, nach den Grönländischen Meeren zu segeln, beherrschte damals alle Köpfe. Existirte im Norden wirklich eine Wasserstraße, welche den Atlantischen und den Pacifischen Ocean entweder längs der amerikanischen oder der asiatischen Küste verband? Und wenn diese Straße vorhanden war, eignete sich dieselbe wohl für die Schiffahrt? Noch in jüngster Zeit hatte man diesen Seeweg durch die Hudsons- und Bassins-Bai zu erforschen versucht, jetzt sollte dasselbe vom Pacifischen Ocean aus unternommen werden.

Die Aufgabe war schwierig. Die Lords der Admiralität erkannten von vornherein, daß sie deren Ausführung nur einem, mit den Gefahren der Polarmeere bekannten Seemanne anvertrauen konnten, der sich schon unter schwierigen Verhältnissen erprobt hatte und dessen Talente, Erfahrung und Kenntnisse voraussetzen ließen, daß er bei den für eine solche Expedition unvermeidlich großen Vorbereitungen auch einen entsprechenden Erfolg erzielen werde.


Ansicht des Weihnachts-Kanales. (S. 219.)

Kein anderer als Kapitän Cook vereinigte in sich alle die verlangten Eigenschaften. Man wendete sich [223] also an diesen. Obwohl er den Rest seiner Tage recht gut hätte in der ihm übertragenen Stellung am Observatorium in Greenwich hinbringen und von dem durch zwei glückliche Erdumseglungen erworbenen Ruhme zehren können, zauderte Cook doch keinen Augenblick.


Die Kerguelen-Inseln (S 226.)

Man übergab ihm zwei Schiffe, die »Resolution« und die »Discovery«, letztere unter Führung des Kapitän Clerke, welche ebenso wie zu der letzten Reise ausgestattet wurden.

[224] Die Instructionen des Oberbefehlshabers der Expedition lauteten dahin, erst das Cap der Guten Hoffnung anzulaufen, dann im Süden zu kreuzen, um die kurz vorher von den Franzosen entdeckten Inseln aufzusuchen, welche unter 48° der Breite und etwa unter dem Meridiane der Insel Maurice liegen sollten. Dann sollte er, wenn er es für angezeigt hielte, nach Neuseeland gehen, bei den Gesellschaftsinseln rasten und daselbst den Tahitier Mai ausschiffen, ferner Neu-England besuchen, aber alle spanischen Besitzungen in Amerika vermeiden und durch das arktische Eismeer nach der Hudsons- und Bassins-Bai vordringen,[225] mit anderen Worten, die Nordwest-Passage von Osten her aufsuchen. Nachdem sich die Mannschaften dann bei Kamtschatka erholt, sollte er wieder in See gehen und nach England auf dem Wege zurückkehren, den er selbst für die Bereicherung der Erd- und Schifffahrtskunde für den ersprießlichsten erachtete.

Die beiden Schiffe fuhren nicht gleichzeitig ab. Die »Resolution« ging von Plymouth schon am 12. Juli 1776 unter Segel und traf am Cap mit der »Discovery« zusammen, welche England erst Anfangs August verlassen konnte. Die letztere hatte durch einen Sturm schwer gelitten und mußte frisch kalfatert werden, durch welche Arbeit die beiden Schiffe einen Aufenthalt bis zum 30. November erfuhren. Der Commandant benutzte diese Zeit, um lebende Thiere einzukaufen, welche er in Tahiti und Neuseeland auszuschiffen gedachte, und um die für eine zweijährige Reise nothwendigen Proviant-Vorräthe zu sammeln.

Nach zweitägiger Fahrt gegen Südosten entdeckte man unter 46°53' südlicher Breite und 37°46' östlicher Länge zwei Inseln. Der sie trennende Kanal ward durchsegelt, wobei man erkannte, daß dessen Ufer steil, unfruchtbar und unbewohnt waren. Aufgefunden wurden dieselben nebst vier anderen, zehn bis zwölf Grade weiter östlich gelegenen, zuerst von den französischen Kapitänen Marion Dufresne und Crozet im Jahre 1772.

Am 24. December bekam Cook die von Herrn von Kerguelen auf seinen beiden Reisen in den Jahren 1772 und 1773 aufgenommenen Inseln zu Gesicht.

Wir verweilen hier nicht bei den Beobachtungen des englischen Seemannes in diesem Archipel. Da sie mit denen von Kerguelen vollständig übereinstimmen, bewahren wir diese auf bis zur Erzählung der Fahrt jenes Reisenden. Wir begnügen uns vorläufig mitzutheilen, daß Cook dessen Küste sorgfältig aufnahm und am 31. December von hier absegelte. Eine Strecke von mehr als dreihundert Meilen legten die Fahrzeuge in dichtem Nebel zurück.

Am 26. Januar fiel der Anker in der Bai Aventure in Van-Diemens-Land, an der nämlichen Stelle, wo Furneaux vier Jahre vorher gelegen hatte. Einige Eingeborne besuchten die Engländer und nahmen die ihnen dargebotenen Geschenke ohne jedes Zeichen besonderer Befriedigung in Empfang.

»Sie waren, so meldet der Bericht, von gewöhnlicher Gestalt, doch etwas klein, hatten schwarze Haut und Haare, letztere ebenso wollig wie die Neger von Neu-Guinea; sie besaßen aber nicht die wulstigen Lippen und die plattgedrückte Nase wie die Negerstämme Afrikas. Ihre Züge erschienen nicht unangenehm, die Augen klar und glänzend, die Zähne sehr regelmäßig, aber ziemlich schmutzig.

[226] Kopfhaar und Bart pflegten sie mit einer röthlichen Masse einzusalben; einzelne hatten auch das Gesicht mit demselben Stoffe bemalt.«

Diese Beschreibung ist ebenso treffend als werthvoll. Jetzt ist nämlich auch der letzte Tasmanier gestorben und mit ihm, übrigens schon vor einigen Jahren, die ganze Race vom Erdboden verschwunden.

Am 30. Januar lichtete Cook die Anker und steuerte nach seinem gewöhnlichen Landungsplatze im Königin Charlotte-Kanal. Bald umschwärmten die Piroguen wieder die Schiffe; kein Eingeborner wagte jedoch an Bord zu kommen, weil die Leute fest glaubten, die Engländer seien nur zurückgekehrt, um die Niedermetzelung ihrer Landsleute zu rächen. Als sie sich aber von der Irrigkeit dieser Annahme überzeugten, setzten sie alles Mißtrauen und jede Zurückhaltung beiseite. Der Commandant erfuhr auch bald durch Maï, der die Sprache der Seeländer verstand, die Ursache jenes entsetzlichen Vorfalles.

Im Grase gelagert, nahmen die Engländer nämlich ihre Abendmahlzeit ein, als die Eingebornen mehrere Kleinigkeiten stahlen. Einer derselben wurde eingeholt und von einem Matrosen durchgeprügelt. Auf das Wehgeschrei des Wilden kamen dessen Landsleute herbeigelaufen, stürzten auf die Seeleute von der »Aventure« und tödteten zwei derselben, unterlagen aber bald im Kampfe gegen die Uebermacht. Mehrere Seeländer bezeichneten dem Oberbefehlshaber den Anführer bei dem Blutbade und drangen selbst in ihn, jenen mit dem Tode zu bestrafen. Cook verweigerte es zur großen Verwunderung der Eingebornen und zum Erstaunen Maï's, der zu ihm sagte: »In England tödtet man den Menschen, der einen andern ermordet hat; dieser hier hat zehn umgebracht und Ihr wollt Euch nicht rächen?«

Vor seiner Abreise setzte Cook nochmals Schweine und Ziegen in der Hoffnung an's Land, daß sie sich doch noch in Neuseeland acclimatisiren würden.

Maï hatte den Gedanken ausgesprochen, einen Neuseeländer nach Tahiti mitzunehmen. Zwei erboten sich, ihn zu begleiten. Cook widersetzte sich zwar deren Aufnahme nicht, sagte ihnen aber im voraus, daß sie ihre Heimat wahrscheinlich niemals wiedersehen würden. Als die Schiffe dann Neuseelands Küsten aus den Augen verloren, konnten die beiden jungen Leute ihre Thränen nicht zurückhalten. Zu ihrem Schmerze gesellte sich auch noch die Seekrankheit. Als sie diese verloren, war auch ihr Kummer vorüber, und bald schlossen sie sich enger an ihre neuen Freunde an.

[227] Am 29. März wurde eine Insel entdeckt, welche die Eingebornen Mangea nannten. Auf Maï's Zureden hin entschlossen sie sich, auf die Schiffe zu kommen.

Klein von Gestalt, aber kräftig und wohlgebaut, trugen sie das Haar in einem Knoten auf dem Kopfe, den Bart unbeschnitten und erschienen an manchen Stellen des Körpers tätowirt. Cook wäre hier gern einmal an's Land gegangen, doch verzichtete er darauf wegen des feindseligen Auftretens der Urbewohner.

Vier Meilen weiter wurde eine andere, der ersten ganz ähnliche Insel entdeckt. Die Einwohner hier erwiesen sich zugänglicher und Cook versäumte deshalb nicht, unter Führung des Lieutenant Gore und mit Maï als Dolmetscher eine Abtheilung an das Ufer zu schicken. Der Naturforscher Anderson, Gore, ein anderer Officier, Namens Burney und Maï betraten allein und ohne Waffen den Strand, auf die Gefahr hin, mißhandelt zu werden.

Man empfing sie mit großer Feierlichkeit und führte sie durch eine Kette von Kriegern mit der Keule auf der Schulter vor drei Häuptlinge, deren Ohren mit rothen Federn geschmückt waren, wo sie zwanzig Frauen nach einer sehr langsamen schwermüthigen Melodie tanzen sahen, die ihrer Ankunft keinerlei Aufmerksamkeit schenkten. Hier trennte man die Officiere von einander, und diese bemerkten, daß die Eingebornen sich alle Mühe gaben, ihre Taschen zu entleeren, so daß sie schon für ihre Sicherheit zu fürchten begannen, als Maï ihre Wiedervereinigung durchsetzte. Den ganzen Tag über wurden sie zurückgehalten und genöthigt, ihre Kleidung abzulegen, damit die Eingebornen sich durch den Augenschein von der Farbe ihrer Haut überzeugen könnten; doch kam die Nacht ohne schlimmeren Zwischenfall heran und die Besucher kehrten nach ihrer Schaluppe zurück, wohin man Cocosnüsse, Bananen und andere Früchte in Menge nachbrachte. Vielleicht verdankten die Engländer ihr Heil nur Maï's Beschreibung der furchtbaren Wirkung ihrer Feuerwaffen und einem vor den Augen der Eingebornen angestellten Experimente, bei dem jener eine Cartouche abbrannte.

Unter der Menschenmenge am Strande hatte Maï auch drei Landsleute angetroffen. In der Anzahl von zwanzig Mann auf einer Pirogue abgefahren, um sich nach Ulitea zu begeben, waren diese Tahitier durch sturmische Winde aus ihrer Richtung verschlagen worden. Da eine solche Ueberfahrt gewöhnlich nicht lange dauert, hatten jene auch keine Lebensmittel mitgenommen. Anstrengung und Hunger hatten schon sechzehn getödtet, als die Pirogue mit den vier letzten, ebenfalls halbtodten Insassen kenterte. Die Schiffbrüchigen vermochten jedoch noch den Rand des Bootes zu erfassen und sich über dem Wasser zu halten, [228] bis sie durch herbeieilende Bewohner von Wateroo aufgenommen wurden. Vor zwölf Jahren schon hatte jener Unfall sie an diese Küste geworfen, die eine Entfernung von zweihundert Meilen von ihrer heimatlichen Insel trennte. Jetzt waren sie schon durch Familienbande und die freundschaftlichsten Beziehungen mit dem fremden Volke verknüpft, dessen Sitten und Sprachen mit den ihrigen vollkommen übereinstimmten. Sie lehnten es auch ab, wieder nach Tahiti zurückzukehren.

»Diese Erfahrung, sagt Cook, erklärte es, besser als alle aufgestellten Theorien, wie sich alle von einander abgesonderten Theile der Erde und speciell die Inseln des Pacifischen Oceans haben bevölkern können, mindestens diejenigen, welche entfernt von einem Festlande und auch weit von einander liegen.«

Genannte Insel Wateroo ist übrigens unter 20°1 ' der Breite und 201°45' östlicher Länge von Greenwich zu suchen.

Bald erreichten die beiden Schiffe eine Nachbarinsel, Namens Wenooa, an welcher Gore an's Ufer ging, um Futter zu holen. Sie war unbewohnt, obwohl sich Ueberreste von Hütten und Grabmälern vorfanden.

Am 5. April kam Cook in Sicht der Insel Harvey, die er während seiner zweiten Reise im Jahre 1773 entdeckt hatte. Damals erschien ihm dieselbe gänzlich verlassen. Desto mehr nahm es ihn wunder, mehrere Piroguen vom Ufer abstoßen und auf das Schiff zukommen zu sehen. Die Eingebornen konnten sich jedoch nicht entschließen, an Bord zu kommen. Ihr wildes Aussehen und drohendes Auftreten verrieth indeß eher alles Andere als freundschaftliche Gesinnungen. Das Idiom derselben näherte sich der Sprache in Tahiti noch mehr als auf irgend einer anderen vorher besuchten Insel.

Lieutenant King, der zur Aufsuchung eines Wasserplatzes ausgesendet worden war, konnte keinen solchen finden. Uebrigens machten die mit Spießen und Keulen bewaffneten Urbewohner Miene, jeden weiteren Landungsversuch mit Gewalt zurückzuweisen.

Da Cook nun Wasser und Futter nothwendig brauchte, beschloß er, nach den Inseln der Freunde zu segeln, wo er Erfrischungen für die Mannschaft und Futter für die Thiere bestimmt zu finden hoffte.

Uebrigens war die Jahreszeit schon zu weit vorgeschritten und die Entfernung von hier nach dem Pole noch zu beträchtlich, um in der nördlichen Halbkugel noch etwas Nennenswerthes ausrichten zu können. Durch widrige Winde gehindert, Middelbourg oder Eoa anzulaufen, wie er anfangs beabsichtigte, [229] wandte sich der Commandant nun nach der Insel Palmerston, bei der er am 14. April anlangte, und wo er neben Löffelkraut und Cocosbäumen auch Vögel in Ueberfluß antraf. Genannte Insel besteht eigentlich nur aus der Vereinigung neun niedriger Eilande, welche als die Riffspitzen einer und derselben Korallenbank zu betrachten sein dürften.

Am 28. April erreichten die Engländer die Insel Komango, deren Bewohner Cocosnüsse, Bananen und andere Nahrungsmittel in großer Menge herbeischafften. Dann segelten sie nach Annamooka, das gleichfalls dem Archipel der Freunde angehört.

Cook erhielt am 6. Mai den Besuch eines Häuptlings von Tonga-Tabu, Finaon mit Namen, der sich für den König aller Inseln der Freunde ausgab.

»Ich empfing von dieser hohen Persönlichkeit, sagt er, zwei Fische als Geschenk, welche mir seine Diener brachten, und beschloß, des Nachmittags meinen Gegenbesuch bei ihm abzustatten. Er kam mir entgegen, sobald er mich am Lande sah. Sein Alter schätze ich auf etwa dreißig Jahre, er war groß, aber schwächlich; auch habe ich nirgends auf diesen Inseln eine Physiognomie gesehen, die einem europäischen Gesicht mehr geglichen hätte, als die seine.«

Als alle Hilfsmittel, welche die Insel zu bieten vermochte, erschöpft waren, besuchte Cook eine Gruppe Eilande, Hapace genannt, wo er, auf die Anordnung Finaon's hin, einen recht freundlichen Empfang fand und sich mit Schweinen, Wasser, Früchten und Wurzeln reichlich versorgen konnte. Eingeborne Krieger veranstalteten zur Belustigung der Engländer wiederholte, durch den Gebrauch der Keule und durch Faustkämpfe auffallende Spiele.

»Am meisten verwunderte es uns, heißt es in dem Berichte, zwei hochgewachsene Frauen auftreten zu sehen, welche sich ohneweiters und mit gleicher Gewandtheit wie die Männer mit den Fäusten zu Leibe gingen. Doch währte der Wettkampf nur eine halbe Minute, als die eine Amazone sich schon für besiegt erklärte. Die Siegerin ward von der Versammlung mit denselben Beifallsbezeugungen geehrt, wie die Männer, welche ihre Rivalen durch Geschick oder Kraft überwunden hatten.«

Festlichkeiten und Spiele waren aber hiermit noch nicht zu Ende. Gegen hundertfünfzig Theilnehmer führten beim Klange zweier Trommeln, oder vielmehr ausgehöhlter Baumstämme, den noch ein Sängerchor begleitete, einen Massentanz auf. Als Erwiderung ließ Cook seine Marinesoldaten im Feuer exerciren und zum Schluß einen Kanonenschuß abgeben, der die Eingebornen [230] ganz unglaublich in Verwunderung setzte. Um in diesem Wechselspiel von Belustigungen nicht nachzustehen, gaben die Insulaner zunächst noch ein Concert und dann einen Tanz zum Besten, bei dem zwanzig mit Guirlanden aus China-Rosen geschmückte Weiber mitwirkten. Diesem großen Ballet folgte noch ein anderes von fünfzehn Männern. Wir würden indeß gar kein Ende finden, wollten wir das ganze Programm dieses enthusiastischen Empfanges im Einzelnen schildern, das den Tonga-Archipel seines Namens der Inseln der Freunde würdig zeigte.

Am 23. Mai meldete Finaou, der vorgebliche König des gesammten Archipels, Cook seine Abreise nach der Nachbarinsel Varaoo. Er mochte dazu wohl gute Gründe haben, denn es war ihm Nachricht von der bevorstehenden Ankunft des wirklichen Souveräns, der sich Futtahaie oder Pulaho nannte, zu Ohren gekommen.

Pulaho war ungewöhnlich dick und glich bei seiner geringen Körpergröße fast einer Tonne. Wenn bei diesen Insulanern die Rangstellung in gleichem Verhältnisse zum Körperumfange stand, so mochte das wohl der mächtigste Häuptling unter allen sein, welche die Engländer bisher getroffen hatten. Intelligent, ernst und gesetzt, besichtigte er das Schiff mit Allem, was ihm Neues vor Augen trat, höchst eingehend, stellte sehr verständige Fragen und erkundigte sich auch nach der Ursache des Erscheinens der, Fahrzeuge. Seine Höflinge wollten ihn durchaus nicht in das Zwischendeck hinabsteigen lassen, da er »Tabu« (Gefeit) und es nicht gestattet sei, über seinem geheiligten Haupte zu wandeln. Cook ließ darauf durch seinen Dolmetscher Ma (antworten, er werde verbieten, daß Jemand den Platz über seinem Zimmer betrete, worauf Pulaho mit dem Kapitän speiste. Er aß nur wenig, trank fast gar nicht und lud Cook ein, mit an's Land zu kommen. Die von Seiten aller Insulaner gegenüber Pulaho erwiesene Ehrerbietung überzeugte den Commandanten, daß er es nun wirklich mit dem König zu thun habe.

Am 29. Mai ging Cook indessen wieder unter Segel und kehrte nach Annamooka, später nach Tonga-Tabu zurück, wo ihm zu Ehren ein Fest oder »Heiva« veranstaltet wurde, das alles früher Gesehene weit hinter sich zurückließ.

»Gegen Abend, sagt er, genossen wir den Anblick eines ›Bomaï‹, d. h. man führte nächtliche Tänze vor der Wohnung Finaou's auf. Diese dauerten etwa drei Stunden lang, während welcher Zeit wir zwölf Tänze sahen. Darunter waren einige mit Tänzerinnen, in deren Mitte dann eine Anzahl Männer trat, die einen Kreis innerhalb jener schlossen. Vierundzwanzig andere Männer führten einen dritten Tanz unter den wunderbarsten, mit rauschendem Beifall aufgenommenen [231] Armbewegungen auf, wie wir sie noch niemals gesehen hatten. Einmal ward auch das Orchester abgelöst.


Ein Fest auf den Freundschaftsinseln. (S. 231.)

Finaon erschien an der Spitze von fünfzig Tänzern auf dem Schauplatze in prächtigem Schmucke; seine Kleidung bestand dabei aus Leinwand und einem langen Stück Gaze, während er um den Hals eine Menge kleiner Figuren trug.«


Menschenopfer auf Otahiti. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Als es Cook nach dreimonatlicher Rast an diesem reizenden Platz an der Zeit schien, weiter zu segeln, vertheilte er einige vom Cap aus mitgenommene [232] Thiere und ließ durch Maï, neben einer Anweisung für die Zucht derselben, erklären, welchen Nutzen dieselben gewähren könnten. Vor der Abreise besuchte er noch einen »Fiatooka« oder Friedhof, der dem König gehörte und aus drei geräumigen Gebäuden bestand, die am Rande eines oben eingeebneten Hügels aufgeführt waren. Die Wände dieser Bauwerke, sowie die sie tragenden künstlichen Hügel selbst hatte man mit hübschen Kieseln bedeckt, das Ganze aber durchflache, auf der hohen Kante stehende Steine abgeschlossen.

[233] »Eines dieser Häuser stand an einer Seite offen und darin befanden sich – ein bisher nicht gehabter Anblick – zwei roh bearbeitete hölzerne Büsten, die eine nahe dem Eingange, die andere etwas weiter im Inneren. Bis an die Pforte begleiteten uns zwar die Eingebornen, keiner wagte aber die Schwelle zu überschreiten. Auf unsere Frage nach der Bedeutung dieser Büsten erhielten wir die Aufklärung, daß dieselben nicht etwa Gottheiten darstellten, sondern nur zur Erinnerung der in dem Fiatooka begrabenen Häuptlinge errichtet seien.«

Von Tonga-Tabu am 10. Juli abgesegelt, begab sich Cook nach der kleinen Insel Eoa, wo ihn sein alter Freund Taï-One mit gewohnter Herzlichkeit empfing. Der Commandant vernahm von ihm, daß alle die verschiedenen, den Archipel bildenden Inseln dem Beherrscher von Tonga-Tabu gehörten, welche sie als das »Land der Häuptlinge« bezeichneten. Unter Pulaho's Herrschaft stehen folglich nicht weniger als hundertdreiundfünfzig Inseln. Die bedeutendsten derselben sind Vavao und Hamao. Die Viti- oder Fidschi-Inseln, welche ebenfalls hierzu gerechnet werden, waren von einem sehr kriegerischen und an Intelligenz den der Inseln der Freunde weit überragenden Stamme bewohnt.

Von den zahlreichen und interessanten Beobachtungen sowohl des Kapitäns als des Naturforschers Anderson übergehen wir nur diejenigen, welche sich auf die Sanftmuth und Friedfertigkeit der Urbewohner beziehen. Wenn Cook bei seinen wiederholten Besuchen dieses Archipels den Empfang seitens der Eingebornen nur zu rühmen hatte, so kommt das daher, daß er von der heimlichen Absicht Finaou's und anderer Häuptlinge, die ihn bei dem nächtlichen Feste in Hapace umbringen und sich der Schiffe bemächtigen wollten, niemals eine Ahnung hatte. Seine Nachfolger konnten eben nicht dasselbe Loblied anstimmen, und wenn man nicht von der Wahrheitsliebe des berühmten Seehelden allzu fest überzeugt wäre, würde man eher zu der Annahme neigen, daß er diesem Archipel den Namen der Inseln der Freunde nur per Antiphrasin gegeben habe.

Bei dem Tode eines nahen Angehörigen pflegen die Bewohner von Tonga sich mit den Fäusten gegen die Wangen zu schlagen und mit Haifischzähnen zu verwunden, was die häufigen Geschwulste und Narben, die man bei ihnen im Gesichte findet, hinlänglich erklärt. Schweben sie selbst in Todesgefahr, so opfern sie ein oder zwei Glieder des kleinen Fingers, um die Gottheit zu versöhnen, und Cook sah unter je zehn Eingebornen nicht Einen, der ohne eine solche Verstümmelung gewesen wäre.

[234] »Das Wort ›Tabu‹, sagt er, das im Leben dieser Volksstämme eine so bedeutsame Rolle spielt, hat einen sehr umfassenden Sinn.... Wenn das Berühren irgend eines Gegenstandes verboten ist, so sagen sie, er sei ›Tabu‹. Sie theilten uns auch mit, daß das Haus jedes seiner Unterthanen, welches der König einmal betrete, dadurch ›Tabu‹ werde und von dem Inhaber fernerhin nicht bewohnt werden dürfe.«

Was ihre Religion betrifft, so glaubte Cook dieselbe ziemlich gut kennen gelernt zu haben. Ihr Hauptgott, Kallafutonga, zerstört in seinem Zorne die, Frucht des Landes und säet die Krankheiten und den Tod aus. Auf den verschiedenen Inseln herrschen zwar nicht die nämlichen religiösen Vorstellungen, doch nimmt man überall eine Unsterblichkeit der Seele an. Wenn sie ihren Gottheiten endlich kein Opfer an Früchten oder anderen Bodenerzeugnissen darbringen, so opfern sie ihnen dafür leider sogar Menschen.

Am 17. Juli verlor Cook die Tonga-Inseln aus dem Gesichte und am 8. August gelangte die Expedition, nach anhaltend stürmischem Wetter, durch das die »Discovery« nicht unerhebliche Lavarien erlitt, nach einer von den Urbewohnern »Tabuaï« genannten Insel.

Alle Ueberredungskünste der Engländer, die Eingebornen zum Besteigen der Schiffe zu bestimmen, blieben erfolglos. Letztere verließen niemals ihre Canots und luden vielmehr die Feremden ein, zu ihnen herabzukommen. Da die Zeit aber drängte und Cook weiteren Proviants jetzt nicht mehr bedurfte, hielt er sich nicht länger bei dieser Insel auf, welche ihm fruchtbar erschien und nach Aussage der Bewohner an Schweinen und Geflügel Ueberfluß besaß. Die großen, starken und lebhaften, von Angesicht aber roh und wild aussehenden Eingebornen sprachen das Idiom der Tahitier, so daß man sich leicht mit ihnen verständigen konnte.

Wenige Tage später erhoben sich die grünenden Berggipfel Tahitis über den Horizont und die Fahrzeuge hielten bald darauf vor der Halbinsel Taïrabu an, wo Maï seitens seiner Landsleute nur ein sehr kühler Empfang zu Theil wurde. Selbst sein Schwager, der Häuptling Outi, wollte ihn kaum wiedererkennen; als Maï ihm jedoch die mit heimgebrachten Schätze zeigte und vor Allem jene rothen Federn, die bei der vorigen Reise Cook's in so hohem Ansehen standen, änderte Outi schnell sein Benehmen, behandelte Maï mit großer Zärtlichkeit und bot ihm den Austausch ihrer Namen an. Maï ließ sich von dieser plötzlichen, Freundlichkeit nur zu schnell fesseln und sich, bevor Cook noch [235] dazwischen treten konnte, fast aller seiner Schätze berauben. Die Schiffe führten selbst rothe Federn in reichlicher Menge, wofür denn auch viele Früchte, Schweine und Geflügel zu erhalten waren. Dennoch segelte Cook bald nach der Bai von Matavaï weiter, wo König O-Too sofort aus seiner Residenz herbeieilte, um seinen alten Freund zu besuchen. Auch hier wurde Maï von seinen Landsleuten sehr verächtlich behandelt, und obwohl er sich dem Könige zu Füßen warf und ihm ein Büschel rother Federn und drei Stück Goldstoff anbot, würdigte dieser ihn kaum eines Blickes. Sowie in Taïabu zog man indeß bald andere Saiten auf, als Maï's Reichthum bekannt wurde; Letzterer aber bewegte sich mit Vorliebe in der Gesellschaft von nichtswürdigen Schlauköpfen, die sich seinen Mißmuth zunutze machten und ihn dabei auszuplündern wußten, weshalb es ihm auch nicht gelang, auf O-Too und die anderen Häuptlinge einen für die Beförderung der Civilisation erwünschten Einfluß zu gewinnen.

Schon lange hatte Cook zwar davon gehört, daß auf Tahiti auch noch Menschenopfer gebräuchlich seien, dem Gerüchte aber immer keinen Glauben geschenkt. Jetzt sollte ihn eine Ceremonie, der er in Atahuru beiwohnte, eines Anderen belehren. Um den Atoua, oder die Gottheit, einem gegen die Insel Eimeo geplanten Kriegszuge günstig zu stimmen, wurde ein Mann von niedriger Herkunft in Gegenwart des Königs mit der Keule erschlagen. Die Haare und ein Auge des Schlachtopfers legte man darauf diesem vor, als letzte Symbole der Anthropophagie, welche ehemals auf der Inselgruppe herrschte. Gegen Ende der barbarischen Ceremonie, welche auf ein Volk mit so sanften Sitten einen um so häßlicheren Flecken wirst, flog eine Taucherente durch das Laubwerk in der Nähe. »Das ist der Atoua!« rief O-Too ganz entzückt über das glückliche Vorzeichen.

Am nächsten Tage nahm die Ceremonie mit einem Sühnopfer von Schweinen ihren Fortgang. Ganz nach Art der römischen Haruspices, bemühten sich die Priester aus den letzten Zuckungen der Opferthiere den Ausgang der Expedition zu enträthseln.

Cook, der der ganzen Ceremonie schweigend beiwohnte, konnte nach deren Beendigung doch das Entsetzen nicht verhehlen, das sie ihm eingeflößt hatte. Maï war dabei sein beredter und unerschrockener Dolmetscher. Towha konnte seinen Zorn darüber kaum bemeistern. »Hätte der König in England einen Menschen hingemordet, sagte der junge Tahitier, wie er es eben hier mit dem unglücklichen, schuldlosen Schlachtopfer gethan, das er seinem Gotte darbrachte, [236] so hätte er dem Galgen, der einzigen für Mörder und Todtschläger bestimmten Strafe, unmöglich entgehen können.«

Diese etwas erregte Auslassung Maï's war hier nun freilich nicht am rechten Platze, und Cook mußte ihn daran erinnern, daß in verschiedenen Ländern eben verschiedene Sitten herrschten. Es wäre sinnlos gewesen, für diese in Tahiti zur Gewohnheit gewordenen Vorgänge hier dieselbe Strafe in Anwendung zu bringen, weil jene in London als Verbrechen aufgefaßt würden. Jeder ist Herr in seinem Hause, sagt schon ein althergebrachtes Sprichwort. Das haben die europäischen Mächte gar zu sehr vergessen. Unter dem Deckmantel der zu verbreitenden Civilisation vergossen sie nicht selten mehr Menschenblut, als ohne ihre rücksichtslose Intervention geflossen wäre.

Bevor er Tahiti verließ, übergab Cook an O-Too noch die mit so großer Mühe aus Europa mitgenommenen Thiere. Es waren das Gänse, Enten, indische Hühner, Ziegen, Schafe, Pferde und Rinder. O-Too wußte seiner Dankbarkeit gegen den »Areeke no Pretone« (den König von Britannien) gar keinen Ausdruck zu leihen, vorzüglich als er sah, daß die Engländer eine Doppelpirogue, die er durch die geschicktesten Künstler als Geschenk für seinen Freund, den König von England, hatte anfertigen lassen, ihrer Größe wegen nicht an Bord nehmen konnten.

Am 30. September verließen die »Resolution« und die »Discovery« Tahiti und gingen bei Eimeo vor Anker. Der Aufenthalt hierselbst sollte durch einen sehr peinlichen Vorfall gestört werden. Schon seit einigen Tagen waren nämlich kleinere Diebstähle vorgekommen, als nun auch eine Ziege gestohlen wurde. Cook ließ, um ein Exempel zu statuiren, fünf bis sechs Hütten einäschern und eine noch größere Zahl Piroguen anzünden, während er den König mit seinem ganzen Zorn bedrohte, wenn das Thier nicht sofort wieder zur Stelle geschafft würde.

Sobald er Genugthuung erhalten, segelte der Commandant nach Huaheine, wo Maï sich niederlassen sollte.

Durch reichliche Geschenke ließen sich die Häuptlinge des Bezirks von Ouare bestimmen, ein umfängliches Stück Land abzutreten. Cook errichtete darauf ein Haus und legte ringsum einen Garten an, der mit europäischen Gemüsen besäet wurde. Ferner schenkte er Maï zwei Pferde, Ziegen und Geflügel. Gleichzeitig überlieferte man ihm ein Panzerhemd nebst vollständiger Ausrüstung mit Pulvervorrath, Kugeln und Gewehren. Eine tragbare Orgel, eine Elektrisirmaschine Feuerwerkskörper, Acker- und Kühengeräthe vervollständigten die Sammlung [237] nützlicher und wunderlicher Geschenke, welche den Tahitiern eine hohe Vorstellung von der europäischen Civilisation beibringen sollten. Es wohnte zwar eine verheirathete Schwester Maï's hier auf Huaheine, deren Mann nahm jedoch eine zu niedrige Stellung ein, als daß er jenen vor Beraubung hätte schützen können. Cook erklärte also feierlichst, daß der Eingeborne sein Freund sei, daß er bald wiederkomme, um sich zu überzeugen, wie man denselben behandelt habe, und daß er Diejenigen hart bestrafen werde, welche sich hierin etwas zu Schulden kommen ließen.

Diese Drohung verfehlte ihre Wirkung schon deshalb nicht, weil man einigen, kurz vorher von den Engländern auf frischer That ertappten Dieben wirklich die Haare rasirt und die Ohren abgeschnitten hatte. Etwas später ließ Cook in Raiatea die ganze Familie des Häuptlings Oreo gefangen nehmen, um die Wiederauslieferung einiger davongegangener Matrosen zu erzwingen. Ueberhaupt verminderte sich die Mäßigung, welche den Kapitän bei seiner ersten Reise so vortheilhaft auszeichnete, jetzt mehr und mehr. Er wurde jeden Tag herausfordernder und strenger, eine Sinnesänderung, welche für ihn die verderblichsten Folgen haben sollte.

Die beiden Neuseeländer, die freiwilligen Begleiter Maï's, wurden mit diesem ausgeschifft. Der ältere derselben bequemte sich leicht, auf Huaheine zu bleiben; der jüngere aber hatte eine so innige Zuneigung zu den Engländern gefaßt, daß man ihn fast nur mit Gewalt entfernen konnte, während er seine Anhänglichkeit auf die rührendste Weise kundgab. Als Cook die Anker lichtete, rief ihm Maï noch ein letztes Lebewohl zu; seine ganze Haltung und seine Thränen bewiesen dabei, daß er den ihn treffenden Verlust völlig zu würdigen wisse. Hatte Cook den jungen Tahitier, der sich ihm so vertrauensvoll angeschlossen, auch von Herzen gern mit Wohlthaten und Schätzen überhäuft, so war er wegen dessen Zukunft doch umsomehr besorgt. Er kannte ja seinen schwankenden, leicht erregbaren Charakter und hatte ihm Waffen nur ungern in die Hände gegeben, da er einen Mißbrauch derselben fürchtete. Diese Befürchtungen sollten sich leider bewahrheiten. Von Seiten des Königs von Huaheine – der ihm seine Tochter zur Frau gab und ihn, seinen Namen vertauschend, Poars nannte, unter dem er fernerhin bekannt ist, – mit Aufmerksamkeiten überhäuft, benutzte er seine hohe Stellung nur dazu, sich grausam und unmenschlich zu bezeigen. Stets mit Waffen versehen, versuchte er seine Geschicklichkeit im Gewehr- und Pistolenschießen nun an seinen armen Landsleuten. Er hinterließ ein Andenken [238] des Saneckens und die Erinnerung an seine Mordthaten verknüpfte sich lange Zeit hindurch mit der an die Reise der Engländer.

Nach dieser Insel besuchte Cook Raiatea, wo er seinen, jetzt der Oberherrschaft beraubten Freund Oree wiederfand; dann landete er am 8. December bei Bolabola und taufte daselbst dem König Pouni einen Anker ab, den Bougainville seiner Zeit verloren hatte.

Während des langen Aufenthaltes an den Gesellschaftsinseln vervollständigte Cook seine Sammlung geographischer, hydrographischer, ethnographischer und naturhistorischer Notizen, wobei ihn vorzüglich Anderson, aber auch sein ganzer Stab unterstützte, da Jedermann einen löblichen Eifer an den Tag legte, die Fortschritte der Wissenschaft zu befördern.

. Am 24. December entdeckte Cook eine neue, unbewohnte niedrige Insel, wo seine Leute zahlreiche Schildkröten einfingen, und welche zu Ehren des bevorstehenden hohen Festes den Namen »Christmas« erhielt.

Obwohl schon siebzehn Monate seit seiner Abfahrt aus England verflossen waren, betrachtete Cook seine Reise doch erst als angefangen. In der That hatte er ja von den Hauptaufgaben seiner Instruction, den Norden des Atlantischen Oceans zu erforschen und daselbst eine Durchfahrt über den Continenten zu suchen, noch so gut wie nichts zur Ausführung gebracht.

2.
II.

Entdeckung des Sandwich-Archipels. – Untersuchung der Westküste Amerikas. – Jenseits der Behrings-Straße. – Rückkehr nach dem Hawaï-Archipel. – Cook's Tod. – Rückkehr der Expedition nach England.


Unter 160° der Länge und 20° nördlicher Breite bekamen die beiden Schiffe am 18. Januar 1778 die ersten Theile des Sandwich- oder Hawaï-Archipels in Sicht. Die Seefahrer überzeugten sich bald, daß die Gruppe bewohnt sei, denn es stießen von der Insel Atooi oder Tavaï eine große Anzahl Pirognen ab, welche sich um die Schiffe versammelten.

Die Engländer erstaunten nicht wenig darüber, diese Eingebornen die Sprache Tahitis reden zu hören. Man trat mit denselben auch bald in freundschaftliche [239] Verbindung, und schon am nächsten Tage ließen sich viele Insulaner zum Besteigen der Schiffe bestimmen. Ihr Erstaunen und ihre Bewunderung beim Anblick so vieler unbekannter Gegenstände gaben sie ebenso durch Blicke wie durch Bewegungen und wiederholte Ausrufe zu erkennen. Doch kannten sie schon das Eisen, das sie »Hamaïta« nannten. So viele Merkwürdigkeiten und kostbare suchen erregten freilich auch ihre Habgier, und sie verschmähten kein erlaubtes oder unerlaubtes Mittel, sich in Besitz derselben zu setzen.


Baum, unter dem Cook den Venus-Durchgang beobachtete. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Geschicklichkeit und Neigung zum Stehlen waren bei ihnen nicht weniger entwickelt als bei [240] den anderen Stämmen der Südsee; man mußte jede Vorsicht aufbieten – und auch das erwies sich oft noch nutzlos – um sich ihrer Diebereien zu wehren. Als die Engländer sich unter Führung des Lieutenant Williamson dem Ufer näherten, um zu sondiren und einen Ankerplatz auszuwählen, mußten sie den Widerstand der Eingebornen mit Gewalt brechen. Der Tod eines der Wilden schüchterte sie freilich schnell ein und flößte ihnen eine hohe Meinung von der Macht der Fremdlinge ein. Cook ließ sich, sobald als die »Resolution« und die »Discovery« verankert lagen, in der Bai von Quai-Mea an's Land rudern.

[241] Kaum hatte er dasselbe betreten, als sich ihm die, auf dem Strande zahlreich versammelten Eingebornen zu Füßen warfen und ihre tiefste Ehrerbietung zu erkennen gaben. Dieser ungewohnte Empfang versprach einen angenehmen Aufenthalt, denn an Proviant schien es hier nicht zu mangeln, und Früchte, Schweine und Geflügel strömten von allen Seiten zusammen. Gleichzeitig halfen die Eingebornen den Matrosen, die Wassertonnen zu füllen und nach den Schaluppen zu befördern.

Diese beruhigenden Aussichten veranlaßten Anderson und den Maler Webber, sich tiefer in das Innere des Landes zu begeben. Bald standen sie vor einem Moraï, der den Morais auf Tahiti in allen Stücken glich. Diese Entdeckung bekräftigte die Engländer in den Vermuthungen, welche die Aehnlichkeit der Sprache von Hawaï mit der von Tahiti in ihnen erzeugt hatte. Eine Abbildung in Cook's Reiseberichte stellt das Innere jenes Moraï dar. Man sieht darauf zwei stehende Gestalten, deren Oberkopf zum Theil unter hohen cylindrischen Mützen, ähnlich den Kopfbedeckungen der Statuen auf der Osterinsel, verschwindet.


Prinz Wilhelm-Einfahrt. (S. 245.)

Hier begegnet man zum mindesten also einer auffälligen Uebereinstimmung, welche mancherlei zu denken giebt.

Zwei Tage über verweilte Cook an diesem Ankerplatze und hatte alle Ursache, mit dem Auftreten der Urbewohner zufrieden zu sein; dann nahm er die Nachbarinsel Oneeheow in Augenschein. Trotz seines Wunsches, diesen so interessanten Archipel recht eingehend zu untersuchen, ging der Commandant doch sehr bald wieder unter Segel und sah nun von ferne die Insel Ouhaon nebst dem Risse von Tahoora, was er Alles zusammen mit dem Namen des Sandwich-Archipels bezeichnet, an dessen Stelle später der ursprüngliche Name Hawaï getreten ist.

Anderson schildert die Hawaïer als kräftige, schlanke Menschen von mittlerer Größe, mit offenem verläßlichen Charakter. Weniger verschlossen als die Bewohner der Inseln der Freunde, sind sie doch auch nicht so beweglich wie die Tahitier. Sie schienen fleißig, geschickt und einsichtig, und ihre Pflanzungen bewiesen eine gewisse Kenntniß im Ackerbau. Sie zeigten nicht allein nicht jene sinnlose, kindische Neugierde beim Erblicken der europäisihen Gegenstände, sondern sachten sich über deren Gebrauch zu unterrichten und ließen höchstens eine aus dem Gefühle ihrer Inferiorität entspringende Traurigkeit hindurchblicken.

Die Bevölkerung erschien ziemlich zahlreich und wurde allein für die Insel Tavaï auf 30.000 Seelen geschätzt. In der Art der Bekleidung, der Auswahl der Nahrungsmittel und in der Zubereitung derselben erkannte man leicht die [242] Landessitten Tahitis wieder. Für die Engländer Anregung genug, darüber nachzudenken, wie die Uebereinstimmung der durch eine so weite Meeresfläche getrennten Stämme wohl zu erklären sei.

Während seines ersten Aufenthaltes kam Cook mit keinem Häuptlinge der Gegend in Berührung; nur Kapitän Clerke von der »Discovery« erhielt zuletzt den Besuch eines derselben. Es war ein noch junger, hübsch gewachsener, vom Kopfe bis zu den Füßen in prachtvolle Stoffe gehüllter Mann, dem die Eingebornen ihre Ehrfurcht dadurch bewiesen, daß sie sich vor ihm niederwarfen. Clerke suchte ihn durch einige Geschenke zu gewinnen und er erhielt als Gegengabe eine mit zwei kleinen, ziemlich geschickt geformten Figuren verzierte Vase, welche zum Genießen des »Kava«, eines bei den Bewohnern von Hawaï, wie bei denen von Tonga sehr gewöhnlichen Lieblingsgetränkes diente. Die gebräuchlichen Waffen bestanden in Bogen, Keulen und Lanzen, letztere aus sehr hartem und festem Holze, so wie in einer Art an beiden Enden zugespitztem Dolche, welcher »Paphoa« hieß. Die Sitte des »Tabu« herrschte hier ebenso allgemein wie auf den Inseln der Freunde, und bevor die Eingebornen irgend etwas anrührten, erkundigten sie sich stets ängstlich, ob es nicht »Tabu« wäre.

Am 27. Februar schlug Cook wieder einen nördlichen Kurs ein und traf bald auf jene Steinalgen, von denen der Verfasser des Reiseberichtes von Lord Anson spricht. Vom 1. März ab steuerte er dann nach Osten, um sich der amerikanischen Küste zu nähern, und fünf Tage darauf bekam er das von Franz Drake sogenannte Neu-England zu Gesicht.

Die Expedition hielt sich nun stets auf dem hohen Meere und passirte das von Martin d'Aguilar schon am 19. Januar 1603 gesehene Cap Blanc, neben welches die Geographen den weiten Eingang zu einer Meerenge versetzten, deren Entdeckung sie dem genannten Seefahrer zuschrieben. Bald gelangte man in die Gegend der Juan de Fura-Enge, sah aber nichts, was derselben glich, obgleich diese wirklich vorhanden ist und die Insel Vancouver vom Festlande trennt.

Unter 49°15' der Breite entdeckte Cook bald eine Bucht, die er die »Bai Hope« taufte. Er ging hier vor Anker, um etwas Holz einzunehmen und seiner ermüdeten Mannschaft einige Rast zu gönnen. Daß diese Küste bewohnt war, bewiesen drei Canots, welche sich den Schiffen näherten.

»Einer der darin befindlichen Wilden, erzählt unser Reisender, erhob sich, begann eine lange Rede und machte gewisse Zeichen, die wir für eine Einladung, an's Land zu kommen, ansahen. Inzwischen warf er Federn auf uns zu und [243] mehrere seiner Kameraden verbreiteten eine Art rothen Staub oder Pulver in der Luft; der Redner war mit einem Felle bekleidet und hielt dabei einen Gegenstand in der Hand, durch dessen Schütteln er einen Ton wie von unseren Kinderschellen hervorbrachte. Dieser setzte sich nieder, als er von seiner Rede und Begrüßung, wovon wir natürlich kein Wort verstanden, ermüdet schien; danach ergriffen jedoch sofort zwei Andere das Wort; ihre Reden währten indeß nicht so lange und wurden auch nicht mit solchem Eifer vorgetragen.«

Mehrere jener Eingebornen hatten das Gesicht auf ungewöhnliche Weise roth bemalt und trugen dichte Federbüsche auf dem Kopfe. Obwohl sie ziemlich friedfertig auftraten, war doch Keiner zu bewegen, an Bord zu kommen.

Als die Schiffe jedoch Anker geworfen hatten, ließ der Commandant die Segel und Stengen abnehmen und den Besanmast der »Resolution« niederlegen, um einige Reparaturen auszuführen. Bald entwickelte sich ein lebhafter Handel mit den Indianern, bei dem von beiden Seiten die strengste Ehrlichkeit beobachtet wurde. Die Gegenstände, welche jene anboten, bestanden in Fellen von Bären, Wölfen, Füchsen, Dammwild, Iltissen, Mardern und vorzüglich von schönen Seeottern, die aus den östlich von Kamtschatka gelegenen Inseln herstammen, ferner Kleidungsstücken aus Hanfgewebe, Bogen, Lanzen, Angeln, monströsen Figuren, einem Stoffe aus Thierhaaren oder Wolle, aus Säcken mit Goldocker, einzelnen Stücken Holz mit Bildschnitzereien, Zieraten aus Kupfer und Eisen in Form von Hufeisen, welche sie an der Nase hängend zu tragen pflegen.

»Am meisten fielen uns aber menschliche Schädel und Hände mit noch daran befindlichen Fleischtheilen auf; sie gaben uns dabei unzweideutig zu verstehen, daß sie das Uebrige von den Körpern verzehrt hätten, und wir konnten uns auch wirklich überzeugen, daß jene Köpfe und Hände über Feuer gestanden hatten.«

Die Engländer bemerkten sehr bald, daß diese Wilden ebenso geschickte Diebe waren, wie sie solche nur je vorher getroffen. Ja, diese erschienen sogar noch gefährlicher, da sie, im Besitze von eisernen Werkzeugen, sich nicht scheuten, Stricke zu durchschneiden. Uebrigens führten sie ihre Diebereien mit großer Schlauheit aus, indem die Einen die Aufmerksamkeit des Wachthabenden an einem Ende eines Bootes abzulenken wußten, während Andere am entgegengesetzten Ende alle ablösbaren Eisentheile zusammenrafften. Sie verkauften auch eine gewisse Menge recht gutes Oel und viele Fische, vorzüglich wohlschmeckende Sardinen.

Nach Vollendung der so nothwendigen umfangreichen Ausbesserungen der Schiffe und nach Einnahme der geringen Futtervorräthe, deren man für die [244] wenigen noch an Bord befindlichen Ziegen und Schafe bedurfte, ging Cook am 26. April 1778 wieder unter Segel. Der Stelle, wo er sich hier aufhielt, hatte er den Namen »König Georgs-Einfahrt« beigelegt, während dieselbe von den Eingebornen »Noatka« genannt wurde.

Kaum auf die hohe See gelangt, überfiel die Schiffe ein schwerer Sturm, bei dem die »Resolution« einen Leck am Steuerbord bekam. Von dem Orkane getrieben, kam Cook bis über den Punkt hinaus, nach dem die Geographen Admiral de Fonte's Meerenge verlegt hatten, was er umsomehr bedauerte, als er gern alle Unsicherheit bezüglich dieser Angabe beseitigt hätte.

Der Commandant folgte also der amerikanischen Küste weiter und nahm deren wichtigste Punkte, die er auch namentlich bezeichnete, sorgsam auf. Während dieser Fahrt kam er häufig mit Indianern in Berührung und beobachtete, daß hier Canots an Stelle der Piroguen traten, welch' erstere nur im Gerippe aus Holz gebaut, sonst aber mit Seekalbfellen bekleidet waren.

Nach kurzer Rast an der Prinz Wilhelms-Einfahrt, wo der Leck der »Resolution« ausgebessert wurde, segelte Cook weiter, entdeckte und benannte die Caps Elisabeth und St. Hermogenes, die Banks-Spitze, die Caps Douglas, Bede, den Berg St. Augustin, den Cook-Strom, die Inseln Kodiak, der Dreieinigkeit und diejenigen, welche Behring Schoumagin getauft hatte. Ferner die Bai von Bristel, die Insel Ronde, de Calm-Spitze, das Cap Stewenham, wo Lieutenant Williamson einmal an das Land ging, und die Insel Anderson, so genannt zu Ehren des eifrigen Naturforschers, der hier einem Lungenleiden erlag; endlich die Insel King und das Cap Prince de Galles, das westlichste Vorgebirge Amerikas. Von hier aus steuerte Cook nach den Gestaden Asiens, trat mit den Tschuktschen in Berührung, drang am 11. August in die Behrings-Straße ein und traf in der folgenden Woche auf das erste Eis. Vergeblich suchte er in verschiedenen Richtungen höher hinauszudringen, überall trat ihm das Packeis als unüberwindliche Schranke entgegen. Am 17. August 1778 befand sich die Expedition unter 70°41' nördlicher Breite. Während eines ganzen Monats segelte man am Rande des Eises in der Hoffnung hin, doch zuletzt noch eine weiter nach Norden führende Durchfahrt aufzufinden. Alles erwies sich vergeblich. Man beobachtete dabei übrigens, daß das Eis mit Ausnahme der obersten, etwas porösen Schichte stets sehr rein und durchsichtig erschien.

»Ich hielt diese Decke, sagt Cook, mehr für gefrornen Schnee und glaubte, daß auch das übrige Eis seinen Ursprung dem Meere verdankt, denn es ist [245] unwahrscheinlich, oder vielmehr unmöglich, daß sich solch' enorme Massen in Flüssen bilden könnten, welche oft für ein einfaches Boot nicht genug Wassertiefe haben; außerdem bemerkten wir darin auch keine Reste vom Lande, welche gewiß nicht gefehlt hätten, wenn sich das Eis in größeren oder kleineren Flüssen bildete.«

Bisher ist der Weg durch die Behrings-Straße nur wenig benutzt worden, um höhere Breitengrade zu erreichen; jene Beobachtung erscheint also um so werthvoller, da sie den Beweis liefert, daß sich gegenüber der genannten Oeffnung ein ausgedehntes Meer ohne jedes Zwischenland befindet. Vielleicht ist dieses Meer – das war wenigstens die Ansicht des tiefbetrauerten Gustav Lambert – sogar offen. Seit Cook's Zeit drang man auf diesem Wege überhaupt noch nicht viel höher vor, außer an der Küste Sibiriens, wo die Inseln Long und Plover entdeckt wurden, und in dem Augenblicke, da wir dies schreiben, der kühne schwedische Reisende, Professor Nordenskjöld, die nordwestliche Durchfahrt ziemlich glücklich erzwungen hat. Nach diesen gefahrvollen Untersuchungen und so häufig wiederholten Versuchen, in höhere Breiten zu gelangen, blieb Cook bei der schon vorgeschrittenen Jahreszeit, wo ihm jeden Tag nur mächtigere Eismassen entgegentraten, nichts Anderes übrig, als ein Winterquartier unter milderem Himmel zu beziehen und seine Forschungen im nächsten Sommer fortzusetzen. Er segelte also eine Strecke des früher eingehaltenen Weges bis zur Insel Unalaska zurück und steuerte vom 26. October ab auf die Sandwichs-Inseln zu, deren Erforschung er während des Winterlagers zu vollenden gedachte.

Am 26. November wurde eine Insel entdeckt, deren Bewohner an die Mannschaft eine beträchtliche Menge Früchte und Wurzeln, wie Brotfrüchte, Pataten, »Taro« und »Eddywurzeln«, im Austausche gegen Nägel und eiserne Geräthe verkauften. Es war das die Insel Mowee, ein Theil des Sandwichs-Archipels. Bald erblickte man auch Owhyhee oder Hawaï, dessen Bergspitzen unter einer Schneedecke lagen.

»Nie habe ich unter den wilden Volksstämmen, sagt der Kapitän, Leute von so sicherem Auftreten gefunden, wie diese hier. Gewöhnlich schickten sie die zu verkaufenden Gegenstände zusammen nach dem Schiffe, dann kamen sie selbst an Bord und betrieben auf dem Hinterdeck ihren Handel. Trotz der wiederholten Besuche erwiesen uns die Tahitier niemals so viel Vertrauen. Ich schließe daraus, daß die Bewohner von Owhyhee in ihren gegenseitigen Geschäften verläßlicher und ehrlicher sind als die von Tahiti; denn wenn sie sich selbst nicht viel Gutes zutrauten, würden sie gewiß Fremden gegenüber weit mißtrauischer sein.«

[246] Am 17. Januar ankerten Cook und Clerke in einer von den Eingebornen Karakakooa genannten Bai. Nun wurden die Segel von den Raaen abgenommen und Raaen und Stengen geborgen. Die Schiffe waren bald von Besuchern überfüllt, von Piroguen umringt und die Plätze am Strande von einer zahllosen Menge Neugieriger bedeckt. Bisher hatte Cook noch niemals einen solchen Eifer gesehen.

Unter den Häuptlingen, die an Bord der »Resolution« kamen, bemerkte man bald vor Allem einen jungen Mann, Namens Pareea. Er war seiner Aussage nach »Jakaner«, wir wußten uns aber nicht zu erklären, ob damit nur ein gewisses Amt oder vielleicht ein gewisser Grad der Verwandtschaft mit dem Könige bezeichnet wurde. Jedenfalls genoß er bei dem gewöhnlichen Volke ein besonderes Ansehen. Einige gelegentliche Geschenke verpflichteten ihn den Engländern, denen er unter den obwaltenden Verhältnissen manchen dankenswerthen Dienst leistete.

Hatte Cook während seines ersten Aufenthaltes in Hawaï auch die Bemerkung gemacht, daß die Bewohner nicht so freche Diebe waren, so lag die Sache diesmal doch sehr anders. Ihre große Anzahl erleichterte es ihnen natürlich, kleinere Gegenstände zu entwenden, und verleitete sie zu der Annahme, man werde sich fürchten, diese Diebstähle zu bestrafen. Endlich gewann man gar die Ueberzeugung, daß sie von ihren Häuptlingen geradezu verleitet wurden, denn man sah mehrere von Anderen gestohlene Gegenstände in deren Händen.


Er begann bei Ueberreichung eines kleinen Schweines eine lange Rede. (S. 247.)

Pareea und ein anderer Häuptling, mit Namen Kaneena, brachten an Bord der »Resolution« einen gewissen Koah, einen abgezehrten Greis, dessen ganzer Körper durch unmäßigen Genuß der »Ava« mit weißlichem Ausschlage bedeckt war. Dieser vertrat die Stelle eines Priesters. Als er Cook gegenüberstand, legte er diesem eine Art rothen Mantel um die Schultern und begann bei Ueberreichung eines kleinen Schweines höchst ernsthaft eine lange Rede. Da man später alle Götzenbilder mit einem ähnlichen Mäntelchen bekleidet sah, nahm man daraus ab, daß er eine Formel der Anbetung hergesagt habe. Die Engländer erstaunten ungemein über die wunderlichen Ceremonien des Cultus, mit dem die Eingebornen Cook's Person verehrten. Erst später begriffen sie, Dank den Untersuchungen des gelehrten Missionärs Ellis, die Bedeutung derselben. Wir wollen seine interessante Erklärung hier kurz einschalten; dadurch wird auch die Schilderung der späteren Ereignisse von vorneherein verständlicher. Eine alte Sage erzählt, daß ein gewisser Rono, der unter einem der ersten [247] Könige Hawaïs lebte, seine zärtlich geliebte Frau aus Eifersucht ermordet habe. Vor Schmerz und Kummer über diese That fast wahnsinnig, streifte er durch die ganze Insel, suchte Streit mit Jedermann und schlug nieder, wer ihm in den Weg kam. Endlich soll er sich, ermüdet, aber nicht gesättigt von diesen Blutthaten, mit dem Versprechen eingeschifft haben, er werde dereinst auf einer schwimmenden Insel, mit Cocosbäumen, Schweinen und Hunden darauf, wiederkommen. Diese Legende war durch einen Nationalgesang gewisser maßen geheiligt und zum Glaubensartikel für die Priester geworden, welche Rono unter die [248] Götter versetzt hatten.


Cook wird durch die Eingebornen bewillkommt. (S. 250.)

Seiner Prophezeiung vertrauend, hoffen sie nun Jahr für Jahr, mit nie ermüdender Geduld auf deren Erfüllung. Fällt hier nicht die wunderbare Uebereinstimmung in die Augen zwischen dieser Legende und einer früher erwähnten, der zufolge der mexikanische Gott Quetzacoatl, vor dem Zorne einer mächtigen Gottheit entfliehend, sich in einem Nachen aus Schlangenhaut einschiffte, und Denen, die ihm das Geleit gaben, versprach, daß er mit seinen Nachkommen das Land einst wieder besuchen werde? Beim Erscheinen der englischen Schiffe erklärten der Oberpriester Koah und dessen Sohn One-La, [249] daß hier Rono komme, sein Versprechen einzulösen. Für die gesammte Bevölkerung erhielt Cook ebendamit den Heiligeunhein eines Gottes. Auf dem Wege warfen sich die Eingebornen in den Staub, die Priester richteten ihre Ansprachen und Gebete an ihn, man hätte ihn mit Weihrauchduft umgeben, wenn das auf Hawaï Sitte gewesen wäre. Der Befehlshaber ahnte, daß diese Erscheinung eine außergewöhnliche Ursache haben möge, da er sie aber nicht zu erklären vermochte, begnügte er sich damit, diese geheimnißvollen Umstände für die Bequemlichkeit seiner Mannschaft und die Fortschritte der Wissenschaften bestmöglich auszunützen.

Er kam dadurch freilich in die Lage, sich vielerlei Ceremonien zu unterwerfen, die ihm mindestens lächerlich erschienen. So wurde er z. B. nach einem, aus Steinen solid aufgeführten, vierzig Ruthen langen und vierzehn breiten Moraï geführt, dessen Oberfläche eingeebnet und mit einer hölzernen Balustrade abgeschlossen war, auf der viele, der Gottheit geweihte Schädel von Gefangenen bleichten.

Nahe dem Eingange der Plattform standen zwei große Holzfiguren mit grinsenden Gesichtern, der Körper von rothen Stoffen umhüllt und der Kopf von einem langen geschnitzten, umgekehrt kegelförmigen Holzstücke überragt. Hier bestieg Koah mit Cook eine Art Tisch, unter dem neben einem Haufen Früchte ein schon verfaultes Schwein lag. Dann brachten ein Dutzend Männer dem Kapitän in feierlichem Aufzuge ein lebendes Schwein dar und ein Stück rothen Stoff, mit dem er bekleidet wurde. Hierauf sangen die Priester einige religiöse Hymnen, während die übrige Versammlung vor dem Eingange des Morar andachtsvoll auf den Knieen lag.

Nach verschiedenen anderen Ceremonien, deren Aufzählung hier zu weit führen würde, brachte man dem Kapitän noch ein vollständig geröstetes Schwein, sowie die Früchte und Wurzeln, welche zur Bereitung der Ava dienen.

»Die Ava, sagt Cook, wurde, als sie fertig war, in der Runde umhergereicht, und als wir Alle davon gekostet hatten, theilten Koah und Pareea das Fleisch des Schweines in kleine Stücke und steckten sie mir und meinen Leuten in den Mund.« – »Ich ließ es ohne Widerwillen zu, äußerte sich darüber der Lieutenant King, daß mir Pareea, der sehr reinlich erschien, die Speise darreichte, Cook selbst aber, dem Koah dieselben Dienste leistete, konnte im Gedanken an das verfaulte Schwein kein Stückchen hinunter würgen; der Greis wollte seine Höflichkeit verdoppeln und bot ihm nun das Fleisch ganz zerkaut an, [250] wobei sich, wie man leicht errathen wird, bei dem Kapitän die Empfindung des Ekels nur steigerte.«

Nach der Ceremonie wurde Cook von Leuten mit dünnen Stäben in den Händen nach seinem Boote zurückgeführt. Jene murmelten dabei dieselben Worte und Phrasen wie beim Betreten des Landes, während das Volk am Saume des Weges kniete.

Diese Ceremonien wiederholten sich, so oft Cook an das Ufer kam. Immer ging vor ihm ein Priester mit dem Ausrufe her, daß Rono an's Land gestiegen sei, und befahl den Umstehenden, niederzuknieen.

Konnten die Engländer nun auch mit den Priestern, die sie mit Zuvorkommenheit und Geschenken halb erstickten, sehr zufrieden sein, so war das mit den »Carers« oder Kriegern doch keineswegs der Fall.

Diese unterstützten nämlich die täglich vorkommenden Diebstähle und trugen wohl auch an den häufigen Uebervortheilungen die meiste Schuld.

Bis zum 24. Januar 1779 fiel indessen nichts Besonderes vor. Am genannten Tage wunderten sich die Engländer, keine Pirogue zur Eröffnung des gewohnten Handels vom Ufer abstoßen zu sehen. Die Ankunft Terreeoboo's hatte die Bai mit dem »Tabu« belegt und dadurch jede Verbindung mit den ihre Fremden abgeschnitten. Am nämlichen Tage besuchte nur dieser Häuptling oder König ohne alle Umstände die Shiffe. Er kam in einer einfachen Pirogue mit seiner Gattin und seinen Kindern. Am 26. stattete Terreeoboo dann seine officielle Visite ab.

»Da Cook bemerkt hatte, heißt es in dem Berichte, daß der Fürst wieder an das Land gehen wollte, fuhr er ebenfalls nach dem Strande und kam fast gleichzeitig mit ihm an. Wir führten Alle dort in das Zelt; kaum hatten sie sich niedergelassen, als der König sich wieder erhob und mit graziöser Bewegung seinen eigenen Mantel über Cook's Schultern warf; dann setzte er ihm einen Kopfschmuck aus Federn auf und legte noch einen merkwürdig gestalteten Fächer in die Hände Cook's, zu dessen Füßen er noch fünf bis sechs sehr schöne und werthvolle Mäntel ausbreiten ließ.«

Terreeoboo und die Häuptlinge seines Gefolges fragten die Engländer inzwischen häufig nach dem Zeitpunkte ihrer Abreise. Der Befehlshaber wünschte sehr, die Ansicht der Hawaïer über die Engländer kennen zu lernen. Er hörte dabei nur, daß sie der Meinung wären, jene kämen aus einem Lande, wo es an Nahrungsmitteln fehlte, und wollten sich hier »nur die Bäuche füllen«. Die [251] Magerkeit einiger Matrosen und der Eifer, mit dem man Lebensmittel verlud, hatten in ihnen diese Anschauung erweckt. Doch fürchteten sie, trotz der seit Ankunft der Engländer verbrauchten großen Masse, keineswegs eine Erschöpfung ihrer eigenen Vorräthe. Wahrscheinlich wünschte der König sich nur einige Zeit, um ein würdiges Geschenk vorzubereiten, das er den Fremden bei ihrer Abreise überreichen wollte.

Am Vorabend des hierzu bestimmten Tages ersuchte der König die Kapitäne Cook und Clerke wirklich, nach seiner Residenz zu kommen. Hier lagen ganze Berge von Vegetabilien aller Art, Packete mit Stoffen, gelbe und rothe Federn aufgespeichert, und tummelte sich eine ganze Heerde Schweine. Es war das eine freiwillige Gabe der Unterthanen an ihren König, wovon Terreeoboo etwa den dritten Theil aller Gegenstände auswählte und das Uebrige den beiden Kapitänen überließ, ein so beträchtliches Geschenk, wie sie weder in Tonga noch in Tahiti ein ähnliches erhalten hatten.

Am 4. Februar verließen beide Schiffe die Bai, einige Havarien, welche die »Resolution« sich zuzog, nöthigten sie aber, nach wenig Tagen noch einmal dahin zurückzukehren.

Kaum hatten die Fahrzeuge Anker geworfen, als die Engländer eine auffallende Veränderung im Auf treten der Eingebornen bemerkten. Bis zum 13. des Nachmittags verlief indeß Alles ganz friedlich. Da verboten einige Häuptlinge dem Volke, den Matrosen beim Füllen ihrer Tonnen am Wasserplatze zu helfen. Es entstand ein kleiner Tumult. Die Eingebornen bewaffneten sich mit Steinen und nahmen eine drohende Haltung an. Der die Abtheilung commandirende Officier erhielt von Cook Befehl, Feuer zu geben, wenn die Insulaner noch mit Steinen werfen oder zu unverschämt werden sollten. Inzwischen wurde auch eine Pirogue mit Flintenschüssen verfolgt, da man voraussetzte, daß die Insassen derselben einen Diebstahl begangen hätten.

Zu gleicher Zeit erhob sich noch ein ernsthafterer Zwist. Eine Schaluppe Pareea's wurde von einem Officier weggenommen, der sie bis in die Nähe der »Discovery« brachte. Der Häuptling kam selbst, um sein Eigenthum unter Betheuerung seiner Unschuld zurückzufordern. Der Wortwechsel wurde lebhafter und Pareea von einem Ruderschlage getroffen. Jetzt bewaffneten sich die früher ruhig zuschauenden Eingebornen mit Steinen, zwangen die Matrosen, sich eiligst zurückzuziehen, und bemächtigten sich der Pinasse, die sie hergebracht hatte. Da mischte sich Pareea, uneingedenk der erlittenen Mißhandlung, dazwischen, lieferte [252] den Engländern die Pinasse wieder aus und stellte ihnen auch einige kleinere gestohlene Gegenstände wieder zu.

»Ich fürchte, die Eingebornen werden mich noch zu Gewaltmaßregeln zwingen, sagte Cook, als er von dem Vorgefallenen hörte; wir dürfen sie nicht glauben lassen, sie hätten über uns irgend einen Vortheil errungen.«

In der Nacht vom 13. zum 14. Februar wurde die Schaluppe der »Discovery« gestohlen. Der Commandant beschloß nun, sich Terreeoboo's oder einiger angesehener Persönlichkeiten zu bemächtigen und diese als Geißeln zurückzuhalten, bis die gestohlenen Gegenstände zurückerstattet seien.

Er ging also mit einer Abtheilung Marinesoldaten an's Land und sofort auf die Wohnung des Königs zu. Auf dem Wege mit gewohnter Ehrerbietung begrüßt, fand er auch Terreoboo nebst dessen beiden Söhnen, theilte ihnen kurz den vorgekommenen Diebstahl mit und veranlaßte sie, den Tag über an Bord der »Resolution« zu verweilen.

Seine Absichten schienen in Erfüllung zu gehen und die beiden jungen Prinzen hatten schon in der Pinasse Platz genommen, als eine der Gemahlinnen Terreoboo's diesen unter Thränen bat, sich nicht an Bord zu begeben. Einige andere Häuptlinge vereinigten ihre Bitten mit denen des Weibes, und die Insulaner, erschreckt über den nichts Gutes bedeutenden Auftritt, sammelten sich nun in dichter Menge um ihren König und den Commandanten. Letzterer drängte zur Einschiffung, doch als der Fürst dazu entschlossen schien, mischten sich die Häuptlinge noch einmal ein und hielten diesen mit Gewalt zurück.

Cook gab sein Vorhaben auf, da er einsah, daß es vereitelt oder doch nur mit großem Blutvergießen durchzusetzen sei, und wanderte friedlich am Strande hin, um sein Boot wieder zu erreichen, als sich die Nachricht verbreitete, daß man einen der vornehmsten Häuptlinge getödtet habe. Die Frauen und Kinder wurden nun sofort zurückgeschickt und die Männer drangen auf die Engländer ein.

Ein mit einem »Pahooa« bewaffneter Eingeborner belästigte den Kapitän, und da er auf dessen Drohungen nicht weichen wollte, feuerte Cook einen Pistolenschuß mit grobem Schrot auf ihn ab. Letzteren schätzte jedoch eine dicke Matte vor einer Verwundung und er wurde nun um so kühner; als jedoch noch andere Eingeborne auf ihn eindrangen, schoß er sein Gewehr auf den nächsten derselben ab und streckte ihn todt zu Boden. Das war das Zeichen zum allgemeinen Angriff. Als man Cook zum letzten Male sah, gab er den Booten ein Signal, [253] das Feuer einzustellen und näher heranzukommen, um seine kleine Truppe aufzunehmen. Vergeblich! Cook lag tödtlich getroffen auf dem Platze.

»Mit Freudengeschrei begrüßten die Insulaner sei nen Fall, sagt der Bericht; sie zogen seinen Leichnam den Strand empor, wobei sie einander an den Händen faßten, und konnten ihm in der Hitze nicht genug Schläge versetzen, obwohl er längst nicht mehr athmete.«

So endete der berühmte Seeheld, vielleicht der größte, den England hervorgebracht hat. Die Kühnheit seiner Pläne wie die Ausdauer in der Durchführung und der Reichthum seiner Kenntnisse haben ihn zum Typus des wahren See-Entdeckungsreisenden gestempelt.

Welche Dienste hat er allein der Geographie geleistet! Bei seiner ersten Reise bestimmte er die Lage der Gesellschaftsinseln, zeigte, daß Neuseeland aus zwei Landmassen besteht, durchschiffte die sie trennende Meerenge und nahm ihre Küste hydrographisch auf; endlich besuchte er die ganze Ostküste Neu-Hollands.

Bei der zweiten Reise verwies er den vielbestrittenen südlichen Continent, den Traum der Geographen vom grünen Tische, in das Reich der Fabeln; er entdeckte Neu-Caledonien, Süd-Georgia, das Sandwichs-Land und drang auf der südlichen Halbkugel weiter vor als irgend ein anderer.

Bei Gelegenheit seiner dritten Expedition hatte er den Hawaï-Archipel entdeckt und die Westküste Amerikas vom 43. Grade an, d. h. eine Strecke von mehr als dreitausendfünfhundert Meilen aufgenommen. Er war durch die Behrings-Straße eingedrungen und hatte sich in das Polarmeer, den Schrecken der Seefahrer, hineingewagt, bis ihm das Eis eine unüberwindliche Schranke entgegenthürmte.

Seine Talente als Seemann bedürfen des Lobes an dieser Stelle nicht; seine hydrographischen Leistungen leben ja fort; was aber am meisten hervorgehoben zu werden verdient, das ist die stete Sorgfalt für das Wohl seiner Leute, welche es ihm ermöglichte, seine langen, aufreibenden Fahrten mit so verschwindend kleinen Verlusten durchzuführen.

In Folge dieses unseligen Tages brachen die erschreckten Engländer ihre Zelte ab und zogen sich an Bord zurück. Vergebens suchten sie durch Bitten und Angebote wenigstens den Leichnam ihres unglücklichen Befehlshabers ausgeliefert zu bekommen. Schon wollten sie erzürnt Gewalt anwenden, als zwei mit Lieutenant King befreundete Priester ohne Wissen der Häuptlinge ein Stück Menschenfleisch im Gewichte von neun bis zehn Pfund herbeibrachten – das [254] letzte, was ihrer Aussage nach von Rono's Körper, den man der herrschenden Sitte gemäß verbrannte, noch übrig geblieben sei.

Dieser Anblick mußte die Engländer natürlich reizen, Wiedervergeltung zu üben. Ihrerseits hatten die Insulaner den Tod von fünf Häuptlingen und etwa zwanzig anderen Männern zu rächen. Deshalb begegneten die Engländer stets auf dem Wege zum Wasserplatze einer wüthenden, mit Steinen und Stöcken bewaffneten Volksmenge. Um ein Exempel zu statuiren, ließ Kapitän Clerke, der nun die Führung der Expedition übernommen hatte, das Dorf der Priester einäschern und Jeden über die Klinge springen, der Widerstand zu leisten wagte.

Zuletzt kam es doch noch zu Unterhandlungen, und am 19. Februar wurden den Engländern die Ueberreste von Cook, z.B. seine an einer breiten Narbe erkennbaren Hände, der Kopf, freilich ohne Haare, und einige andere Ueberbleibsel zurückgegeben. Drei Tage später erwiesen sie diesen theuren Resten ihres Kapitäns feierlich die letzten Ehren.

Nun begann der Tauschhandel wieder, als ob gar nichts geschehen sei, und kein weiterer Zwischenfall störte das Ende des Aufenthaltes an den Sandwichsinseln.

Kapitän Clerke hatte die Führung der »Discovery« dem Lieutenant Gore überlassen und seine Flagge nun an Bord der »Resolution« gehißt. Nach vollendeter Untersuchung der Hawaï-Gruppe segelte er dann nach Norden, besuchte Kamtschatka, wo ihn die Russen sehr freundlich empfingen, passirte die Behrings-Straße und drang bis 69°50' nördlicher Breite vor, wo ihm das Packeis den Weg versperrte.

Am 22. August 1779 verstarb auch Kapitän Clerke im Alter von achtunddreißig Jahren an Lungenschwindsucht. Nun übernahm Lieutenant Gore das Obercommando; derselbe ging nochmals bei Kamtschatka vor Anker, lief nachher Canton, später das Cap der Guten Hoffnung an und traf, nach mehr als vierjähriger Abwesenheit, am 1. October 1780 in der Themse ein.

Kapitän Cook's Tod betrauerte ganz England. Die königliche Gesellschaft der Wissenschaften zu London, die mit ihm eines ihrer hervorragendsten Mitglieder verlor, ließ ihm zu Ehren eine Medaille schlagen, wozu die Kosten unter Betheiligung der ersten Persönlichkeiten des Landes durch öffentliche Subscription aufgebracht wurden.

Bei dem Könige reichte die Admiralität ein Gesuch um Versorgung der Familie Cook's ein. Der König bewilligte eine jährliche Pension von fünftausend[255] Francs, nebst je sechshundert Francs für jede der drei hinterlassenen Töchter. Die auf die letzte Reise bezüglichen Karten und Zeichnungen wurden auf Kosten der Regierung gestochen, der Erlös aus dem Verkaufe derselben aber zwischen der Familie Cook's, den Erben des Kapitän Clerke und dem Kapitän King vertheilt. Am 3. September 1785 erhob man Cook's Kinder in den erblichen Adelstand.

Zur Feier des hundertjährigen Todestages Cook's war eine große Versammlung zusammengetreten, dar unter auch zahlreiche Vertreter der jetzt so blühenden australischen Kolonien, sowie des Hawaï-Archipels, wo er seinen Tod gefunden hatte. Eine beträchtliche Menge von dem großen Seefahrer herrührender Reliquien, seine Karten, die prächtigen Aquarellbilder Webber's, nebst Geräthen und Waffen der Inselbewohner Oceaniens schmückten dabei den Saal.

Die anerkennende Huldigung eines Volkes, dessen König schon vor hundert Jahren befohlen hatte, die wissenschaftliche und civilisatorische Aufgabe Cook's in keiner Weise zu beeinträchtigen, war ganz geeignet, im Vereinigten Königreiche einen dankenden Widerhall zu finden und die Freundschaftsbande zu befestigen, welche England und Frankreich in der späteren Zeit verknüpften.

[256]

2. Band

1. Capitel
1.
I.

Entdeckungen Boudet de Lozier's in den südlichen Meeren. – Surville. – Das Land der Arsaciden. – Die Ereignisse im Hafen Praslin. – Ankunft an der Küste von Neuseeland. – Surville's Tod. – Marion's Entdeckungen im antarktischen Meere. – Das Blutbad auf Neuseeland. – Kerguelen im Island und in den südlichen Ländern. – Die Uhren-Fahrten: Fleurieu und Verdun de la Crenne.


Der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gehört eine Entdeckung an, welche auf die Fortschritte der Geographie von hochwichtigem Einflusse werden sollte. Einem Schiffskapitän der Indischen Compagnie, Jean Baptiste Charles Bouvet de Lozier, ließ der ungeheure leere Raum rings um den Südpol, den die Geographen »Terra australis incognita« nannten, keine Ruhe; je länger, je mehr erwachte in ihm das ehrgeizige Bestreben, jene unbekannten Länder wirklich zu entdecken. Lange Zeit blieben seine Bemühungen ohne Erfolg; im Jahre 1738 schenkte ihm die Direction der Gesellschaft endlich Gehör in der Hoffnung, ihrer Handelsthätigkeit damit neue Gebiete zu eröffnen.

Unter dem Befehle Bouvet de Lozier's liefen am 19. Juli 1738 zwei kleine, zweckentsprechend ausgerüstete Fregatten, die »Aigle« und die »Marie«, von Brest aus. Einen Monat lang lagen sie bei der Insel St. Katharina, nahe der Küste Brasiliens, vor Anker und gingen am 13. November, einen südöstlichen Kurs steuernd, wieder in See.

Am 26. November überfiel die beiden Fregatten ein so dichter Nebel, daß sie sich nur durch zeitweilig gelöste Kanonenschüsse bei einander zu halten vermochten, wobei es nothwendig wurde, wiederholt die Fahrtrichtung zu ändern, [257] so daß ein Zusammenstoß jeden Augenblick zu befürchten stand. So unmöglich es erschien, nahm dieser Nebel am 5. December doch noch weiter zu, so daß man einmal auf der »Aigle« Alles, was auf der »Marie« vorging, deutlich hören, das Schiff selbst aber nicht im mindesten wahrnehmen konnte. Im Wasser trieben viele See-Eichen und darüber flatterten Schaaren von hühnerartigen Vögeln, welche sich niemals weit vom Lande entfernen.

»Am 15. December, sagt Fabre in seinem Werke über die Bouvet'sche Reise, bemerkte man unter 48°50' südlicher Breite (nebenbei bemerkt, die Breite von Paris im Norden des Aequators) und 7° östlicher Länge von Teneriffa, zwischen fünf und sechs Uhr des Morgens einen gewaltigen Eisberg; später noch mehrere andere, umgeben von Eisshotten jeder Form und Größe. Die Fregatte ›Marie‹ signalisirte die drohende Gefahr und drehte eiligst bei. Bouvet, den dieses, das Zusammenhalten der beiden Schiffe gefährdende Manöver sehr beunruhigte, ließ auf der ›Aigle‹ alle Leinwand beisetzen und gab, dicht an Bord der ›Marie‹ vorüberfahrend, seine Absicht kund, trotz dieser Hindernisse nach Süden weiter zu segeln. Zur Beruhigung der erschrockenen Mannschaft sagte er, daß man die Begegnung von Eisbergen eher als ein günstiges Vorzeichen zu betrachten habe, da dieses auf die Nähe eines Landes hindeutete.«

Wiederum schlug man also einen südlichen Kurs ein, und bald wurde Bouvet's Ausdauer durch Auffindung eines Landes belohnt, das er »Cap Circoncision« nannte. Dasselbe war sehr hoch, mit Schnee bedeckt und von Eismassen umgürtet, welche es unmöglich machten, näher als sieben bis acht Meilen von der Küste heranzukommen. Es schien von Norden nach Süden eine Ausdehnung von vier bis fünf Meilen zu haben.

»Man bestimmte die Lage dieses Landes, sagt Fabre, nach den Karten Pitergos', deren sich Bouvet bediente, zu 54° südlicher Breite und 26 bis 27° östlicher Länge von Teneriffa (= 5°30' bis 6°30' östlich von Paris).

Bouvet hätte das vor ihm liegende Land gern näher in Augenschein genommen und wenigstens mit Booten das Ufer zu erreichen gesucht, dichter Nebel und widrige Winde vereitelten aber ein derartiges Unternehmen, und er mußte sich begnügen, dasselbe aus der Ferne zu betrachten.

Am 3. Januar 1739, meldet Bouvet in seinem Berichte an die Compagnie, gewannen wir die während der letzten Tage eingebüßte Distanz wieder, und vermochten gegen vier Uhr Nachmittags, bei minder bedecktem Himmel, das Land schärfer zu erkennen; die in ihrer ganzen Ausdehnung ziemlich steile Küste [258] bildete mehrere Buchten; der Gipfel der Berge lag in Schnee verhüllt, doch schienen die Abhänge derselben bewaldet.«

Nach wiederholten fruchtlosen Versuchen, an's Ufer zu kommen, mußte Bouvet diese Absicht aufgeben. Seine Matrosen waren erschöpft von den Strapazen, entmuthigt und vom Skorbut entkräftet. Die »Marie« ward also nach der Isle de France entsendet, während die »Aigle« nach dem Cap der Guten Hoffnung steuerte, das sie am 28. Februar erreichte.

»Wir haben, sagt Bouvet in dem schon citirten Berichte, auf unbekannten Meeren zwölf- bis fünfzehnhundert Meilen zurückgelegt. Fast siebzig Tage lang litten wir durch einen gleichbleibenden, dichten Nebel. Vierzig Tage lang kreuzten wir zwischen dem Eise, beinahe täglich von Hagelschauern und Schneefällen überschüttet. Häufig waren Deck und Segelwerk dick mit Schnee bedeckt. Wanten und Tauwerk starrten in einer Eiskruste. Am 10. Januar gelang es nicht einmal, das kleine Marssegel zu streichen. Die Kälte war für meine nur mangelhaft bekleideten Leute, welche aus warmen Ländern herstammten, gar zu streng. Mehrere erfroren dabei die Hände oder die Füße. Und dennoch maßten wir immer manövriren, brassen oder Segel beisetzen und mindestens einmal täglich sondiren. Ein Matrose der ›Aigle‹ fiel, als er die Raa des kleinen Marssegels herabgelassen hatte, von der Kälte überwältigt, in das Marssegel des Fockmastes, so daß wir ihn mittelst eines Jölltaues herunterholen mußten und viele Mühe hatten, ihn wieder zu erwärmen. Anderen brachen die Thränen aus den Augen, wenn sie die Sondenleine aufholten. Trotzdem befanden wir uns damals in der besten Jahreszeit, und ich gab mir übrigens alle Mühe, der Mannschaft nach Kräften jede mögliche Erleichterung zu gewähren.«

Selbstverständlich konnte ein so geringfügiges Resultat die Indische Compagnie zu weiteren Unternehmungen in jene Gegenden nicht anspornen. Ohne nennenswerthe Vortheile zu bieten, drohten sie vielmehr Schiffen und Menschen mit dem Verderben. Immerhin bildete Bouvet's Entdeckung den ersten erschütternden Schlag gegen den Glauben an das Vorhandensein eines südlichen Festlandes. Ein Beispiel war gegeben, dem mehrere Seefahrer, darunter zwei Franzosen, bald folgen sollten. Wir erwähnten obiger, sonst wenig bekannt gewordener Expedition nur deshalb mit einigen Worten, um dem Manne eine Anerkennung zu zollen, der als Pionnier für die Südpolfahrten zu betrachten ist, und dem der Ruhm zukommt, dem großen englischen Seefahrer James Cook den Weg vorgezeichnet zu haben.

[259] Ein anderer Kapitän der Indischen Compagnie, der sich früher in manchem Treffen mit den Engländern ausgezeichnet hatte, Jean François Marie de Surville, sollte dreißig Jahre später in Oceanien werthvollere Entdeckungen machen und fast gleichzeitig mit Cook das früher von Tasman entdeckte und von diesem Staatenland getaufte Gebiet wieder auffinden. Das geschah aber unter folgenden Umständen:

Die Herren Law und Chevalier, zwei Administratoren in Französisch-Indien, hatten beschlossen, auf eigene Kosten ein Schiff zu Handelszwecken in den südlichen Meeren auszurüsten. Sie gewannen Surville für ihre Absichten und sendeten ihn nach Frankreich, um bei der Compagnie die nothwendige Erlaubniß zu ihrem Vorhaben auszuwirken und die Fertigstellung des betreffenden Schiffes zu überwachen. Die »St. Jean Baptiste« wurde hierauf in Nantes ausgerüstet und außer einem Lebensmittel-Vorrath für drei Jahre mit Allem versehen, was für eine so weite und lange Reise nothwendig und wünschenswerth zu sein schien. Hierauf begab sich Surville zunächst nach Indien, wo Law ihm vierundzwanzig eingeborne Soldaten zutheilte. Am 3. März 1769 lief die »St. Jean Baptiste« aus der Bai von Angely aus und besuchte nach und nach Masulipatam, Yanaon und Pondichery zum Zweck der Vervollständigung ihrer Ladung.

Am 2. Juni verließ Surville die letztgenannte Stadt und begab sich nach den Philippinen. Er ankerte am 20. August bei den Bashers- oder Baschy-Inseln, ein Name, den ihnen Dampier beigelegt hat und der dem eines berauschenden Getränkes entspricht, das die Insulaner aus dem Safte des Zuckerrohres, in welchem man gewisse schwarze Körner mehrere Tage über liegen läßt, herzustellen wissen.

Auf diesen Inseln waren früher mehrere Matrosen Dampier's desertirt, jeder hatte von den Bewohnern eine Frau, ein Stück Land und Ackergeräthe erhalten. In Erinnerung hieran wollten drei Matrosen der »St. Jean Baptiste« diesem Beispiele folgen. Surville war aber nicht der Mann dazu, den Bestand seiner Besatzung so ruhig zerbröckeln zu lassen. Er ließ also sechsundzwanzig Indianer ergreifen, die er bis zur Zurückführung seiner Leute als Geißeln behalten wollte.

»Unter diesen an den Händen leicht gefesselten Indianern, sagt Crozet in seinem Berichte über Survil le's Reise, waren einige verwegen genug, sich trotz der Fesseln in's Meer zu stürzen, und es gelang ihnen auch, zum höchsten Erstaunen der Mannschaft, bis zu den Piroguen ihrer Stammesgenossen zu [260] schwimmen, welche sich soweit entfernt hielten, daß sie von dem Schiffe nichts zu fürchten hatten.«

Man suchte den Wilden begreiflich zu machen, daß gegen sie nur deshalb in dieser Weise verfahren worden sei, um ihre Kameraden zur Wiederauslieferung der drei Deserteure zu bestimmen. Da sie durch Zeichen zu verstehen gaben, daß sie verständen, um was es sich handle, wurden Alle freigelassen bis auf sechs, die man aus anderen Gründen am Lande gefangen hatte. Die Eile, mit der sie das Schiff verließen und sich in ihre Piroguen stürzten, ließen kaum vermuthen, daß sie zurückkehren würden. Desto größer war das Erstaunen, als man sie nach einiger Zeit mit, Freudengeschrei wiederkommen sah. Natürlich glaubte Jedermann, daß sie dem Commandanten die drei Deserteure wieder zuführten. Wirklich stiegen sie an Bord und legten – drei gebundene, geknebelte und geschnürte Schweine nieder.

Surville fand diesen Scherz, wenn es einer sein sollte, sehr am unrechten Platze; erzürnt jagte er die Eingebornen fort, welche in ihre Piroguen sprangen und auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Vierundzwanzig Stunden später verließ die »St. Jean Baptiste« die Bashers und führte als Ersatz der Deserteure drei gefangene Indianer mit weg.

Nach langer, südöstlicher Fahrt entdeckte man am 7. October Land unter 6°56' südlicher Breite und 151°30' östlicher Länge von Paris, dem man den Namen »Isle de la Première-Vue« beilegte.

»Bis zum 13. October segelte man längs der Küste desselben hin, an welchem Tage man einen, gegen alle Winde geschützten, von einer Menge kleiner Inseln gebildeten Hafen auffand, der den Namen ›Port Praslin‹ erhielt; dieser liegt unter 7°25' südlicher Breite und 151°55' östlicher Länge von Paris.«

Beim Einfahren in diesen Hafen bemerkten die Franzosen einige mit Lanzen bewaffnete Indianer, welche eine Art Schild auf dem Rücken trugen. Bald wurde die »St. Jean Baptiste« von vielen Piroguen mit einer Menge Eingeborner umringt, die nichts Gutes im Schilde zu führen schienen, doch gelang es, sie von Feindseligkeiten abzuhalten. Etwa dreißig der Kühnsten kletterten an Bord und betrachteten mit großer Aufmerksamkeit Alles, was sie hier fanden. Diesem Beispiele wollten darauf so viele Andere folgen, daß man Mühe hatte, sich ihrer zu erwehren, um bei dem durch Krankheit stark verminderten Bestand an Mannschaft nicht eine zu große Anzahl Eingeborner auf einmal zuzulassen. Trotz des ihnen zu theil gewordenen freundlichen Empfanges schienen sich die[261] Wilden doch nicht für sicher zu halten, wenigstens legten sie durch ihr Verhalten stets ein entschiedenes Mißtrauen an den Tag. Bei der geringsten unerwarteten Bewegung auf dem Schiffe sprangen sie in ihre Piroguen oder unmittelbar in's Meer. Nur ein Einziger trat etwas vertrauensvoller auf. Surville ließ ihm einige Geschenke überreichen. Der Indianer stattete seine Erkenntlichkeit dafür dadurch ab, daß er durch Geberden eine Stelle im Grunde der Bai bezeichnete, wo man Wasser finden könne.

Der Commandant gab darauf hin Befehl, die Boote klar zu machen, deren Führung er seinem zweiten Officier, Namens Labbé, anvertraute.

»Die Wilden schienen nur auf die Abfahrt der Boote vom Schiffe zu warten, sagt Fleurieu in seinen ›Entdeckungen der Franzosen‹, denn jene hatten kaum abgestoßen, als ihnen auch schon alle Piroguen nachfolgten. Eine der letzteren schien die übrigen zu führen; es war diejenige, in welcher sich der Indianer befand, der Surville über die Lage eines Wasserplatzes unterrichtete. Im Hintertheile derselben stand ein Mann aufrecht mit belaubten Zweigen in den Händen, die er in Kopfhöhe hielt und tactmäßig hin und her schwenkte. Ja der Mitte der nämlichen Pirogue stand auch noch ein junger Mann, gestützt auf einen langen Spieß, mit ruhig-ernster Würde aufrecht. Seine Ohren und Nasenscheidewand waren mit rothen Blumen geschmückt und das Haar weiß gepudert.«

Gewisse auffällige Bewegungen erweckten indeß bald den Verdacht der Franzosen, welche sahen, daß sie in eine Art Sackgasse gelockt werden sollten, in der sich, den Versicherungen der Wilden nach, ein Süßwasserquell befände. Trotz des Drängens der Eingebornen hütete sich Labbé doch, seine Boote bei nur zwei bis drei Fuß Wasser über schlammigem Grunde weiter vorwärts gehen zu lassen. Er sendete zur näheren Untersuchung vielmehr nur einen Korporal mit vier Mann voraus. Diese kehrten sehr bald mit der Meldung zurück, daß sie statt der vorgeblichen Quelle nur einen Morast gefunden hätten, in dem man bis zum Gürtel einsinke. Offenbar planten die Wilden also einen Verrath. Labbé ließ ihnen jedoch nicht merken, daß er ihre Absicht durchschaut habe, sondern begehrte von ihnen nur die Nachweisung eines Wasserplatzes.

Die Eingebornen führten die Boote hierauf nach einer drei Meilen entfernten Stelle, von der aus man die Schiffe nicht sehen konnte. Noch einmal wurde der Korporal mit einigen Leuten an das Land gesendet; er fand daselbst aber eine sehr dürftige Quelle, die kaum zur Stillung des Durstes für ihn und seine wenigen Begleiter ausreichte. Während seiner Abwesenheit versuchten die [262] Eingebornen auf jede Weise, Labbé zum Betreten des Landes zu bewegen, indem sie auf den Ueberfluß an Cocosnüssen und anderen Früchten hinwiesen, während sie sich sogar des Stoggers oder Bootshakens der Schaluppe zu bemächtigen suchten.

»Ueberzweihundertfünfzig Insulaner, heißt es in dem Berichte, ausgerüstet mit Lanzen von sechs bis sieben Fuß Länge, mit hölzernen Keulen, Bogen und Steinen versehen, manche davon durch Schilde gedeckt, waren am Strande versammelt und beobachteten die Bewegungen der Boote. Als das kleine, aus fünf Mann bestehende Detachement wieder vom Ufer abstoßen wollte, sprangen die Wilden auf dasselbe zu, verwundeten einen Soldaten durch Keulenschläge, den Korporal durch einen Lanzenstich und die Anderen auf verschiedene Weise. Labbé selbst trafen zwei Pfeile in die Schenkel und ein Stein an den Fuß. Jetzt gab man Feuer auf die Verräther. Schon die erste Salve machte sie erstarren, vorzüglich weil die in ganz kurzer Entfernung abgegebenen Schüsse eine verheerende Wirkung hervorbrachten. Dadurch gewann man Zeit, ein zweites Mal zu laden und zu feuern, wodurch die Gegner in die Flucht getrieben wurden und wobei sie der Tod ihres Häuptlings noch mehr zur Eile zu drängen schien. Labbé selbst hatte diesen nämlich daraus erkannt, daß er von den Kriegern getrennt stand, die Hände gen Himmel erhob und wie zur Anfeuerung der Krieger an seine Brust schlug; Labbé zielte und streckte ihn durch einen glücklichen Schuß nieder. Die Wilden schleppten ihre Verwundeten mit hinweg, ließen aber zwischen dreißig und vierzig Todte am Platze. Jetzt gingen die Franzosen an's Land, sammelten die da und dort verstreuten Waffen der Feinde, verbrannten die vorgefundenen Piroguen und nahmen nur eine derselben im Schlepptau mit.«

Surville wünschte indessen lebhaft, einen Eingebornen in seine Gewalt zu bringen, der ihm als Führer dienen und, nach gewonnener Einsicht in die Ueberlegenheit europäischer Waffen, seine Landsleute bestimmen könnte, gegen die Franzosen nichts weiter zu unternehmen. Zur Erreichung dieses Zweckes verfiel er auf ein etwas ungewöhnliches Mittel. Er besetzte nämlich die eingebrachte Pirogue mit zwei Neger-Matrosen, denen man die Köpfe weiß gepudert und eine Kleidung angelegt hatte, welche die Eingebornen leicht irre führen mußte.

Wirklich ruderte bald eine Pirogue auf die »St. Jean Baptiste« zu, deren Insassen sich, als sie Zwei der Ihrigen scheinbar im Tauschhandel mit dem Schiffe sahen, nur noch argloser näherten. Als die Franzosen das Gelingen ihres Planes gesichert glaubten, schickten sie zwei Boote zum Einfangen der [263] Wilden ab. Diese witterten Unheil und entflohen, wobei sie bald offenbar an Distanz gewannen, so daß ihre Verfolger sich entschlossen zu feuern, um sie zum Anhalten zu zwingen. Einer der Eingebornen fiel auf der Stelle und brachte die Pirogue, als er in's Wasser stürzte, zum Kentern, während der Andere, ein Bursche von vierzehn bis fünfzehn Jahren, schwimmend den Strand zu erreichen suchte.

»Endlich erhascht, vertheidigte er sich heldenmüthig und verwundete noch Die mit den Zähnen, welche ihn zu bändigen suchten. An Händen und Füßen gebunden, brachte man ihn nach dem Schiffe. Hier stellte er sich eine volle Stunde lang todt; als man ihn aber aufrecht hinsetzte und er, seiner Rolle getreu, sofort umfiel, bemerkte man recht wohl seine Bemühung, mit der Schulter eher als mit dem Kopfe auf das Verdeck aufzuschlagen. Als er seiner Rolle müde wurde, öffnete er die Augen, und verlangte, da er die Mannschaft essen sah, nach Schiffszwieback, den er, seinen ausdrucksvollen Zeichen nach, mit größtem Appetit verzehrte. Aber auch jetzt sorgte man dafür, ihn soweit gefesselt zu halten, daß er nicht unversehens in's Meer springen konnte.«

Im Laufe der Nacht war man genöthigt, die andrängenden Piroguen, welche das Schiff überrumpeln wollten, mit Gewehrschüssen zu vertreiben. Am folgenden Tage nahm man den jungen Eingebornen mit in ein Boot und brachte ihn nach einem Eilande, das seitdem den Namen »Insel de l'Aiguade« erhielt. Kaum hatte jener das Land betreten, als man noch rechtzeitig bemerkte, daß es ihm gelungen war, seine Fesseln mit einer scharfrandigen Muschelschale fast vollständig zu zerschneiden.

Der junge Wilde wurde später auf einem anderen Wege wieder nach dem Ufer des Meeres geführt, warf sich aber, als er bemerkte, daß man ihn wieder mit einschiffen wollte, zu Boden und wälzte sich heulend und die Zähne in den Sand eindrückend umher.

Die Matrosen entdeckten nach mancher vergeblichen Bemühung eine reichliche Quelle, an der sie Wasser fassen und Holz holen konnten. Ein in der Nähe stehender Baum, den man fällte, schien geeignet zum Färben, denn Meerwasser nahm von ihm eine blutrothe Farbe an. Man kochte versuchsweise dessen Rinde aus, und auch Baumwolle, welche in den Absud getaucht wurde, färbte sich darin schön roth.

Etwas Palmenkohl, schmackhafte Austern und andere genießbare Muscheln lieferten der Mannschaft recht werthvolle Nahrungsmittel. Auf der »St. Jean[264] Baptiste« befanden sich eben ziemlich viele Skorbutkranke. Surville hatte gehofft daß diese Rast ihre Wiederherstellung beschleunigen sollte; der sechs volle Tage anhaltende starke Regen verschlimmerte dagegen deren Zustand eher nach weiter, so daß Drei derselben vor der Wiederabfahrt mit Tode abgingen.

Der Ankerplatz erhielt den Namen der »Praslin- Hafen«, und die große Insel oder der Archipel, zu dem er gehört, wegen der Falschheit der Bewohner den des »Landes der Arsaciden«.


Man sammelte die hie und da verstreuten Waffen. (S. 259)

»Der Praslin-Hafen, sagt Fleurieu, würde einer der besten der Welt sein, wenn er nur einen günstigeren Ankergrund besäße. Er ist fast kreisrund, mindestens [265] wenn man ihm die von der Haltestelle der ›St. Jean Baptiste‹ aus sichtbaren Inseln hinzurechnet.... Der bösartige Charakter der Stämme, welche in dieser Gegend hausen, gestattete es leider nicht, in das Landesinnere etwas weiter vorzudringen, so daß sich die Beschreibung auf die Strecken längs der Seeküste beschränken muß. Angebauten Boden fand man nirgends, weder am Strande, den die Boote bis zum Grunde des Hafens passirten, noch auf der, mehrfach in ihrer ganzen Ausdehnung untersuchten Insel de l'Aiguade.«

Das sind die ganzen, ziemlich oberflächlichen Nachrichten, welche Surville theils selbst sammelte und theils durch seine Leute erhielt. Vervollständigt wurden dieselben nach manchen Seiten durch den gefangenen jungen Eingebornen, Namens Lova-Salega, der sich für die Erlernung einer fremden Sprache sehr gut beanlagt erwies.

Nach den Aussagen desselben erzeugte die Insel viel Palmenkohl, Cocosnüsse und verschiedene Mandelfrüchte; ebenso gediehen daselbst der wilde Kaffeebaum, der Ebenholzbaum, der »Tacamaca«, nebst anderen harz-, respective gummireichen Baumarten, ferner die Banane, das Zuckerrohr, die Yamswurzel, der Anis und endlich eine, von den Urbewohnern »Binao« genannte Pflanze, deren Früchte bei denselben die Stelle des Brotes vertraten. In den Wäldern lebten ganze Schwärme von Kakadus, Lauris, Holztauben und Amseln, letztere etwas größer als unsere europäische Gattung. In sumpfigen Niederungen tummelten sich Curlis, See-Lerchen, verschiedene Schnepfenarten und Enten umher. An Vierfüßlern ernährte die Insel dagegen nur Ziegen und halbwilde Schweine.

»Die Bewohner des Praslin-Hafens, sagt Fleurieu auf Grund handschriftlicher Mittheilungen, sind von mittlerer Größe, aber muskulös und stark. Sie scheinen – wohl zu beachten! – nicht ein und desselben Ursprungs zu sein, da die Einen vollkommen schwarze, Andere kupferbraune Hautfarbe haben. Das Haar der ersteren ist kraus, aber sein und weich, die Stirn niedrig, die Augen liegen etwas tief und das Gesicht läuft nach unten spitzig aus mit nur schwachem Bartwuchs am Kinn; ihre ganze Erscheinung trägt den Stempel der Wildheit. Viele der Kupferfarbigen haben dagegen schlichtes Haar, das sie rings um den Kopf bis in die Höhe der Ohren zu verschneiden pflegen. Doch tragen es Einige kurzgeschoren wie ein eng anliegendes Käppchen auf dem Scheitel, während sie sich rings um diese Stelle mit einem zugeschärften Steine zu scheeren lieben und [266] darunter nur einen zollbreiten Kreis von Haaren stehen zu lassen. Haar und Augenbrauen pudern sie sich übrigens mit einer Art Kalkmehl, so daß diese fast gelbgefärbt erscheinen.«

Männer und Weiber gehen vollkommen nackt, doch macht diese Sitte beiweitem nicht den abstoßenden Eindruck, als wenn etwa ein Europäer unbekleidet umherliefe, denn Gesicht, Arme und überhaupt fast alle Theile des Körpers werden tätowirt mit allerlei Zeichnungen, die nicht selten einen eigenthümlichen Geschmack verrathen. Die Ohren durchbohren sie ebenso wie die Nasenscheidewand, deren Knorpel unter dem Gewichte der daran gehängten Gegenstände häufig über die Oberlippe herabgezogen erscheint.

Der gebräuchlichste Schmuck der Einwohner des Praslin-Hafens besteht in einem Rosenkranz aus Menschenzähnen. Man schloß schon daraus auf die unter ihnen herrschende Sitte der Anthropophagie, obwohl dieselbe Mode häufiger bei Völkerschaften angetroffen wurde, welche dem Kannibalismus bestimmt nicht huldigten; Lova's verlegene Antworten aber, als man ihn wegen eines halbgerösteten Menschenkopfes fragte, den Bougainville seiner Zeit auf der Insel Choiseul fand, lassen über das Vorkommen dieses abscheulichen Gebrauches leider keinen Zweifel.

Am 21. October das heißt nach neuntägigem Aufenthalte, verließ die »St. Jean Baptiste« den Praslin-Hafen. Während der nächstfolgenden Tage blieb stets ein hohes, gebirgiges Land in Sicht. Am 2. November entdeckte Surville eine Insel, welche den Namen »Insel der Widerwärtigkeiten« erhielt, weil hier ungünstige Winde drei volle Tage lang die Fahrt des Schiffes hemmten.

Diese Insel bot einen herrlichen Anblick. Sie war sorgsam angebaut und wahrscheinlich stark bevölkert, wenigstens nach der großen Menge Piroguen zu urtheilen, welche die »St. Jean Baptiste« unaufhörlich umschwärmten.

Die Eingebornen konnte man nur mit Mühe dazu bewegen, an Bord zu kommen. Endlich kletterte ein Häuptling derselben auf das Deck. Da war es seine erste Sorge, sich die Koppelriemen eines Matrosen anzueignen, zu deren Rückgabe er sich nur schwierig verstand. Darauf lief er nach dem Hintertheile des Schiffes und holte die weiße Flagge herab, welche ihm besonders zu gefallen schien. Auch diese vermochte man ihm nur mit Mühe wieder zu entwinden. Endlich erkletterte er den Mastkorb des Besans, betrachtete von dem erhöhten Standpunkte aus das ganze Schiff und sprang, als er wieder herabgestiegen, lustig umher; dann wendete er sich an seine, in den Piroguen zurückgebliebenen [267] Stammesgenossen und lud diese durch Worte und sonderbare, aber bezeichnende Geberden ein, ihm nachzufolgen.

Ein Dutzend derselben entschlossen sich zu dem Wagstücke. Diese ähnelten zwar den Bewohnern des Praslin-Hafens, redeten aber eine andere Sprache und konnten sich Lova-Salega nicht verständlich machen. An Bord verweilten sie nicht lange; denn als der Eine eine erhaschte Flasche in's Meer geworfen und der Commandant seine Mißbilligung darüber zu erkennen gegeben hatte, beeilten sich Alle, wieder in ihre Piroguen zu gelangen.

Das Bild des Landes erschien so lachend und die Skorbutischen bedurften einer Erholung so dringend, daß Surville eine Schaluppe an's Ufer sendete, um zu sehen, wie sich die Bewohner dabei benehmen würden.

Kaum war die Schaluppe abgestoßen, als sie auch schon von mehreren, mit Bewaffneten bemannten Booten umringt wurde, so daß es, um schlimmeren Kämpfen vorzubeugen, nothwendig wurde, die Angreifenden mittelst einiger Flintenschüsse zu vertreiben. Während der Nacht versuchte eine ganze Flottille, sich nach der »St. Jean Baptiste« heranzuschleichen; geleitet von einem gewissen Gefühle von Menschlichkeit, wartete Surville jedoch nicht, bis die Eingebornen ganz nahe herankamen, sondern jagte sie durch eine zeitig abgegebene Kartätschenladung in die Flucht.

Da sich eine Landung als ganz unthunlich erwies, stach Surville wieder in See und entdeckte nun nach einander die Inseln der drei Schwestern, des Golfes und die der Errettung, die letzten der Gruppe.

Der Archipel, durch den Surville kam, war kein an derer als der der Salomons-Inseln, deren erste Entdeckung durch Mendana wir schon früher geschildert haben. Der geschickte Seemann hatte hundertvierzig Meilen Küste sorgfältig aufgenommen und in die Karten eingetragen, außerdem auch noch eine Reihe von vierzehn sehr interessanten Ansichten der Uferlandschaften geliefert.

Um jeden Preis mußte nun Surville aber, wenn er seine Mannschaft nicht decimirt sehen wollte, ein Land zu erreichen suchen, wo er seine Kranken ausschiffen und ihnen frische Nahrungsmittel zukommen lassen konnte. Er entschloß sich also dafür, nach Neuseeland zu segeln, das seit Tasman noch Niemand wieder besucht hatte.

Am 12. December 1769 bekam Surville unter 35°37' südlicher Breite dessen Küsten in Sicht und ging fünf Tage später in einer von ihm »Bai Lauriston« genannten Bucht vor Anker. In deren Grunde befand sich noch ein [268] kleinerer Landeinschnitt, der zu Ehren eines der Gönner und Beförderer der Expedition den Namen »Chevalier« erhielt. Wir bemerken hierbei, daß Kapitän Cook, seit Anfang October mit der Erforschung dieses Landes beschäftigt, einige Tage vor der Lauriston-Bai verweilte, ohne das französische Schiff wahrzunehmen.

Während der Rast in der Chevalier-Bucht wurde Surville von einem furchtbaren Sturme befallen, der ihm den Untergang drohte; die Matrosen vertrauten aber so sicher auf seine seemännische Erfahrung, daß sie nicht einen Augenblick den Kopf verloren und alle Befehle ihres Kapitäns mit bewundernswerther Kaltblütigkeit ausführten, deren einzige Zeugen leider nur die Neuseeländer waren.

Die Schaluppe, welche die Kranken an's Ufer beförderte, gewann nicht einmal die Zeit, zum Schiffe zurückzukehren, als das Unwetter losbrach, das dieselbe in eine andere, die später so genannte »Bucht der Zuflucht« hineintrieb. Matrosen und Kranke fanden eine sehr wohlwollende Aufnahme bei einem Häuptling, Namens Naginui, der ihnen seine Hütte überließ und sie mit allen, während ihres Aufenthaltes nur beizutreibenden Erfrischungen fast überhäufte.

Eine der hinter der »St. Jean Baptiste« geschleppten Pinassen wurde von den Wogen entführt. Surville bemerkte, daß sie in der Bucht der Zuflucht gestrandet war. Als er sie wieder holen lassen wollte, fand sich davon nur noch eine Leine derselben; das Boot hatten die Eingebornen heimlich weggeschafft. Umsonst suchte man darnach längs des Ufers; keine Spur desselben fand sich wieder. Surville gedachte diesen Diebstahl nicht unbestraft hingehen zu lassen; er veranlaßte also einige neben ihren Piroguen stehende Indianer, zu ihm zu kommen. Der Eine derselben, der wirklich herbeilief, ward ergriffen und an Bord gebracht. Die Anderen retteten sich durch die Flucht.

»Man bemächtigte sich einer Pirogue, sagt Crozet, verbrannte die übrigen, legte Feuer an die Wohnhütten und begab sich wieder auf das Schiff zurück. Der eingefangene Indianer wurde von dem Arzte als der Häuptling wiedererkannt, der ihnen während des Sturmes so edelmüthige Hilfe geleistet hatte; es war der unglückliche Naginui, der nach seinen so erfolgreichen Liebesdiensten gewiß nicht im Geringsten glaubte, eine solche Behandlung zu erfahren, als er Surville's einladenden Zeichen Folge gab.«

Nahe der Insel Juan Fernandez ging derselbe am 14. März 1770 mit Tode ab.

[269] Die Beobachtungen des französischen Seefahrers über Bewohner und Erzeugnisse Neuseelands übergehen wir hier mit Stillschweigen, weil sie mit denen Cook's vollkommen übereinstimmen.

In der Ueberzeugung, daß er sich auch hier die nothwendigen Lebensmittel nicht werde beschaffen können, lichtete Surville nach einigen Tagen auf's Neue die Anker und hielt einen Kurs zwischen dem 27. und 28. Grade südlicher Breite ein; der Skorbut aber, der tagtäglich neue Verheerungen anrichtete, nöthigte ihn nun, so schnell als möglich Peru aufzusuchen. Er erblickte dessen Küste zuerst am 5. April 1770, und ging drei Tage später, vor der Barre von Chilca, am Einlaufe nach Callao vor Anker.

In seinem Eifer, an das Land zu kommen und für seine Kranken Hilfe zu suchen, entsendete Surville Niemanden zur Begrüßung des Statthalters. Unglücklicherweise wurde sein Boot von den an der Barre sich brechenden Wellen umgeschlagen und nur ein einziger Matrose daraus vermochte sich zu retten. Surville und alle Uebrigen ertranken.

So fand der erfahrene und geschickte Seemann, viel zu früh für die Wissenschaft und sein Vaterland, denen er gewiß noch ersprießliche Dienste geleistet hätte, ein trauriges Ende. Die »St. Jean Baptiste« wurde vor Lima durch die unendlichen Zollplackereien der Spanier »drei volle Jahre« zurückbehalten. Die Führung derselben übernahm Labbo, der sie am 23. August 1773 nach Lorient zurückbrachte.

Wie wir schon früher erzählten, hatte Bougainville einen Tahitier, Namens Auturu, nach Europa mitgenommen. Als dieser den Wunsch zu erkennen gab, nach seiner Heimat zurückzukehren, sendete ihn die französische Regierung nach Isle de France mit dem Auftrage an die Verwaltungsbehörde dieser Kolonie, ihm die Rückkehr nach Tahiti thunlichst zu erleichtern.

Ein Officier der Kriegsmarine, Marion-Dufresne, ergriff begierig diese Gelegenheit, Poivre, dem Intendanten der Inseln de France und de Bourbon, vorzuschlagen, er erbiete sich, den jungen Auturu auf seine Kosten und auf einem ihm selbst gehörigen Fahrzeuge nach Tahiti zu befördern. Er bat nur darum, daß ein Schiff der Regierung ihm als Begleitung beigegeben und zu den Kosten der ersten Ausrüstung staatlicherseits ein Vorschuß geleistet werden möge.

Nikolaus Thomas Marion-Dufresne, geboren zu St. Malo am 22. December 1739, war sehr jung in die Marine eingetreten. Am 16. October 1746 zum Fregatten-Lieutenant ernannt, bekleidete er jener Zeit die Stellung eines BranderKapitäns. [270] Er hatte zwar überall mit Auszeichnung, aber nirgends mit so vielem Glücke gedient als in den Meeren Indiens.

Die Mission, zu deren Ausführung er sich erbot, benutzte er nur als Vorwand zu einer, in den oceanischen Meeren beabsichtigten Entdeckungsreise. Seine Vorschläge fanden die Billigung Poivre's, eines intelligenten und fortschrittsfreundlichen Beamten, der ihm genaue Instructionen für die Nachforschungen einhändigte, die er in der südlichen Halbkugel vorhatte. Damals war Cook's Beweis von dem Nichtvorhandensein eines südlichen Festlandes noch nicht bekannt.

Poivre wünschte nun lebhaft, die nördlichen Theile dieses Continents entdeckt zu sehen, da er sie für benachbart den französischen Besitzungen hielt und dort ein gemäßigteres Klima anzutreffen hoffte. Ebenso glaubte er, daselbst geeignetes Holz zum Schiffbau und überhaupt viele Hilfsmittel zu finden, die er jetzt mit großen Unkosten aus dem Vaterlande beziehen mußte; vielleicht existirte dort auch ein sicherer Hafen zum Schutze für die Schiffe gegen die Orkane, welche die Inseln de France und de Bourbon fast periodisch verheeren. Zufällig hatte auch der Hof eben einen Schiffslieutenant, de Kerguelen, in diese unerforschten Meere auf Entdeckungen ausgeschickt, Marion's Expedition, die einen anderen Weg als jene einschlagen sollte, konnte also der Lösung des größten Problems jener Zeit nur förderlich sein.

Am 18. October 1771 gingen die »Mascarin«, geführt von Marion und die »Marquis de Castries«, unter dem Befehl des Schiffsfähnrichs Ritter Du Clesmeur, unter Segel. Sie liefen zuerst Bourbon an und nahmen daselbst Auturu auf, der leider den Keim zu den Pocken in sich trug, den er schon auf Isle de France in sich aufgenommen hatte. Da seine Krankheit hier zum Ausbruche kam, mußte man Bourbon eiligst verlassen, um die Bevölkerung selbst nicht anzustecken. Die beiden Schiffe begaben sich also nach dem Fort Dauphin an der Küste von Madagascar, um den Verlauf der Krankheit vor der Landung am Cap abzuwarten, wo noch weiterer Proviant eingenommen werden sollte. Der junge Auturu erlag bald seinen Leiden.


Piroguen der Admiralitäts-Inseln. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Der Gedanke, nun nach Isle de France zurückzukehren, die Schiffe abzutakeln und die Fahrt aufzugeben, kam Marion gar nicht in den Sinn. Da er sich jetzt nach keiner Seite mehr beschränkt fühlte, faßte er sein eigentliches Ziel, sich durch eine kühne Reise auszuzeichnen, nur desto mehr in's Auge und wußte auch in seinen Leuten den Enthusiasmus, der ihn beseelte, anzufachen. Er steuerte also nach dem Cap der Guten Hoffnung, wo es binnen wenigen Tagen [271] gelang, den für eine Reise von achtzehn Monaten erforderlichen Proviant herbeizuschaffen.


Auch diesen wurde ein brennendes Stück Holz angeboten (S. 276.)

Von hier aus schlug man sofort eine Richtung nach den von Bouvet de Lozier im Jahre 1739 entdeckten Ländern ein, die man östlich von dem Meridian von Madagascar zu suchen hatte.

Vom 28. December 1771, an welchem Tage die Schiffe das Cap verließen, bis zum 11. Januar kam etwas Bemerkenswerthes auf der Fahrt nicht vor. Man überzeugte sich kurz vorher durch Aufnahme der Breitenposition unter [272] 20°43' östlicher Länge von Paris, daß man sich (40 bis 41° der Breite) unter der Parallele jener Inseln befinden müsse, welche in Van Keulen's Karten unter den Namen »Dina« und »Marvezen« eingetragen sind, während sie auf den französischen Karten fehlten.

Obwohl ganze Schwärme von Landvögeln die Nachbarschaft dieser Inseln zu bestätigen schienen, hielt sich Marion hier doch nicht weiter auf, um das eigentliche Ziel seiner Aufmerksamkeit, die Auffindung des südlichen Continents, nicht aus den Augen zu verlieren.

[273] Am 11. Januar, also in der Zeit des Sommers dieser Gegenden, segelte man unter 45°43' südlicher Breite, nichtsdestoweniger herrschte, bei fortwährenden Schneefällen, eine ganz empfindliche Kälte. Zwei Tage später entdeckte Marion unter dichtem Nebel, dem ein seiner Sprühregen folgte, ein Land, das sich in der Richtung Westsüdwest zu Ostnordost vier bis fünf Meilen hin ausdehnte. Die Sonde ergab bei vierundzwanzig Faden Tiefe einen grobsandigen, mit Korallen untermischten Grund. Diesem Lande folgte man, bis es hinter den Schiffen lag, das heißt, etwa sechs bis sieben Meilen weit. Es schien sehr hoch und gebirgig zu sein und erhielt den Namen »Land der Hoffnung«, eine Bezeichnung, welche Marion's Sehnsucht, einen südlichen Continent zu erreichen, deutlich genug kennzeichnet. Dieselbe Insel taufte Cook übrigens vier Jahre später »Prinz Eduards-Insel«.

Im Norden derselben lag noch ein anderes Land.

»Ich bemerkte, sagt Crozet, der Verfasser der Reisebeschreibung Marion's, als wir neben dieser Insel hinsegelten, an deren nordöstlichem Theile eine geräumige Bucht und dieser gegenüber auf dem Lande eine große Höhle. In der Umgebung der letzteren zeigte sich eine Menge weißlicher Flecken, die man aus der Ferne als von einer Schafheerde herrührend ansehen konnte. Bei genügender Zeit hätten wir gegenüber jener Höhle gewiß einen recht guten Ankerplatz gefunden. Ich glaubte daselbst auch einen von den Bergen herabstürzenden Wasserfall zu erkennen. Beim weiteren Umschiffen der Insel fanden wir auch noch drei, zu derselben gehörige Eilande, zwei davon innerhalb einer anderen tiefen Einbuchtung der Insel, das dritte an deren nördlichster Spitze. Sie erschien im Uebrigen unfruchtbar, sieben bis acht Meilen im Umfange groß, ohne Vegetation und das Ufer gefahrlos. Marion nannte sie die ›Insel der Höhle‹.«

Diese beiden Landstücke liegen unter 45°45' südlicher Breite und 34°31' östlich von Paris, einen halben Grad seitwärts von Bouvet's Kurse. Am folgenden Tage nahm man eine etwa sechs Meilen lange, mit Grün bedeckte Küstenstrecke des Landes der Hoffnung näher in Augenschein Die beschneiten Berggipfel stiegen zu ansehnlicher Höhe empor. Man beschäftigte sich eben mit der Aufsuchung eines geeigneten Ankerplatzes, als die beiden Schiffe während des Sondirens mit einander collidirten und sich gegenseitig nicht unerheblich beschädigten. Die Ausbesserung derselben nahm drei volle Tage in Anspruch. Das bis dahin ziemlich günstige Wetter schlug nun um und der Wind wurde heftiger, so daß man genöthigt war, unter dem sechsundvierzigsten Breitengrade weiterzusegeln.

[274] Am 24. Januar kam wiederum Land in Sicht.

»Zunächst schien uns dasselbe zwei Inseln zu bilden, sagt Crozet; ich entwarf davon eine Zeichnung von acht Meilen Entfernung aus gesehen; bald erkannte man diese aber als zwei Vorgebirge, welche in der Ferne durch Landmassen verbunden waren. Sie liegen übrigens unter 45°5' südlicher Breite und 42° östlicher Länge von Paris. Marion nannte sie die ›Kalten Inseln‹.

Obwohl man während der Nacht nur wenig Weg zurücklegte, konnte man dieselben am nächsten Tage doch nicht wieder auffinden. Da meldete die ›Castries‹ wieder Land in Sicht, das zehn bis zwölf Meilen im Ostsüdosten von dem Schiffe lag. Ein dichter Nebel aber, der nicht weniger als zwölf Stunden andauerte, der unaufhörliche Regen und die lebhafte, für die unzulänglich bekleidete Mannschaft sehr empfindliche Kälte verhinderten eine weitere Annäherung als auf sechs bis sieben Meilen.

Am nächsten Tage sah man diese Küste noch einmal, ebenso wie ein weiteres Land, das den Namen ›Dürre Insel‹ erhielt, heutzutage aber als ›Insel Crozet‹ bekannt ist. Endlich gelang es nun Marion, ein Boot auszusetzen, mit dem er Crozet zur Besitznahme der größeren der beiden Inseln entsendete, welche unter 46°30' südlicher Breite und 43° östlicher Länge von Paris liegt.

Marion nannte dieselbe ›Insel der Besitznahme‹. (Jetzt bezeichnet man sie als ›Insel Marion‹.) Es war das die sechste Insel, die wir in dieser südlichen Gegend entdeckten.... Ich erreichte auf derselben bald eine Anhöhe, von der aus noch Schnee an den Thalgeländen zu sehen war; der Erdboden schien ziemlich dürr und nur mit seinem, schwachem Graswuchs bedeckt.... Einen Baum oder Strauch konnte ich nirgends wahrnehmen.... Diese, der fortwährenden Einwirkung stürmischer Westwinde ausgesetzte Insel scheint, da jene wohl das ganze Jahr über vorherrschen, so gut wie unbewohnbar zu sein. Ich fand hier nur Seewölfe, Pinguine, Captauben, Tauchrenten und überhaupt alle jene Vogelarten, welchen man bei Umschiffung des Caps der Guten Hoffnung auf offenem Meere begegnet. Offenbar hatten die Thiere noch nie einen Menschen gesehen, denn sie zeigten sich so wenig scheu, daß man sie mit der Hand fangen konnte. Die Weibchen der Vögel blieben ruhig brütend auf den Eiern sitzen; andere fütterten die Jungen; die Seewölfe sprangen und spielten weiter ohne alle Furcht und als ob wir gar nicht vorhanden wären.«

Marion folgte also dem 46. und 47. Breitengrade mitten durch einen so intensiven Nebel, daß man kaum von einem Ende des Schiffes bis zum anderen[275] sehen konnte und in kurzen Zwischenräumen Kanonenschüsse abfeuern mußte, um einander nicht zu verlieren.

Am 2. Februar befanden sich die beiden Fahrzeuge unter 47°22' östlicher Länge, das heißt 1°18' von dem Lande entfernt, das die königlichen Fluten, die »Fortune« und »Gros-Ventre«, unter dem Befehle de Kerguelen's und St. Allouarn's am 13. desselben Monats entdeckten. Ohne den der »Castries« zugestoßenen Unfall hätte Marion jene gewiß hier getroffen.

Als er den 90. Grad östlich von dem Meridiane von Paris erreicht, änderte Marion seinen Kurs und steuerte auf Van-Diemens-Land zu. Die Ueberfahrt verlief ganz glücklich und die beiden Fahrzeuge gingen in der Friedrich-Heinrichs-Bai vor Anker.

Sofort wurden die Boote klar gemacht, mit denen sich eine starke Abtheilung an's Land begab, wo man etwa dreißig Eingeborne antraf, während die Umgebung, nach der Anzahl der beobachteten Feuer- oder Rauchsäulen zu urtheilen, nur schwach bevölkert sein konnte.

»Die Bewohner des Landes, sagt Crozet, zeigten sich sehr entgegenkommend; sie trugen Holz zu einer Art Scheiterhaufen zusammen. Dann boten sie den neuen Ankömmlingen je ein Stück dürres angezündetes Holz an und bedeuteten sie durch Zeichen, den Scheiterhaufen in Brand zu setzen. Ohne den Sinn dieser Ceremonie zu verstehen, that man doch ihren Willen. Die Wilden zeigten über unsere Ankunft keine besondere Verwunderung und blieben mit ihren Frauen und Kindern ohne weitere Zeichen der Freundschaft oder Feindschaft in unserer Nähe. Männer und Frauen waren von mittlerer Größe; einzelne Frauen trugen ihre Kinder mit Binsenseilen gebunden auf dem Rücken. Die Männer waren alle mit zugespitzten Stangen und einigen Steinen bewaffnet, die uns scharf wie das Eisen der Aexte zu sein schienen.

Wir versuchten sie durch kleine Geschenke zuthunlicher zu machen; sie wiesen aber Alles, was man ihnen anbot, verächtlich zurück, selbst Eisen, Spiegel, Taschentücher und Leinwandstücke. Man zeigte ihnen darauf mehrere, von den Schiffen herbeigebrachte Hühner und Enten, um begreiflich zu machen, daß man von ihnen kaufen wolle. Sie nahmen zwar die ihnen scheinbar unbekannten Thiere, schleuderten sie aber gleich zornig wieder weg.«

Schon eine Stunde lang bemühte man sich vergeblich, die Freundschaft der Wilden zu gewinnen, als Marion und Du Clesmeur ebenfalls an's Land kamen. Auch diesen wurde ein brennendes Stück Holz angeboten, und sie zündeten, [276] in der Ueberzeugung, damit einen gewünschten Freundschaftsbeweis zu geben, einen anderen kleinen Scheiterhaufen an. Damit täuschten sie sich jedoch gewaltig, denn die Wilden wichen sofort zurück und schleuderten eine Menge Steine über die Franzosen, deren zwei Commandanten selbst dabei verwundet wurden. Als Antwort feuerte man einige Flintenschüsse auf die Angreifer und schiffte sich wieder ein.

Bei Gelegenheit eines wiederholten Landungsversuches, dem sich die Wilden sehr entschlossen widersetzten, mußte man ihren Angriff durch eine Gewehrsalve beantworten, welche mehrere verwundete und einen tödtete. Darauf gingen die Leute an's Land und verfolgten die Eingebornen, die keinen ferneren Widerstand zu leisten wagten.

Jetzt wurden sofort zwei Abtheilungen beordert, die eine einen Wasserplatz zu suchen, die andere, um geeignete Bäume zum Ersatz des Mastwerkes der »Castries« ausfindig zu machen. Sechs Tage vergingen unter fruchtlosem Suchen. Für die Wissenschaft ging diese Zeit jedoch nicht nutzlos verloren, denn man machte hier viele interessante Beobachtungen.

»Aus den beträchtlichen Anhäufungen von Muschelschalen, die sich da und dort fanden, sagt Crozet, schlossen wir, daß die gewöhnliche Nahrung der Wilden aus Mies-, Stock-, Chienmuscheln und ähnlichen Salatenthieren bestehen möge.«

Erscheint es nicht auffallend, nahe Neuseeland die an den skandinavischen Küsten so gewöhnlichen Haufen von Küchenabfällen (in Dänemark »Kjökkenmöddings« genannt) wiederzufinden, denen wir auch bei dem Isthmus von Panama begegneten? Ist der Mensch nicht überall derselbe und bestimmen ihn die nämlichen Bedürfnisse nicht stets zu dem nämlichen Verfahren?

Da er sich überzeugte, daß es nur Zeitvergeudung wäre, hier nach länger nach Wasser oder nach geeignetem Holze zu suchen, um die »Castries« wieder frisch zu bemasten und den Rumpf der »Mascarin« auszubessern, der manche undichte Stellen hatte, so segelte Marion am 10. März nach Neuseeland ab, das er erst vierzehn Tage später erreichte.

Entdeckt im Jahre 1642 von Tasman und wiederbesucht von Cook und Surville im Jahre 1772, wurde dieses Land schon allgemach bekannter.

Die beiden Schiffe wollten in der Nähe des Mont Egmont landen, das Ufer war an der betreffenden Stelle aber so steil, daß Marion nach der offenen See zurückkehrte und sich dem Lande erst am 31. März unter 36°30' der Breite wieder näherte. Er hielt sich nun längs der Küste und segelte trotz [277] widriger Winde an derselben nach Norden hinauf bis zu den Drei Königs-Inseln. Auch hier gelang es ihm nicht zu landen. Er mußte also nach der Hauptinsel zurückkehren und warf nahe beim Cap Maria-Van-Diemen, dem nördlichsten Ausläufer Neuseelands, Anker. Der Meeresgrund erwies sich hier, wie man bald bemerkte, nicht günstig, Marion hielt sich deshalb auch nicht auf und unterbrach seine Fahrt, nach mehreren vergeblichen Versuchen, erst am 11. Mai in der Bai der Inseln Cook's wieder.

Auf einer dieser Inseln, wo sich Wasser und Holz vorfanden, wurden nun Zelte aufgeschlagen und die Kranken, durch eine starke Abtheilung Bewaffneter geschützt, darin untergebracht. Die Eingebornen kamen sofort an Bord, einzelne übernachteten sogar daselbst und der Tauschhandel begann, erleichtert durch ein tahitisches Wörterbuch, bald im großen Maßstabe.

»Ich bemerkte, sagt Crozet, unter den seit den ersten Tagen an Bord gekommenen Wilden zu meinem Erstaunen drei verschiedene Stämme, von denen der eine, aller Wahrscheinlichkeit nach der der wirklichen Urbewohner, weißen, in's Gelbliche, spielenden Teint hatte. Die Zugehörigen dieses Stammes sind die größten der Bewohner; ihr Körper mißt gewöhnlich 5 Fuß und 9 bis 10 Zoll, ihre Haare sind glatt und schlicht; Andere haben dunklere Hautfarbe, etwas gekräuseltes Haar und geringere Größe; die Kleinsten endlich sind wollhaarige Neger mit breit entwickelter Brust. Die erstgenannten haben sehr wenig, die Neger sehr starken Bartwuchs.«

Die Richtigkeit dieser merkwürdigen Beobachtung sollte später volle Bestätigung finden.

Es erscheint unnütz, sich hier ausführlicher über die Sitten der Neuseeländer, über ihre befestigten Dörfer, von welchen Marion eine sehr eingehende Beschreibung liefert, über Waffen, Bekleidung und Nahrung derselben zu verbreiten, diese Details sind unseren Lesern schon aus den Reisen Cook's u. A. bekannt.

Die Franzosen hatten drei Lagerposten auf dem Lande: den der Kranken auf der Insel Matuaro; einen zweiten auf der Hauptinsel, der als Sammelstelle, Niederlage und als Verbindungsglied für den Dritten, nämlich den der Zimmerleute diente, der zwei Meilen weiter, mitten im Walde errichtet war. Verlockt durch das freundschaftliche Benehmen der Wilden, unternahmen einzelne Leute von der Besatzung sehr ausgedehnte Ausflüge in das Landesinnere und hatten sich überall eines wirklich herzlichen Empfanges zu erfreuen. Dadurch [278] nahm das gute Vertrauen so sehr zu, daß Marion, trotz Crozet's Widerspruch, befahl, die an's Land gehenden Schaluppen und Boote nicht mehr zu bewaffnen. Gewiß die unverzeihlichste Unklugheit in einem Lande, wo Tasman, die erste Stelle, die er seinerzeit anlief, doch nicht ohne Ursache die »Bai der Mörder« nannte, und wo Cook Anthropophagen antraf und bald selbst umgebracht worden wäre!

Am 8. Juni ging Marion persönlich an's Land und wurde mit ganz außergewöhnlichen Freundschafts-Bezeugungen empfangen. Man rief ihn zum Oberhäuptling des Landes aus und die Eingebornen steckten ihm vier weiße Blumen als Zeichen der Souveränität in's Haar. Vier Tage später ging Marion wiederum an's Land mit zwei jungen Officieren, de Vaudricourt und Le Houx, einem Volontär, dem Rüstmeister und einigen Matrosen, zusammen siebzehn Mann.

Abends kehrte Niemand nach dem Schiffe zurück, ohne daß dies Jemand beunruhigt hätte, da man die fast aufdringliche Gastfreundschaft der Wilden kannte. Man nahm vielmehr an, Marion werde gleich auf dem Lande geschlafen haben, um am nächsten Tage den Arbeitsplatz der Zimmerleute bequemer besuchen zu können.

Am 13. Juni lief die Schaluppe der »Castries« aus, um den Tagesbedarf an Holz und Wasser zu holen. Da sah man um neun Uhr einen Mann auf die Schiffe zuschwimmen; man sandte ihm eine Jolle zu Hilfe. Es war einer der Leute aus der Schaluppe, der allein bei der Niedermetzlung seiner Kameraden entkommen war. Er hatte zwei Lanzenstiche in der Seite und versauedene Spuren erlittener Mißhandlung am Körper.

Seiner Erzählung nach erwiesen sich die Eingebornen bei Annäherung der Schaluppe ebenso freundlich wie immer und trugen sogar die Matrosen, welche sich nicht durchnässen wollten, auf den Schultern an's Ufer. Als letztere sich aber zum Einsammeln von Holz zerstreut hatten, erschienen die Eingebornen, bewaffnet mit Lanzen, Stöcken und Keulen, in großer Anzahl wieder und stürzten sich je Sechs bis Sieben auf einen Matrosen. Ihn selbst überfielen nur zwei Männer, die ihm einige Lanzenstiche beibrachten, und denen er nur deshalb glücklicher Weise entfliehen konnte, weil er sich in der Nähe des Meeres befand, wo ihn ein Gebüsch von weiterer Verfolgung schützte. Von da aus sah er die Hinmordung aller seiner Kameraden mit an. Die Wilden hatten die Leichen sofort der Kleidung beraubt denselben die Bauchhöhle aufgeschlitzt und begannen sie eben zu zerstückeln, als er geräuschlos sein Versteck verließ und in der [279] Hoffnung, sein Schiff schwimmend wieder zu erreichen, trotz Erschöpfung in's Wasser sprang.


Der war bei der Niedermetzlung seiner Kameraden entkommen. (S. 279.)

Hatten die sechzehn Mann, welche Marion begleiteten und von denen bis jetzt jede Nachricht fehlte, dasselbe Schicksal erlitten? Das war leider anzunehmen. Jedenfalls galt es jetzt, keine Minute zu verlieren und Alles aufzubieten, um die drei Posten auf dem Lande zu retten. Chevalier du Clesmeur übernahm die Ausführung der nöthigen Maßregeln, und nur seiner Energie ist es zu verdanken, daß das Unheil nicht noch größere Dimensionen annahm.


Man fand einen gerösteten Menschenkopf. (S. 283.)

Sofort wurde die Schaluppe der »Mascarin« ausge [280] rüstet und zur Aufsuchung der Schaluppe Marion's und dessen Begleitbootes ausgesendet mit dem Auftrag, alle Posten dem entferntesten, wo Masten und Raaen hergestellt wurden, zu Hilfe zu senden. Unterwegs sah man auf dem Ufer, nahe dem Dorfe Tacouri's, die beiden vermißten Boote, umringt und geplündert von Wilden, welche die Matrosen umgebracht hatten.

Ohne sich durch die Wiederwegnahme der Fahrzeuge aufzuhalten, spannte der Officier alle Kräfte seiner Leute an, nm möglichst schnell nach dem Zimmerplatze [281] zu gelangen. Dieser war zum Glück noch von einem Angriffe verschont geblieben. Natürlich wurden die Arbeiten sofort eingestellt, Werkzeuge und Waffen gesammelt, die Flinten scharf geladen und die Gegenstände, welche man nicht mitnehmen konnte, unter den Trümmern der in Brand gesetzten Baracke begraben.

Nun erfolgte der Rückzug mitten durch mehrere Haufen Wilder, die immer die unseligen Worte riefen: »Tacouri mate Marion!« (Tacouri hat Marion erschlagen!) So zog man zwei Meilen weit hin, ohne daß ein Angriff auf die aus sechzig Mann bestehende Abtheilung erfolgt wäre.

Erst als man in die Nähe der Schaluppe kam, drängten die Wilden heran. Crozet ließ nun zuerst die mit Packeten belasteten Matrosen einsteigen und machte den Wilden, indem er auf der Erde eine Linie zog, verständlich, daß Jeder, der es wagen würde, diese zu überschreiten, dem sicheren Tode entgegengehe. Dann erfolgte der Befehl zum Einsteigen, und es war gewiß ein merkwürdiges Schauspiel, die Tausende von Wilden widerspruchslos gehorchen zu sehen, trotz ihres Verlangens, sich auf eine sicher geglaubte Beute zu stürzen, die sie sich jetzt entgehen sahen.

Crozet schiffte sich zuletzt ein. Kaum hatte er den Fuß in das Boot gesetzt, als ein wüstes Kriegsgeschrei erschallte und Wurfspieße und Steine von allen Seiten herbeiflogen. Die Wilden gingen nun zu offenen Feindseligkeiten über und wateten sogar in's Wasser, um ihren Gegnern besser beizukommen. Crozet sah sich endlich gezwungen, den Bethörten das Uebergewicht seiner Waffen fühlbar zu machen, und ließ Feuer geben. Als die Neuseeländer ihre Kameraden todt oder verwundet zusammenbrechen sahen, scheinbar ohne von einer Waffe berührt worden zu sein, hielten sie stutzend inne. Sicherlich wären Alle im nächsten Umkreise getödtet worden, wenn Crozet nicht selbst dem Blutbade ein Ziel setzte.

Die Kranken wurden ohne Unfall an Bord zurückgebracht und die verstärkte und jetzt doppelt vorsichtige Wache bei denselben nicht weiter belästigt.

Am nächsten Tage versuchten die Eingebornen, die auf der Insel Matuaro ein ansehnliches Dorf besaßen, doch wieder, die Matrosen am Einholen des nöthigen Wassers und Holzes zu hindern. Diese drangen aber mit gefälltem Bajonnet auf die Wilden ein und vertrieben dieselben bis nach dem erwähnten Dorfe, wohin sie sich zurückzogen. Da vernahm man die Stimme der Häuptlinge, die sie zum Kampfe reizten. In Pistolenschußweite von dem Eingange des Dorfes eröffnete man nun das Feuer, als dessen erste Opfer die Häuptlinge [282] fielen. Darüber erschrocken, ergriffen die Eingebornen die Flucht. Man streckte noch etwa fünfzig zu Boden, jagte die Uebrigen in's Meer und legte das Dorf in Asche.

Es war natürlich nicht daran zu denken, die schönen Maste aus Cedernstämmen, deren Fällung so viele Mühe gemacht hatte, nach dem Strande zu schaffen, und man mußte sich zur Vervollständigung des Mastwerkes damit begnügen, einzelne, auf den Schiffen vorhandene Holzstücke möglichst haltbar zu vereinigen. Die Beschaffung des für die Weiterreise unumgänglichen Vorrathes von siebenhundert Tonnen Wasser und siebzig Klaftern Brennholz nahm, da man nur noch über eine einzige Schaluppe verfügte, einen vollen Monat in Anspruch.

Noch immer hatte man aber über das Schicksal Marion's und der ihn begleitenden Leute keine volle Aufklärung. Zur Erlangung einer solchen begab sich zunächst eine starke, wohl bewaffnete Abtheilung nach dem Dorfe Tacouris.

Dasselbe erwies sich verlassen. Nur einige schwächliche Greise, die ihren fliehenden Landsleuten gewiß nicht zu folgen vermochten, saßen da und dort vor den Hütten. Man versuchte sie zu fangen. Da stieß einer derselben, ohne sich lange zu besinnen, mit dem Wurfspieß, den er in der Hand hielt, nach einem Soldaten. Man bestrafte ihn dafür mit dem Tode, ließ aber die anderen unbehelligt in ihrem Dorfe. Alle Wohnungen wurden sorgfältig durchsucht. In der Küche Tacouri's fand sich ein erst vor wenig Tagen gerösteter Menschenkopf mit noch einigen Fleischresten, an denen man den Eindruck von Zähnen sah; ferner, an einem hölzernen Bratspieß befestigt, ein zu drei Viertheilen aufgezehrter Oberschenkel.

In einer anderen Hätte fand man ein Hemd, das als ein dem unglücklichen Marion gehöriges erkannt wurde. Der Halstheil desselben war ganz blutig und zeigte drei oder vier, an den Rändern ebenfalls blutbefleckte Löcher. In verschiedenen anderen Häusern entdeckte man noch einen Theil der Kleider und die Pistolen des jungen de Vaudricourt, der seinen Commandanten begleitet hatte, ferner mehrere Waffen aus dem zweiten Boote und einen Haufen Fetzen von den Jacken der unglücklichen Matrosen.

Jetzt war kein längerer Zweifel möglich. Ueber den Tod der Opfer wurde ein Protokoll aufgesetzt, und Du Clesmeur suchte sich aus Marion's Papieren über dessen weitere Reiseziele zu unterrichten, fand aber nichts als die von dem Statthalter auf Isle de France herrührenden Instructionen.

[283] Das versammelte Officiercorps entschied sich angesichts des kläglichen Zustandes der Fahrzeuge dahin, von der Aufsuchung unbekannter Länder abzusehen, erst nach den Inseln Rotterdam und Amsterdam, dann nach den Mariannen und den Philippinen zu segeln, wo man die eingenommene Ladung vor der Rückkehr nach Isle de France veräußern zu können hoffte.

Am 14. Juli verließ Du Clesmeur den von ihm sogenannten »Hafen des Verrathes« und die Schiffe steuerten nach den Inseln Amsterdam und Rotterdam zu, an denen sie, etwas nördlich von ihnen, am 6. August vorüberkamen. Glücklicher Weise begünstigte diese Fahrt das herrlichste Wetter, denn der Scorbut hatte unter den Matrosen so sehr gewüthet, daß nur noch wenige derselben dienstfähig waren.

Am 20. September wurde endlich die Insel Guaham, die größte der Mariannen, erreicht, an der man doch erst sieben Tage später vor Anker gehen konnte. Der von Crozet verfaßte Bericht enthält eine sehr schätzbare und eingehende Schilderung dieser Insel, wie ihrer Erzeugnisse und Bewohner. Wir geben hier daraus nur folgenden, ebenso kurzen wie bezeichnenden Passus wieder:

»Die Insel Guaham, heißt es, erschien uns wie ein irdisches Paradies; die Luft hier ist erquickend, das Wasser ausgezeichnet, Gemüse und Früchte sind vortrefflich, Rinder-, Ziegen- und Schweineheerden unzählbar; alle Arten Geflügel vermehren sich sehr stark.«

Unter den Erzeugnissen hebt Crozet die »Rima« besonders hervor, deren Frucht eßbar wird, wenn sie ihre volle Ausbildung erlangt hat, aber noch grün ist.

»In diesem Zustande, sagt er, ernten sie die Eingebornen zum Verspeisen; sie beseitigen die rauhe Schale und schneiden sie wie Brot in Stücke. Zum Zweck des Aufbewahrens schneiden sie daraus runde Scheiben und lassen diese, in Form sehr dünner Brotkuchen, an der Sonne oder am Feuer dörren. Dieser Naturzwieback behält seine nährende Eigenschaft mehrere Jahre lang und jedenfalls weit länger als unser bester Schiffszwieback.«

Vom Hafen von Agana aus segelte Crozet nach den Philippinen, wo er bei Cavite, in der Bai von Manilla, vor Anker ging. Hier trennten sich nun die »Castries« und die »Mascarin«, um einzeln nach Isle de France zurückzukehren. –

Einige Jahre früher schon hatte ein kühner Officier der Kriegsmarine, der Chevalier Jacques Raymond de Giron de Grenier, der wohl auch dem [284] glänzenden Siebengestirn berühmter Männer, den Chazelle, Borda, Fleurieu, Du Maitz de Grimpo, Chabert und Verdun de la Grenne zugezählt zu werden verdiente, die sich so eifrig für alle Fortschritte der Schifffahrt und Erdkunde bemühten, seine Muße während des Aufenthaltes auf Isle de France dazu benutzt, die benachbarten Meere zu durchforschen. Mit der Corvette »Heure Du Berger« unternahm er eine recht erfolgreiche Kreuzfahrt, bei der er die Positionen des Saint Brandon-Risses, der Saya de Malha-Bank berichtigte, in den Seschellen die Inseln St. Michel, Rocquepire, Agalega eingehend erforschte und die Karte der Inseln Adu und Diego Garcia verbesserte. Unter Berücksichtigung des sich gegenseitig bedingenden Verhältnisses zwischen den Meeresströmungen und den Moussons (Jahreszeit-Winden) brachte er einen kürzeren und sichereren Weg von Isle de France nach Indien in Vorschlag. Die Ersparniß an demselben sollte achthundert (See-) Meilen betragen; die Sache schien einer ernsten Untersuchung nicht unwerth.

Als der Marine-Minister bei der See-Akademie für de Grenier's Vorschlag eine günstige Stimmung fand, beschloß er die Prüfung desselben einem See-Officier zu übertragen, der mit derartigen Arbeiten vertraut war.

Seine Wahl fiel auf Yves Joseph de Kerguelen. Während der beiden, in den Jahren 1767 und 1768 zur Hebung und zum Schutze des Stockfischfanges nach den Küsten von Island unternommenen Fahrten hatte dieser Seemann Skizzen einer großen Anzahl von Häfen und Rheden aufgenommen, viele astronomische Beobachtungen gesammelt, die Karte von Island berichtigt und über das bis dahin nur wenig bekannte Land eine Fülle genauer und interessanter Beobachtungen aufgezeichnet. Ihm verdankte man die erste eingehende und verläßliche Schilderung der »Geyser«, jener Quellen heißen Wassers, welche manchmal ziemlich hoch aufsteigen, die merkwürdigen Nachrichten über das Vorkommen fossilen Holzes und damit den Beweis, daß das letzt jedes Baumwuchses entbehrende Island in vorgeschichtlicher Zeit mit ungeheuren Wäldern bedeckt gewesen sein muß.

Gleichzeitig veröffentlichte Kerguelen damals viele noch unbekannte Einzelheiten über Sitten und Gebräuche der Bewohner.

»Die Frauen, sagte er, tragen Röcke, Leibchen und Schürzen aus einem in Island selbst gefertigten und ›Wadmel‹ genannten Stoffe (noch heute in Skandinavien als ›Vadmal‹, das ist etwa: selbstgefertigter Fries, bekannt); über das Leibchen ziehen sie einen sehr weiten Rock, ähnlich dem der Jesuiten, [285] der aber nicht so weit herabreicht wie die Unterkleider, welche er noch sehen läßt. Dieser Ueberrock ist von verschiedener Farbe, meist jedoch einfach schwarz; man nennt ihn ›Hempe‹. Er wird mit Sammetband oder anderem Ausputz verziert... Ihre Haartracht gleicht einer Pyramide oder einem zwei bis drei Fuß hohen Zuckerbrote. Sie flechten sich dabei ein großes Taschentuch von grobem Leinengewebe ein, welches genügende Steifigkeit besitzt und, von einem feineren bedeckt, die oben erwähnte Form hervorbringt...«

Endlich verstand jener Officier sehr wichtige Nachrichten über Dänemark, die Lappen, die Samojeden zu sammeln und beschrieb auch die Archipele der Faröer, der Orcaden und der Shetlands-Inseln, welche er genau untersuchte.

Betraut mit der Erprobung des von Grenier vorgeschlagenen Seeweges, ging Kerguelen den Minister um die Erlaubniß an, mit dem ihm zu übergebenden Schiffe gleichzeitig die Wiederaufsuchung der von Bouvet de Lozier im Jahre 1739 entdeckten südlichen Länder versuchen zu dürfen.

Der Abbé Terray, der Nachfolger des Herzogs von Praslin, übergab ihm das Commando des Schiffes »Le Betryer«, das von Lorient Lebensmittel für vierzehn Monate, dreihundert Mann Besatzung und einige für Isle de France bestimmte Munition mitnahm. Der Abbé Rochon begleitete dabei Kerguelen, um die astronomischen Beobachtungen zu leiten.

Gleich nach seiner Ankunft bei Isle de France, am 20. August 1771, vertauschte Kerguelen die »Berryer« gegen die Flute »Fortune«, mit der noch die kleine Flute »Gros-Ventre« von sechzehn Kanonen mit hundert Mann Besatzung unter dem Befehle de Saint Allouarn's vereinigt wurde.

Sobald die beiden Schiffe segelfertig waren, fuhr Kerguelen ab und steuerte nördlich nach dem Archipel der Mahe-Inseln. Während eines wüthenden Sturmes ergaben da die Sondirungen der »Fortune« eine bedrohlich abnehmende Wassertiefe von dreißig auf neunzehn, siebzehn und vierzehn Faden. Nun ließ man einen Anker fallen, der in erwünschter Weise eingriff und auch das ganze Unwetter über aushielt.

»Der kommende Tag befreite uns endlich aus dieser unerquicklichen Lage, schreibt Kerguelen, da wir weder Land noch Felsen sahen. Die ›Gros-Ventre‹ trieb drei Meilen von uns unter dem Winde. Sie konnte gar nicht begreifen, daß ich vor Anker lag, da der rollende Donner und die flammenden Blitze das Erkennen oder Hören aller meiner Signale verhindert hatte.... Es giebt wohl in der That auch kein Beispiel dafür, daß ein Schiff während einer stürmischen[286] Nacht auf offenem Meere an einer unbekannten Bank geankert hätte. Ich machte mich wieder frei, um sondirend weiter zu treiben. Lange Zeit fand ich vierzehn, dann zwanzig, fünf- und achtundzwanzig Faden Wasser. Plötzlich verlor sich der Grund gänzlich, der Beweis, daß wir nur über einem Berggipfel schwammen. Diese neue Bank, welche ich die ›Bank der Fortune‹ nannte, erstreckt sich von Nordwest nach Südost unter 7°16' südlicher Breite und 55°50' östlicher Länge.«

Die »Fortune« und »Gros-Ventre« segelten nun bis zum fünften Breitengrade der von Chevalier de Grenier empfohlenen Route hinaus. Die beiden Befehlshaber überzeugten sich, daß die Winde zu jener Jahreszeit stets aus Osten wehten, sie erreichten die Malediven und passirten Ceylon von der Pointe de Galles bis zur Trinquemalay-Bucht. Bei der Rückkehr war der Mousson umgeschlagen. Die vorherrschenden Winde kamen, der Voraussage de Grenier's entsprechend, jetzt aus Westen und Südwesten. Der von diesem vorgeschlagene Weg bot also unzweifelhafte Vortheile. Die Erfahrung hat diese auch fernerhin so vielfach bestätigt, daß man dort überhaupt keinen anderen mehr einschlägt.

Am 8. December nach Isle de France zurückgekehrt, beschleunigte Kerguelen die Vorbereitungen zu seiner weiteren Reise derart, daß er schon am 12. Januar 1772 die Anker lichten konnte. Er steuerte geraden Weges nach Süden, denn wenn er in dieser Richtung Land entdeckte, mußte ja das nächstgelegene für die alte französische Kolonie am werthvollsten sein.

Am 1. Februar schienen zahlreiche Vogelschwärme auf die Nachbarschaft von Land hinzudeuten. Auf das eben herrschende Schneewetter folgten jetzt Hagelschauer. Man hatte gleichzeitig mit schlechtem Wetter, widrigem Winde und grober See zu kämpfen. Das erste Land kam am 12. in Sicht. Am nächsten Tage sah man ein zweites und bald darauf ein ziemlich hohes Vorgebirge. Als die Sonne am folgenden Tage Morgens um sieben Uhr die Wolken zerstreute, erkannte man deutlich eine sich auf fünfundzwanzig Meilen erstreckende Küstenlinie. Die Schiffe befanden sich da unter 49°40' südlicher Breite und 61°10' östlicher Länge.

Leider folgte jetzt nur ein Sturm auf den anderen und die Fahrzeuge hatten große Mühe, sich nicht an der Küste festhalten zu lassen. Kerguelen wurde, als er eben ein Boot zum Zwecke eines Landungsversuches abcommandirt hatte, von heftigen Strömungen weit nach Norden verschlagen.

»Als ich mich vom Lande so weit entfernt sah, berichtet Kerguelen, überlegten wir, was nun zu thun sei; in Anbetracht des Zustandes meines Mastwerkes[287] mußte ich mir sagen, daß ich nicht genügende Segel führen könne, um mich sicher von der Küste frei zu halten, an der uns, wegen Mangels einer Schaluppe zur Auslegung der Anker, die ernstlichsten Gefahren bedrohten; daß es bei der nebeligen Witterung so gut wie unmöglich sein werde, die ›Gros-Ventre‹ wieder aufzufinden, von der ich schon seit mehreren Tagen getrennt war, zumal da der Wind sehr häufig wechselte und wir einen tüchtigen Sturm abgewettert hatten... Diese Betrachtungen und dazu die Ueberzeugung, daß die ›Gros-Ventre‹ ein vortreffliches Schiff und für sieben Monate mit Lebensmitteln versehen sei, bestimmten mich, nach Isle de France zurückzukehren, wo ich am 16. März eintraf.«

Glücklicherweise war auch der »Gros-Ventre« kein Unfall zugestoßen. Ihr Boot konnte zu derselben wieder zurückgelangen. De Boisguehenneuc, der an's Land gegangen war, hatte unter Beachtung aller herkömmlichen Formalitäten von demselben Besitz genommen und ein Protokoll darüber in einer Flasche zurückgelassen, welche Kapitän Cook im Jahre 1776 wieder auffand.

Kerguelen kehrte nach Frankreich zurück, wo der Erfolg seiner Reise ihm nicht wenig Feinde erworben hatte. Ihre Gehässigkeit gegen ihn nahm nur noch mehr zu, als er am 1. Januar 1772 vom Könige zum Schiffskapitän und Ritter des heiligen Ludwig ernannt wurde. Bald verbreiteten sich die schmählichsten Verleumdungen, welche sich sogar bis zu der Beschuldigung erhoben, er habe die begleitende »Gros-Ventre« absichtlich zugrunde gehen lassen, um allein die Belohnung für jene Entdeckungen zu genießen, die er mit de Saint Allouarn gemacht hatte.

All' dieses Geschrei verhallte jedoch spurlos bei dem Minister, der Kerguelen vielmehr die Leitung einer zweiten Expedition anvertraute. Das Vollschiff »Roland« und die Fregatte »l'Oiseau« verließen Brest unter dem Befehle de Saux de Rosnevet's am 26. März 1772.

Nach dem Cap gekommen, sah Kerguelen sich genöthigt, vierzig Tage lang still zu liegen. Die ganze Mannschaft war in Folge der Feuchtigkeit des neuen Schiffes an putridem Fieber erkrankt.


Karte der Verwüstungs-Inseln. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Es erscheint das um so begründeter, heißt es in dem Berichte, weil alle trockenen Gemüse, wie Erbsen, Bohnen, Schminkbohnen und Linsen, in den Vorrathskammern des Raumes ebenso verdorben waren, wie der Reis und ein Theil des Zwiebacks; die Gemüse hatten sich im Schiffsraume fast in einen[288] [290] Misthaufen umgewandelt, der Alles verpestete; auch wimmelte es in denselben von einer Masse weißer Würmer....

Am 11. Juli verließ die »Roland« das Cap, wurde aber gleich darauf von einem furchtbaren Sturme heimgesucht, der ihr zwei Marsstengen, einen Fock, den kleinen Fockmast und den Besan kostete. Endlich erreichte man mit Nothmasten Isle de France.

An Stelle des Roches' und Poivre's, der eifrigen Beförderer der ersten Expedition, waren hier inzwischen de Ternay und der Intendant Maillard getreten. Die Letzteren schienen es sich geradezu zur Aufgabe zu machen, der Ausführung der Aufträge Kerguelen's alle nur erdenkbaren Hindernisse zu bereiten. Sie lieferten ihm z.B. weder frische Nahrungsmittel, deren die Mannschaft so nothwendig bedurfte, und suchten ihm auch das nöthige Holz vorzuenthalten, das zum Ersatz der verlorenen Maste gebraucht wurde; dazu traten sie ihm für dreiundvierzig im Hospital zurückbleibende Matrosen nur lauter bestrafte und unzuverlässige Soldaten ab, deren sie sich sehnsüchtig zu entledigen trachteten. Eine unter solchen Verhältnissen unternommene Fahrt nach den Südseeländern konnte wohl schwerlich ein gutes Ende nehmen. Leider sollte das zur traurigen Wahrheit werden!

Am 5. Januar bekam Kerguelen die schon während seiner ersten Reise entdeckten Länder wieder zu Gesicht und besuchte bis zum 16. mehrere Punkte derselben, wie die Inseln de Croy, Rounion und Roland, welche seinen Messungen nach eine Küstenausdehnung von achtzig Meilen besaßen. Die Witterung blieb stets sehr ungünstig; dichte Nebel, Schnee, Hagelschauer und heftige Windstöße wechselten mit einander ab. Am 21. konnten sich die Schiffe nur durch zeitweilig gelöste Kanonenschüsse in der nöthigen Nähe erhalten. Am nämlichen Tage wurde die Kälte so streng, daß mehrere Matrosen auf dem Verdeck bewußtlos zusammenbrachen....

»Die Officiere, so berichtet Kerguelen, erklärten, daß die bisherige tägliche Ration an Schiffszwieback unzureichend sei und die Besatzung ohne Vermehrung derselben bei diesem kalten, dunstigen Wetter nicht ausdauern könne. Ich legte also der Ration für jeden Mann täglich vier Unzen Zwieback zu.«

Am 8. Januar 1774 vereinigte sich die »Roland« wieder mit der Fregatte vor der Insel Réunion. De Rosnevet machte dabei die Mittheilung, daß er einen Ankerplatz oder eine Bucht hinter dem Cap der Franzosen gefunden und am 6. ein Boot zum Sondiren ausgesendet habe, wobei seine Leute an's Land [290] gegangen wären, von demselben Besitz ergriffen und auch mehrere Pinguine und einen Seelöwen erlegt hätten.

Aber auch diesmal hinderte Kerguelen die tiefe Erschöpfung seiner Mannschaft, die schlechte Qualität der Nahrungsmittel und der klägliche Zustand der Schiffe selbst, diesen verlassenen Archipel eingehender zu untersuchen. Er mußte leider umkehren. Statt aber nach Isle de France zurückzusegeln, steuerte er nach der Bai von Antogil bei Madagaskar. Es war ihm bekannt, daß er daselbst an Citronen, Limonien, Ananas und anderen antiscorbutischen Mitteln, ebenso wie an frischem Fleisch Ueberfluß finden werde.

Ein Abenteurer mit ziemlich merkwürdiger Lebensgeschichte, Beniowski, hatte hier zu Gunsten Frankreichs eine Niederlassung gegründet, der es freilich selbst am Nothwendigsten fehlte. Kerguelen lieferte ihm Feldlafetten, Ziegelsteine, eiserne Werkzeuge, Hemden und Decken und ließ durch seine eigenen Zimmerer ein Lebensmittel-Magazin errichten.

Fünfunddreißig Mann von der Besatzung der »Roland« waren schon mit Tode abgegangen, seit er die südlichen Länder verließ. Hätte sich Kerguelen nur noch acht Tage hier aufgehalten, so wären gewiß hundert Mann davon umgekommen.

Bei seiner Rückkehr nach Frankreich erntete Kerguelen für alle die muthig ertragenen Strapazen nichts als Haß und niedrige Verleumdung, die Erbitterung gegen ihn war so groß, daß einer seiner Officiere selbst nicht vor der Veröffentlichung einer Denkschrift zurückscheute, in der Alles vom ungünstigsten Gesichtspunkte aus angesehen und Kerguelen allein für den Mißerfolg verantwortlich gemacht wurde. Wenn Letzterer auch nicht vollkommen freizusprechen ist, so halten wir doch das kriegsgerichtliche Urtheil, das ihn seiner Stelle entsetzte und mit Gefängniß im Schlosse von Saumur bestrafte, für entschieden ungerecht. Auch die Regierung erkannte diese Verurtheilung als zu hart und mehr von persönlicher Gereiztheit als von lauterer Gerechtigkeit dictirt, denn Kerguelen erhielt schon wenige Monate später seine Freiheit wieder. Die schlimmste ihm beigemessene Beschuldigung bestand in dem angeblichen Verlassen eines Bootes in den südlichen Ländern, dessen Mannschaft nur durch die unvermuthete, zufällige Rückkehr der »Fortune« gerettet wurde. Aber auch diese Sache scheint böswillig entstellt worden zu sein, denn man kennt einen Brief eines dabei zurückgelassenen Officiers, des späteren Vice-Admirals de Rosily, in dem dieser darum ersucht, wieder unter Kerguelen's Commando dienen zu dürfen.

[291] Als Quelle für die Darstellung dieser beiden Reisen diente uns in der Hauptsache Kerguelen's eigene, während der Gefangenschaft verfaßte Vertheidigungsschrift, welche, in Folge eines von der Regierung sehr bald erlassenen Verbotes derselben, jetzt nur sehr selten vorkommt.

Wir haben nun noch diejenigen Expeditionen zu erwähnen, welche, ohne Vermehrung der bisherigen Entdeckungen, doch deshalb hochwichtig geworden sind, weil sie sowohl zur Berichtigung der Karten und zu den Fortschritten in der Schifffahrtskunde und Geographie wesentlich beitrugen, als auch vorzüglich ein lang gesuchtes Problem, die Bestimmung der geographischen Länge auf offener See, seiner Lösung entgegenführten.

Zur Lagenbestimmung eines gegebenen Punktes bedarf es der Kenntniß der Breite, das ist des nördlichen oder südlichen Abstandes vom Aequator, und der Länge, das ist seiner östlichen oder westlichen Entfernung von einem bekannten Meridiane.

Um die Position eines Schiffes zu bestimmen, besaß man jener Zeit nur das Log, das, in's Meer geworfen, die Strecke maß, welche jenes in einer halben Minute zurückgelegt hatte; darnach schätzte man auch die jedesmalige Schnelligkeit der Fahrt ab; das Log bleibt aber keineswegs ganz unbeweglich und die Schnelligkeit eines Schiffes nicht immer dieselbe. Schon hierin liegen also zwei sehr in's Gewicht fallende Fehlerquellen.

Der gesegelte Kurs wurde nach der Boussole oder dem Compaß bestimmt. Nun weiß aber Jedermann, daß der Compaß wechselnden Abweichungen unterworfen ist und ein Schiff nicht immer die von ihm angegebene Richtung wirklich steuert; es ist aber niemals leicht, den Werth dieser Abweichung richtig abzuschätzen.

Nach Erkennung dieser Mängel handelte es sich also darum, eine verläßlichere Methode zu finden.

Mit Hadley's Octanten gelang es wohl, die Breite bis auf die Minute, das heißt bis auf eine Drittelmeile, genau zu messen; man durfte aber noch gar nicht daran denken, die Länge mit ähnlicher Zuverlässigkeit bestimmen zu wollen.

Das wäre leicht gewesen, wenn es gelang, die verschiedenen Erscheinungen der Magnetnadel-Abweichung auf einfache, unveränderliche Gesetze zurückzuführen. Dazu fehlte jedoch jede Unterlage. Man wußte zwar, daß in den indischen Meeren, zwischen Bourbon, Madagaskar und Rodriguez, eine Abweichung von vier Graden in der Richtung der Magnetnadel ungefähr einen Längenunterschied von fünf Graden entsprach; dagegen war auch bekannt, daß die Declination der [292] Magnetnadel an ein und demselben Orte Veränderungen unterlag, deren Ursachen man nicht zu ergründen vermochte.

»Eine Declination von zwölf Graden, von Norden nach Westen, entsprach vor zwanzig Jahren, schrieb Verdun de la Crenne im Jahre 1778, unter einer gewissen Breite einer Länge von 61° westlich von Paris; es ist leicht möglich, daß die Declination sich seit diesen zwanzig Jahren um zwei Grad verändert hat, was einen Irrthum von zweiundeinhalb Grad oder nahezu fünfzig Seemeilen in der Länge ergäbe, den man auf Grund dieser Abweichung herausrechnen würde.«

Wenn man die Zeit auf dem Schiffe kennt, das heißt die richtige Stunde für den Meridian, auf dem sich das Schiff im Moment der Beobachtung befindet, und man kennt gleichzeitig ebenso die Tagesstunde des Hafens, von dem man abfuhr oder die eines bekannten Meridians, so ergiebt der Unterschied der Stunden auch diejenige der beiden betreffenden Meridiane, da jede Stunde Unterschied fünfzehn Längengraden entspricht. Das Problem der genauen Längenbestimmung fällt zuletzt also damit zusammen, wissen zu können, welche Zeit es über einem gegebenen Meridiane in jedem Augenblicke ist.

Hierzu erschien es als nöthig, eine Taschen- oder Wanduhr zu besitzen, welche bei jedem Zustande des Meeres und jedem Wechsel der Temperatur einen vollkommenen isochronischen Gang behielt.

Nach dieser Seite hin waren schon vielerlei Versuche angestellt worden. Im 16. Jahrhundert hatten Besson, im 17. Huyghens und später Sully, Harrison, Dutertre, Gallonde, Rivas, Le Roy und Ferdinand Berthoud die Lösung dieses Problems versucht oder arbeiteten noch an derselben.

Ueberzeugt von der Wichtigkeit eines solchen vollkommenen Instrumentes, hatten die englische und die französische Regierung hohe Belohnungen dafür ausgesetzt und auch die Akademie der Wissenschaften eröffnete ein förmliches Preisausschreiben. Im Jahre 1765 lieferte Le Roy zwei Uhren zur Prüfung ein, während der im Auftrage des Königs arbeitende Berthoud noch von der Bewerbung zurückstehen mußte. Le Roy's Uhren bestanden tadellos alle Proben, die man auf dem Lande mit ihnen anstellte. Jetzt galt es zu prüfen, ob sie sich auf dem Meere ebenso gut bewähren würden.

Zu diesem Zwecke ließ der Marquis von Courtanvaux die leichte Fregatte »l'Aurore« auf seine Kosten ausrüsten. Le Roy meinte aber selbst, daß eine Seereise, die mit Einschluß des Aufenthaltes in Calais, Dunkirchen, Rotterdam, [293] Amsterdam und Boulogne vom 25. Mai bis 29. August gedauert hatte, viel zu kurz sei, und wünschte deshalb eine zweite Probe. Nun brachte man seine Uhren auf die Fregatte »l'Enjouée«, welche von Havre abfuhr, bei Saint-Pierre, nahe Neufundland, dann bei Sale in Afrika, ferner in Cadix vor Anker ging und nach vier und einem halben Monat dauernder Seefahrt nach Brest zurückkehrte. Diese Prüfung vollzog sich also, bei wechselndem Zustande des Meeres, in sehr verschiedenen Breiten. Wenn Le Roy's Uhrenconstruction sich hierbei bewährte, so verdiente sie den Preis. Dieser wurde derselben auch zu Theil.

Die Akademie wußte indeß, daß sich noch andere Künstler mit den nämlichen Versuchen beschäftigten und aus mancherlei Gründen bei der Preisbewerbung noch nicht hatten auftreten können. Sie schrieb für dieselbe Aufgabe also im Jahre 1771 noch einmal einen Preis aus und verdoppelte diesen gar im Jahre 1773.

F. Berthoud glaubte nun alle wünschenswerthe Vollkommenheit erreicht zu haben, doch fehlte seiner Uhr noch die Erprobung auf einer weiten Reise.

In den letzten Monaten des Jahres 1768 wurde in Rochefort eine Fregatte von 18 Kanonen, die »Isis«, in Dienst gestellt, deren Führung Chevalier d'Eveux de Fleurieu, später bekannt unter dem Namen Claret de Fleurieu, übernahm. Damals noch Schiffsfähnrich, war derselbe trotz seiner dreißig Jahre doch schon ein hervorragender Gelehrter. Wir hatten schon Gelegenheit, seinen Namen zu erwähnen, und werden ihm später noch wiederholt begegnen. Damals hatte der für die Mechanik eingenommene Fleurieu sich an Berthoud's Arbeiten betheiligt; um jeden Verdacht einer Voreingenommenheit seinerseits abzulenken, übertrug er die Beobachtung der ihm anvertrauten Uhr gleichzeitig mehreren begleitenden Officieren.

Nach der Abfahrt im November 1768 ankerte die »Isis« nach und nach in Cadix, bei den Canarien, in Gorée, an den Inseln des Grünen Vorgebirges, bei Martinique, St. Domingo, Neufundland, den Canarien und Cadix, und kehrte am 31. October 1769 nach der Insel Aix zurück.

In kalten, heißen und gemäßigten Klimaten waren die Uhren jeder Temperatur ausgesetzt gewesen und hatten auch die stärkste Wellenbewegung während der rauhen Jahreszeit ausgehalten. In Folge dieser mit Ehren bestandenen Probe erhielt Berthoud ein Patent und die Stelle eines Inspectors der See-Uhren.

Die erwähnte Probefahrt lieferte aber auch noch andere, uns näher berührende Resultate. Fleurieu hatte viele astronomische Beobachtungen und [294] hydrographische Aufnahmen ausgeführt, die ihn berechtigten, auf Grund eigener Erkenntniß die gebräuchlichen Karten jener Zeit zu be-, aber auch zu verurtheilen.

»Ich habe mich lange gesträubt, schreibt er in seinem Reiseberichte, die Karten des Depots einer eingehenden Kritik zu unterziehen, und wollte mich darauf beschränken, auf die neuen Messungen hinzuweisen, nach denen jene verbessert werden könnten; ihre Fehler sind aber so zahlreich und gefährlich, daß es ein Vergehen gegen alle Seefahrer wäre, wenn ich ihnen diese wichtigen Mittheilungen vorenthielte...«

Weiter kritisirt er mit gutem Grunde die Karten eines seinerzeit sehr angesehenen Geographen.

»Ich lasse mich nicht darauf ein, sagt er, hier auf alle in Bellin's Karten gefundenen Fehler hinzuweisen, denn diese sind unzählig. Zum Beweise der Nothwendigkeit der von mir unternommenen Arbeit begnüge ich mich, nur die hervorzuheben, welche von allgemeinem Interesse sind, ob man z.B. die Lage gewisser Orte auf seinen Karten vergleicht mit der, die sie haben sollten, ›wenn Bellin die zu verschiedenen Zeiten veröffentlichten astronomischen Beobachtungen hätte benutzen wollen‹, oder die Lage anderer betrachtet, die wir erst durch eigene Messungen festgestellt haben.«

Er schließt dann mit der Aufzählung eines langen Verzeichnisses der fehlerhaften Lagenangaben der besuchtesten Küstenpunkte Europas, Afrikas und Amerikas mit folgenden bezeichnenden Worten:

»Berücksichtigt man die vielen Fehler, auf welche ich in Bellin's Karten hingewiesen habe, so fühlt man sich unwillkürlich zu einer zwar niederschlagenden, aber doch nicht zu vernachlässigenden Betrachtung gedrängt. Wenn nämlich die Karten, welche die bekanntesten Theile der Erdkugel wiedergeben und über die die meisten Beobachtungen vorhanden sind, so wenig verläßlich erscheinen, was sollen wir dann von den Karten erwarten, welche das nach sehr dehnbaren Schätzungen und oft unbegründeten Samißfolgerungen entworfene Bild wenig besuchter Inseln und Küstenstrecken darstellen?«


Porträt von de Lapérouse. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 299.)

Bisher hatte man die Uhren einzeln und durch verschiedene Beobachter prüfen lassen. Jetzt handelte es sich darum, sie gleichzeitig denselben Proben zu unterwerfen und zu sehen, welche diese siegreich bestehen würden. Zu diesem Zwecke wurde in Brest die Frregatte »la Flora« ausgerüstet und deren Commando einem ausgezeichneten Officier, Verdun de la Erenne, übertragen, der ihm Jahre 1786 zum Geschwaderchef emporstieg. Bei dieser Probefahrt wurden [295] Cadix, Madeira, die Salvagen, Teneriffa, Gorée, Martinique, Guadeloupe, Domingo, die meisten der kleinen Antillen, Saint-Pierre, Neufundland, Island, das man nur mit Mühe auffand, die Faröer, Dänemark und Dünkirchen berührt. Der von Verdun de la Crenne darüber erstattete Bericht ist, wie der Fleurieu's, überreich an Berichtigungen jeder Art. Man sieht daraus, mit welcher Sorgfalt und Regelmäßigkeit die Sondirungen wiederholt und die Küsten aufgenommen wurden. Dabei begegnet man aber auch, was dem Bericht Fleurieu's abgeht, [296] einer Schilderung der besuchtesten Länder und Betrachtungen über die Sitten und Gebräuche der verschiedenen Länder.

Unter den in zwei starken Quartbänden zerstreuten Mittheilungen verdienen besonders die über die Canarien und ihre Ureinwohner, über die Sereren und die Yolofs, über Island und den dänischen Staat ebenso Beachtung, wie Verdun's noch heute vollgiltige Bemerkungen über den Meridian der Insel Ferro.


[297]
Die Kleidung der Bewohner von Conception. [Facsimile Alter Kupferstich.] (S. 303.)

»Es ist das die Mittagslinie der westlichsten dieser Inseln, sagt er, die Ptolomäus als den ersten Meridian erwählte.... Ohne Zweifel hätte er als solchen leicht den von Alexandrien bestimmen können; der große Mann sah aber ein, daß eine solche Wahl für sein Land von keinerlei reellem Werth sein könne; Rom und noch andere Städte würden ihm gewiß diese eingebildete Ehre streitig zu machen suchen; und wenn dann gar jeder Geograph, jeder Verfasser einer Reisebeschreibung willkürlich irgend einen Meridian als den ersten angenommen hätte, so müßte das bei jedem Leser nur Verlegenheiten und die größte Verwirrung zur Folge haben...«

Man sieht, daß Verdun diese Frage von höherem Gesichtspunkte betrachtete, den alle vorurtheilsfreien Leser noch heute theilen. Es ist das ein Grund mehr, ihm unsere Sympathie zu sichern.

Wir schließen dieses Thema mit den Worten des genannten Autors: »Die Uhren bestanden die Probe sehr gut; sie hatten Hitze und Kälte, Unbewegtheit und Stöße – sowohl die vom Schiffe selbst, als es bei Antigoa strandete, wie die vom Abfeuern der Geschütze – ausgehalten; mit einem Worte, sie entsprachen den an sie gestellten Erwartungen, verdienen also das volle Vertrauen der Seefahrer und eignen sich vortrefflich zur Bestimmung der geographischen Länge auf offenem Meere.«

Die Lösung des Problems war gefunden.

[298]
2.
II.

Expedition Lapérouse's. – Die Insel St. Katharina. – Conception. – Die Sandwichs-Inseln. – Entdeckung der Küste Amerikas. – Der Hafen der Franzosen. – Verlust zweier fahrzeuge. – Montrey und die Indianer Kaliforniens. – Aufenthalt in Macao. – Cavite und Manilla. – Unterwegs nach China und Japan. – Formosa. – Die Insel Quelpaert. – Die Küste der Tatarei. – Die Bai von Ternay. – Die Tataren von Saghalien. – Die Orotchys. – Die Lapérouse-Straße. – Ball auf Kamtschatka. – Der Archipel der Schiffer. – Ermordung de Langle's und mehrerer seiner Begleiter. – Botany-Bai. – Ausbleiben aller Nachrichten von der Expedition. – d'Entrecasteaux wird zur Aufsuchung Lapérouse's entsendet. – Falsche Nachrichten. – Der Kanal d'Entrecasteaux'. – Die Küste von Neu-Caledonien. – Das Land der Arsaciden. – Die Eingebornen von Buka. – Aufenthalt im Carteret-Hafen. – Die Admiralitäts-Inseln. – Aufenthalt im Amboine. – Das Leuwin-Land. – Nuht's Land. – Aufenthalt in Tasmanien. – Festlichkeiten auf den Inseln der Freunde. – Einzelheiten von dem Besuche Lapérouse's in Tonga-Tabu. – Aufenthalt in Balade. – Spuren von der Fahrt Lapérouse's nach Neu-Caledonien. – Vanikoro. – Trauriges Ende der Expedition.


Die Reise Cook's war kaum nach dem Tode des großen Seefahrers bekannt geworden, als sich die französische Regierung bemühte, die Muße zu benutzen, welche der eben geschlossene Friede ihrer Flotte gewährte. Unter den Officieren erhob sich ein endloser Wettstreit; alle schienen neidisch auf die Erfolge zu sein, die ihre alten Rivalen, die Engländer, auf einem anderen Schauplatz errungen hatten. Die Frage, wem man das Commando einer so wichtigen Expedition anvertrauen solle, machte nur deshalb Schwierigkeiten, weil zu viele Personen vorhanden waren, deren Verdienste sie zur Anwartschaft auf ein solches Ehrenamt berechtigten.

Die Wahl des Ministeriums fiel auf Jean François Golpau de Lapérouse, der sich durch hervorragende militärische Dienste schnell zum Grade eines Schiffskapitäns emporgeschwungen hatte. Während des letzten Krieges war er beauftragt gewesen, die englischen Niederlassungen an der Hudsons-Bai zu zerstören, und entledigte sich damals dieser Mission mit gleichviel militärischem wie seemännischem Geschick, während er die Gebote der Menschlichkeit mit den Anforderungen der Nothwendigkeit glücklich zu vereinigen wußte. Als zweiter Officier ward ihm de Langle beigegeben, der ihm schon bei dem Zuge nach der Hudsons-Bai getreu und wirksam zur Seite gestanden hatte.

Auf den beiden Fregatten »Astrolabe« und »Boussole« wurde ein zahlreiches Officierscorps mit eingeschifft. Auf der letzteren befanden sich Lapérouse selbst, ferner Clonard, als Führer des Schiffes, der Ingenieur Monneron, der Geograph Bernizet, der Chirurg Rollin, der Astronom Lepaute-Dagelet von der Akademie der Wissenschaften, der Physiker Lamanon, die Zeichner Duché de [299] Vanzy und Prevost der Jüngere, der Botaniker Collignon und der Uhrmacher Guerg. Auf der »Astrolabe« fuhren, außer dem Commandanten de Langle, der Lieutenant de Monti, der während der Expedition zum Schiffskapitän avancirte, und der berühmte Monge, der sich zum Heil für die Wissenschaft am 29. August 1785 in Teneriffa wieder ausschiffte.

Die Akademie der Wissenschaften und die Gesellschaft der Medicin in Paris hatten dem Marine-Ministerium Schriftstücke überreicht, in welchen sie die Aufmerksamkeit der Reisenden nach gewissen Punkten hinzulenken suchten. Fleurieu, jener Zeit Director der Häfen und Seearsenale, endlich, hatte eigenhändig die für die Fahrt bestimmten Karten entworfen und mit einem ganzen Bande gelehrter Anmerkungen, sowie mit Auszügen der Resultate aller Reisen seit der Zeit des Columbus begleitet.

Die beiden Fahrzeuge führten eine reichliche Menge Tauschobjecte mit sich, dabei ungeheuere Vorräthe an Lebensmitteln und Effecten aller Art, sowie zwei gedeckte Boote von je zwanzig Tonnen Gehalt, zwei Biscaya'sche Schaluppen, außer Masten und Segel und Takellage zum Ersatz u.s.w.

Am 1. August 1785 gingen die beiden Fregatten unter Segel und dreizehn Tage später bei Madeira vor Anker. Die Franzosen fanden hier seitens des englischen Statthalters eine höchst zuvorkommende und freundliche Aufnahme, welche sie ungemein erfreute. Am 19. lag Lapérouse vor Teneriffa.

»Die verschiedenen Beobachtungen von Fleurieu, Verdun und Borda über die Inseln Madeira, Salvages und Teneriffa, sagt er, lassen nach keiner Seite hin zu wünschen übrig. Die von uns angestellten beziehen sich deshalb nur auf die Berichtigung unserer Instrumente...«

Dieser abgerissene Satz beweist, daß Lapérouse der Mann war, den Arbeiten seiner Vorgänger alle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, eine Annahme, die wir später noch öfters bestätigt finden werden.

Während die Astronomen die Zeit damit ausfüllten, den Gang der astronomischen Uhren zu beobachten, unternahmen die Naturforscher in Begleitung mehrerer Officiere einen Ausflug nach dem Pic (von Teneriffa) und brachte mehrere merkwürdige Pflanzen von demselben mit. Monneron gelang es auch, diesen Berggipfel mit größerer Genauigkeit zu messen, als seine Vorgänger Herberdeen, Feuillen, Bouguer, Verdun und Borda, welche dessen Höhe zu zweitausendvierhundertneun, zweitausendzweihundertdreizehn, zweitausendeinhundert, respective tausendneunhundertvier Toisen bestimmten. Leider ist diese Arbeit,[300] die aller Ungewißheit über jenen Punkt ein Ende bereitet hätte, niemals nach Frankreich gekommen.

Am 16. October kamen die Inseln oder vielmehr die Felsen von Martin-Vas in Sicht. Lapérouse bestimmte deren Lage und segelte darauf nächsten Weges nach der Insel Trinidad, die nur neun Meilen im Westen lag. In der Hoffnung, daselbst Wasser, Holz, vielleicht auch einige Nahrungsmittel zu finden, sandte der Befehlshaber der Expedition ein Boot mit einem Officier an's Land. Letzterer verhandelte mit dem portugiesischen Gouverneur, dessen Truppenmacht aus nahe zweihundert Mann bestand, von denen nur fünfzehn eine wirkliche Uniform trugen, während die Uebrigen nur in Hemden gingen. Der Platz litt aber selbst Mangel an Allem und die Franzosen mußten umkehren, ohne etwas erhalten zu haben.

Nach vergeblicher Aufsuchung der Insel Ascension steuerte die Expedition nach der Insel St. Katharina, an der Küste von Brasilien.

»Nach sechsundneunzigtägiger Seefahrt, heißt es in dem vom General Millel-Mureau veröffentlichten Berahte, hatten wir nicht einen einzigen Kranken; weder der Wechsel des Klima, noch die Regen und Nebel erschütterten die Gesundheit unserer Leute, da wir stets Nahrungsmittel von bester Qualität besaßen. Ich vernachlässigte keine der Vorsichtsmaßregeln, welche Erfahrung und Klugheit vorschrieben; so sorgten wir unter Anderem vorzüglich dafür, unsere Mannschaft in heiterer Stimmung zu erhalten, und ließen sie, wenn es die Witterung irgend erlaubte, jeden Abend von acht bis zehn Uhr auf dem Decke tanzen.

Die Insel St. Katharina – auf welche wir nach mehrere Male zurückzukommen Gelegenheit haben – erstreckt sich von 27°19' bis 27°49' südlicher Breite; ihr Durchmesser von Osten nach Westen beträgt nur zwei Meilen; von dem Festlande ist sie an der engsten Stelle nur durch einen Kanal von zweihundert Toisen Durchmesser getrennt. Am Eingang dieser engen Wasserstraße liegt die Stadt Nostra-Señora-Del-Destero, der Hauptort der Statthalterschaft, in dem auch der Gouverneur residirt; er zählt höchstens dreitausend Seelen in ungefähr vierhundert Häusern, und bietet einen recht hübschen Anblick. Nach dem Berichte Frézier's diente diese Insel im Jahre 1712 vielen Landstreichern, die sich aus verschiedenen Theilen Brasiliens hierher flüchteten, als Aufenthaltsort; diese waren Portugal nur dem Namen nach unterworfen und erkannten überhaupt keine Obrigkeit an. Der Boden der Insel ist so außerordentlich [301] fruchtbar, daß jene ohne Beistand der benachbarten Kolonien leicht Unterhalt finden konnten. Alle Schiffe, welche bei ihnen anliefen, versorgten die Bewohner auch, im Austausch gegen Lebensmittel, stets nur mit Kleidungsstücken und Hemden, die ihnen gänzlich fehlten.«

Diese Insel ist wirklich ausnehmend fruchtbar, und ihr Boden würde sich gewiß zur Cultur des Zuckerrohres eignen; die Armuth der Einwohner hindert diese aber, die nöthigen Waaren einzukaufen.

Die französischen Schiffe fanden hier Alles, was sie brauchten, und die Officiere wurden von den portugiesischen Beamten sehr wohlwollend empfangen.

»Folgende Thatsache erscheint geeignet, eine Vorstellung von der Gastfreundschaft dieses guten Volkes zu geben: in einer Bucht, wo ich Holz schlagen ließ, sagt Lapérouse, war ein Boot von der Brandung umgeworfen worden; die Einwohner, welche behilflich waren, dasselbe zu retten, zwangen fast unsere schiffbrüchigen Matrosen, sich in ihr Bett zu legen, während sie sich selbst mit Matten begnügten, die sie auf dem Boden der Zimmer ausbreiteten. Einige Tage später brachten sie Segel, Masten, Schiffshaken und die Flagge des Bootes nach meinem Schiffe, für sie lauter werthvolle Gegenstände, die ihnen für ihre Piroguen von großem Nutzen gewesen wären.«

Am 19. November lichteten die »Boussole« und »Astrolabe« die Anker und segelten in der Richtung nach dem Cap Horn ab. Nach Ueberstehung eines heftigen Sturmes, bei dem sich die Fregatten sehr gut bewährten, und nach vierzigtägiger vergeblicher Aufsuchung der von dem Franzosen François Antoine de la Roche entdeckten Insel Grande, welche Kapitän Cook Georgien taufte, passirte Lapérouse die Lemaire-Straße. Da ihn der Wind, trotz der vorgeschrittenen Jahreszeit, ungemein begünstigte, verzichtete er auf einen Besuch der Bai des Guten Erfolges und beeilte sich lieber, das Cap Horn zu umschiffen, um eine möglicher Weise eintretende Verzögerung zu vermeiden, welche seine Schiffe leicht in Gefahr bringen und die Mannschaft nutzlos anstrengen mußte.

Auch das freundliche Auftreten der Feuerländer, der Ueberfluß an Walfischen, deren Ruhe hier noch Niemand gestört hatte, wie die unzähligen Schaaren von Albatrossen und Sturmvögeln, vermochten seinen Entschluß nicht zu ändern. Das Cap Horn wurde unter günstigeren Umständen umschifft, als man hoffen zu dürfen glaubte. Schon am 9. Februar befand sich die Expedition gegenüber dem Ausgange der Magelhaens-Straße und am 24. ging sie im Hafen Conception vor Anker, dem Lapérouse wegen des drohenden Mangels an Nahrungsmitteln [302] jenem von Juan-Fernandez den Vorzug gab. Der vortreffliche Gesundheitszustand der Besatzung verwunderte den spanischen Commandanten nicht wenig. Vielleicht noch niemals war ein Fahrzeug nach Umschiffung des Cap Horn ohne Kranke nach Chili gekommen und jetzt befand sich auf beiden Fregatten nicht ein einziger.

Die im Jahre 1751 durch ein Erdbeben zerstörte Stadt hatte man am Ufer des Flusses Biobio, drei Meilen vom Strande entfernt, wieder aufgebaut. Die nur ein Stockwerk hohen Häuser gaben Conception eine ziemlich beträchtliche Ausdehnung, während es doch kaum 10.000 Einwohner zählte. Die Bai derselben ist eine der bequemsten der Welt; das ruhige Meer darin hat fast gar keine Strömung.

Dieser Theil Chilis zeichnet sich durch eine wahrhaft wunderbare Ergiebigkeit des Bodens aus. Getreide liefert hier den sechzigfachen Ertrag, der Wein gedeiht ebenso über alle Maßen und auf den Feldern tummeln sich zahllose Heerden, die sich mit erstaunlicher Schnelligkeit vermehren.

Trotz dieser günstigen Verhältnisse machte das Land doch, in Folge des jener Zeit herrschenden Prohibitiv-Systems, nicht die geringsten Fortschritte. Chili, das mit seinen Erzeugnissen halb Europa hätte ernähren, mit seiner Wolle alle Fabriken Englands und Frankreichs versehen und ungeheuere Mengen Fleisches in gesalzenem Zustand hätte verwerthen können, trieb so gut wie gar keinen Handel. Dabei erreichten auch die Einfuhrzölle eine ganz außerordentliche Höhe, weshalb das Leben daselbst ein sehr theures war. Ein Mittelstand, entsprechend unserer heutigen Bourgoisie, existirte überhaupt nicht. Die Bevölkerung zerfiel nur in zwei Classen, in Reiche und Arme, wie aus Folgendem hervorgeht:

»Die Kleidung der Frauen besteht aus einem faltigen Rocke aus jenen alten Gold- und Silberstoffen, die man ehedem in Lyon erzeugte. Diese übrigens nur bei gewissen Gelegenheiten benutzten Röcke erben wie Diamanten in den Familien fort und gehen von den Großmüttern auf die Enkelinnen über. Eine solche Kleidung können sich nur Wenige verschaffen; die Anderen wissen kaum, wie sie ihre Blöße decken sollen.«

Wir begleiten Lapérouse nicht bis in die Details seiner enthusiastischen Aufnahme und übergehen die Beschreibungen der Bälle und Toiletten, welche ihn keinen Augenblick den eigentlichen Zweck seiner Reise aus den Augen verlieren ließen. Bisher war die Expedition nur in bekannten Gegenden gesegelt, [303] welche schon manches europäische Schiff besucht hatte. Es wurde hohe Zeit, ein dankbareres Feld aufzusuchen. So lichtete man am 15. März die Anker und am 9. April liefen die beiden Fregatten nach glücklicher Seefahrt in die Cook-Bai an der Osterinsel ein.

Laporouse führt an, daß Hodges, der Maler, der den großen englischen Seehelden begleitete, die Physiognomie der Insulaner hier sehr falsch wiedergegeben habe. Sie ist im Allgemeinen nicht unangenehm, entbehrt dagegen jedes eigenthümlichen Charakters.


Eingeborne der Osterinsel. (S. 305.)

Das ist übrigens nicht der einzige Punkt, in dem der französische Seefahrer mit Kapitän Cook nicht [304] übereinstimmt. Er hält z.B. die berühmten Statuen, von denen einer seiner Maler eine interessante Abbildung lieferte, für das Werk der damals lebenden Generation, die er auf etwa zweitausend Seelen schätzte. Ihm schien der vollständige Mangel an Bäumen und, als nothwendige Folge davon, an Wasseransammlungen und Bächen von der sinnlosen Ausbeutung der Wälder seitens der früheren Bevölkerung herzurühren. So lange er hier verweilte, lief Alles ziemlich friedlich ab. Diebstähle kamen zwar häufig genug[305] vor; die Franzosen hielten sich aber, angesichts ihres kurzen Aufenthaltes, nicht für verpflichtet, der Bevölkerung der Insel richtige Begriffe über das Eigenthum beizubringen.

Von der Osterinsel aus folgte Lapérouse ungefähr demselben Wege wie Cook, als dieser von Tahiti nach der amerikanischen Küste steuerte; er hielt sich aber gegen hundert Meilen weiter im Westen. Lapérouse schmeichelte sich, in dieser wenig bekannten Partie des Pacifischen Oceans irgend eine Entdeckung machen zu können, und hatte demjenigen Matrosen, der zuerst Land sehen würde, eine Belohnung zugesichert.

Am 29. Mai erreichte man den Havaï-Archipel.

Die See-Chronometer erwiesen sich nun von größtem Vortheil bezüglich der Berichtigung jeder sonst nur abgeschätzten Entfernung. So fand Lapérouse bei der Ankunft an den Sandwichs-Inseln einen Unterschied von fünf Längengraden zwischen der abgeschätzten und der beobachteten Länge.


Schiffbruch im Hafen der Franzosen. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 310.)

Ohne jene Uhren würde er diese Inselgruppe um fünf Grade weiter nach Osten verlegt haben. Hieraus erklärt sich auch, daß die von den Spaniern, wie von Mendona, Quires und Anderen entdeckten Inseln alle der Küste Amerikas vorgeblich viel näher liegen sollten, als es in Wirklichkeit der Fall ist. Er schloß daraus auch auf das Nichtvorhandensein der von den Spaniern la Mesa, los Majos und la Dispeaciada genannten Gruppe. Man hat umsomehr Ursache, diese Gruppe für nichts Anderes als die Sandwichs-Inseln anzusehen, als Mesa in der spanischen Sprache so viel wie Tisch bedeutet und Kapitän King den von den Ureinwohnern Mauna-Loa genannten Berg mit einer Hochebene, einem »Tafel-Land« vergleicht. Auch ohne Rücksichtnahme auf diese mehr speculativen Gründe, hatte er die Stelle, wo los Majos liegen sollte, direct gekreuzt, ohne eine Spur von Land zu finden.

»Der Anblick von Mowen, sagt Lapérouse, ist wahrhaft entzückend... In herrlichen Fällen sahen wir das Wasser vom Gipfel der Berge herabstürzen und nach Bewässerung der indischen Anpflanzungen nach dem Meere hinabeilen. Die Wohnungen liegen in so großer Anzahl bei einander, daß ein einziges Dorf einen Raum von vier bis fünf Meilen einnimmt. Alle Hütten drängen sich jedoch am Gestade des Meeres zusammen, an das die Berge so nahe herantreten, daß das bewohnbare Land nur eine Tiefe von einer halben Meile zu haben scheint. Man muß selbst Seemann und in der Lage gewesen sein, sich unter diesen glühenden Himmelsstrichen mit einer Flasche Wasser täglich zu [306] begnügen, um unsere Gefühle zu verstehen. Die Bäume auf der Höhe, das saftige Grün, die Bananen in der Nähe der Ansiedlungen – Alles erfüllte uns mit unbeschreiblicher Freude; an der Küste brandete das Meer aber so heftig, daß wir, neue Tantalusse – zunächst darauf beschränkt blieben, mit den Augen zu genießen, was wir nicht im Stande waren zu erlangen.«

Kaum gingen die beiden Fregatten vor Anker, als sie von einer Menge Eingeborner in Piroguen umringt wurden, auf denen jene Schweine, Pataten, Bananen, Taro und dergleichen mehr zuführten. Sehr geschickt im Handeln, legten sie den größten Werth auf kreisförmige Stücke alten Eisens. Schon die Kenntniß des Eisens und seiner Verwendung, die sie Cook nicht verdankten, ist ein neuer Beweis für die Beziehungen, welche diese Völker ehedem mit den Spaniern unterhielten, denen jedenfalls die erste Entdeckung dieses Archipels zuzuschreiben ist.

Lapérouse fand selbst die herzlichste Aufnahme, trotz des militärischen Apparates, mit dem er sich umgeben zu müssen geglaubt hatte. Obgleich die; Franzosen die Ersten waren, welche an der Insel Mowen an's Land gingen, sah Lapérouse doch von der Besitzergreifung derselben ab.

»Das Verfahren der Europäer ist in dieser Beziehung ein wahrhaft lächerliches. Alle Denkenden können gewiß nur mit Bedauern sehen, daß Menschen, einzig deshalb, weit sie Kanonen und Bajonnete besitzen, sechzigtausend ihres Gleichen für gar nichts achten; daß sie, ohne Rücksicht auf die heiligsten Rechte, ein Land sofort als ihr Besitzthum betrachten, das dessen Bewohner mit ihrem Schweiße befruchtet haben und das seit Jahrhunderten schon die Vorfahren derselben in seinem Schooße birgt.«

Lapérouse läßt sich auf Einzelheiten über die Bewohner der Sandwichs-Inseln nicht weiter ein. Er verweilte hier nur wenige Stunden, während die Engländer vier Monate daselbst zubrachten. Er verweist hierüber einfach auf den Bericht Cook's.

Während des sehr kurzen Aufenthaltes kaufte man noch mehr als hundert Schweine, Matten, Früchte, eine Pirogue mit Auslegern, allerlei kleine Gegenstände aus Federn oder Muscheln und schöne mit rothen Federn geschmückte Mützen ein.

Lapérouse's Instructionen schrieben ihm vor, die Küste Amerikas zu untersuchen, von der ein Theil, bis zum St. Elias-Berge, höchstens mit Ausnahme des Hafens von Nootka, außer von Cook noch von Niemand eingehender erforscht [307] worden war. Er erreichte jene am 23. Juni unter der Breite von sechzig Grad und entdeckte inmitten einer langen, schneebedeckten Gebirgskette Behring's St. Eliasberg. Nachdem er der Küste eine Strecke weit gefolgt, entsendete Lapérouse drei Boote unter Führung eines seiner Officiere, de Monti mit Namen, nahe gegen das Land, wo Letzterer dabei einen geräumigen Meerbusen entdeckte, dem er seinen Namen gab. Immer segelte man nun in möglichster Nähe der Küste hin und vollendete eine Menge einzelner Aufnahmen derselben, welche in ununterbrochener Aufeinanderfolge bis zu einem bedeutenden Strome reichten, der den Namen Behring-Strom erhielt. Aller Wahrscheinlichkeit nach war das derselbe, den Cook ebenso getauft hatte.

Am 2. Juli wurde unter 58°36' der Breite und 130°31' der Länge ein Einschnitt in das Festland entdeckt, der eine prächtige Bai zu bilden schien. Sofort sendete man unter dem Befehl de Pierrevert's, de Flassan's und Boutervillier's einige Boote ab, um dieselbe näher zu untersuchen. Da der Beruht dieser Officiere sehr günstig lautete, segelte die Fregatte nach dem Eingange der Bai heran; da ward aber die »Astrolabe« von einer heftigen Strömung zurückgeworfen und die »Boussole« mußte ihr folgen. Um sechs Uhr Morgens näherten sich die Schiffe, nach einer unter Segel verbrachten Nacht, dem Eingange auf's Neue.

»Um sieben Uhr Morgens aber, heißt es in dem Bericht, als wir eben einfahren wollten, sprang der Wind nach Westnordwest und nach Nordwest ein Viertel-West um, so daß wir brassen mußten. Glücklicher Weise trug die Strömung unsere Schiffe in die Bucht hinein, wobei wir freilich vor deren Felsen an der Ostspitze kaum in halber Pistolenschußweite vorüber kamen. Im Innern der Ausbuchtung ging ich bei dreiundeinhalb Faden Wasser und felsigem Grunde eine halbe Kabellänge vom Ufer vor Anker. Die ›Astrolabe‹ hatte bei derselben Wassertiefe Anker geworfen. Während meiner dreißigjährigen Seereisen sah ich niemals zwei Schiffe in so gefahrdrohender Lage... Unsere Lage wäre nicht so besonders beunruhigend gewesen, wenn wir nicht auf einem felsigen Boden, der sich auch nach allen Seiten mehrere Kabellängen weit ausdehnte, geankert hätten, was dem Bericht Flassan's und Boutervillier's allerdings völlig widerspricht. Da war aber keine Zeit zu Ueberlegungen, es handelte sich nur darum, diesen gefährlichen Grund möglichst bald zu verlassen, wobei die kräftige Strömung nicht wenig Hindernisse bot....«

Lapérouse gelang das endlich, Dank seiner geschickten Schiffsführung.

[308] Kaum in die Bai eingelaufen, wurden die Schiffe übrigens von zahlreichen, mit Wilden bemannten Piroguen umringt. Von allen Tauschgegenständen, die man ihnen für Fische, Otter- und andere Felle anbot, gaben dieselben dem Eisen den Vorzug. Die Anzahl der Eingebornen nahm mit jedem Tage zu und wurde endlich, wenn auch nicht gefährlich, doch ziemlich unbequem.

Lapérouse hatte auf einer Insel der Bai ein Observatorium errichtet und Zelte für die Segelmacher und die Schmiede aufschlagen lassen.

Trotz der sorgfältigsten Bewachung gelang es einigen Eingebornen, welche wie Schlangen auf dem Bauche herankrochen und dabei kaum ein Blättchen in Bewegung setzten, doch, uns verschiedene Gegenstände zu stehlen. Zuletzt wurden sie so kühn, während der Nacht in das Zelt einzudringen, in dem de Lauriston und Darbaud als Wächter des Observatoriums schliefen, wobei sie eine mit Silber beschlagene Flinte und die Kleidungsstücke dieser beiden Officiere raubten, welche dieselben aus Vorsicht unter ihrem Kopfkissen verborgen hatten. Ein Wachposten von zwölf Mann bemerkte weder die Diebe, noch wachten die beiden Officiere aus dem Schlafe auf.

Die für den Aufenthalt in dem »Hafen der Franzosen« bestimmte Zeit neigte sich inzwischen zu Ende. Die Sondirungsarbeiten, Küstenaufnahmen, Plänezeichnungen und astronomischen Beobachtungen waren nahezu fertig. Vor der definitiven Abfahrt wollte Lapérouse indeß auch den Grund der Bai genau in Augenschein nehmen. Er vermuthete daselbst die Ausmündung eines größeren Flusses, der es ihm gestatten würde, in das Innere des Landes vorzudringen. Am Ende der Sackgasse, in die er sich hineinwagte, traf Lapérouse indeß nichts als ausgedehnte Gletschermassen, welche bis zum Gipfel des Berges Beau-Temps hinausreichten.

Bisher hatte die Expedition weder ein Unfall betroffen noch Krankheit bedroht.

»Wir sahen uns selbst, sagt Lapérouse, für die glücklichsten Seefahrer an, die so weit von Europa weggekommen waren, ohne einen einzigen Kranken, einen einzigen Fall von Scorbut zu haben. Gerade da sollte uns jedoch ein größeres und völlig unerwartetes Unglück treffen.«

Auf der von Monneron und Bernizet entworfenen Karte des »Hafens der Franzosen« waren nur noch die Ergebnisse der Sondirungen nachzutragen, womit mehrere Officiere betraut wurden. Unter dem Befehl d'Escures', de Marchainville's und Boutin's liefen zu diesem Zwecke drei Boote aus. Lapérouse, der [309] vorzüglich d'Escures' waghalsigen Uebereifer schon von früher her kannte, empfahl demselben noch besonders, stets mit größter Vorsicht zu Werke zu gehen und die Sondirung der Einfahrt nur dann vorzunehmen, wenn das Meer daselbst nicht heftiger brandete.

Um sechs Uhr Morgens stießen die Boote ab, allem Anschein nach mehr zu einer Spazierfahrt als zu dienstlichen Zwecken, wobei man unter lauschigen Bäumen zu jagen und zu frühstücken hoffte.

»Um zehn Uhr Vormittags, sagt Lapérouse, sah ich unser kleinstes Boot zurückkehren. Etwas erstaunt, weil ich es so zeitig nicht erwartete, fragte ich Boutin, noch bevor er an Bord stieg, ob etwas Neues vorgefallen sei. Ich befürchtete zuerst einen Ueberfall der Wilden. Boutin's Gesichtsausdruck schien mir auch nichts Gutes zu versprechen, denn seine Züge waren von Schmerz entstellt.

Er berichtete mir über einen schrecklichen Schiffbruch, dessen Zeuge er gewesen und dem er nur selbst entgangen war, weil er Ueberlegung genug behielt, gegenüber der drohenden Gefahr keinerlei Vorsichtsmaßregeln außer Acht zu lassen. Während er nämlich dem ersten Führer folgte, gerieth er mitten in die Brandung an der Einfahrt, durch welche bei der Ebbe das Wasser mit der Schnelligkeit von drei bis vier Meilen in der Stunde hinausströmte. Da fiel es ihm ein, sein Boot, um es vor dem Eindringen der Wellen zu schützen, umdrehen zu lassen, wobei ihn die Strömung immer rückwärts trieb, während er den Wogen das Vordertheil zukehrte.

Bald sah er die Brandung vor sich und befand sich also im offenen Meere, während von den anderen Booten nichts zu sehen war. Mehr auf die Rettung seiner Kameraden als auf seine eigene Bedacht nehmend, wagte er sich noch einmal in die Brandung, um vielleicht Jemand retten zu können. Trotz redlichsten Bemühens wurde er jedoch von dem Ebbestrom zurückgetrieben. Er stieg sogar auf die Schultern eines Matrosen, um eine größere Fläche übersehen zu können – vergeblich, Alles war verschlungen worden.... Boutin kehrte in der Zwischenzeit zwischen Ebbe und Fluth, bei ruhigem Wasser zurück.

Da der Seegang weniger hoch war, hegte der Officier noch immer einige Hoffnung für das biscay'sche Boot der ›Astrolabe‹, da er nur das unsrige hatte untergehen sehen. De Marchainvitte befand sich zur Zeit des Unglücks nur eine Viertelmeile von der betreffenden Stelle entfernt, in ebenso ruhigem Wasser wie in dem besten Hafen; der junge Officier eilte, getrieben durch einen etwas [310] unklugen Edelmuth, da eine Hilfeleistung unter den gegebenen Umständen ganz unmöglich war, ohne der Gefahr zu achten, dem anderen Boote nach, drang in die furchtbare Brandung ein und kam darin, ein Opfer seines Muthes und des Ungehorsams gegen die Befehle des Chefs, ebenfalls um's Leben.

Bald erschien dann de Langle bei mir an Bord, vom Schmerz ebenso überwältigt als ich selbst, und berichtete mit thränenden Augen, daß das Unglück noch weit größer wäre, als ich glaubte. Seit der Abfahrt hatte er es sich zum unverletzlichen Gesetz gemacht, die beiden Bruder La Borde-Marchainvitte und La Borde-Boutervilliers, niemals gleichzeitig zu einem Dienste zu verwenden, und nur bei dieser Gelegenheit ihrem Wunsche nachgegeben, zusammen fahren und jagen zu dürfen, denn wir Alle sahen den Ausflug der Boote mehr als eine Spazierfahrt an, bei der jene so sicher wären, wie bei schönem Wetter im Hafen von Brest.«

Sofort wurden andere Boote zur Aufsuchung der Schiffbrüchigen ausgesendet und den Eingebornen Belohnungen versprochen, wenn es ihnen gelänge, Einen oder den Anderen zu retten; mit der Rückkehr dieser Schaluppen schwand auch die letzte Hoffnung... Alle hatten einen jämmerlichen Tod gefunden.

Achtzehn Tage nach dieser Katastrophe verließen die Fregatten den »Hafen der Franzosen«. In der Mitte der Bai, auf der Insel, welche aus jener Veranlassung den Namen des »Cenotaphiums« erhielt, ließ Laporouse noch ein Denkmal zur Erinnerung an die Verunglückten errichten.

Auf demselben las man folgende Inschrift:

»Am Eingange zu diesem Hafen kamen einundzwanzig brave Seeleute um!

Wer Ihr auch seid, mischt Eure Thränen mit den unseren.«

Am Fuße des Monuments wurde eine Flasche mit dem Berichte über das traurige Ereigniß eingegraben.

Der Hafen der Franzosen, gelegen unter 58°37' nördlicher Breite und 129°50' westlicher Länge, bietet unleugbare Vortheile, freilich auch sehr bedeutende Schwierigkeiten, wozu vorzüglich die starke Strömung im Fahrwasser desselben zu zählen ist.


Frauentypus aus dem Hafen der Franzosen. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 314.)

Das Klima ist weit milder als das in der unter gleicher Breite gelegenen Hudsons-Bai; auch die Vegetation entwickelt sich hier weit üppiger. Fichten von sechs Fuß Durchmesser und hundertvierzig Fuß Höhe sind hier keine Seltenheiten; Sellerie, Sauerampher, verschiedene Bohnen, wilde Erbsen, Wegwart und Rachenblumen findet man allerwegen neben einer großen Menge Gemüsepflanzen, [311] welche zur Erhaltung der Gesundheit der Mannschaft nicht wenig beitrugen.

Das Meer lieferte Lachse, Forellen, Zwergdorsche und Schollen in Ueberfluß.


So nähern sich jene einer Heerde Hirsche. (S. 316.)

In den Wäldern der Nachbarschaft hausen braune und schwarze Bären, Luchse, Hermeline, Marder, Fehs, Eichhörnchen, Biber, Murmelthiere, Füchse, Elennthiere und Steinböcke; das kostbarste Pelzwerk stammt von den Seeottern, den Seewölfen und Seebären.

[312] »Wenn diese Gegend, sagt Lapérouse, bezüglich des Pflanzen- und Thierreiches auch nicht allein steht, so bietet sie doch gewiß einen Anblick ohne Gleichen, und ich glaube kaum, daß die tiefen Thäler der Alpen oder Pyrenäen ebenso großartige und pittoreske Bilder aufzuweisen haben; ja, sie verdiente gewiß den Besuch aller Naturfreunde, wenn sie nur nicht am äußersten Ende der Erde läge.«

Lapérouse's Aufzeichnungen über die Eingebornen verdienen gleichfalls der Vergessenheit entrissen zu werden.

[313] »In ihren Piroguen schwärmten stets Indianer um unsere Fregatten herum; sie ruderten meist zwei bis drei Stunden hier- und dorthin, bevor sie sich zum Verkaufe einiger Fische oder weniger Otternfelle entschlossen; dabei ergriffen sie jede Gelegenheit, uns zu bestehlen; jedes Stück Eisen, welches nicht gar zu sehr befestigt war, rissen sie los und suchten unsere Aufmerksamkeit auf jede Weise zu täuschen. Ich ließ die hervorragenderen Persönlichkeiten derselben zu mir an Bord kommen und überhäufte sie mit Geschenken; dieselben Leute aber, die ich mit solcher Auszeichnung behandelte, schämten sich nicht, einen Nagel oder ein altes Beinkleid zu stehlen. Wenn sie einen heiteren und freundlichen Gesichtsausdruck annahmen, konnte ich sicher sein, daß sie sich heimlich etwas angeeignet hatten, und häufig stellte ich mich absichtlich, als habe ich nichts bemerkt.«

Die Frauen spalten sich die Unterlippe in der ganzen Breite der Kinnlade; in dieser Oeffnung tragen sie eine Art henkellosen Holzknopf, der sich an das Zahnfleisch stützt und »dem die gespaltene Oberlippe an der Außenseite als Kranz dient, so daß der Theil unter dem Munde oft zwei bis drei Zoll weit hervorragt«.

Das unbeabsichtigte längere Verweilen Lapérouse's im Hafen der Franzosen verhinderte ihn, sich an anderen Punkten aufzuhalten und die übrigen Einbuchtungen der Küste näher zu untersuchen, denn er mußte auf jeden Fall im Monat Februar in China eintreffen, um im Laufe des folgenden Sommers die Küsten der Tatarei zu erforschen.

Er berührte also nur vorübergehend den Eingang zum Croß-Sund, an dessen Seiten sich hohe, schneebedeckte Berge erhoben, die Bai der Insel Cook's, das Cap Enganno, ein niedriges Land, das weit in das Meer hinausreicht und den Berg St. Hyacinthe – Cook' Berg und Cap Edgecumbe – trägt, die Einfahrt nach Norfolk, wo im nächsten Jahre der Engländer Dixon ankerte, die Häfen Necker und Guibert, das Cap Tschirikow, die Inseln de la Croyöre, die ihren Namen von dem Bruder des berühmten Geographen Delisle, dem Begleiter Tschirikow's, erhielten, die Inseln San Carlos, die Bai La Touche und das Cap Hector.

Alle hier angeführten Ländertheile sollten, nach Lapérouse's Meinung, einen großen Archipel bilden, und er ging hierin nicht fehl, denn sie gehören alle zu den Archipelen Georg's III., Prince de Galles' und der Königin Charlotte-Inseln, deren südlichsten Punkt das genannte Cap Hector bildet. Die schon vorgeschrittene Jahreszeit und die kurze, ihm noch zu Gebote stehende Frist gestatteten [314] Lapérouse nicht, diese Reihe von Ländern näher in Augenschein zu nehmen, sein Instinct täuschte ihn aber nicht, als er dieselben für eine Reihe von Inseln ansah und nicht für ein Festland, dessen einzelne Ausläufer er berührt hätte.

Von dem Cap Fleurieu aus, der äußersten Spitze einer hohen Insel, traf Laperouse auf mehrere Inselgruppen, welche er die Sartinen nannte, und segelte nun längs der Küste weiter bis zur Einfahrt von Nootka, die er am 25. August erreichte. Er besuchte hierauf einzelne Theile des Festlandes, von dem Cook sich hatte entfernt halten müssen und an dessen Stelle seine Karten eine Läcke zeigen. Die Fahrt verlief nur unter schwierigen Verhältnissen in Folge der Strömungen, welche hier sehr schnell sind und nach auf fünf Meilen vom Lande bei günstigem Winde kaum gestatten, drei Knoten in der Stunde zurückzulegen.

Am 5. September entdeckte die Expedition, etwa eine Meile vom Cap Blank entfernt, neun kleine Inseln, denen der Commandant den Namen die Necker-Inseln gab. Immer herrschte ein dicker Nebel, welcher die Schiffe manchmal zwang, sich wieder vom Lande zu entfernen, um nicht auf ein Eiland oder eine Klippe zu stoßen, deren Vorhandensein sich durch kein Anzeichen verrieth. Die schlechte Witterung hielt an bis zur Bai Monterey, wo Lapérouse zwei spanische Schiffe antraf.

In der Bai Monterey wimmelte es jener Zeit von Walfischen und das Meer erschien geradezu bedeckt von Pelikanen, die überhaupt an der ganzen Küste Kaliforniens sehr häufig vorkommen. Eine Besatzung von zweihundert Berittenen genügte hier, um eine Bevölkerung von fünfzigtausend Indianern, welche in diesem Theile Amerikas als Nomaden leben, im Zaume zu halten. Diese im Allgemeinen kleinen und schwächlichen Indianer besitzen offenbar nicht die gleiche Liebe zur Unabhängigkeit wie ihre Stammverwandten im Norden, und wußten, ebenso wie jene, von Kunst und Industrie so gut wie nichts.

»Die Eingebornen, heißt es in dem Berichte, sind sehr geschickte Bogenschützen; sie erlegten vor unseren Augen selbst die kleinsten Vögel; dabei gehen sie freilich mit einer wahrhaft unbeschreiblichen Geduld zu Werke; sie verbergen sich und schleichen auf irgend eine Weise an ihre Beute heran, auf die sie höchstens in einer Entfernung von fünfzehn Schritt schießen.

Noch wunderbarer erschien uns die Art und Weise, wie sie größeres Wild zu jagen wissen. So sahen wir z.B. einen Indianer mit einem Hirschkopfe auf dem seinigen und auf allen Vieren gehen, der das Laub abzuweiden schien und seine Rolle so ausgezeichnet spielte, daß unsere Jäger bei dreißig [315] Schritt Entfernung ihn für ein Thier gehalten und Feuer gegeben hätten, wenn sie den Zusammenhang nicht vorher kannten. So nähern sich jene einer Heerde Hirsche bis auf ganz kurze Entfernung und tödten das Wild dann mit Pfeilen.«

Lapérouse entwarf nachher eine sehr eingehende Schilderung des Presidio de Loretto und der kalifornischen Mission; diese Nachrichten von blos historischem Werthe lassen wir jedoch unberücksichtigt. In unseren Rahmen paßt eher, was er über die Fruchtbarkeit des Landes mittheilt.

»Die Ernten an Mais, Gerste, Weizen und Erbsen, sagt er, können höchstens mit denen von Chile verglichen werden, unsere Ackerbauer Europas vermögen sich gewiß gar keine Vorstellung von der Ertragsfähigkeit des Bodens zu machen; so liefert der Weizen z.B. das siebzigste bis achtzigste Korn; die Extreme schwanken zwischen sechzig und hundert.«

Am 22. September stachen die beiden Fregatten wieder in See, nachdem sie sich seitens des spanischen Statthalters und der Missionäre des besten Empfanges zu erfreuen gehabt hatten. Sie nahmen dabei reiche Vorräthe jeder Art mit, die ihnen bei der langen Ueberfahrt nach Macao von größtem Nutzen sein sollten.

Der Theil des Oceans, über den die Franzosen segelten, war nahezu unbekannt. Seit langer Zeit schon befuhren zwar die Spanier denselben, ließen aber in Folge einer höchst eifersüchtigen Politik ihre Entdeckungen und Beobachtungen in demselben nicht bekannt werden. Lapérouse beabsichtigte übrigens einen westlichen Kurs bis zum 28. Grade der Breite zu steuern, wo nach Angabe der Geographen die Insel Nuestra-Señora de la Gorta liegen sollte.

Vergeblich suchte er nach dieser während einer langen Kreuzfahrt, wobei ungünstige Winde die Geduld der Seefahrer häufig auf eine sehr harte Probe stellten.

»Unser Segel- und Takelwerk, sagt er, zeigte uns täglich, daß wir schon sechzehn volle Monate auf See waren; immer und immer wieder zerrissen verschiedene Taue, und die Segelmacher konnten kaum fertig werden, die völlig abgenutzte Leinwand wenigstens in brauchbarem Zustande zu erhalten!«

Am 5. November wurde eine kleine Insel oder vielmehr ein vereinzelter Felsen von fünfhundert Toisen Länge entdeckt, auf dem nicht ein einziger Baum wuchs, während ihn eine dicke Schicht Guano bedeckte. Er lag unter 23°34' nördlicher Breite und 166°52' westlicher Länge von Paris. Das Meer war ganz ruhig und die Nacht sehr schön. Plötzlich bemerkte man um halb ein Uhr des Nachts, kaum zwei Kabellängen vor der »Boussole«, eine Klippenreihe. Das [316] Wasser um die Schiffe machte nicht das geringste Geräusch und brandete nur an verschiedenen entfernteren Stellen. Sofort drehte man nach Backbord bei; dieses Manöver nahm aber doch einige Zeit in Anspruch und das Fahrzeug befand sich kaum noch eine Kabellänge von den Felsen, als es noch glücklich wendete.

»Wir entgingen damit der schlimmsten Gefahr, sagt Laperouse, die einen Seemann nur bedrohen kann, und ich muß meiner Mannschaft das Lob ertheilen, daß sie mir auf das Wort gehorchte und jeden Befehl auf das sorgsamste ausführte. Der kleinste Mißgriff in den Manövern, die wir vornehmen mußten, um uns von den Klippen zu entfernen, hätte ohne Zweifel den Untergang herbeigeführt.«

Da diese Untiefe noch nicht bekannt war, ließ man es sich angelegen sein, sie näher zu untersuchen, damit andere Seefahrer nicht in die nämliche Gefahr geriethen. Lapérouse entzog sich dieser Verpflichtung nicht und nannte sie dann die »Untiefe der französischen Fregatten«.

Am 14. December kamen die »Boussole« und die »Astrolabe« in Sicht der Mariannen, wo man nur auf der Vulkan-Insel Assomption an's Land ging; die Lavaströme haben hier tiefe Schluchten und Abgründe gebildet, an deren Rande einige verkrüppelte Cocosbäume stehen, mit Lianen und wenigen anderen Pflanzen dazwischen. Kaum hundert Toisen kam man in einer Stunde vorwärts. Aus- und Einschiffung gestalteten sich gleich schwierig, und die hundert Cocosnüsse, Muscheln und unbekannten Bananen, welche die Naturforscher mit zurückbrachten, wogen die Gefahren nicht auf, denen man sich deshalb ausgesetzt hatte.

Es war unmöglich, sich in diesem Archipel noch länger aufzuhalten, wenn man die Küste Chinas erreichen wollte, bevor die dort etwa befindlichen Schiffe abgingen, welche eine Uebersicht der Arbeiten der Expedition an der Küste Amerikas und einen Bericht über die Fahrt bis Macao mitnehmen sollten. Nachdem er die Lage der Basches bestimmt, ohne bei denselben zu verweilen, bekam Laporouse am 1. Januar 1787 das Gestade von China in Sicht und ankerte am folgenden Tage auf der Rhede von Macao.

Hier fand Laporouse eine kleine französische Flotte unter dem Befehle des Schiffsfähnrich de Richery, welcher beauftragt war, zum Schütze des Handels an den östlichen Küsten zu kreuzen. Die Stadt Macao ist zu bekannt, als daß wir uns mit Laporouse hier aufhalten sollten, um sie näher zu beschreiben. Die Plackereien aller Art, mit denen die Chinesen Tag für Tag die Europäer [317] belästigten, und die wiederholten Demüthigungen, denen diese in Folge eines, auf der einen Seite ebenso tyrannischen, wie auf der anderen Seite lässigen Regierungssystems ausgesetzt waren erregten den lebhaften Unwillen des französischen Befehlshabers und gaben ihm den dringenden Wunsch ein, daß einmal eine internationale Expedition jener unerträglichen Lage ein Ende bereiten möge.

Die durch die Expedition von der Küste Amerikas mitgebrachten Pelzwaaren wurden in Macao für zehntausend Piaster verkauft. Der Ertrag sollte später unter die Mannschaften vertheilt werden, und der Vorstand der dortigen schwedischen Handels-Gesellschaft übernahm es, denselben nach der Isle de France zu befördern. Den armen Leuten sollte leider nichts davon zugute kommen.

Von Macao aus begaben sich die Schiffe am 5. Februar nach Manilla, passirten die auf den Karten unrichtig eingetragenen Sandbänke von Pratas, Bulinao, Mansilog und Marivelle, und mußten im Hafen von Marivelle vor Anker gehen, um günstigere Winde oder Strömungen abzuwarten. Obwohl Marivelle von Cavite nur eine Meile unter dem Winde liegt, brauchten sie doch drei Tage, um letztgenannten Hafen zu erreichen.

»Hier fanden sich, lautet der Bericht, verschiedene Baulichkeiten vor, in denen wir unsere Segel ausbessern, Fleisch einpökeln, Boote bauen, die Naturforscher unterbringen und unsere Geographen einrichten konnten; der freundliche Commandant überließ uns sein eigenes Haus, um dasselbe als Observatorium zu benützen. Wir genossen einer so vollständigen Freiheit, als verweilten wir im eigenen Lande, und fanden auf dem Markte und in den Arsenalen alle Hilfsmittel, wie in den besten Häfen Europas.«

Cavite, die zweite Stadt der Philippinen und der Hauptort der gleichnamigen Provinz, war damals übrigens nur ein kleines Dorf, in dem sich andere Spanier als dienstthuende Officiere und Verwaltungsbeamte nicht aufhielten; doch wenn die Stadt auch nur das Bild eines Trümmerhaufens bot, so lag das doch ganz anders mit dem Hafen, wo die Fregatten alle wünschenswerthen Hilfsmittel fanden. Schon am Tage seiner Ankunft stattete Lapérouse, in Begleitung de Langle's und der ersten Officiere, dem Gouverneur einen Besuch ab, indem er sich mittelst Bootes nach Manilla begab.

»Die Umgebungen von Manilla, sagt er, sind wahrhaft reizend; ein herrlicher Fluß schlängelt sich durch dieselben hin und theilt sich in mehrere Arme, deren zwei größte nach der ungefähr sieben Meilen im Innern liegenden berühmten Lagune oder dem See von Bay hinführen. Die Ränder dieser Wasserfläche[318] schmücken über hundert Indianerdörfer, die in einer höchst fruchtbaren Landschaft verstreut liegen.

Manilla selbst, erbaut am Ufer der gleichnamigen Bai von fünfundzwanzig Meilen Umfang, liegt an der Mündung eines Flusses, der bis zu dem See hinauf, aus dem er entstammt, schiffbar ist. Vielleicht kann sich keine Stadt der Erde, der vortheilhaften Lage nach, mit dieser vergleichen. Nahrungsmittel finden sich hier in Ueberfluß und folglich zu sehr niedrigen Preisen; dagegen sind Kleidungsstücke, europäische Schmuckwaaren und Möbel auffallend theuer. Der Mangel an Gewerbefleiß, die hohen Zölle und mannigfache andere Belästigungen des Handels bringen es auch ferner mit sich, daß man die Erzeugnisse und Waaren Indiens und Chinas hier ebenso theuer bezahlen muß wie in Europa, und daß diese Kolonie, obgleich sie dem Fiscus an Zöllen jährlich achthunderttausend Piaster einbringt, Spanien jedes Jahr doch noch eine Million und fünfhunderttausend Pfund kostet, welche von Mexiko aus hierher gesendet werden. Die ungeheuren Besitzungen der Spanier in Amerika haben die Regierung offenbar verhindert, den Philippinen die nöthige Aufmerksamkeit zuzuwenden. Sie liegen noch vielfach brach und unausgenützt, während sie doch einer starken Bevölkerung Unterhalt gewähren könnten.

Ich glaube nicht zu viel zu behaupten, wenn ich sage, daß eine große Nation, die nur die Philippinen besäße und denselben eine zweckmäßige Verwaltung zu Theil werden ließe, ohne das Gefühl des Neides auf alle europäischen Niederlassungen in Afrika und Amerika blicken könnte.«

Am 9. April, nach dem Eintreffen d'Entrecasteaux' von Macao, der trotz Gegen-Moussons von Isle de France kam, und nachdem man von der Fregatte »La Subtile« Nachrichten aus der Heimat und eine Verstärkung von acht Matrosen nebst zwei Officieren, den Seefähnrich Guyet und den Marineaufseher Le Gobien, erhalten hatte, segelten die beiden Schiffe nach der Küste Chinas ab.

Am 21. bekam Lapérouse Formosa in Sicht und steuerte sofort in die Wasserstraße ein, welche jene Insel von dem Festlande trennt. Er entdeckte hier eine bisher noch unbekannte gefährliche Sandbank und nahm dieselbe ihrer, Form und Lage nach sorgfältig auf. Bald darauf kam er vor der Bai eines alten holländischen Forts, Zeland, vorüber, an der auch Taywan, die Hauptstadt der Insel, gelegen ist.

Da der ungünstige Mousson die Fahrt durch den Kanal von Formosa verhinderte, beschloß Lapérouse, im Osten der Insel hinzugehen. Er berichtigte [319] dabei die Position der Pescadoren-Inseln, einer Ansammlung von Felsen der verschiedensten Formen, untersuchte die kleine Insel Baeol-Tabaco-Nina, an der noch kein Seefahrer gelandet war, fuhr längs des Ufers von Kimu hin, das zum Königreich Likeu gehört und dessen Bewohner weder Chinesen noch Japanesen sind, sondern die Mitte zwischen beiden Völkern zu halten scheinen, und bekam auch die Inseln Hoa-Pinsu und Tiao-yu-su zu Gesicht, welche zu dem, nur aus den Briefen eines Jesuiten, des Pater Gabriel, bekannten Archipel von Likeu gerechnet werden.

Jetzt durchpflügte die Fregatte schon das ostchinesische Meer und steuerte auf den Eingang des Kanals zwischen China und Japan zu. Hier litt Lapérouse unter ebenso dichten Nebeln, wechselnden und heftigen Strömungen wie in der Nähe der Küste Labradors.

Der erste in seinem Wege gelegene interessante Punkt vor dem Eingang in den sogenannten Golf von Japan war die Insel Quelpaert, den Europäern bekannt durch den hier im Jahre 1635 stattgefundenen Schiffbruch Sparrow-Hawk's. Laporouse bestimmte zu nächst die Lage der Südspitze und nahm das Ufer derselben in einer Ausdehnung von zwölf Meilen mit größter Sorgfalt auf.

»Es ist kaum möglich, sagt er, eine Insel zu finden, die einen herrlicheren Anblick böte; in der Mitte derselben erhebt sich ein Pic von etwa dreitausend Toisen Höhe, den man schon in einer Entfernung von achtzehn bis zwanzig Meilen wahrnimmt und der ohne Zweifel den Wasserbehälter der Insel darstellt; der Boden senkt sich in sanftem Abhange bis zum Meere hinab, von dem aus die Hütten der Einwohner amphitheatralisch über einander zu liegen scheinen. Das Land ist bis zu bedeutender Höhe hinauf angebaut, mit Hilfe unserer Fernrohre erkannten wir die Begrenzungen der Felder, welche durch ihre starke Zerstückelung auf eine dichte Bevölkerung hinwiesen. Die verschiedenen Farben der cultivirten Strecken verliehen der Insel dabei ein noch reizvolleres Aussehen.

Die Bestimmungen der Länge und Breite konnten hier unter den günstigsten Umständen vorgenommen werden, was deshalb desto werthvoller erscheint, weil noch kein europäisches Schiff diese Gegend besucht hatte, welche auf unseren Weltkarten nur nach den von den Jesuiten veröffentlichten chinesischen und japanesischen Karten eingetragen war.«

Am 25. Mai liefen die Fregatten in die Meerenge von Korea ein, die sehr genau aufgenommen wurde und in der man jede halbe Stunde eine Tieflothung vornahm.


Er zeichnete die Karte der Tatarei. (S. 324.)

Da es die Umstände gestatteten, sich sehr nahe der Küste zu halten, konnte man leicht verschiedene Befestigungen wahrnehmen, die nach europäischer Art er [320] richtet waren. Am 27. entdeckte man eine Insel, welche noch auf keiner Karte verzeichnet stand und etwa zwanzig Meilen von der Küste Koreas entfernt zu hegen schien. Sie erhielt den Namen »Dapelet-Insel«. Jetzt schlug man einen Kurs nach Japan ein, dem man sich des ungünstigsten Windes wegen nur sehr langsam nähern konnte. Am 6. Juni erreichte man indeß das Cap Noto und die Insel Jootsi-Sima.

[321] »Das Cap Noto, an der Küste von Japan, sagt Laporouse, ist ein Punkt, den wir der Aufmerksamkeit der Geographen empfehlen; in Verbindung mit dem durch Kapitän King bestimmten Cap Nabo an der Ostseite ergiebt dasselbe die Breite des Reiches in seinem nördlichen Theile. Unsere Aufnahmen werden aber der Erdkunde einen noch wichtigeren Dienst leisten, denn sie lehren die Breite des tatarischen Meeres kennen, über welches ich zu segeln beschloß.«

Am 11. Juni kam Laporouse in Sicht der Küste der Tatarei; er landete genau an der Grenze zwischen Korea und der Mandschurei. Die Berge in der Nachbarschaft schienen sechs- bis siebenhundert Toisen hoch zu sein und auf ihren Gipfeln lag eine geringe Menge Schnee. Von Wohnstätten war keine Spur zu entdecken. Auf einer Küstenstrecke von vierzig Meilen begegnete die Expedition nicht einem einzigen Flusse, doch hätte man gern hier einmal Halt gemacht, um den Naturforschern und Ornithologen Gelegenheit zu geben, ihre Sammlungen zu bereichern.

»Bis zum 14. Juni verlief die Küste nach Ost ein Viertel Nord; mit 44 Grad befanden wir uns übrigens unter der Breite, wo nach Angabe der Geographen die Tessoy-Straße liegen soll, doch segelten wir um fünf Grad westlicher als die für jene Straße angegebene Länge; diese fünf Grade müssen also der Tatarei abgerechnet und dem Kanal, der dieselbe von den Inseln im Norden trennt, hinzugefügt werden.«

Seitdem die Fregatten der genannten Küste folgten, entdeckte man niemals eine Spur von Bewohntsein derselben; keine einzige Pirogue stieß vom Ufer; das Land schien trotz seines Reichthums an prächtigen Bäumen und üppiger Vegetation auch nicht einen Bewohner zu haben.

Am 23. Juni gingen die »Boussole« und die »Astrolabe« unter 45°19' nördlicher Breite und 135°9' östlicher Länge in einer Bai vor Anker.

Letztere erhielt den Namen Ternay-Bai.

»Wir brannten vor Ungeduld, schreibt Lapérouse, das Land kennen zu lernen, mit dem sich unsere Einbildungskraft seit der Abreise aus Frankreich beschäftigt hatte; es war das ja der einzige Theil der Erdkugel, der der unermüdlichen Thätigkeit des Kapitän Cook entgangen war, und wir verdanken vielleicht nur dem traurigen Ereigniß, das seinen Tagen ein Ziel setzte, den kleinen Vortheil, hier als die Ersten gelandet zu sein.

Fünf kleinere Buchten bilden den Umkreis dieser Rhede (der Ternay-Bai), die von einander durch baumbedeckte Hügel getrennt sind. Auch der schönste [322] Frühling in Frankreich vermöchte wohl nicht, einen so lebhaften und wechselvollen Farbenschmuck hervorzubringen... Vor der Absendung unserer Boote richteten wir die Fernrohre nach dem Ufer, konnten daselbst aber nichts als Hirsche und Bären wahrnehmen, welche friedlich am Strande des Meeres weideten. Dieser Anblick steigerte nur die Ungeduld meiner Leute, das Land zu betreten.... Der Erdboden selbst erschien mit den nämlichen Pflanzen bedeckt, die auch in unseren Klimaten wachsen, doch schmückte sie ein frischeres Grün und standen die meisten in voller Blüthe.

Bei jedem Schritte traf man auf Rosen, gelbe und rothe Lilien, Maiblümchen und alle unsere gewöhnlichen Wasserblumen. Fichten krönten die Gipfel der Berge; Eichen zeigten sich halbwegs von der Küste, nahmen aber an Größe und Stärke mit der Annäherung an den Strand mehr und mehr ab. Neben den Ufern der Flüsse und Bäche erhoben sich Weiden, Birken und Ahornbäume, und am Rande der ausgedehnten Wälder sah man blühende Apfel- und Azerolienbäume, nebst ganzen Dickichten von Nußbäumen, an denen sich eben die Früchte bildeten.«

Bei Gelegenheit eines zum Zwecke des Fischens unternommenen Ausfluges fanden die Franzosen auch ein tatarisches Grab. Die Neugierde spornte sie an, dasselbe zu öffnen, und sie entdeckten darin zwei nebeneinander liegende Skelette. Den Kopf derselben bedeckte ein Taffetmützchen, der Körper war in ein Bärenfell eingenäht; am Gürtel hingen verschiedene chinesische Münzen und Schmucksachen aus Kupfer. Daneben lagen auch etwa zehn silberne Armbänder, eine eiserne Axt, ein Messer und andere kleinere Gegenstände, darunter ein blaues Nankingsäckchen mit Reis.

Am 27. des Morgens verließ Lapérouse diese einsame Bai, nachdem er mehrere Münzen und eine Inschrift mit der Bezeichnung des Datums seiner Anwesenheit hinterlassen hatte.

In einiger Entfernung singen die Boote über achttausend Stockfische, die man sofort einsalzte, und brachten dabei auch eine große Menge eßbarer Muscheln mit prächtiger Perlmutterschale vom Grunde des Meeres heraus.

Nachdem er in der Suffren-Bai unter 57°51' nördlicher Breite und 137°25' östlicher Länge gerastet, entdeckte Lapérouse am 6. Juli eine Insel, welche nur Saghalien sein konnte. Die Küste derselben schien ebenso bewaldet wie die der Tatarei. Im Innern erhoben sich ansehnliche Berge, deren höchster den Namen Pic Lamanon erhielt. Da man Rauchsäulen und Hätten wahrnahm, [323] begaben sich de Langle und einige Officiere an's Land. Die Bewohner desselben waren offenbar erst vor ganz kurzer Zeit entflohen, denn die Asche auf ihren Feuerstätten war noch nicht erkaltet.

Eben als die Seefahrer sich nach Zurücklassung einiger Geschenke für die Eingebornen wieder einschiffen wollten, setzte eine Pirogue sieben Männer an's Land, welche keineswegs erschreckt schienen.

»Unter dieser Anzahl, heißt es in dem Bericht, befanden sich zwei Greise mit langem, weißem Barte, bekleidet mit einem aus Rindenstoffe hergestellten Schurz, wie sie auf Madagaskar gebräuchlich sind. Zwei von den Insulanern hatten blaue, gefütterte Nankingröcke von ganz ähnlicher Form wie die der Chinesen an. Andere trugen nur ein langes Kleid, das, mittelst eines Gürtels und mehrerer kleiner Knöpfe schließend, jede weitere Unterkleidung unnöthig machte. Ihr Kopf war fast ganz kahl und nur bei Zweien oder Dreien von einem Streifen Bärenfell umschlossen; Scheitel und Gesicht hatten sie rasirt, nur die Haare des Hinterkopfes flochten sie, aber auf andere Weise als die Chinesen, in einen acht bis zwölf Zoll langen, ›Pentsec‹ genannten Zopf zusammen. Alle trugen Stiefel von Seehundsfell mit zierlichen, nach chinesischer Mode gearbeiteten Füßen.

Ihre Waffen bestanden aus Lanzen, Bogen und eisenbeschlagenen Pfeilen. Der letzte der Insulaner, dem die Uebrigen mit allen Zeichen der Ehrerbietung begegneten, litt scheinbar schwer an den Augen. Seine Stirn bedeckte eine Art Lichtschirm zum Abhalten der grellen Sonnenstrahlen. Diese Wilden zeichneten sich durch ein ernstes, würdevolles und zutrauliches Auftreten vortheilhaft aus.«

De Langle lud sie zum folgenden Tage zu einem Zusammentreffen ein. Lapérouse und die meisten Officiere wollten dabei erscheinen. Von den Tataren erhielt man bei dieser Gelegenheit sehr wichtige Nachrichten, welche Lapérouse bestimmten, seine Fahrt weiter nach Norden auszudehnen.

»Es gelang uns, ihnen verständlich zu machen, sagt er, daß sie uns die Gestalt ihres Landes und dessen der Mandschuh beschreiben möchten. Einer der Greise erhob sich und zeichnete mit dem Ende seiner Pfeife nach Westen hin die Küste der Tatarei, welche ziemlich genau von Norden nach Süden verlief. Nach der Ostküste zu, jener gerade gegenüber, entwarf er die Grenzen seiner Insel und gab durch Auflegen mit der Hand auf die Brust zu verstehen, daß das sein Land sei. Zwischen der Tatarei und seiner Insel hatte er eine Meerenge freigelassen und deutete, auf die vom Ufer aus sichtbaren Schiffe zeigend, [324] darauf hin, daß man durch dieselbe segeln könne. Südlich von seiner Insel zeichnete er auch noch eine andere, wiederum mit einer engen und seiner Meinung nach für unsere Fahrzeuge schiffbaren Wasserstraße.

Er bewies zwar einen großen Scharfsinn, uns zu verstehen, doch immer noch weniger als ein anderer, etwa dreißigjähriger Insulaner, der, als er sah, daß die Figuren im Sande sich leicht verwischten, einen Bleistift und Papier zur Hand nahm. Er zeichnete darauf seine Insel, die er Thola nannte, und deutete auch durch einen Strich den kleinen Fluß an, an dessen Ufer wir uns befanden, und den er, von Norden nach Süden gerechnet, an die obere Grenze des unteren Drittels verlegte.

Dann entwarf er ein Bild der Mandschurei, ließ dabei ebenso wie der Greis eine Meerenge frei und fügte zu unserem Erstaunen auch den Fluß Saghalien hinzu, dessen Namen die Insulaner fast genau so wie wir aussprachen; die Mündung dieses Flusses verlegte er ein wenig südlicher von der Nordspitze seiner Insel...

Wir wünschten nun weiter zu erfahren, ob jene Meerenge ziemlich breit sei, und bemühten uns, ihm das zu erkennen zu geben; er begriff uns, und indem er beide Hände perpendiculär und parallel zwei bis drei Zoll weit nebeneinander hielt, gab er uns zu verstehen, daß er damit die Breite des kleinen Flusses bezeichne; weiter auseinanderweichend wollte er damit die Breite des Saghalien andeuten; und als er sie denn ganz weit von einander entfernte, sollte das den Durchmesser der Meerenge darstellen, die sein Land von der Tatarei schied...

De Langle und wir hielten es für wichtig genug, uns zu überzeugen, ob die Insel, neben welcher wir hinfuhren, dieselbe sei, welche die Geographen Saghalien nannten, ohne noch deren Ausdehnung nach Süden zu muthmaßen. Ich gab also Befehl, Alles bereit zu machen, um am nächsten Morgen absegeln zu können. Die uns als Ankerplatz dienende Bai erhielt den Namen ›Langle-Bai‹, zu Ehren des Kapitäns, der sie entdeckte und hier zuerst den Fuß an's Land setzte.«

In einer anderen Bucht derselben Küste, welche man Estang-Bai taufte, landeten unsere Boote in der Nähe von einem Dutzend Hütten. Diese waren größer als alle bisher gesehenen und auch in zwei Räume getheilt. Der hintere derselben enthielt den Herd und eine rund umlaufende Bank; die andere war vollständig leer und diente wahrscheinlich dazu, Fremde zu empfangen. Die [325] Frauen hatten sich beim Erblicken der Franzosen geflüchtet. Zwei derselben wurden jedoch erhascht und, während man sich Mühe gab, sie zu beruhigen, sorgsam abgezeichnet. Ihr ungewöhnlicher Gesichtsausdruck erschien doch nicht unangenehm; ihre Augen waren klein, die Lippen dick und die Oberlippe gemalt oder tätowirt.

Langle fand die männlichen Bewohner versammelt um vier, mit geräuchertem Fisch beladene Barken, die sie in's Wasser schaffen halfen. Es waren Mandschus von den Ufern des Saghalienflusses. An einer versteckten Insel gewahrte man auch einen von fünfzehn bis zwanzig, je mit einem Bärenkopfe geschmückten Pfählen umschlossenen Kreis. Man nahm früheren Erfahrungen nach mit gutem Grunde an, daß diese Trophäen bestimmt seien, die Erinnerung an einen siegreichen Kampf mit jenen Raubthieren wachzuhalten.

An dieser Küste fischte man eine große Menge Kabeljau und in der Mündung eines Flusses ungemein viel Lachse.

Nach Besichtigung der La Jonquière-Bai, warf Lapérouse in der Castries-Bucht wieder Anker. Sein Wasservorrath ging zu Ende und Holz besaß er fast gar nicht mehr. Je weiter er in den Kanal zwischen Saghalien und dem Festlande vordrang, desto seichter wurde dieser. In der Ueberzeugung, daß er die Nordspitze letztgenannter Insel nicht werde umsegeln und nur durch die, weit südlicher gelegene Sanghar-Straße wieder auf freies Wasser gelangen könne, beschloß Lapérouse in der Castries-Bai nur fünf Tage, das heißt die unbedingt nothwendige Zeit zur Vervollständigung seiner Provisionen zu verweilen.

Er errichtete also auf einer kleinen Insel ein Observatorium, während die Zimmerleute Holz fällten und die Matrosen die Wasserfässer besorgten.

»Jede Hütte der Insulaner, welche sich selbst Orotchys nennen, heißt es im Bericht, war mit einer Einrichtung zum Trocknen der Lachse versehen, die nach drei- bis viertägiger Räucherung über dem Herde der Wohnung hier auf einem Gestelle von Ruthen den Strahlen der Sonne ausgesetzt blieben; die mit dieser Operation betrauten Frauen tragen die Fische, wenn der Rauch sie durchdrungen, in's Freie, wo dieselben die Härte des Holzes annehmen.

In demselben Flusse wie wir fischten auch jene mit Netzen und kleinen Wurfspießen, und wir sahen sie mit widerlicher Gier die Schnauzen, Kiemen, kleinen Knochen und nicht selten die ganze Haut des Lachses, die sie mit großer Gewandtheit abzuziehen verstehen, gleich roh verschlingen, wenigstens saugten sie den Schleim von diesen Theilen ab, wie wir etwa eine Auster genießen. Die [326] meisten Fische gelangten nur abgehäutet nach den Wohnungen, außer wenn der Fang sehr reichlich ausfiel; dann verzehrten die Frauen mit nicht geringerer Begierde und in wahrhaft widerlicher Weise die schleimigen Theile der Fische, welche sie für die größten Leckerbissen ansehen.

Dieses Volk ist abscheulich unreinlich und riecht entsetzlich; daneben sind die Leute von sehr schwächlicher Constitution und ihr Gesichtsausdruck möglichst weit von dem entfernt, was wir unter schön verstehen. Ihre mittlere Größe erreicht kaum vier Fuß zehn Zoll; ihr Körper ist hager, die Stimme schwach und scharf, wie eine Kinderstimme. Sie haben hervorspringende Backenknochen, kleine, triefende und schief geschlitzte Augen; einen breiten Mund, abgeplattete Nase, ein kurzes, fast bartloses Kinn und olivenfarbige, von Oel und Rauch scheinbar gefirnißte Haut. Die Haare lassen sie wachsen und tragen sie etwa wie wir. Die Frauen lieben es, sie auf die Schultern herabfallen zu lassen, und die im Obigen gegebene Schilderung paßt ebenso gut auf diese wie auf die Männer, von denen man sie nur schwer unterscheiden könnte, wenn nicht eine kleine Abweichung in der Kleidung das Geschlecht verriethe. Uebrigens sind diese keinerlei schwerer Arbeit, so wie die Indianerweiber Amerikas, unterworfen, welche ihre Züge hätte entstellen können, wenn die Natur sie nur ein wenig freigebiger ausgestattet hätte.

Ihre Hauptbeschäftigung besteht nur in dem Zuschneiden und Nähen der Kleidung, der Beförderung der Fische zum Trocknen und der Sorge für die Kinder, welche sie bis zum Alter von drei bis vier Jahren säugen. Ich erstaunte nicht wenig, als ich einen Knaben von diesem Alter sah, der erst einen Bogen spannte, mit einem Pfeile recht gut schoß, einen Hund mit dem Stocke strafte und dann an die Brust seiner Mutter eilte, um daselbst die Stelle eines Kindes von fünf bis sechs Monaten einzunehmen, das auf den Knieen derselben eingeschlafen war.«

Lapérouse erhielt von den Bitchys und den Orotchys ganz ähnliche Nachrichten wie die früheren. Aus denselben ging hervor, daß das Nordende von Saghalien mit dem Festlande nur durch eine Art Sandbank zusammenhänge, auf der Strandpflanzen wuchsen, und Wasser kaum angetroffen werde. Diese übereinstimmenden Angaben mußten ihm jeden Zweifel über deren Richtigkeit benehmen, zumal da er schon jetzt in dem Kanal kaum noch sechs Faden Wasser vorfand. Er hatte also nur noch die eine Aufgabe, die Südspitze von Saghalien genau aufzunehmen, die er nur bis zur de Langle-Bai unter 47°49' kannte.

[327] Am 2. August verließen die ›Boussole‹ und die ›Astrolabe‹ die Castries-Bai, steuerten nach Süden, entdeckten nach einander die Insel Monneron, den Pic de Langle, umschifften die Südspitze Saghaliens, die man als Cap Coillon bezeichnet, und fuhren in die Meerenge zwischen Oku-Jesso, das ist die Laporouse-Straße, ein. Hier verweilte man an einem der geographisch wichtigsten Punkte, welche die Schifffahrer jener Zeit ihren Nachfolgern zu bestimmen übrig gelassen hatten. Bisher lauteten die Mittheilungen über diese Gegend fast ganz beliebig, für Sanson z.B. bildete Korea eine Insel, während Jesso, Oku-Jesso und Kamtschatka gar nicht existiren; bei G. Delisle heißen Jesso und Oku-Jesso nur eine einzige Insel in der Meerenge von Sanghar; Buache in seinen geographischen Betrachtungen sagt endlich: »Nachdem Jesso erst nach Osten, dann nach Süden, hierauf nach Westen, und endlich nach Norden verlegt worden war...«

Hier herrscht, wie man sieht, ein offenbares Chaos, dem die Arbeiten der französischen Expedition ein Ende machen sollten.

Am Cap Coillon trat Laporouse in einige Beziehungen zu den Ureinwohnern, welche er für weit schönere und gewerbthätigere, aber für minder gutmüthige Menschen erklärt als die Orotchys der Castries-Bai.

»Sie haben, sagt er, einen sehr wichtigen, in dem Kanal der Tatarei unbekannten Handelsgegenstand, dessen Austausche sie alle ihre Schätze verdanken, das ist der Walfischthran, von dem sie ungeheuere Mengen erzeugen. Dabei verfahren sie freilich wenig sparsam; ihre Methode besteht einfach darin, das Fleisch der Wale in Stücke zu schneiden und in freier Luft an abhängigen Stellen unter den Strahlen der Sonne verfaulen zu lassen. Das dabei herabfließende Oel, der Thran, wird in Gefäßen aus Baumrinde oder in Schläuchen aus Seewolfshaut aufgefangen.«

An dem Cap Aniva der Holländer vorbei, segelten die Fregatten längs der Besitzungen der Compagnie, einem dürren, baumlosen Lande ohne Einwohner, und bekamen die Kurilen in Sicht. Dann passirten sie zwischen den Inseln Marikan und der Vier Brüder hindurch und gaben dieser Wasserstraße, der schönsten zwischen den Kurilen, den Namen des Kanals der »Boudeuse«.


Typus der Orotchys. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Am 3. September erblickte man das Gestade von Kamtschatka, eine trostlose Gegend, wo das Auge nur ungern und fast mit Entsetzen auf den gewaltigen Felsmassen ruht, welche der Schnee schon Anfangs September bedeckte, und die wohl noch nie eine blühende Vegetation gesehen haben. Drei Tage später gelangte man nach der Bai von Avatscha oder St. Peter und Paul.

[328] Die Astronomen begannen sofort ihre Beobachtungen und die Naturforscher erklommen unter großen Beschwerden und Gefahren einen gegen acht Meilen im Innern gelegenen Vulkan, während die, mit Arbeiten an Bord nicht beschäftigte Mannschaft der Jagd oder dem Fischfang nachging. Der Freundlichkeit des Gouverneurs verdankte man auch mannigfache Vergnügungen.

»Er lud uns, sagt Lapérouse, zu einem Balle ein, den er zu Ehren unserer Anwesenheit allen Frauen, sowohl den Kamtschadalinnen als den Russinnen [329] von St. Peter und Paul, geben wollte. Was der dabei versammelten Gesellschaft an Zahl abging, das ersetzte doch deren Originalität. Dreizehn in Seide gekleidete Frauen, darunter zehn Kamtschadalinnen mit großen Gesichtern, kleinen Augen und platten Nasen saßen auf den Bänken rings um den Festraum. Die Kamtschadalinnen, ebenso wie die Russinnen trugen seidene Taschentücher um den Kopf, etwa wie die Mulattenweiber der französischen Kolonie... Man eröffnete den Reigen mit russischen Tänzen von ansprechender Melodie, sie ähnelten dem allgemein bekannten Kosakentanze. Darauf folgten kamtschadalische Tänze, welche freilich nur mit denen der Verzückten an dem berühmten Grabe des heiligen Medard zu vergleichen sind. Die Tänzer dieses Theils von Asien gebrauchen nur die Arme und die Schultern, die Beine selbst fast gar nicht. Durch ihre anstrengenden, fast krampfhaften Bewegungen erregen die kamtschadalischen Tänzerinnen bei dem Zuschauer eine wirklich peinliche Empfindung; dazu tragen noch mehr die Schmerzensschreie derselben bei, mit denen sie, als einzige Musik, ihre Bewegungen begleiten. Sie erschöpfen sich übrigens damit so sehr, daß sie von Schweiß triefen und auf die Erde niedersinken, ohne sich mehr erheben zu können. Die reichlichen Ausdünstungen ihrer Körper erfüllten den Raum mit einem starken Geruch nach Fischthran, an den europäische Nasen doch zu wenig gewöhnt sind, um daran Gefallen zu finden.«

Der Ball erlitt eine Unterbrechung durch die Ankunft eines Couriers aus Okotsch. Die von ihm mitgebrachten Nachrichten lauteten für Alle günstig, vorzüglich aber für Laporouse, der seine Ernennung zum Geschwaderchef erhielt.

Während ihres hiesigen Aufenthaltes fanden die Seefahrer das Grab Louis Delisle de la Croyère's wieder, eines Mitgliedes der Akademie, der auf der Rückkehr von einer, auf Befehl des Czaren unternommenen Expedition zur Aufnahme der Küsten Amerikas im Jahre 1741 in Kamtschatka verstarb. Seine Landsleute schmückten das Grab mit einer Kupferplatte mit Inschrift und erwiesen dieselbe Ehre auch dem Kapitän Clerke, dem zweiten Officier und Nachfolger Cook's.

»Die Bai von Avatscha, sagt Laporouse, ist ohne Zweifel die schönste, bequemste und sicherste, die man nur irgendwo finden kann. Bei dem nur schmalen Eingange derselben müßten alle Schiffe unter den Kanonen eines hier zu errichtenden Forts vorüber passiren; der Ankergrund ist vortrefflich, nur etwas schlammig; zwei geräumige Häfen, der eine im Osten, der andere im Westen, könnten wohl bequem alle Schiffe der Flotten Englands und Frankreichs aufnehmen.«

[330] Am 27. September 1787 gingen die »Boussole« und die »Astrolabe« wieder unter Segel. De Lesseps, der russische Viceconsul, der Lapérouse bisher begleitete, sollte über Land nach Frankreich reisen – eine lange und jener Zeit nicht gefahrlose Fahrt – um dem Hofe Nachrichten von der Expedition zu überbringen.

Jetzt strebte man danach, ein von den Spaniern im Jahre 1620 entdecktes Land wiederzufinden. Die bei den Fregatten durchkreuzten unter 37°40' einen Raum von nahezu dreihundert Meilen, ohne eine Spur desselben wahrzunehmen, passirten zum dritten Male die Linie, kamen unter der von Byron bezeichneten Position an den Inseln der Gefahr vorüber, ohne etwas von denselben zu sehen, und erreichten am 6. October den Archipel der Schifferinseln, den Bougainville einst entdeckt hatte.

Sofort umschwärmten mehrere Piroguen die beiden Schiffe. Die an Bord kommenden Eingebornen konnten Lapérouse keine hohe Vorstellung von der Schönheit dieser Insulaner erzeugen.

»Ich sah nur zwei Frauen, sagt er, deren Schönheit nicht besonders anziehend war. Die jüngere, welche man etwa achtzehn Jahre alt schätzte, hatte auf dem Bein ein ekelhaftes Geschwür. Auch viele der Männer zeigten beträchtliche wunde Stellen am Körper, wohl der Anfang der Lepra, denn ich bemerkte unter ihnen zwei Individuen, deren mit Geschwüren bedeckte und eben so dicke Beine wie der Körper selbst, an dem Charakter ihres Leidens keinen Zweifel aufkommen ließen. Sie kamen uns furchtsam und unbewaffnet entgegen, und Alles ließ erkennen, daß sie ebenso friedlicher Natur sind wie etwa die Bewohner der Gesellschafts-Inseln oder der Inseln der Freunde.«

Am 9. November ging man vor der Insel Maouna vor Anker. Der nächstfolgende Sonnenaufgang versprach einen schönen Tag. Lapérouse beschloß, denselben zu einem Besuche des Landes und zum Fassen von Wasser zu benutzen, dann aber sofort wieder abzusegeln, da der Ankergrund zu schlecht war, um hier noch eine zweite Nacht zu verweilen. Nach Anordnung aller nöthigen Vorsichtsmaßregeln betrat Lapérouse das Land an derselben Stelle, wo die Matrosen Wasser holten. Kapitän de Langle begab sich nach einer kleinen, ungefähr eine Meile von dem Wasserplatz entfernten Bucht, und »dieser Spaziergang, von dem er entzückt von der Schönheit der Gegend zurückkehrte, sollte, wie man bald sehen wird, für uns die Quelle des größten Unglücks werden«.

Am Lande entwickelte sich ein ziemlich reger Handel. Männer und Frauen brachten allerhand Gegenstände, Hühner, Sittige, Schweine und Früchte zum[331] Verkauf. Inzwischen hatte sich ein Eingeborner in eine Schaluppe geschlichen, einen hölzernen Schlägel erwischt und schlug damit ohne Grund auf einen in dem Boote sitzenden Matrosen los. Da packten ihn aber vier kräftige Jungen und warfen den Uebelthäter einfach in's Wasser.

Lapérouse begab sich, begleitet von Frauen, Kindern und Greisen, in das Innere und machte einen köstlichen Spaziergang durch eine herrliche Landschaft, welche den doppelten Vorzug der Fruchtbarkeit ohne Bodencultur und eines Klimas bot, das jede Kleidung unnöthig erscheinen ließ.

»Brotbäume, Cocospalmen, Bananen, Goyaven und Orangen lieferten dem Volke eine gesunde und reichliche Nahrung; Hühner, Schweine und Hunde, die sich von dem Ueberfluß an Früchten nährten, verliehen den gewöhnlichen Gerichten eine angenehme Abwechslung.«

Dieser erste Besuch verlief ohne ernsthaftere Streitigkeiten, wenn auch einzelne Zänkereien vorkamen, welche jedoch, Dank der klugen Zurückhaltung der vorsichtigen Franzosen, beschränkt und ohne schwerere Folgen blieben. Lapérouse hatte schon Alles zur Abfahrt angeordnet; de Langle bestand aber darauf, noch einige Boote auszusenden, um mehr Wasser zu holen.

»Er bekannte sich nämlich zu dem System Cook's und glaubte, wie dieser, daß frisches Wasser hundertmal dem vorzuziehen sei, das wir noch im Raume vorräthig hatten, und da nun einige seiner Leute Spuren von Scorbut zeigten, lag ihm gewiß mit Recht Alles daran, den Kranken jede mögliche Erleichterung zu verschaffen.«

Ein gewisses Vorgefühl hielt Lapérouse zuerst davon ab, seine Zustimmung zu geben; doch widersprach er zuletzt nicht mehr de Langle's dringenden Vorstellungen, der ihm nicht undeutlich zu verstehen gab, daß er als Commandant zuletzt doch für die Fort schritte jener Krankheit verantwortlich gemacht werden würde, daß der Landungsplatz, den er zu benutzen gedenke, sehr bequem und sicher sei und daß er (de Langle) sich selbst der Leitung der kleinen Expedition unterziehen werde, welche höchstens bis drei Uhr Nachmittags dauern könne.

»De Langle, heißt es in dem Bericht, war ein Mann von klarem Urtheil und hervorragenden Fähigkeiten, so daß seine Vorstellungen mehr als jedes Motiv mich bestimmten, ihm nachzugeben...

Am folgenden Morgen verließen also zwei Boote unter dem Befehl Boutin's und Mouton's mit allen Scorbutischen nebst sechs bewaffneten Soldaten und einem Rüstmeister die ›Astrolabe‹, um sich de Langle anzuschließen. De Lamanon, [332] Colinet, Beide selbst erkrankt, und Vaujuas als Reconvalescent begleiteten de Langle in seinem großen Boote. Le Gobien befehligte die Schaluppe. De la Martinière, Lavaux und ein Pater gehörten zu den dreiunddreißig, von der ›Boussole‹ entsendeten Personen. Alles in Allem betrug die Gesellschaft einundsechzig Mann, darunter die Elite der Expedition.

De Langle versah Alle mit Gewehren und brachte auch sechs Steinmörser in die Schaluppe. Man kann sich wohl das Erstaunen de Langle's und seiner Begleiter denken, als sie statt der geräumigen und bequemen Bucht einen von Korallen erfüllten Wassertümpel fanden, nach dem man nur durch einen gewundenen, engen Kanal mit schwerer Brandung gelangen konnte. De Langle hatte diese Bucht früher während der Fluth besucht, jetzt war auch sein erster Gedanke, lieber nach dem ersten benutzten Wasserplatze zu rudern.

Als ihn aber die Eingebornen, unter denen er viele Frauen und Kinder bemerkte, durch Zeichen gerade hierher einluden, und diese Stelle auch überreich an Früchten und Schweinen, die jene zum Verkaufe boten, zu sein schien, setzte er vertrauungsvoll die sonst stets bewahrte Klugheit aus den Augen.

Er ließ die Wasserfässer der vier Boote an's Land schaffen, was ohne Störung vor sich ging; am Ufer selbst hielten die Soldaten gute Ordnung; sie bildeten Spalier, so daß die Träger bequem hin und her gehen konnten. Die Ruhe sollte indeß nicht lange währen; mehrere Piroguen waren nach Verkauf ihrer Producte an unser Schiff zurückgekehrt und an derselben Stelle gelandet, so daß sich die jetzt beschränkte Bucht allmählich anfüllte; statt der zweihundert Bewohner, inclusive Frauen und Kinder, die de Langle anfänglich hier getroffen, sammelten sich bis gegen drei Uhr wenigstens tausendzweihundert an.

De Langle's Lage wurde von Minute zu Minute kritischer; mit Unterstützung de Baujuas', Boutin's, Collinet's und Gobien's gelang es ihm zwar, das Wasser in die Boote zu schaffen; die Bai selbst lag jetzt aber nahezu trocken, und er konnte vor vier Uhr gar nicht darauf rechnen, sein Boot abstoßen zu lassen; er bestieg jedoch seine Schaluppe und ließ auch die Anderen Platz nehmen, während er selbst ganz vorn mit der Flinte in der Hand stehen blieb, jedem Anderen aber untersagte, ohne seinen Befehl Feuer zu geben.

Sehr bald überzeugte er sich jedoch, daß er dazu gezwungen sein werde. Von verschiedenen Seiten flogen Steine auf ihn zu, und die Indianer, denen das Wasser nur bis an die Kniee reichte, umringten die Boote in kaum einer Toise Entfernung, ohne daß es den Soldaten gelang, sie weiter zurückzutreiben.

[333] Hätte de Langle nicht die Furcht, zu Feindseligkeiten Veranlassung zu geben und der Barbarei beschuldigt zu werden, abgehalten, so wäre es ihm gewiß möglich gewesen, mittelst einer Salve aus den Flinten und den Steinmörsern die Menge zu verjagen, er schmeichelte sich jedoch noch immer, dieselbe ohne Blutvergießen im Zaume halten zu können und wurde dadurch das Opfer seiner Humanität.

Bald traf ein Hagel von, aus ganz geringer Entfernung geschleuderten Steinen alle Insassen der Schaluppe. De Langle gewann kaum Zeit, zwei Gewehrschüsse abzugeben, da stürzte er leider schon über Backbord aus der Schaluppe mitten unter eine Menge Indianer, die ihn sofort mit Keulenschlägen und Steinen tödteten. Als er todt war, erfrechten sie sich sogar, ihn an einen Rudernagel der Schaluppe zu hängen, wahrscheinlich um ihn später besser ausrauben zu können.

Die Schaluppe der ›Boussole‹, unter dem Commando von Boutin, war etwa zwei Toisen von der ›Astrolabe‹ gestrandet; in dem engen Raume zwischen beiden befanden sich keine Indianer. Dadurch vermochten sich alle diejenigen Verwundeten zu retten, welche das Glück hatten, nicht nach den anderen Seiten hinauszufallen; sie erreichten unsere Pinassen, welche glücklicher Weise flott geblieben waren, und denen es gelang, neunundvierzig von den einundsechzig Leuten der Expediton in Sicherheit zu bringen.

Boutin hatte nämlich alle Bewegungen und Richtungen nachgeahmt, welche de Langle einschlug; er wagte auch selbst nicht eher Feuer zu geben, als bis er den Befehl dazu von dem Commandanten erhalten hatte. Begreiflicher Weise kostete bei der geringen Entfernung von vier bis fünf Schritt jeder Schuß einem Indianer das Leben, doch gewann man nicht die Zeit, noch einmal zu laden. Auch Boutin wurde von einem Stein getroffen, fiel aber wenigstens zwischen die beiden Boote hinein; Alle, welche sich nach den Pinassen hin gerettet hatten, bluteten übrigens jeder aus mehreren Wunden, meist am Kopfe. Diejenigen aber, welche das Unglück hatten, nach der Seite der Indianer hinauszustürzen, wurden sofort mit Keuleinschlägen ermordet.

Man verdankt nur der Klugheit de Vaujuas', der guten Ordnung, welche er herstellte, und der pünktlichen Ausführung seiner Befehle seitens Mouton's, der die Pinasse der ›Boussole‹ führte, die Rettung von neunundvierzig Köpfen der Expedition. Die Pinasse der ›Astrolabe‹ war so beladen, daß auch sie noch einmal auf Grund gerieth. Das ermunterte die Indianer, den Rückzug der [334] Verwundeten zu beunruhigen; sie begaben sich in großer Anzahl nach den Klippen am Eingang, wo die Pinassen in einer Entfernung von zehn Fuß vorüberkommen mußten, so daß man sich genöthigt sah, den Rest der Munition gegen die Rasenden zu verfeuern, um den Durchgang zu erzwingen.«

Laporouse empfand anfangs das sehr natürliche Verlangen, den Tod seiner unglücklichen Gefährten zu rächen. Boutin aber, der zwar seiner Wunden wegen im Bett liegen mußte, doch immer bei klaren Gedanken blieb, redete es ihm aus, indem er dem Commandanten zu bedenken gab, wie die Formation der Bai eine solche sei, daß, im Falle der Strandung eines Bootes, kein Franzose aus derselben werde entkommen können, wenn die Eingebornen es ernstlich wollten. Zwei Tage lang mußte Laporouse vor dem Schauplatz dieses traurigen Ereignisses kreuzen, ohne daß es ihm möglich gewesen wäre, das Verlangen seiner Leute nach Rache zu befriedigen.

»Es dürfte gewiß unglaublich erscheinen, sagt Lapérouse, daß während dieser Zeit fünf oder sechs Piroguen von der Küste mit Schweinen, Tauben und Cocosnüssen zu uns herankamen, um Tauschgeschäfte zu treiben; ich mußte allemal meinen Zorn mühsam unterdrücken, um nicht den Befehl zu geben, die Wilden zu erschießen.«

Man sieht leicht ein, daß ein Ereigniß, das den beiden Schiffen einen Theil ihrer Officiere, viele der besten Matrosen und zwei Schaluppen kostete, auf Laporouse's Pläne nicht ohne Einfluß bleiben konnte, denn jeder weitere kleine Unfall hätte ihn genöthigt, eine der Fregatten zu verbrennen, um nur die andere bemannen zu können. Er sah sich also genöthigt, direct nach Botany-Bai zu segeln, wobei er unterwegs die verschiedenen Inseln in Augenschein nahm und deren Lage astronomisch bestimmte.

Am 14. December erblickte man die Insel Oyolava, welche zu derselben Gruppe gehört und die Bougainville aus großer Entfernung gesehen hatte. An Schönheit, Ausdehnung, Fruchtbarkeit und Dichtigkeit der Bevölkerung kann sich Tahiti nicht mit derselben messen. Nach allen Seiten denen von Maouna ähnlich, umringten die Einwohner von Oyolava sehr bald die beiden Fregatten und boten den Seefahrern die vielfältigen Erzeugnisse ihrer Insel an. Allem Anscheine nach waren die Franzosen die Ersten, die Tauschhandel trieben mit diesen Stämmen, welche vom Eisen noch keinerlei Kenntniß hatten, denn sie zogen eine einzige werthlose Glasperle einer Axt oder einem sechs Zoll langen Nagel beiweitem vor.


Porträt von d'Entrecasteaux. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 340.)

Von den Frauen zeigten einige eine gar nicht unangenehme [335] Physiognomie und schlanken Wuchs; auch in ihren Blicken und Gesten verrieth sich eine gewisse Milde, während das Aussehen der Männer mehr auf Hinterlist und Wildheit schließen ließ.


Vier Eingeborne waren beschäftigt, drei kleine Feuer zu unterhalten. (S. 342.)

Die Insel Pola, an der die Expedition am 17. December vorüberkam, gehört ebenfalls noch zu den Schifferinseln. Anscheinend war die Nachricht von der Ermordung der Franzosen schon hierher gedrungen, denn es wagte sich keine Pirogue vom Ufer in die Nähe der Schiffe. Am 20. December sah man die Cocos- und Schouten's Verräther-Inseln. Die letztere trennt ein Kanal in zwei [336] Hälften, dessen Vorhandensein auch jetzt Niemand bemerkt hätte, wenn die Fahrzeuge nicht sehr nahe an der Insel gesegelt wären. Einige zwanzig Piroguen brachten nach den Schiffen die schönsten Cocosnüsse, die Lapérouse jemals gesehen hatte, außerdem einige Bananen, Yamswurzeln und ein einziges kleines Schwein.

Die Cocos- und Verräther-Inseln, um 1°13' zu weit nach Westen verlegt und von ihm als Boscaven und Keppel bezeichnet, können gleichfalls dem Schifferarchipel zugerechnet werden. Lapérouse hält die Bewohner dieses Archipels für die schönste Race Polynesiens. Groß, stark und wohlgebaut, übertreffen sie an [337] Schönheit des Typus offenbar die der Gesellschafts-Inseln, deren Sprache der ihrigen doch ziemlich nahe zu stehen scheint. Unter anderen Verhältnissen wäre der Commandant gewiß an den Inseln Oyolava und Pola an's Land gegangen; die Aufregung unter seinen Leuten war aber noch zu groß, die Erinnerung an die Ereignisse auf Maouna zu frisch, als daß er nicht einen, unter dem nichtigsten Vorwande gesuchten blutigen Streit zu fürchten gehabt hätte, der gewiß zur grausamen Niedermetzlung der Wilden ausgeartet wäre.

»Jede uns zu Gesicht kommende Insel, sagt er, rief uns einen Zug von Verrätherei der Eingebornen in's Gedächtniß; an der Recreations-Insel waren die Leute Roggeween's mit Steinwürfen angegriffen worden, nicht weniger die Leute Schouten's an der vor unseren Augen liegenden Verräther-Insel, im Süden von Maouna, wo uns selbst ein ähnliches Schicksal traf.

Diese Erfahrungen veranlaßten uns zu einem veränderten Auftreten gegenüber den Wilden. Wir unterdrückten und bestraften nun alle ihre kleinen Diebstähle und Ausschreitungen mit Gewalt, bewiesen ihnen durch die Wirkung unserer Waffen, daß auch die Flucht nicht vor unserer Rache schützen könne, versagten ihnen die Erlaubniß, an Bord zu kommen, und bedrohten Alle mit dem Tode, die es wagen würden, gegen unsere Vorschriften zu handeln.«

Man erkennt an der Strenge dieser Maßnahmen, daß Lapérouse sehr recht daran that, jeden unnöthigen Verkehr seiner Mannschaft mit den Indianern zu verhindern. Die Gereiztheit, welche sie verrathen, wird wohl Niemand wundernehmen; dagegen verdienten die Klugheit und Menschlichkeit des Befehlshabers gewiß alle Anerkennung, der es sich versagte, an Unschuldigen Rache zu nehmen.

Von den Schiffer-Inseln steuerte man nun nach den Inseln der Freunde, welche Cook nicht vollständig zu untersuchen vermochte. Am 27. December entdeckte man die Insel Vavao, eine der größten der Gruppe, die der englische Seefahrer zu besuchen keine Gelegenheit hatte. Im Ganzen Tonga-Tabu nicht unähnlich, sie ist doch höher als jene und entbehrt auch nicht des Trinkwassers. Lapérouse erforschte mehrere Inseln dieses Archipels und trat auch in einige Beziehungen zu den Eingebornen, die ihm Lebensmittel, aber nicht in zureichender Menge zuführten, um den Verbrauch zu ersetzen. So beschloß er dann am 1. Januar 1788 nach Botany-Bai zu gehen, wobei er einen noch von keinem Seefahrer gewählten Weg einschlug.

Die von Tasman entdeckte Insel Pilstaart oder vielmehr der Felsen dieses Namens, denn dessen größte Länge übersteigt nicht eine Viertelmeile, bietet nur[338] eine unzugängliche, steile Küste und kann höchstens den Seevögeln als Zufluchtsort dienen. Deshalb wollte auch Lapérouse, der keine Ursache hatte, hier zu verweilen, baldmöglichst nach Neu-Holland steuern; es giebt jedoch einen Factor, mit dem man damals wie heute rechnen mußte, den Wind, und dieser hielt durch seine ungünstige Richtung Lapérouse drei volle Tage lang vor Pilstaart fest.

Am 13. Januar kamen die Insel Norfolk und die beiden zugehörigen Eilande in Sicht. Als der Commandant eine Meile vom Lande den Anker fallen ließ, beabsichtigte er nur, den Boden und die Erzeugnisse der Insel von den Naturforschern untersuchen zu lassen. Am Ufer brandeten aber die Wellen so unruhig, daß sie jede Landung vereitelten, so daß es auch Cook nur unter den größten Schwierigkeiten gelungen war, das Land zu betreten.

Unter vergeblichen Versuchen verstrich ein ganzer Tag, ohne wissenschaftliche Ergebnisse zu liefern. Am folgenden Tage ging Lapérouse unter Segel. Gerade als die Fregatten in das Fahrwasser von Botany-Bai einliefen, bemerkte man eine englische Flottille. Es war die des Commodore Phillip, welche eben den Grundstein zu Bord Jackson gelegt hatte, dem Embryo jener mächtigen Kolonie, deren ausgedehnte Provinzen heute, nach kaum einem Jahrhundert, sich aller Segnungen der Civilisation und rüstigen Fortschreitens erfreuen.

Hiermit schließt Lapérouse's Journal. Man weiß aus einem, von Botany-Bai unter dem 5. Februar an den Marine-Minister gerichteten Briefe, daß er hier zwei Schaluppen zum Ersatz der bei Maouna zerstörten erbauen ließ. Alle Verwundeten, und vorzüglich Lavaux, der erste Chirurg der »Astrolabe«, der trepanirt worden war, hatten ihre Gesundheit wieder erlangt. De Clouart führte jetzt das Commando auf der »Astrolabe«, während de Monti ihn auf der »Boussole« ersetzte.

Ein zwei Tage später geschriebener Brief theilt einiges Nähere über den Weg mit, den der Befehlshaber einschlagen wollte. Lapérouse sagt darin:

»Ich werde mich nach den Inseln der Freunde begeben und Alles thun, was mir meine Vorschriften bezüglich des südlichen Theiles von Neu-Caledonien, Mendana's Insel Santa-Cruz, der Südküste des Landes der Arsaciden Surville's und des Louisiaden-Landes Bougainville's zur Pflicht machen, und hoffe darüber Aufklärung zu erlangen, ob die letztere einen Theil Guineas bildet oder davon getrennt ist. Gegen Ende Juli 1788 denke ich zwischen Neu-Guinea und Neu-Holland, und zwar durch einen anderen Kanal als Endeavour zu segeln, wenn ein solcher noch vorhanden ist. Während des Monats September und eines [339] Theiles des Octobers will ich den Carpentaria-Golf und die ganze Westküste Neu-Hollands bis zum Van-Diemens-Land besuchen, doch in der Weise, daß ich zeitig genug nach Norden gelange, um mit Anfang December 1788 bei Isle de France einzutreffen.«

Laporouse verfehlte nicht nur den in Obigem bestimmten Hafen, sondern es vergingen auch zwei volle Jahre ohne jede Nachricht von der Expedition.

Obwohl Frankreich damals unter einer Krisis ohnegleichen seufzte, fand das öffentliche Interesse an derselben doch, durch die Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft in Paris, endlich von der Tribüne der Nationalversammlung herab seinen Ausdruck. Ein Beschluß vom 9. Februar 1791 empfahl dem König, ein oder mehrere Schiffe zur Aufsuchung Laporouse's auszurüsten. Wenn man annahm, daß ein stattgefundener Schiffbruch die Expedition unterbrochen habe, so war es doch möglich, daß vielleicht noch die größte Mehrzahl der Theilnehmer am Leben war; ihnen mußte jedenfalls so schnell als möglich Hilfe gebracht werden.

Gelehrte, Naturforscher und Maler sollten diese Expedition begleiten, um dieselbe gleichzeitig für Schifffahrt, Handel, Geographie, Künste und Wissenschaften nutzbringend zu machen. So lautet der im Vorhergehenden erwähnte Beschluß der Versammlung.

Das Commando der Geschwaders wurde dem Contre-Admiral Bruny d'Entrecasteaux anvertraut. Auf diesen Officier war die Aufmerksamkeit des Ministers durch dessen vielbesprochene Fahrt gegen den Mousson im Indischen Ocean gelenkt worden. Man übergab ihm die beiden Fluten, die »Recherche« und die »Esperance«, die letztere unter Führung des Schiffskapitäns Huon de Kermadec. Das Officierscorps der beiden Fahrzeuge zählte viele Männer, welche später zu hohem militärischen Rang gelangen sollten, wie Rossel, Villauney, Trobriand, La Grandiore, Laignel und Jurien. Als Gelehrte und Fachmänner betheiligten sich: der Naturforscher La Billardière, die Astronomen Bertrand und Pierson, die Naturkundigen Ventrecal und Riche, der Hydrograph Beautemps-Beaupro und der Ingenieur Jouvency.

Die Schiffe nahmen eine reiche Auswahl von Tauschgegenständen und für achtzehn Monate Lebensmittel mit. Am 28. September verließen sie Brest und kamen am 13. October nach Teneriffa. Zu jener Zeit galt die Besteigung des berühmten Pic für eine unumgängliche Pflicht jedes Reisenden. La Billardière sah hier eine Erscheinung wieder, die er schon früher in Kleinasien beobachtet [340] hatte: auf der unter ihm und der Sonne gegenüberliegenden Seite zeigte sich sein Bild in den schönsten Farben des Regenbogens.

Am 23. October, das heißt nach Wiederersetzung der bis dahin verbrauchten Nahrungsmittel, wurde der Anker wiederum gelichtet, um nach dem Cap zu steuern. Während dieser Ueberfahrt machte La Billardière eine interessante Erfahrung und entdeckte, daß das Leuchten des Meeres von kleinen kugelförmigen Thierchen herzuleiten sei, die im Wasser schwimmen. Die Reise bis zum Cap, wo die Schiffe am 18. Januar vor Anker gingen, wurde durch nichts unterbrochen als durch die Begegnung einer ungeheuren Menge Breit- und anderer Fische, eines kleinen Lecks, das leicht verstopft wurde, nicht zu gedenken.

Am Cap fand d'Entrecasteaux einen Brief von Saint-Felix, dem Befehlshaber der französischen Streitkräfte in Indien, der beinahe den ganzen Plan seiner Reise umgeändert und sehr ungünstig auf die Erreichung des einmal vorgesteckten Zieles gewirkt hätte. Der darin enthaltenen Mittheilung nach, sollten zwei französische Schiffskapitäne, welche von Batavia kamen, berichtet haben, daß der Commodore Hunter, der Befehlshaber der englischen Fregatte »Syrius«, in der Nähe der Admiralitäts-Inseln im Südmeere mit europäischen Stoffen und vorzüglich mit Anzügen, die er für französische Uniformen hielt, bekleidete Leute gesehen habe. »Sie ersehen hieraus, schrieb Saint-Felix, daß der Commodore darin Ueberreste von dem Schiffbruch Lapérouse's erkannt zu haben glaubt...«

Hunter befand sich zur Zeit der Ankunft d'Entrecasteaux' zufällig auf der Rhede des Caps, lichtete aber zwei Stunden nach dem Eintreffen der französischen Fahrzeuge schon die Anker. Dieses Verfahren erschien, gelinde gesagt, etwas auffallend. Der Commodore hatte gewiß gehört, daß das die zur Aufsuchung Lapérouse's ausgesendete Expedition sei, und ließ es sich doch nicht beikommen, dem Commandanten derselben über einen so wichtigen Punkt irgend eine Mittheilung zu machen. Später hörte man freilich, daß Hunter selbst von den durch Saint-Felix hierher verbreiteten Gerüchten auch nicht das Geringste gewußt habe. Sollte man wirklich annehmen, daß der Bericht des französischen Commandanten gänzlich aller Unterlage entbehrt habe? D'Entrecasteaux konnte das nicht glauben, so wahrscheinlich ihm das Ganze auch erschien.

Die Gelehrten hatten den Aufenthalt am Cap wohl auszunützen verstanden, indem sie die Umgebung der Stadt nach allen Seiten durchstreiften, vor Allem La Billardière, der, soweit es das kurze Verweilen der beiden Schiffe erlaubte, möglichst tief in das Innere vorgedrungen war.

[341] Am 16. Februar lichtete man wieder die Anker. D'Entrecasteaux beschloß, das Van-Diemen-Cap zu umschiffen, um in die Südsee zu gelangen, und schlug deshalb einen Weg ein, der ihn zwischen den Inseln St. Paul und Amsterdam hindurchführen sollte. Die letzteren, welche Kapitän Valming 1696 entdeckte, wurden von Cook bei seiner letzten Reise wieder aufgefunden. Die Insel St. Paul, in deren unmittelbarer Nähe die »Recherche« und »Esperance« vorüberkamen, zeigte sich in dicke Rauchwolken gehüllt, über welche noch Berge emporragten. Jene Wolken rührten übrigens von brennenden Wäldern her.

Am 21. April fuhren die beiden Fluten in eine Bai von Van-Diemens-Land ein, die man für die Aven ture-Bai hielt, während sie wirklich die Bai der Stürme hieß. Der Grund derselben wurde »d'Entrecasteaux-Hafen« genannt. Holz war hier leicht zu beschaffen und Fische gab es in Ueberfluß. Unter den schönen Bäumen dieses Ortes erwähnt La Billardière vorzüglich mehrere Eukalyptus-Arten, deren vielfältige nützliche Eigenschaften damals noch nicht bekannt waren. Die Jagdzüge, an denen er theilnahm, lieferten mehrfache Exemplare von schwarzen Schweinen und Känguruhs; letztere damals noch eine große Seltenheit.

Am 16. April verließen die beiden Schiffe wieder diesen Hafen, und wandten sich nach einer Meerenge, welche d'Entrecasteaux zu passiren gedachte und die seitdem seinen Namen trägt.

»Zahlreiche, unsern vom Ufer wahrgenommene Feuer, so lautet der Bericht, veranlaßten Crétin und Auribeau an's Land zu gehen; kaum in den Wald gelangt, fanden sie vier Eingeborne damit beschäftigt, drei kleine Feuer zu unterhalten, neben denen sie saßen. Die Wilden entflohen auf der Stelle, trotz aller Zeichen von friedlicher Gesinnung, die man ihnen machte, und ließen Hummern und andere Muscheln, welche sie auf glühenden Kohlen rösten wollten, im Stich. Ganz in der Nähe sah man auch eine entsprechende Anzahl Hütten...

Ein sehr großer und muskelkräftiger Wilder hatte einen kleinen, mit Feuersteinen gefüllten Korb vergessen, er scheute sich nicht, denselben zu holen, und kam dabei ganz nahe an Crétin heran, da er sich im Gefühle seiner Körperkraft offenbar sicher wähnte. Einige der Wilden gingen völlig nackt, Andere trugen Känguruhfelle um die Schultern. Ihre Hautfarbe war nicht eben tiefschwarz; Bart und Haare ließen sie wachsen.«

Von der d'Entrecasteaux-Meerenge aus wandten sich die beiden Schiffe nach der Südwestküste von Neu-Caledonien, welche Lapérouse hatte besuchen[342] wollen. Der erste in Sicht kommende Punkt war ein Theil der Pinien-Insel im Süden jener großen Insel. Die »Recherche« wäre auf den madreporischen Rissen, welche das Ufer umschließen und zwischen sich und dem Lande nur einen Kanal von fünf bis sechs Kilometern frei lassen, bald zugrunde gegangen. Am nördlichen Ende beobachtete man noch einige bergige Inseln und einzelne Felsen, welche die Fahrt in diesen Gewässern äußerst gefährlich machen. Sie haben von den Männern, die sie zuerst wahrnahmen, die Bezeichnung d'Entrecasteau-Riffe und Huons-Inseln erhalten. Die in Anbetracht einer so unzugänglichen Küste sehr schwierige Untersuchung dauerte vom 16. Juni bis 3. Juli. Den Geographen und Seeleuten wurde damit ein hochwichtiger Dienst geleistet, obwohl dieselbe die undankbarste Aufgabe der ganzen Fahrt bildet.

Bei dem Herannahen der günstigeren Jahreszeit beschloß d'Entrecasteaux das zuerst von Surville entdeckte und einige Jahre später von Shortland besuchte Land der Arsaciden anzulaufen, das der Letztere, in der Meinung, eine neue Entdeckung gemacht zu haben, als Neu-Georgien bezeichnete.

»Am 9. Juli, sagt La Billardière, erblickten wir um vier und ein halb Uhr Nachmittags in der Entfernung von etwa anderthalb Myriameter den Felsen Eddy-Stone; von Weitem hielten wir ihn, wie Shortland, für ein Schiff unter Segel. Die Täuschung war um so vollständiger, da er auch die Farbe von Schiffssegeln hat; seinen Gipfel krönen einige wenige Büsche. Das diesem Felsen gegenüberliegende Land der Arsaciden ist von Bergen erfüllt und bis zu deren Spitze hinauf mit Bäumen bedeckt.«

Nachdem er die Lage der Eddy-Stone-Felsen berichtigt und die der fünf Inseln des Schatzes, welche so dicht bei einander liegen, daß Bougainville sie für ein einziges Land angesehen hatte, festgestellt, fuhr d'Entrecasteaux längs der Insel Bougainville's dahin. Nur eine schmale Straße trennte diese von der Insel Bouka, welche letztere sehr baumreich und stark bevölkert ist. Man tauschte zwar mehrere Gegenstände mit den Eingebornen dieser Insel, konnte sie aber doch nicht dazu bewegen, an Bord zu kommen.

»Ihre Hautfarbe, sagt La Billardière, ist nicht tiefschwarz. Diese Wilden sind von Mittelgröße, gehen vollständig unbekleidet und ihre wohlausgebildeten Muskeln verrathen große Körperstärke. Das Gesicht derselben ist nichts weniger als angenehm, doch nicht ohne Ausdruck. Sie haben dabei einen dicken Kopf, eine sehr breite Stirne, wie das ganze Gesicht, das sehr stark abgeplattet erscheint, vorzüglich unterhalb der Nase, ein mächtiges Kinn, wenig hervorspringende [343] Wangen, platte Nase und einen breiten großen Mund mit dünnen Lippen. Der Betel, der ihren Mund blutroth färbt, erhöht nur noch das Abschreckende ihrer Erscheinung. Diese Wilden scheinen treffliche Bogenschützen zu sein. Einer derselben hatte an Bord der ›Esperance‹ einen von ihm erlegten Tölpel (aus der Gattung Sula) gebracht; am Bauche des Vogels sah man das Loch des Pfeils, der ihn getödtet hatte.

Die ganze Industrie der Eingebornen scheint sich auf die Herstellung der Waffen und Jagdgeräthe zu beschränken, welche mit großer Sorgfalt gearbeitet werden. Wir bewunderten vorzüglich die Geschicklichkeit, wie sie die Sehne ihres Bogens mit Harz zu imprägniren verstehen, daß dieselbe wirklich einer Darmsaite gleicht; in der Mitte wird sie mit der Rinde von Palmenrieth versehen, um sich durch das Fortschnellen der Pfeile nicht so schnell abzunützen.«

Am 15. Juli wurde die Untersuchung der Westseite der beiden Inseln vollendet, deren Ostseite Bougainville erforscht hatte.

Am nächsten Tage kamen die von Carteret Sir Charles Hardy genannte Insel und die südöstlichste Spitze von Neu-Holland den französischen Seefahrern in Sicht.

Die beiden Schiffe gingen im Carteret-Hafen vor Anker und die Mannschaften richteten sich auf der Cocos-Insel ein, die mit immergrünen, üppig gedeihenden großen Bäumen besetzt ist, obwohl sich zwischen den kalkigen Steinen des Bodens nur wenig fruchtbare Erde fand. Nur mit Mühe vermochte man sich hier Cocosnüsse zu beschaffen, von deren angeblich sehr reichlichem Vorkommen dieses Land doch früher seinen Namen erhielt. Dafür lieferte es den Naturforschern wenigstens eine reiche Beute an Insecten und Pflanzen, deren große Verschiedenheit an Arten La Billardière ungemein erfreute.

Immer fiel während des Aufenthaltes hierselbst reichlicher Regen, oder vielmehr ein ganzer Strom warmen Wassers, der sich aus den Wolken ergoß.

Nach der Einnahme des nöthigen Holzes und Wassers verließen die »Recherche« und die »Esperance« am 24. Juli 1792 wieder den Carteret-Hafen, wobei die »Esperance« einen Anker verlor, dessen Kabel durch scharfe Korallenriffe zerschnitten wurde. Die beiden Schiffe drangen nun in den St. Georgs-Kanal ein, der an seinem südlichen Ende sechs bis sieben Myriameter, das heißt etwa die halbe Breite von der hat, die Carteret ihm zuschrieb. Von raschen Strömungen fortgerissen, kamen sie an den Inseln Man und Sandwichs vorüber, ohne daselbst halten zu können.


Ansicht der Insel Bourou. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

[344]

Nach Bestimmung der Lage der Portlands-Inseln – sieben flache Eilande, die unter 20°39'44" südlicher Breite und 147°15' östlicher Länge zu suchen sind – setzte d'Entrecasteaux seine Fahrt nach den Admiralitäts-Inseln fort, die er zu besuchen gedachte. Nach den dem Commodore Hunter zugekommenen Berichten, sollten auf der östlichen derselben Einwohner in französischer Marine-Uniform gesehen worden sein.

»Von Wilden kam hier eine große Anzahl zum Vorschein, lautet der Bericht. Die Einen liefen längs des Gestades auf und ab. Andere starrten [345] unsere Schiffe an und luden uns durch Zeichen ein, an's Land zu kommen; ihr Geschrei drückte offenbar die Empfindung von Freude aus... Um eineinhalb Uhr wurde beigelegt, und man entsandte von jedem Schiffe ein Boot mit mancherlei Gegenständen, welche unter die Bewohner als Geschenke vertheilt werden sollten. Während die Boote so nahe als möglich an den Strand heranruderten, hielten sich die Fluten wenigstens in Schußweite, um jenen im Falle eines unerwarteten Angriffes seitens der Wilden Hilfe leisten zu können, denn die hinterlistige Falschheit der Bewohner der südlichen Admiralitäts-Inseln gegenüber Carteret hielt doch stets einige Besorgniß wegen unserer Leute wach.«

Die Küste war voller Risse. Die Boote konnten sich nur bis auf hundert Meter von derselben nähern. Am Ufer stand eine große Menge Eingeborner und winkte den Franzosen unaufhörlich, an's Land zu kommen.

»Ein Wilder, der sich vor den Anderen durch eine doppelte Kette von kleinen Muscheln als Stirnschmuck auszeichnete, schien bei denselben in besonderem Ansehen zu stehen. Er befahl einem der Eingebornen, in das Wasser zu springen und uns etliche Cocosnüsse zu bringen. Aus Furcht, sich zu völlig unbekannten Leuten schwimmend und gänzlich wehrlos zu begeben, zögerte der Insulaner einen Augenblick. Der Häuptling aber, offenbar nicht gewohnt, gegen seinen Willen Widerspruch zu dulden, machte seinem Besinnen bald ein Eude; er schlug mit seinem Stocke auf den Menschen los und zwang ihn dadurch zum Gehorsam.... Als er nach der Insel zurückkehrte, umringten ihn die anderen Alle voller Neugier, Jeder wollte von unseren Geschenken einen Theil haben. Jetzt setzte man gleich mehrere Piroguen in's Meer. Viele Eingeborne kamen schwimmend heran, und bald herrschte ein wahres Gedränge rings um unsere Boote. Wir erstaunten wirklich, daß weder die Kraft der Brandung, noch der Wogenschlag auf den Rissen jene zurückzuhalten vermochte.«

Was die Indianer im Stande waren, hätten die Franzosen wohl auch zuwege gebracht. Es scheint aber nicht so, als ob sie sich bei jenen nach einem stattgefundenen Schiffbruche größerer oder vielleicht eines kleineren Fahrzeuges erkundigt hätten.

Sie machten nur die eine Beobachtung, daß die Wilden das Eisen kannten und auf dieses Metall mehr Werth legten als auf alles Andere.

D'Entrecasteaux untersuchte noch den nördlichen Theil des Archipels, trieb auch mit den Einwohnern einige Tauschgeschäfte, landete aber an keinem Punkte und scheint überhaupt dem eigentlichen Zwecke seiner Mission mit weniger [346] Sorgfalt nachgegangen zu sein, als man wohl von ihm erwarten durfte. Die »Recherche« und die »Esperance« besuchten hierauf die von der spanischen Fregatte »La Princesa« im Jahre 1781 entdeckte Hermiten-Insel. Wie überall zeigten die Eingebornen auch hier das lebhafteste Verlangen, die Fremden an ihrer Insel landen zu sehen, ohne diese dazu bestimmen zu können. Später sah man nach einander Bougainville's Inseln des Schachbrettes mehrere niedrige unbekannte Eilande mit üppiger Vegetation, die Insel Schouten's und die Küste von Neu-Guinea, in dessen Innern sich eine Bergkette erhob, deren höchste Gipfel wohl fünfzehnhundert Meter zu erreichen schienen. Nachdem sie dem Ufer dieser großen Insel in möglichster Nähe gefolgt, segelten die »Recherche« und die »Esperance« in die Meerenge von Pitt ein, um nach den Molukken zu gelangen.

Zu ihrer großen Befriedigung gingen die Franzosen am 5. September 1792 auf der Rhede von Amboine vor Anker. An Bord befand sich eine ziemliche Anzahl Scorbutkranker, und alle, Officiere wie Matrosen, sehnten sich nach einer längeren Rast, um einmal wieder zu Kräften zu kommen. Die Naturforscher, Astronomen und anderen Gelehrten gingen sofort an's Land und richteten sich bequem ein, um ihre Untersuchungen und gewöhnlichen Beobachtungen zu beginnen. Vorzüglich die Arbeit der Naturforscher wurde reichlich belohnt. La Billardière läßt sich mit Wohlgefallen über die Mannigfaltigkeit von Pflanzen und Thieren aus, die er hier zu sammeln vermochte.

»Auf dem Ufer stehend, sagt er, hörte ich gewisse Windinstrumente, unter deren meist ganz richtige Accorde sich auch Dissonanzen mischten, welche doch das Ohr nicht verletzten. Diese lang gezogenen, sehr harmonischen Töne schienen mir aus der Ferne zu kommen, und ich glaubte eine Zeitlang, die Naturforscher machten jenseits der Rhede, etwa ein Myriameter von meinem Standpunkt, Musik. Das war aber eine Täuschung, denn das betreffende Instrument befand sich kaum hundert Meter von mir entfernt. Es war das ein mindestens zwanzig Meter hoher Bambus, den man am Gestade senkrecht aufgerichtet hatte. An jedem Knoten desselben war ein drei Centimeter langer und gegen einundeinhalb Centimeter breiter Spalt angebracht; diese Spalte bildeten ebensoviele Oeffnungen, welche beim Eindringen des Windes jene angenehmen, wechselreichen Töne erzeugten. Da der Bambusstamm sehr viele Knoten besaß, hatte man die Einschnitte an verschiedenen Seiten gemacht, so daß der Wind, er mochte nun wehen von welcher Seite er wollte, immer einige derselben treffen mußte. Ich kann diese Töne nicht besser als mit denen einer Harmonika vergleichen.«

[347] Während dieses langen, über einen Monat dauernden Aufenthaltes wurden die Schiffe frisch kalfatert, die Takelage aufmerksam untersucht und überhaupt alle bei einer solchen Reise in heißen und feuchten Klimaten nothwendigen Vorsichtsmaßregeln getroffen.

Einzelne Mittheilungen über die Rhede von Amboine und die Sitten und Gebräuche der eingebornen Bevölkerung sind nicht ohne Interesse.

»Die Rhede von Amboine, sagt La Billardière, bildet einen Kanal von etwa zwei Myriameter Länge bei einer mittleren Breite von zwei Drittel Myriameter. Seine Ufer bieten, bis auf einige korallenreiche Stellen, meist recht guten Ankergrund.

Das Fort daselbst, de la Victoire mit Namen, ist aus Backsteinen erbaut; der Gouverneur und einige Mitglieder des Raths haben hier ihre Wohnung. Schon damals neigte es sehr dem Verfalle zu und jeder Kanonenschuß, der von dessen Wällen abgefeuert wurde, verursachte irgend eine weitere Beschädigung.

Die Garnison bestand aus etwa zweihundert Mann, der Mehrzahl nach Eingeborne, nur wenige aus Europa gekommene Soldaten und ein schwaches Detachement des Regiments Württemberg befand sich darunter...

Da nur wenige Soldaten den längeren Aufenthalt in Indien vertragen, so schätzt man Diejenigen, welche schon einige Jahre ausgehalten haben, um desto höher; die holländische Compagnie erfüllt auch nur selten ihre Versprechungen, dieselben nach Europa zurückzubefördern, wenn ihre Dienstzeit abgelaufen ist.... Ich traf wiederholt solche unglückliche Leute, die man über zwanzig Jahre hier zurückhielt, obwohl sie schon lange hätten frei sein sollen...

Die Einwohner von Amboine sprechen malayisch, eine sehr sanfte, musikalische Sprache. Die Erzeugnisse des Landes bestehen in Gewürzen, Kaffee, der aber minder gut ist als das Product von Reunion, und vorzüglich Sago, die Hauptculturpflanze aller sumpfigen Gegenden.

Der Reis, den man in Amboine verzehrt, ist kein Erzeugniß der Insel, obwohl er in deren Niederungen gewiß vortrefflich gedeihen müßte. Die holländische Regierung verbietet aber dessen Anbau, weil sie durch den Verkauf desselben ein Mittel an der Hand hat, den Eingebornen das baare Geld wieder abzunehmen, das sie ihnen für die gelieferten Gewürznelken zu zahlen verpflichtet ist. Sie verhindert dadurch die Ansammlung des Geldes und hält die Frucht der Arbeit der Eingebornen stets auf dem niedrigsten Preise. Auf diese Weise erstickt das Gouvernement, während es nur seine eigenen Interessen verfolgt, [348] unter dem Volke die industrielle Thätigkeit ganz und gar und zwingt dasselbe, von jeder anderen Ausnutzung des Bodens als der durch den Anbau der Gewürznelken und Muscatnüsse abzusehen.

Die Holländer bemühen sich auch, die Erzeugung dieser Gewürze zu beschränken, um nicht über den gewöhnlichen Bedarf hinaus zu produciren. Ein solches Verfahren, welches nur der Trägheit Vorschub leistet, entspricht übrigens ganz dem sorglosen Charakter dieser Völker.«

Am 23. des Weinmonats im Jahre 1, um in dem von La Billardière beliebten neuen Styl zu reden, verließen die beiden Schiffe Amboine, wieder reichlich versehen mit Proviant an Hühnern, Enten, Guinea-Gänsen, Schweinen, Ziegen, Pataten, Yamswurzeln, Bananen und Kürbissen. Fleischspeisen besaß man damit immerhin nur wenig; das Mehl war von schlechter Beschaffenheit; an den Sago, den man zum Ersatz desselben mitnahm, konnten sich die Leute niemals recht gewöhnen. In der langen Liste von Provisionen, welche man von hier mitführte, haben wir nur noch den Bambus, die eingemachten Gewürznelken und den Arrac zu erwähnen.

»Junge, in Stücken zerschnittene und in Essig eingelegte Bambussprossen, sagt La Billardière, bilden einen ausgezeichneten Proviant für längere Reisen; wir nahmen davon auch reichliche Vorräthe mit. Die jungen Sprossen sind im Allgemeinen sehr zart. Man sammelt sie beizeiten ein und verkauft sie auf dem Markte gleich Gemüse, das sie auch recht gut ersetzen. Meist sind sie ein Meter lang und ein Drittel Centimeter dick.

Diese jungen Sprößlinge sind sehr beliebt bei den Chinesen, welche sie um ihres, an den des Spargels erinnernden Geschmackes willen besonders hochschätzen.

Wir waren auch reichlich versehen mit in Zucker eingemachten Gewürznelken und Muscatnüssen. Als Speise kommt hierbei übrigens nur die grüne Schale der letzteren in Betracht; leider hatten die Leute, welche das Einmachen besorgten, in ihrer Unkenntniß zu reife Muscatnüsse gewählt. Die Gewürznelken, in der Größe von mittleren Oliven, schmeckten gar zu aromatisch, um ein angenehmes Gericht zu bilden; man muß eben einen Indianergaumen haben, um an solchen Leckerbissen Geschmack zu finden; dasselbe gilt von dem Ingwer, den wir in eingemachtem Zustand mit uns führten.

Der einzige spirituöse Liqueur, den man hier erhalten konnte, war der Arrac, von dem mehrere Fässer gekauft wurden. Einige Reisende rühmen [349] denselben zwar außerordentlich, doch erreicht er an Güte kaum einen mittelmäßigen Cognac.«

Von Amboine aus steuerte die Expedition nach der Südwestküste Australiens. Nach und nach sah man, ohne sich daselbst aufzuhalten, die Insel Kisser, die Nordküste von Timor, die Insel Batu, das reizend gelegene Savu, und am 16. Frimaire endlich den westlichsten Punkt der Südwestküste von Neu-Holland, der im Jahre 1622 von Louvin entdeckt worden war.

Das Gestade zeigte nichts als sandige Dünen und zwischen denselben schroffe Felsen, Alles in Allem das Bild der trostlosesten Dürre.

Die Schifffahrt an dieser schutzlosen Küste war ziemlich gefährlich. Das Meer ging hoch, der Wind wehte stark und man mußte mitten zwischen Klippen hinsegeln. Die »Esperance« wäre in Folge eines heftigen Windstoßes fast auf das Ufer geworfen worden, als ein Officier, Namens Legrand, von der Höhe des Großmastes aus noch rechtzeitig eine geschütztere Stellung entdeckte, wo die Schiffe seiner Meinung nach in Sicherheit sein mußten.

»Die Rettung der beiden Fahrzeuge, heißt es in dem Berichte, hing jetzt von der Auffindung derselben ab, denn die ›Recherche‹, welche schon die ganze Nacht über zwischen den gefährlichen Klippen gekreuzt und so gut als möglich gegen den schweren Sturm in der Hoffnung angekämpft hatte, daß eine Drehung des Windes ihr gestatten würde, das offene Meer zu gewinnen, wäre sonst unzweifelhaft verloren gewesen. Die Bai, welche den Namen des Bürgers Legrand erhielt, wird für alle Zeiten an den Dienst erinnern, den jener geschickte Seemann unserer Expedition damals leistete.«

Die Seefahrer untersuchten nur die Eilande in der Nähe der Küste. Einer derselben, der Ingenieur-Geograph der »Recherche«, Namens Riche, war auch auf das Festland gegangen, um dort Beobachtungen anzustellen, verirrte sich aber dabei und konnte sein Schiff erst zwei Tage nachher, von Anstrengung erschöpft und sterbend vor Hunger, wieder erreichen.

Der kleine Archipel, von dem wir hier sprechen, bezeichnet den Endpunkt der Entdeckungen de Nuyts'.

»Wir verwunderten uns, sagt La Billardière, über die Genauigkeit, mit der jener Seemann seine Position bestimmt hatte, und das zu einer Zeit, wo die Instrumente noch sehr unvollkommen waren. Dieselbe Anerkennung verdient übrigens auch Louvin bezüglich seiner Aufnahmen dieses Landes.«

[350] Am 15. Nivôse, als man sich unter 31°52' der Breite und 129°10' östlicher Länge befand, meldete Kapitän Huon de Kermadec an d'Entrecasteaux, daß sein Steuerruder beschädigt sei, daß man auf seinem Schiffe auf drei Viertel Flasche Wasser als tägliche Ration beschränkt sei, daß er von der weiteren Vertheilung anti-scorbutischer Getränke habe absehen müssen und daß er nur noch dreißig Fäßchen Wasser besitze. Auf der »Recherche« sah es nicht viel besser aus. D'Entrecasteaux schlug in Folge dessen den Kurs nach dem Cap Diemen ein, nachdem er hundertsechzig Myriameter weit längs dieser außerordentlich mageren Küste hingesegelt war, welche nicht einmal zu interessanten Beobachtungen Gelegenheit gab.

Am 3. Pluviôse ankerten die Fahrzeuge in der Bai der Felsen, einer besonderen Einbuchtung der Bai der Stürme, die sie schon im vorigen Jahre aufgefunden hatten.

»Die Station erwies sich als besonders ergiebig in Aufschlüssen aller Art. Entzückt von der Verschiedenartigkeit der Erzeugnisse dieses Winkels von Diemens-Land, konnte La Billardière gar nicht müde werden, die endlosen Wälder gigantischer Bäume, das üppige, dichte Gebüsch unbekannter Pflanzen zu bewundern, durch die er sich mühsam einen Weg bahnen mußte. Bei einem der zahlreichen Ausflüge in die Nachbarschaft der Bai fand er schöne Stücke bronzerothen Hämatit, und weiterhin rothe Ockererde, welche auf die Gegenwart von Eisen schließen ließ. Er traf auch bald mit einigen Eingebornen zusammen, und seine Mittheilungen über diese jetzt verschwundene Race sind interessant genug, um hier eine Stelle zu verdienen. Sie vervollständigen übrigens nach manchen Seiten die, welche wir Cook's Reisen verdanken.

Es waren zweiundvierzig Wilde, darunter sieben erwachsene Männer und acht Frauen, die anderen schienen deren Kinder zu sein, und unter ihnen auch verschiedene schon heiratsfähige Mädchen, welche noch mangelhafter gekleidet gingen als ihre Mütter... Die Eingebornen haben wollige Haare und lassen den Bart wachsen. Bei den Kindern überragt die obere Kinnlade die untere ziemlich bedeutend, sie schwindet indeß mit zunehmendem Alter mehr und mehr, so daß der frühere Unterschied bei den Erwachsenen fast vollkommen ausgeglichen wird. Ihre Haut ist nicht tief schwarz; unzweifelhaft gilt es bei diesen Völkern aber für eine besondere Schönheit, recht schwarz zu sein, und um das zu erreichen, überpudern sie sich, vorzüglich gern den Oberkörper, mit Kohlenstaub. Auf ihrer Haut, besonders auf der Brust und auf den Schultern, bemerkt man symmetrisch [351] angeordnete kleine Erhöhungen, welche manchmal Linien von einem Decimeter Länge, manchmal in verschiedenen Entfernungen von einander angebrachte Punkte darstellen... Der Gebrauch, sich zwei der oberen Schneidezähne auszureißen, den man nach dem Berichte mehrerer Reisenden unter diesen Völkerschaften für allgemein verbreitet hielt, herrscht unter ihnen bestimmt nicht, denn wir sahen kein Individuum, dem dieselben in der oberen Kinnlade gefehlt hätten, im Gegentheil hatten Alle sehr schöne volle Zähne. Leider strotzten diese Menschen von Ungeziefer. Wir bewunderten wirklich die Geduld einer Frau, welche lange Zeit damit beschäftigt war, eines ihrer Kinder davon zu befreien; dagegen sahen wir auch mit Entsetzen, daß dieselbe jene widerlichen Insecten erst mit den Fingern tödtete und dann auf der Stelle verzehrte.«

Bekanntlich haben die Affen dieselbe Gewohnheit.

»Die kleinen Kinder zeigten das größte Verlangen nach allem Glänzenden; sie vergaßen sich dabei soweit, daß sie die Metallknöpfe unserer Röcke abzureißen versuchten. Ich darf hierbei auch nicht die Schelmerei einer jungen Wilden gegenüber einem unserer Matrosen übergehen. Letzterer hatte am Fuße eines Felsens einen Sack mit Muscheln niedergelegt. Sofort schaffte das Mädchen den Sack weg und ließ den Mann lange Zeit vergeblich danach suchen; dann brachte sie ihn selbst wieder an seine alte Stelle und freute sich gewaltig des Streiches, den sie dem Manne gespielt hatte.«

Am 26. Pluviôse lichteten die beiden Fahrzeuge mit Tagesanbruch die Anker, segelten in die d'Entrecasteaux-Straße ein und erreichten am 5. Ventôse die Bai Aventure. Nach fünftägigem Aufenthalt in dieser Bai, den man zu verschiedenen Beobachtungen benutzte, steuerte d'Entrecasteaux auf Neu-Seeland zu, an dessen Nordspitze er anlegte.


Ein Fest zu Ehren d'Entrecasteaux'. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 354.)

Nach einem Zusammentreffen mit Eingebornen, das freilich zu kurz war, um weitere Auskunft zu liefern, als wir schon von Kapitän Cook über dieselben besitzen, segelte d'Entrecasteaux nach dem Archipel der Freunde, den Laporouse hatte besuchen wollen, und ankerte hier auf der Rhede von Tonga-Tabu. Gleich sahen sich die Schiffe von einer Menge Piroguen umringt, aus denen viele Eingeborne dieselben buchstäblich erstürmten, um Schweine und Früchte jeder Art zu verkaufen.

Einer der Söhne Poulao's, des Königs, den auch Cook schon kennen lernte, empfing die Seefahrer sehr wohlwollend und überwachte gewissenhaft die Tauschgeschäfte mit den Eingebornen. Es war das keine leichte Aufgabe, denn [352] diese entwickelten eine erstaunliche Fertigkeit, Alles zu stehlen, was sie erlangen konnten.

La Billardière erzählt einen Streich, dessen Opfer er selbst wurde. In das Zelt, in dem der Proviant lag, waren ihm zwei Eingeborne gefolgt, die er für Häuptlinge ansah.

»Einer derselben, erzählt er, ließ es sich besonders angelegen sein, mir die schönsten Früchte auszuwählen. Ich hatte meinen Hut auf die Erde gelegt, da [353] ich ihn hier für sicher hielt, doch die beiden Spitzbuben verstanden ihr Handwerk. Der Andere, der sich hinter mir befand, verbarg meinen Hut geschickt unter seiner Kleidung und ging davon, bevor ich etwas gemerkt hatte; der Erstere folgte ihm bald nach. Ich versah mich dieses Gaunerstreiches umsoweniger, weil ich nie geglaubt hätte, daß sie es wagen würden, einen so umfangreichen Gegenstand in der Umzäunung, in welche wir sie eingelassen hatten, auf die Gefahr hin zu stehlen, daß sie dabei erwischt würden; gerade ein Hut konnte unmöglich für Leute einen besonderen Werth haben, welche stets gewöhnt sind, baarhäuptig zu gehen. Die Gewandtheit, welche sie bei diesem Diebstahl an den Tag legten, überzeugte mich auch, daß das nicht ihr erster Versuch war.«

Die Franzosen standen mit einem Häuptling in Beziehung, den sie Finau nennen. Allem Anschein nach ist das derselbe, von dem schon gelegentlich der Reise Cook's unter dem Namen Finaon die Rede ist, und welcher den englischen Seefahrer Tute nannte. Dieser war jedoch nur ein Unterhäuptling. Der König, der erste Häuptling von Tonga-Tabu, Vavao und Annamooka, hieß Toubau. Er besuchte ebenfalls die Schiffe und brachte dabei ein Gewehr wieder zurück, das einem Wachtposten wenige Tage vorher abgenommen worden war. Er beschenkte d'Entrecasteaux mit zwei Stücken Stoff aus Maulbeerbaum-Rinde, jedes so groß, daß es, völlig aufgerollt, bequem zum Bedecken des ganzen Schiffes hingereicht hätte; ferner mit geflochtenen Matten und Schweinen, wogegen man ihm tauschweise eine hübsche Axt und einen rothen Generalsrock überließ, den er sofort anzog.

Zwei Tage später ließ sich eine wohlbeleibte, mindestens fünfzig Jahre alte Frau, der die Eingebornen die höchste Ehrerbietung bezeugten, an Bord führen. Das war die Königin Tine. Sie kostete von allen ihr vorgesetzten Gerichten, schien aber den eingemachten Bananen vor allen den Vorzug zu geben. Der Küchenmeister blieb hinter ihr stehen, um wieder abzuräumen, sie enthob ihn aber dieser Mühe, indem sie Teller und Serviette gleich selbst einsteckte.

König Toubau wollte d'Entrecasteaux einmal ein Fest geben. Der Admiral wurde an dem betreffenden Tage am Ufer von zwei Häuptlingen, Finau und Omalat, empfangen, die ihn nach einem geräumigen freien Platze führten. Dort fand sich auch Toubau in Begleitung seiner beiden Töchter ein; letztere hatten das Haar überreichlich mit Cocosöl eingesalbt und trugen jede ein hübsches Halsband von den Kernen desAbrus precatorius.

[354] »Die Insulaner, heißt es in dem Berichte, liefen bei dieser Gelegenheit in großen Massen zusammen; wir schätzten ihre Anzahl auf mindestens viertausend.

Der Ehrenplatz befand sich ohne Zweifel zur Linken des Königs, denn dieser lud den General ein, sich daselbst zu setzen. Letzterer ließ nun erst die für Toubau bestimmten Geschenke bringen, wofür sich dieser sehr erkenntlich zeigte. Nichts erregte aber die Bewunderung der zahlreichen Versammlung mehr als ein Stück carmoisinrother Damast, über dessen lebhafte Farbe entzückt alle Anwesenden: Eho! Eho! riefen und das lange Zeit als Ausdruck ihrer Verwunderung wiederholten. Dieselben Ausrufe ertönten von Neuem, als wir eine Rolle Band, in der auch die rothe Farbe vorherrschte, aufwickelten. Außerdem schenkte der General dem Könige eine tragende Ziege, einen Bock und ein Kaninchenpärchen. Der König versicherte, denselben alle Sorgfalt widmen zu wollen, um sie auf der Insel zu vermehren.

Auch Omalaï, den Toubau als seinen Sohn bezeichnete, erhielt einige Geschenke, ebenso wie mehrere andere Häuptlinge.

Zu unserer Rechten, nach Nordosten hin, saßen dreizehn Musikanten im Schatten eines mit köstlichen Früchten beladenen Brotbaumes und sangen zusammen oder in einzelnen Abtheilungen. Vier derselben hielten einen ein bis anderthalb Meter langen Bambusstengel in der Hand, mit dem sie wie zur Angabe des Tactes auf die Erde stießen. Diese Instrumente ließen dabei einen Ton, etwa wie ein Tambourin, vernehmen und waren offenbar der Harmonie wegen von verschiedener Länge. Die beiden mittellangen Bambusstangen gaben ein und denselben Ton; die längste erklang anderthalb Ton tiefer, die kürzeste zweieinhalb Ton höher als jene. Den Musiker, welcher Alt sang, hörte man unter allen Anderen heraus, obgleich seine Stimme ein wenig rauh war; er begleitete seinen Gesang auch selbst, indem er mit zwei kleinen Casuaria-Zweigen auf einen sechs Meter langen und von oben bis unten gespaltenen Bambusstengel schlug.

Drei von den anderen sitzenden Musikanten bemühten sich, den Inhalt der Gesänge durch allerlei Gesten noch verständlicher zu machen, und hatten diese recht gut eingeübt, denn sie wiederholten sie stets gleichförmig und genau mit einander. Von Zeit zu Zeit drehten sie den Kopf nach dem Könige zu und machten dabei Armbewegungen, welche gar nicht ungraziös aussahen; dann senkten sie wieder den Kopf sehr schnell bis auf die Brust und bewegten ihn mehrmals hin und her.

[355] Inzwischen bot Toubau auch dem General einige Stücke Stoff aus der Rinde des Papier-Maulbeerbaumes an, die er mit großer Ostentation ausbreiten ließ, um uns den Werth seiner Geschenke vor Augen zu führen.

Der zu seiner Rechten sitzende Beamte befahl nun, den ›Kava‹ zuzubereiten, und bald brachte man ein ovales, etwa ein Meter langes Holzgefäß herbei.

Die Musiker scheinen für diesen Moment ihre gewähltesten Stücke aufgespart zu haben, denn bei jeder Pause, die jene machten, hörten wir von allen Seiten: ›Mali! Mali!‹ rufen, und die fortwährenden Beifallsbezeugungen der Einwohner ließen uns erkennen, daß diese Musik auf sie einen ebenso tiefen als angenehmen Eindruck hervorbrachte.

Der ›Kava‹ wurde durch den, der seine Zubereitung angeordnet hatte, an die verschiedenen Häuptlinge vertheilt...«

Dieses Concert blieb, wie man sieht, weit hinter den Festlichkeiten zurück, die ehemals zu dem Empfange Cook's veranstaltet wurden.

Später gab die Königin Tine einen großen Ball mit vorausgehendem Concert, zu dem ungeheuer viel Eingeborne zusammengelaufen waren, unter denen sich freilich nicht wenig Diebe mit eingeschlichen hatten, deren Unverschämtheit und Habgier endlich so weit gingen, daß sie sich mit Gewalt ein Messer raubten. Von dem Schmied der »Recherche« muthig verfolgt, hielten sie, als sie denselben allein sahen, im Laufe ein, fielen über ihn her und spalteten ihm den Schädel. Leider wurde dieser Streit von der »Esperance« aus zu spät bemerkt, doch feuerte man noch einen Kanonenschuß ab, der die Mörder vertrieb. Von der Hand der Officiere und Matrosen fielen bei dieser Gelegenheit noch mehrere Insulaner, ohne daß jene noch recht wußten, was geschehen sei, aber in jedem, ihnen in den Weg kommenden Einwohner einen Feind zu sehen meinten.

Nichtsdestoweniger traten bald wieder bessere Beziehungen ein, welche im Augenblick der Abfahrt so herzlich wurden, daß verschiedene Eingeborne die Bitte aussprachen, sich mit einschiffen und nach Frankreich gehen zu dürfen.

»Die Mittheilungen, welche uns die Eingebornen über die Schiffe machten, die diesen Archipel besucht hatten, heißt es in dem Berichte, überzeugten uns, daß Lapérouse an keiner dieser Inseln hier gelandet sei... Sie erinnerten sich genau der Zeit, wo sie Kapitän Cook gesehen, und um das klar zu machen, zählten sie die Ernten von Yamswurzeln, wobei sie je zwei auf ein Jahr rechneten.«

[356] Diese Nachricht bezüglich Laporouse's steht allerdings in directem Widerspruch zu der Auskunft, welche Dumont-Durville, freilich fünfunddreißig Jahre später, von der zur Zeit herrschenden Königin Tamaha erhielt.

»Ich wollte darüber klar werden, sagt er, ob zwischen Cook und d'Entrecasteaux nicht noch andere Europäer nach Tonga gekommen seien. Nach kurzer Ueberlegung erklärte sie mir sehr klar und bestimmt, daß einige Jahre vor dem Eintreffen d'Entrecasteaux', zwei den seinigen ähnliche große Schiffe mit Kanonen und vielen Europäern bei Annamooka geankert hätten, wo sie zehn Tage lang geblieben wären. Ihre Flagge war ganz weiß und glich der der Engländer sicherlich nicht. Die Fremden wären gegen die Eingebornen sehr freundlich gewesen und man habe ihnen auf dem Lande ein Haus zum Betreiben des Tauschhandels eingeräumt. Ein Eingeborner, der einem Officier ein Messer gegen ein Kissen eingetauscht hatte, wurde von diesem durch eine Kugel getödtet, weil er mit seiner Waare nach Empfang des Preises davonlaufen wollte. Uebrigens verursachte das keine Störung des Friedens, weil der Eingeborne in diesem Falle im Unrecht gewesen war.

Die Ehrenhaftigkeit Dumont-Durvilles überhebt ihn jeden Verdachtes einer Fälschung, und man muß unwillkürlich anerkennen, daß Mehreres aus jener Darlegung offenbar den Stempel der Wahrheit trägt. Vorzüglich beweisend ist hierbei die Anführung der weißen, von der der Engländer verschiedenen Flagge. Sollen wir aber deshalb glauben, daß d'Entrecasteaux in seinen Nachforschungen nachlässig verfahren sei? Das wäre wohl etwas vorschnell. Doch kommen wir im Nächstfolgenden auf zwei Umstände zu sprechen, die ihm diesen Vorwurf zuzuziehen scheinen.

Die Eingebornen sahen die französischen Fregatten am 21. Germinal mit lebhaftem Bedauern scheiden. Sechs Tage später signalisirte die ›Esperance‹ Erronan, die östlichste der Inseln des heiligen Geistes, die von Quiros im Jahre 1666 entdeckt wurde; dann begegnete man nacheinander Annatom, Tanna mit sei nem unablässig thätigen Vulkan, und andere bis nach den Inseln Beautemps-Beaupró. Von Strömungen entführt, bekamen die Fregatten bald die Berge von Neu-Caledonien in Sicht und liefen in den Hafen von Balade ein, wo Cook im Jahre 1774 geankert hatte.

Die Wilden kannten zwar das Eisen, schätzten es aber nicht so hoch wie andere Völker, wahrscheinlich weil die Steine, deren sie sich bedienten, sehr hart waren und ihnen den Mangel desselben weniger fühlbar machten. Mit den [357] ersten Worten, nachdem sie an Bord gestiegen, verlangten sie zu essen, und zeigten sich in dieser Hinsicht keineswegs wählerisch, sondern wiesen nur auf ihren Leib, der allerdings stark eingefallen erschien. Ihre Piroguen hatten nicht dieselbe kunstreiche Construction wie die auf den Inseln der Freunde, auch ruderten und steuerten sie dieselben ziemlich schlecht, eine Beobachtung, welche mit einer früheren von Cook vollkommen übereinstimmt. Die meisten dieser Insulaner, mit Wollhaar und fast ebenso schwarzer Hautfarbe wie die Eingebornen von Van-Diemen, waren mit Zagaien und Keulen bewaffnet und trugen im Gürtel außerdem einen Sack mit eiförmigen Steinen, die sie mit Schleudern warfen.

Nach einem Spaziergang auf dem Lande, während sie die bienenkorbähnlichen Hütten der Einwohner untersuchten, wollten mehrere Officiere und Naturforscher nach den Schiffen zurückkehren.

Beim Landungsplatz angekommen, meldet der Bericht, fanden wir etwa siebenhundert von allen Seiten zusammengelaufene Wilde vor. Sie suchten von uns im Austausch gegen ihre Habseligkeiten Webstoffe und Eisen zu erhalten, bald kennzeichneten sich aber einzelne unter diesen als die unverschämtesten Langfinger. Von den verschiedenen Gaunerstreichen, die sie verübten, erwähne ich hier einen, den mir selbst zwei dieser Spitzbuben spielten. Einer derselben bot mir einen kleinen Sack mit ovalen Steinen an, den er am Gürtel trug. Wir einigten uns über den Preis und er knüpfte denselben mit der einen Hand los, während er die andere zum Empfang meiner Gegengabe ausstreckte. Da stieß ein anderer hinter mir stehender Wilder einen lauten Schrei aus, um mich zu verleiten, den Kopf umzuwenden, und der erste Schurke entwich bei dieser Gelegenheit sofort mit seinem Sacke und dem dafür erhaltenen Preise und verbarg sich unter der Menge. Trotzdem, daß wir Alle bewaffnet waren, ließen wir ihn doch ungestraft laufen. Freilich war zu befürchten, daß eine solche Nachsicht von Leuten dieses Schlages nur als Schwäche angesehen und sie noch unverschämter machen würde. Die Bestätigung dieser Vermuthung ließ nicht lange auf sich warten. Mehrere derselben erlaubten sich die Frechheit, nach einem kaum zweihundert Schritte weit entfernten Officier mit Steinen zu werfen. Noch immer zögerten wir, gegen sie mit Strenge einzuschreiten, denn Forster's Bericht über sie lautete so günstig, daß es noch weiterer Beweise bedurfte, um unsere gute Meinung von der Sanftmuth ihres Charakters zu zerstören; bald sollten wir aber von dem Gegentheil überzeugt werden.

[358] Einer von ihnen hatte ein Stück frisch geröstetes Bein und verzehrte den Rest des noch am Knochen haftenden Fleisches, als er sich dem Bürger Piron näherte und ihn einlud, an dieser Mahlzeit theilzunehmen; in der Meinung, der Wilde biete ihm ein Stück Braten von einem Thiere an, nahm dieser den Knochen, an dem nur noch einzelne sehnige Theile saßen, und zeigte ihn mir, wobei ich sofort erkannte, daß er dem Becken eines Kindes von vierzehn bis fünfzehn Jahren angehörte. Wie zur Bestätigung deuteten uns andere in der Nähe befindliche Wilde an einem Kinde die Stelle, wo der Knochen herrührte, an und sagten ganz einstimmig aus, daß derselbe unzweifelhaft einen Theil der Mahlzeit eines Wilden gebildet habe und von ihnen als Leckerbissen betrachtet werde....

Die meisten unserer Gefährten, welche während dieses Spazierganges an Bord zurückgeblieben waren, wollten unserem Bericht über den barbarischen Geschmack der Wilden keinen Glauben beimessen und konnten sich gar nicht überreden, daß Völkerschaften, von denen Cook und Forster ein so vortheilhaftes Bild entworfen, bis zu solch' abscheulichen Lastern herabgesunken wären; doch wurde es nicht schwer, auch die Ungläubigsten zu überzeugen. Ich hatte den ziemlich abgenagten Knochen mitgebracht, den unser Wundarzt ohne Besinnen für den eines Kindes erklärte, und zeigte ihn den an Bord anwesenden Eingebornen; sofort ergriff ihn gierig Einer derselben und riß mit den Zähnen die Sehnen und Knorpel ab, welche etwa noch daran hingen; ich gab ihn nachher einem Kameraden desselben, der auch noch etwas davon abzubeißen fand.«

Die an Bord gekommenen Wilden hatten nun aber so viel Gegenstände und mit einer solchen Unverschämtheit gestohlen, daß wir sie uns vom Halse schaffen mußten. Am nächsten Tage waren die Franzosen kaum an's Land gekommen, als sie wiederum Wilde bei einer Mahlzeit trafen.

Diese boten ihnen frisch geröstetes Fleisch an, das man leicht als Menschenfleisch erkannte.

Mehrere traten sogar an die Franzosen heran und »betasteten ihnen die muskulösesten Theile der Arme und Beine, wobei sie mit dem Ausdrucke der Bewunderung und des Verlangens das Wort ›Karapek‹ aussprachen, was natürlich nicht dazu beitrug, uns hier geheuer zu fühlen.«

Mehrere Officiere wurden angefallen und mit beispielloser Frechheit beraubt, die letzten Absichten der Eingebornen konnten nun nicht mehr zweifelhaft sein; sie suchten sich auch der Aexte mehrerer Matrosen zu bemächtigen, die um Holz [359] zu fällen an's Land gegangen waren, und man mußte sich entschließen, auf sie zu feuern, um sie sich vom Halse zu halten.


Typus aus Neu-Holland. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Solche Vorfälle wiederholten sich öfter und endigten natürlich stets mit der Flucht der Eingebornen, welche dabei schon mehrere Todte und Verwundete verloren hatten. Der Mißerfolg ihrer Versuche hinderte sie aber keineswegs an der Wiederaufnahme derselben, sobald ihnen die Gelegenheit dazu günstig erschien.


Neu-Caledonier. (S. 363.)

La Billardière war auch Zeuge eines schon mehrfach beobachteten Vorganges, den man lange Zeit für unmöglich gehalten hatte. Er sah nämlich die [360] Eingebornen Speckstein verzehren. Diese Erdsubstanz dient dazu »das Gefühl des Hungers zu unterdrücken, indem sie den Magen füllt und die Eingeweide in der Nähe des Zwergfelles hält; obwohl ihr jeder eigentliche Nahrungswerth abgeht, ist sie doch sehr gebräuchlich bei jenen Völkern, die oft lange Zeit einem empfindlichen Mangel an Nahrung ausgesetzt sind, weil sie zu träge scheinen, ihre übrigens ziemlich unfruchtbaren Ländereien zu bebauen.... Man würde gewiß nie geglaubt haben, daß Menschenfresser zu solchen Auskunftsmitteln greifen, wenn sie der Hunger quält.«

[361] Es glückte den Seefahrern nicht, über Lapérouse während dieses Aufenthaltes in Neu-Caledonien irgend einen Aufschluß zu erhalten. Einer von Jules Garnier zuerst bekannt gemachten Sage nach, sollen sich jedoch bald nach der Anwesenheit Cook's zwei große Schiffe der Nordspitze der Pinien-Insel genähert und nach dieser Boote ausgeschickt haben.

»Nach Ueberwindung des ersten Schreckens, sagt Jules Garnier in einer den Jahrbüchern der Gesellschaft für Geographie vom November 1869 einverleibten Abhandlung, kamen die Eingebornen näher an die Fremdlinge heran und verkehrten friedlich mit ihnen; sie erstaunten über deren Schätze aller Art nicht wenig, die Habgier veranlaßte sie später, sich mit Gewalt der Wiederabfahrt der französischen Seeleute zu widersetzen; durch ein wohlgezieltes Gewehrfeuer, das mehrere Eingeborne zu Boden streckte, wußten diese aber jenem Verlangen entgegenzutreten. Wenig befriedigt von einem solchen ungastlichen Empfang, entfernten sich die beiden Schiffe von hier, nach dem großen Lande zu und lösten noch einen Kanonenschuß, den die Wilden für einen Donnerschlag hielten.«

Es erscheint auffallend, daß d'Entrecasteaux bei seinem Verkehr mit den Einwohnern der Pinien-Inseln von diesen Vorfällen gar nichts gehört habe. Die Jaseln haben nur einen sehr beschränkten Umfang und wenig zahlreiche Bevölkerung. Die Einwohner müßten denn absichtlich ihr Zusammentreffen mit Laporouse geheim gehalten haben.

Hätte d'Entrecasteaux auf seiner Fahrt längs des madreporischen Riffgürtels, der den Ansturm des Wassers von der Westküste Neu-Caledoniens abhält, einen der zahlreichen Durchgänge durch jene aufgefunden, so würde er auch dort Spuren von der Anwesenheit Lapérouse's bemerkt haben, jenes aufmerksamen und kühnen Seemannes, des Wettbewerbers Cook's, der an mehreren Punkten dieser Küstenstrecke gelandet war. Ein Walfischfänger, dessen Aussagen Rienzi veröffentlichte, behauptet, in den Händen der Neu-Caledonier von der französischen Expedition, her Medaillen und ein Ludwigskreuz gesehen zu haben.

Jilles Garnier fand noch im März 1865, bei einer Reise von Numea nach Canala, im Besitz eines Eingebornen seines Gefolges einen alten verrosteten und wie im vorigen Jahrhundert gebräuchlich, ausgefransten Degen, der am Stichblatt Lilien zeigte.

Von dem Eigenthümer desselben konnte man leider nichts Anderes darüber erfahren, als daß er schon lange in dessen Besitz sei. Es ist wohl kaum anzunehmen, daß irgend ein Mitglied der Expedition den Wilden diesen Degen, und [362] noch weniger das Ludwigskreuz geschenkt habe. Wahrscheinlich erlag ein Officier bei einem Kampfe mit jenen, und so mögen diese Gegenstände in die Hände der Wilden gelangt sein.

Diese Hypothese hat wenigstens den Vorzug der Uebereinstimmung mit der von Garnier gegebenen Erklärung der offenbaren Widersprüche, welche man in der Cook'schen und d'Entrecasteaux'schen Charakterschilderung der Einwohner von Balade findet. Nach dem Ersteren besitzen dieselben alle guten Eigenschaften und sind sanft, offenherzig und friedliebend; nach dem Anderen verunzieren sie alle Fehler und sind sie Diebe, Verräther und Menschenfresser.

Sollten nicht, wie das auch Garnier annimmt, irgend welche außerordentliche Ereignisse das Verhalten dieser Wilden zwischen jenen beiden Besuchen verändert haben? Sollte es nicht zu einem Streite gekommen sein, bei dem die Europäer gezwungen wurden, von den Waffen Gebrauch zu machen? Sollten sie nicht die Anpflanzungen derselben zerstört, ihre Hütten durch Feuer vernichtet haben? Mußte man den feindseligen Empfang, den d'Entrecasteaux hier fand, nicht einem derartigen Vorfalle zuschreiben?

La Billardière sagt bei Gelegenheit der Erzählung eines Ausfluges, den er in die, die Wasserscheide der Nordspitze Neu-Caledoniens bildenden Berge machte, von denen aus man das Meer zu beiden Seiten erblickte, unter Anderem:

»Es folgten uns nur drei Eingeborne, die uns offenbar im Jahre vorher gesehen hatten, als wir längs der Westküste ihrer Insel hinsegelten, denn bevor sie uns verließen, sprachen sie noch von zwei Schiffen, die sie an jener Küste beobachtet hätten.«

La Billardière beging den Fehler, jene hierüber nicht weiter auszufragen. Jetzt weiß man nicht, ob das die Schiffe Lapérouse's oder d'Entrecasteaux' gewesen sind, welche die Wilden wahrnahmen, und ob das wirklich »ein Jahr vorher« der Fall war.

Man erkennt hieraus, wie bedauerlich es ist, daß d'Entrecasteaux seine Nachforschungen nicht mit mehr Eifer betrieb, da er sonst unbedingt die Reste seiner Landsleute auffinden mußte. Wir werden bald sehen, daß er sie hier, wenn nicht Alle, so doch einen Theil derselben lebend aufgefunden hätte.

Während dieses Aufenthaltes war Huon de Kermadec den Anfällen eines zehrenden Fiebers unterlegen, das ihn schon mehrere Monate quälte. Im Commando der »Esperance« ersetzte ihn Hesmivy d'Auribeau. Von Neu-Caledonien am 21. Floréal abgesegelt, kam d'Entrecasteaux nach und nach an den Inseln [363] Moulin, Huon und der von Neu-Jersey nur durch einen Kanal getrennten Insel Santa Cruz de Mendana vorbei, in welchem Kanal die französischen Schiffe angegriffen wurden.

Im Südosten kam eine Insel in Sicht, welche d'Entrecasteaux die »Insel de la Recherche« nannte, und welche er die »Insel de la Découverte« hätte taufen können, wenn es ihm eingefallen wäre, sich ihr weiter zu nähern. Es war das die Insel Vanikoro, das von madreporischen Klippen umschlossene Eiland, an dem Lapérouse's Fahrzeuge seinerzeit Schiffbruch litten und das damals aller Wahrscheinlichkeit nach noch ein Theil der unglücklichen Seeleute bewohnte. Unseliges Verhängniß! So nah' am Ziel zu sein und es doch zu verfehlen! Aber der Schleier, der das Los der Genossen Lapérouse's verhüllte, sollte erst nach sehr langer Zeit zerrissen werden.

Nachdem er das südliche Ende von Vera-Cruz eingehend untersucht, ohne die geringste Hindeutung auf sein ersehntes Ziel zu finden, begab d'Entrecasteaux sich nach Surville's Land der Arsaciden, dessen Südspitze er anlief; dann steuerte er nach den Küsten der Louisiaden, welche Lapérouse vom Salomons-Archipel aus hatte besuchen wollen, und nahm am 7. Prairial die Lage des Cap Délivrance auf. Dieses Cap gehört nicht zu Neu-Guinea, wie Bougainville einst annahm; es bildet vielmehr den Ausläufer einer Insel, die nach dem Namen eines der Officiere, der später der Hauptberichterstatter der Expedition werden sollte, »Insel Rossel« getauft wurde.

Nachdem er lange Zeit hindurch eine Reihe niedriger, felsiger Inseln und Untiefen, welche die Namen seiner ersten Officiere erhielten, überschifft, kreuzten die beiden Fregatten das Gestade von Neu-Guinea, in der Höhe des Cap König Wilhelm; dann wendeten sie, um in die Dampier-Meerenge einzulaufen. Nun folgte man der Nordküste Neu-Britanniens, wo man noch weiter im Norden verschiedene kleine, sehr bergige, bisher unbekannte Inseln entdeckte. Am 17. Juli befand man sich in Sicht einer kleinen Insel in der Nachbarschaft der Anachoreten.

Lange Zeit schon von Dysenterie und Scorbut ergriffen, war d'Entrecasteaux nun dem Auslöschen nahe. Erst auf die dringenden Bitten seiner Officiere entschloß er sich aber, die »Esperance« zu verlassen, um schneller nach Waigiu gelangen zu können. Bald darauf, am 20. Juli, gab er nach langem qualvollen Leiden den Geist auf.

Nach einiger Rast in Waigiu und in Bourou, wo der Resident die Franzosen sehr freundlich empfing und einzelne Einwohner noch die Erinnerung an [364] Bougainville bewahrt hatten, segelte die Expedition, erst unter Führung d'Auribeau's, der auch bald erkrankte, und dann unter der Rossel's durch die Straße von Bouton, ferner durch die von Salayer und langte am 19. October vor Surabaya an.

Hier erhielten die Theilnehmer der Expedition sehr ernste Nachrichten. Ludwig XVI. war enthauptet worden und Frankreich befand sich im Kriegszustand mit Holland und allen Mächten Europas. Obwohl die »Recherche« und die »Esperance« sehr nothwendiger Reparaturen bedurften und der Gesundheitszustand der Mannschaften eine längere Rast wünschenswerth machte, traf d'Auribeau doch alle Maßregeln, um nach Isle de France zurückzukehren, als er von der holländischen Regierung aufgehalten wurde. Die Mißhelligkeiten, welche unter den Mitgliedern der Expedition zutage traten, da dieselben sehr verschiedenen politischen Anschauungen huldigten, ließen den Gouverneur befürchten, daß es in seiner Kolonie zu unruhigen Auftritten kommen könne, und er unterwarf seine »Gefangenen« deshalb einer wirklich erniedrigenden Behandlung. Die gespannten Verhältnisse kamen zum Ausbruch, als d'Auribeau sich bemüssigt sah, die weiße Flagge zu hissen. Dem widersetzten sich La Billardière und die meisten Officiere und Gelehrten hartnäckig, worauf die holländische Behörde sie verhaften und nach verschiedenen Häfen der Kolonie vertheilen ließ.

Bei dem am 21. August 1794 erfolgten Tode d'Auribeau's wurde Rossel der Anführer der Expedition. Er bemühte sich, die während der Fahrt angesammelten Documente jeder Art nach Frankreich zu befördern; aber von einer englischen Fregatte gefangen, wurde er entgegen allem Völkerrecht beraubt, und als Frankreich endlich in Besitz der ihm gestohlenen naturwissenschaftlichen Schätze gelangte – gestohlen ist hier kein zu hartes Wort, wenn man sich der Instruction erinnert, welche die französische Regierung betreffs des Kapitäns Cook gab – waren sie in so traurigem Zustande, daß man den davon erwarteten Nutzen nicht mehr daraus ziehen konnte.

So endete diese unglückliche Fahrt. Wenn ihr Hauptziel vollständig verfehlt wurde, so hatten ihre Theilnehmer doch einige geographische Entdeckungen gemacht oder solche anderer Seefahrer vervollständigt und berichtigt, und brachten eine reiche Ernte von Erfahrungen, Beobachtungen und neuen naturwissenschaftlichen Kenntnissen, die man meist dem Gelehrten La Billardière verdankte, mit nach der Heimat zurück.

[365]
3.
III.

Reise des Kapitän Marchand. – Die Marquisen. – Entdeckung von Nuka-Hiva. – Sitten und Gebräuche der Einwohner. – Die Inseln der Revolution. – Die Küste Amerikas und der Hafen Tchikitane. – Der Cox-Kanal. – Aufenthalt an den Sandwichs-Inseln. – Macao. – Deception. – Rückkehr nach Frankreich. – Baß' und Flinders' Entdeckungen an den Küsten Australiens. – Expedition des Kapitän Baudin. – Das Endrachts- und das Witt-Land. – Rast in Timor. – Untersuchung von Van-Diemens-Land. – Trennung der »Geograph« und der »Naturaliste«. – Im Port Jackson. – Die Verbrecher. – Die reichen Weiden von Neu-Süd-Galles. – Wiederankunft der »Naturaliste« in Frankreich. – Kreuzzuge der »Geograph« und der »Casuarina« nach den Ländern Nuyts', Edels', den Endracht- und Witt-Land. – Zweiter Aufenthaltin Timor. – Rückkehr nach Frankreich.


Etienne Marchand, ein Kapitän der Handelsmarine, kam im Jahre 1788 aus Bengalen zurück, als er auf der Rhede der Insel Helena den englischen. Kapitän Portlock traf. Die Unterhaltung der beiden Männer drehte sich natürlich bald um den Handel, um die geeignetsten Tauschobjecte und um die Artikel, deren Verkauf den größten Nutzen abwarf. Marchand ließ als gewiegter Mann meist den anderen sprechen und antwortete nur die wenigen Worte, welche zur Aufrechthaltung des Zwiegesprächs nothwendig erschienen. Er erhielt dabei von Portlock die interessante Mittheilung, daß Pelzwaaren, und vorzüglich Otternfelle, an der Westküste Nordamerikas sehr wohlfeil zu erhalten seien, in China aber wahrhaft fabelhafte Preise erreichten; gleichzeitig könne man sich im Himmlischen Reiche bequem passende Fracht für Europa verschaffen.

Bei der Rückkehr nach Frankreich theilte Marchand seinen Rhedern, den Herren Baux in Marseille, diese wichtigen Nachrichten mit, und jene beschlossen, sich dieselben zunutze zu machen. Die Schifffahrt auf dem Pacifischen Ocean verlangte ein besonders starkes und eigenthümlich construirtes Fahrzeug. Die Herren Baux ließen also ein dreihundert Tonnen großes, mit Kupfer genageltes und beschlagenes Schiff erbauen und versahen es mit allem Nothwendigen zur Vertheidigung wie zum Angriffe, zur Ausbesserung etwaiger Schäden, zur Erleichterung der Handelsoperationen und zur Erhaltung der Gesundheit der Mannschaft während dieser auf drei bis vier Jahre berechneten Reise.

Dem Kapitän Marchand, dem Befehlshaber der » Solide«, wurden zwei andere Kapitäne, Masse und Prosper Chanal, drei Lieutenants, zwei Aerzte und drei Freiwillige beigegeben; mit neununddreißig Matrosen zählte die ganze Besatzung fünfzig Mann.

Vier Kanonen, zwei Bomben, vier Steinmörser nebst der nöthigen Munition und vielen Waffen, vollendeten die Ausrüstung.

[366] Obwohl man nach den Gewässern am Cap Horn erst im Winter gelangen konnte, segelte die »Solide« am 14. December 1790 von Marseille aus ab. Nach kurzer Rast in la Praya, an den Inseln des Grünen Vorgebirges, steuerte Marchand auf Staatenland zu, das er am 1. April 1791 erreichte, umschiffte Feuerland und drang in den Großen Ocean ein. Kapitän Marchand's Absicht war es, sich ohne Aufenthalt nach der Westküste Amerikas zu begeben; von Anfang Mai ab zeigte sich das Wasser in den Tonnen aber derart verdorben, daß er an die Erneuerung desselben denken mußte.

Kapitän Marchand entschied sich für die Marquesas de Mendoca-Inseln unter 10° südlicher Breite und 140° westlicher Länge von Paris.

»Die Lage der genannten Inseln, sagt Fleurieu, der einen sehr interessanten Bericht über diese Reise veröffentlicht hat, erschien ihm um so geeigneter, als er sich, um den Calmen, auf welchen man weiter östlich zu leicht trifft, zu entgehen, von vornherein vorgenommen hatte, die Linie unter 142° westlicher Länge zu passiren.«

Von Mendoca 1595 entdeckt, war dieser Archipel im Jahre 1774 von Cook besucht worden.

Am 12. Juni kam die Insel Magdalena, die südlichste der Gruppe, in Sicht. Die vorherigen Rechnungen Marchand's und des Kapitän Chanal erwiesen sich so zutreffend, daß die »Solide« schon nach einer Fahrt von dreiundsiebzig Tagen vom Cap Juan bei Staatenland aus an den Mendoca-Inseln ankerte, ohne ein anderes Land anzulaufen, und diese Sicherheit der Fahrtrichtung in einem Meere, wo die verschiedensten Strömungen alle gewöhnlichen Berechnungen und Methoden der Lagebestimmung unnütz machen, nur durch fleißige astronomische Beobachtungen gewann.

Marchand steuerte nun auf San-Pedro zu, das im Westen liegen blieb. Bald sah er Dominica-Santa-Christina und die Insel Hood, die nördlichste der Gruppe, und ging in der Bai von Madre de Dios vor Anker, wo die Eingebornen ihm unter dem tausendfach wiederholten Rufe:»Tayo! Tayo!« einen wahrhaft enthusiastischen Empfang bereiteten. Die Unmöglichkeit, den Bedarf an Schweinen hier zu decken, bestimmte Kapitän Marchand, andere Baien der Insel Santa-Christina zu besuchen, die er mehr bevölkert, fruchtbarer und pittoresker fand als Madre de Dios. Die Engländer verweilten früher zu kurze Zeit bei den Marquisen, um genaue und eingehende Beobachtungen über Land [367] und Leute zu machen. Wir entlehnen hier also einige Züge der Beschreibung Etienne Mar chand's.

»Die Bewohner sind groß, stark und gewandt; die Farbe ihrer Haut ist hellbraun, doch unterscheiden sich Manche kaum merklich von Europäern aus niedrigen Volksschichten. Sie kennen keine andere Bekleidung des Körpers als die mit Tätowirungen, und das Klima verlangt auch keine weitere. Diese Zeichnungen sind mit größter Regelmäßigkeit ausgeführt; die eines Armes oder Beines entspricht gewiß vollständig der des betreffenden anderen Gliedes, und diese symmetrische Buntscheckigkeit macht wirklich einen gar nicht so unangenehmen Eindruck. Die Haartracht erscheint wechselnder, und die Modegöttin herrscht auf den Marquisen ebenso unbeschränkt wie anderswo. Die Einen tragen z.B. Halsbänder von rothen Körnern, Andere eine Art Ringkragen aus kleinen leichten Holzstückchen. Obwohl man bei Männern und Frauen sieht, daß die Ohrläppchen durchlöchert sind, bemerkt man doch nicht, daß sie gewöhnt wären, etwas an dieselben zu hängen. Dagegen sah man eine junge Schöne aus Mendoca sich brüsten mit dem als Halskragen getragenen verrosteten Rasirbecken des Geistlichen der ›Solide‹, das diesem gestohlen worden war, und ein Mann trug ohne Scheu den Ladestock von Kapitän Marchand's Gewehr durch das Ohrläppchen gesteckt und an seiner Seite herabhängend.«

Cook behauptet, daß die »Kava« der Tahitier hier bekannt sei. Man kann dagegen nur sagen, daß sie dem, auf dem Schiffe angebotenen Branntwein den Namen der Pfefferpflanzen gaben. Sie schienen jedoch von einem derartigen Liqueur keinen übermäßigen Gebrauch zu machen, denn man sah hier niemals einen Betrunkenen.

Die Engländer erwähnen nicht einer Höflichkeitsbezeugung, welche bei den Bewohnern von Madre de Dios Sitte war und deren Chanal besonders Erwähnung thun zu sollen glaubte; sie besteht darin, befreundeten Personen einen Bissen Speise schon gekaut anzubieten, damit diese ihn nur noch zu verschlucken brauchen. Man darf wohl annehmen, daß die Franzosen, so empfänglich sie auch für jeden Beweis von Gastfreundschaft seitens der Eingebornen gewesen sein mögen, doch aus bescheidenem Zartgefühl eine solche Gefälligkeit nicht mißbraucht haben werden.

Eine andere merkwürdige Beobachtung Marchand's ist die, daß ihre auf Platformen von Stein erbauten Hütten und die Stelzen, deren sie sich bedienen, darauf hinweisen, daß Santa Christina gelegentlich von Ueberschwemmungen [368] heimgesucht wird. Man hatte Gelegenheit, eine solche recht gut gearbeitete und geschnitzte Stelze auf der letzten Pariser Ausstellung zu sehen, und verdankt Hamy, einem gründlichen Kenner alles dessen, was Oceanien angeht, eine interessante Abhandlung über dieses merkwürdige Geräth.


Der Schwanen-Fluß. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

»Die Hauptbeschäftigung der Ureinwohner von Santa Christina, nach dem Fischfange, der gelegentlichen Herstellung von Waffen, Piroguen oder Hausgeräthen besteht darin, zu singen, zu tanzen und sich zu vergnügen. Der volksthümilche [369] Ausdruck ›die Zeit todtschlagen‹ scheint wirklich geschaffen zu sein, um die Nichtsnutzigkeit der Beschäftigungen, mit denen sie ihr Leben ausfüllen, richtig zu kennzeichnen.«

Schon während der ersten Tage des Aufenthaltes in der Bai von Madre de Dios hatte Marchand eine Beobachtung gemacht, die ihn zur Auffindung einer Inselgruppe führte, von der die früheren Seefahrer und selbst Cook nicht die geringste Ahnung hatten. Bei Sonnenuntergang und völlig klarem Wetter bemerkte er am Horizont einen unbeweglichen Fleck, der wie ein Berggipfel aussah, eine Erscheinung, welche sich mehrere Tage hindurch wiederholte. Man konnte also gar nicht daran zweifeln, daß derselbe einem Lande angehöre, und da die Karten in der betreffenden Richtung kein solches anzeigten, mußte es wohl eine noch unbekannte Insel sein.

Als Marchand Santa Christina am 20. Juni verließ, wollte er sich hierüber Gewißheit verschaffen, und hatte die Genugthuung, im Nordwesten unter 7° südlicher Breite eine Grappe kleiner Inseln zu finden, deren größte seinen Namen erhielt. Die Einwohner gehörten allem Anscheine nach derselben Race an wie die der Marquisen. Bald darauf entdeckte man noch weitere, wie die Insel Baux, das ist Nuka-Hiva, die Beiden Brüder, die Insel Masse und Chanal, und bezeichnete diesen Archipel, der von den Geographen den Marquisen zugerechnet wird, als die »Inseln der Revolution«.

Von hier aus schlug man nun den Kars nach Amerika ein. Wegen der schon zu sehr vorgeschrittenen Jahreszeit konnte man nicht bis zum 60. Breitengrad nach dem »Williams-Sund« und »Cooks-River« hinaufsegeln. Marchand beschloß also, nach dem Cap del Engano zu gehen und seine Handelsgeschäfte in Dixon's Bai Norfolk, das ist die Bai von Guadaloupe der Spanier, zu betreiben.

Am 7. August bekam man Land, und zwar das Cap del Engano zu Gesicht, und nach fünftägiger Windstille fiel der Anker in der Bai von Guadeloupe. Bisher erlag kein Mann an Bord einem Anfalle von Scorbut, nach einer Fahrt von zweihundertzweiundvierzig Tagen, von denen nur zehn für die Aufenthalte in la Praya und Madre de Dios abgehen, und einer zurückgelegten Wegstrecke von fünftausendachthundert Meilen. Gewiß ein anerkennenswerthes Resultat, das man einzig den Rhedern, welche nichts bezüglich der Gesundheit der Mannschaften vernachlässigt, und den Kapitänen verdankte, die alle von der Erfahrung bekräftigten Maßregeln durchzuführen gewußt hatten.

[370] Während seiner Rast in dieser Bai, die bei den Landeseinwohnern Tchinkitane hieß, kaufte Marchand eine große Menge Otternfelle ein, darunter wohl hundert Stück von erster Qualität.

Die sehr kleinen Eingebornen mit untersetztem, aber wohl proportionirtem Körper und rundem flachen Gesicht haben ein abstoßendes Aussehen. Kleine, tiefliegende und triefende Augen und stark hervorspringende Backenknochen tragen natürlich nicht dazu bei, sie zu verschönern. Die Farbe ihrer Haut ist unter der dicken Kruste von Schmutz und der sie bedeckenden Mischung rother und schwarzer Substanzen nur schwer zu bestimmen. Ihr hartes, dichtes, struppiges, mit Ocker und Flaumenfedern und allerlei Unreinlichkeiten, welche Zeit und Nachlässigkeit darauf nur anhäufen können, überdecktes Haar macht ihren Anblick nur noch widerlicher.

Weniger schwarz als die Männer, erscheinen die Frauen womöglich noch häßlicher. Ihr kurzer, gedrungener Wuchs und die nach Innen gebogenen Beine stempeln sie im Vereine mit wahrhaft unerhörter Unsauberkeit zu wirklich abschreckenden Wesen. Die den Frauen einmal angeborne Coquetterie verleitet sie, zur Erhöhung ihrer natürlichen Schönheit einen ebenso wunderlichen wie unbequemen Lippenschmuck anzulegen, über den wir schon bei Gelegenheit des Verweilens Cook's in diesen Gewässern Einiges mittheilten.

»Man macht etwa sechs Linien unter dem Saume der Unterlippe einen mit dem Munde parallel verlaufenden Einschnitt und bringt in denselben zuerst einen eisernen oder hölzernen Knopf an, während mit zunehmendem Alter ein größerer fremder Körper dafür gewählt wird. So gelangt man endlich dahin, ein besonders dazu gearbeitetes Stück Holz einzusetzen, das etwa Form und Größe der Schale eines Suppenlöffels hat. Dieser seltsame Schmuck dient dazu, durch das Gewicht seines vorspringenden Theiles die Unterlippe auf das Kinn herabzuziehen und den für schön gehaltenen, weit offenstehenden Mund zu erzeugen, der nach und nach die Gestalt eines Backofens annimmt und eine Reihe gelber schmutziger Zähne bloßlegt. Da diese Löffelschale nach Belieben eingesetzt und herausgenommen werden kann, so bildet im letzteren Falle die freiliegende Querspalte der Unterlippe einen zweiten Mund, der seiner Größe nach dem natürlichen keineswegs nachsteht und bei manchen Frauen drei Zoll in der Länge mißt.«

Die »Solide« verließ die Bai von Tchinkitane am 21. August und wandte sich nach Südosten, um die im Jahre 1786 von Lapérouse gesehenen Königin[371] Charlotte-Inseln aufzusuchen. Diese erstrecken sich über eine Länge von fast siebzig Meilen. Am 23. erreichte Etienne Marchand die Bai der Mäntel (Dixon's Cloak-Bai), deren Untersuchung Kapitän Chanal sich mit größter Sorgfalt angelegen sein ließ.

Am nächsten Tage fuhren die Schaluppen in den Cox-Kanal ein und erhandelten von den Indianern noch weitere Pelzwaaren. Die Seefahrer erstaunten da nicht wenig über den Anblick zweier, offenbar schon vor sehr langer Zeit gemalter, großer Bilder und riesiger Sculpturen, die wenn sie auch mit den Meisterwerken der Griechen nicht die entfernteste Verwandtschaft zeigten, doch einen bei diesen verwahrlosten Völkerschaften kaum erwarteten Kunstgeschmack erkennen ließen.

Das Land, welches die Bai und die Straße von Cox umgiebt, ist niedrig und mit Weiden bedeckt. Die aus Pflanzenresten und Steingerölle bestehende oberste Erdschicht scheint nur von geringer Tiefe zu sein, und die Erzeugnisse gleichen ganz denen von Tchinkitane.

Die Zahl der Einwohner mag vierhundert Köpfe betragen. Ihre Gestalt weicht nicht besonders von der der Europäer ab, auch sind sie weniger häßlich als die Tchinkitanesen.

Da man in Cloak-Bai nicht so viel Pelzwerk erhalten konnte, wie Marchand wünschte, sandte er unter dem Commando des Kapitän Chanal ein Boot zur Untersuchung der südlicher gelegenen Inseln aus, und beabsichtigte damit gleichzeitig, die Lage jener noch nicht besuchten Inseln feststellen zu lassen. Nur Dixon's Schiff war früher über diese Gewässer gekommen, von seiner Besatzung aber Niemand an's Land gegangen. Es darf also gar nicht wundernehmen, wenn durch diese eingehendere Prüfung viele ältere Angaben dementirt oder doch berichtigt wurden.

Nachdem man die Einfahrt von Nootka in Augenschein genommen, segelte man nach der von Berkley; eben als die »Solide« in dieselbe aber eindringen wollte, kam ein Dreimaster zum Vorschein, der seiner eingehaltenen Richtung nach das südliche Ufer derselben anlaufen zu wollen schien, was Kapitän Marchand eben auch vorhatte. Diese Wahrnehmung veranlaßte den französischen Seefahrer, sofort nach den Küsten von China abzugehen, um seine Ladung an den Mann zu bringen, bevor das andere Schiff dorthin gelangen und ihm Concurrenz machen konnte. Der beste Weg dahin führte über die Sandwichs-Inseln, und am 5. October sahen die Franzosen die Gipfel des Mauna-Loa und des [372] Mauna-Koa gänzlich frei von Schnee, was mit den Angaben des Kapitän King in directem Widerspruche steht.

Nachdem er bis zur Insel O-Whyhee gelangt, befolgte Marschand die kluge Maßregel, alle seine Einkäufe nur unter Segel abzumachen. Er verschaffte sich von genannter Insel Schweine, Geflügel, Cocosnüsse, Bananen und andere Früchte, unter denen sich glücklicherweise auch Kürbisse und Wassermelonen vorfanden, welche ohne Zweifel von den durch Cook ausgestreuten Sämereien herrührten.

Vier Tage opferte man zur Erlangung dieser Provisionen; dann ging es weiter nach China, vorüber an der Insel Tinian, eine der Mariannen.

Der Leser erinnert sich der bezaubernden Schilderung dieser Insel von Commodore Anson. Byron war seinerzeit, wie wir anführten, höchst erstaunt, dieselbe ganz verändert zu finden. Fünfzig Jahre früher stand Tinian nämlich in hoher Blüthe und zählte wohl dreißigtausend Einwohner. Aber eine durch die spanischen Eroberer eingeschleppte epidemische Krankheit richtete unter der Bevölkerung ungeheure Verheerungen an, und die übrig gebliebenen Bewohner wurden darauf von hier weg nach Guaham übergeführt.

Marchand landete in Tinian nicht, da dieses nach Aussage aller Reisenden, welche seit Byron hierher gekommen waren, sich in vollkommen verwildertem Zustande befand, sondern schlug vielmehr einen Kurs nach der Südspitze von Formosa ein.

In Macao, das er am 28. November erreichte, erhielt Marchand sehr niederschlagende Nachrichten. Die chinesische Regierung hatte eben unter Androhung der strengsten Strafen jede Einfuhr von Pelzwaaren in den südlichen Häfen des Reiches verboten. Niemand wußte, ob das der Clausel eines geheimen Vertrages mit Rußland entsprach, oder ob das Verbot nur ein Ausfluß der Habgier einzelner Mandarinen war; jedenfalls erschien es aber ganz unmöglich, dasselbe zu umgehen.

Marchand schrieb nach Canton an die Vertreter der Firma Baux. Auch in dieser Stadt galt dasselbe Verbot, und man durfte gar nicht daran denken, etwa nach Whampoa hinauszusegeln, wo das Schiff einen Eingangszoll von mindestens sechstausend Piastern hätte bezahlen müssen.

Etienne Marchand blieb nichts Anderes übrig, als nach Isle de France und von da nach Marseille, seinem Ausgangshafen, zurückzusegeln. Er entschloß sich dazu, wenn auch ungern. Wir haben keine Ursache, uns bei dieser Reise [373] aufzuhalten, welche ganz in gleicher Weise verlief wie die meisten Fahrten dieser Art.

Welche wissenschaftlichen Ergebnisse lieferte nun die Reise? Von geographischem Gesichtspunkte aus nur sehr dürftige, und diese lassen sich dahin zusammenfassen:

Die Entdeckung eines Theiles der Marquisen, welcher Cook und seinen Vorgängern entgangen war; eingehendere Kenntnisse der Sitten und Gebräuche der Bewohner von Santa Christina in dem nämlichen Archipel, ferner der Baien Tchinkitane und der Mäntel, sowie der Königin Charlotte-Inseln an der Küste Amerikas. Für eine speciell dazu ausgesendete Expedition wäre das sehr wenig gewesen, für ein von Privat-Rhedern ausgerüstetes Fahrzeug durfte man es viel nennen. Gleichzeitig hatten die Kapitäne Marchand, Chanal und Masse alle neueren Beobachtungs-und Messungsmethoden so erfolgreich anzuwenden verstanden und alle Berichte ihrer Vorgänger mit solchem Fleiße benützt, daß es ihnen gelang, ihre Route mit einer bisher ungekannten Genauigkeit einzuhalten. Andererseits trugen sie wieder durch die Verläßlichkeit ihrer Karten und Aufnahmen nicht wenig zur Aufklärung ihrer Nachfolger bei.

Nicht so günstig scheinen sich die Umstände gestaltet zu haben bezüglich der Veröffentlichung des Berichtes über eine von der französischen Regierung einige Jahre später ausgesendete Expedition zur Erforschung der Küsten von Australien. Trotz der reichen Ergebnisse der Fahrt des Kapitän Nikolaus Baudin muß über dieser Expedition bis zum heutigen Tage ein gewisser Unstern walten, und alle Verfasser von biographischen Wörterbüchern und Reisebeschreibungen scheinen sich das Wort gegeben zu haben, derselben so wenig wie möglich Erwähnung zu thun.

Seit dem Tage, da Tasman die Westküste Neu-Hollands entdeckte, hatte die Kenntniß des ungeheuren geheimnißvollen Landes schon wesentliche Fortschritte gemacht. Cook untersuchte seinerzeit die ganze Ostküste desselben, die Endeavour-Straße und empfahl seiner Regierung mit großer Wärme die Vortheile, welche eine Niederlassung in Botany-Bai bieten müßte. Im Jahre 1788 legte dann Philipp den ersten Grundstein zu Port Jackson und zu der Herrschaft der Engländer in diesem fünften Erdtheile.

In den Jahren 1795 und 1796 untersuchten der Midshipman Flinders und der Chirurg Baß mit einem elenden Boote, der »Tom-Pouce«, den Georgs-Fluß in einer Ausdehnung von zwanzig Meilen und erforschten eine lange [374] Küstenstrecke sehr eingehend. Baß meldete dann 1797 das Vorhandensein eines geräumigen Hafens, den er seiner Lage wegen »Western« genannt hatte.

»Nun gingen seine Provisionen zu Ende, sagt Desborough Cooley, und trotz des brennenden Verlangens, eine genaue und eingehende Untersuchung seiner neuen Entdeckung vorzunehmen, sah er sich zur Umkehr genöthigt. Er hatte nur für sechs Wochen Mundvorrath mitgenommen, mit Hilfe von Fischen und Seevögeln, die er hier in Menge fand, seine Reise, von der er gleichzeitig zwei Verbrecher wieder mit heimführte, aber doch noch fünf Wochen länger auszudehnen vermocht. Diese Fahrt von sechshundert Meilen in ungedecktem Boote gehört zu den merkwürdigsten, die man überhaupt kennt. Sie wurde auch nicht unter dem Druck zwingender Nothwendigkeit, sondern nur in der Absicht unternommen, bisher unbekannte und gefährliche Küstenstrecken näher kennen zu lernen.«

In Begleitung Flinders' entdeckte Baß ferner 1798 die Meerenge, welche noch heute seinen Namen trägt und Tasmanien von Neu-Holland trennt, während er mit einem Schooner von fünfundzwanzig Tonnen ganz Van-Diemens-Land umschiffte. Die Aufschlüsse, welche die beiden kühnen Forscher über die Flüsse und Häfen des Landes gaben, übten auf die spätere Kolonisation desselben einen sehr weitreichenden Einfluß. Baß und Flinders fanden bei ihrer Rückkehr nach Port Jackson auch eine wirklich begeisterte Aufnahme.

Nach England heimgekehrt, erhielt Flinders mit dem Patente eines Schiffslieutenants das Commando der »Investigator«, eines speciell für Entdeckungsfahrten an den Küsten Australiens ausgerüsteten Fahrzeuges, mit dem er die südlichen und nordwestlichen Küsten, den Carpentaria-Golf und die Torres-Straße befahren sollte.

Die Berichte Cook's und d'Entrecasteaux' über Neu-Holland erregten seinerzeit auch in Frankreich die öffentliche Aufmerksamkeit. Ein eigenartiges Land mit fremden Erzeugnissen der Thierwelt, bald bedeckt mit riesigen Eukalyptus-Wäldern, bald entsetzlich kahl, nur mageres Dorngestrüpp ernährend, sollte sich dieser Continent noch lange unseren neugierigen Blicken verbergen und den Forschern fast unüberwindliche Hindernisse entgegensetzen. Da verlieh das Institut der öffentlichen Meinung Ausdruck und verlangte von der Regierung die Absendung einer Expedition nach jenen Ländern. Nach dem Vorschlage desselben wurden vierundzwanzig Gelehrte erwählt, dieselbe zu begleiten.

»Noch niemals gab man dieser Abtheilung bei einer Entdeckungsfahrt eine solche Ausdehnung und noch niemals wendete man auf ihre Ausrüstung so[375] umfängliche Mittel. Astronomen, Geographen, Mineralogen, Botaniker, Zoologen, Zeichner, Gärtner, Alle waren doppelt, drei-, ja sogar fünffach vertreten.«

Unter diesen Gelehrten befanden sich z.B. Leschenaut de Latour, François Péron und Bory de Saint-Vincent. Officiere und Matrosen wurden mit größter Sorgfalt ausgewählt. Von den ersteren kennen wir François André Baudin, Peureux de Mélay, Hyacinthe de Bougainville, Charles Baudin, Emmanuel Hamelin, Pierre Milus, Mangin, Duval d'Ailly, Henri de Freycinet, welche es Alle bis zum Grade eines Contre-Admirals oder Admirals brachten, ferner Le Bas Sainte-Croix, Pierre Guillaume Gicquel, Jacques Philippe Montgéry, Jacques de Cricq, Louis de Freycinet, Alle spätere Schiffskapitäne.

»Wenn diese Zusammenstellung der Theilnehmer und das Ziel der Reise wichtige Resultate in Aussicht stellten, lautet der Bericht, so schien der dabei einzuhaltende Operationsplan diese noch weiter zu sichern. Alles was die Erfahrung anderer Seefahrer bis zum heutigen Tage über die Gegend, welche wir besuchen sollten, gelehrt hatte, Alles was die Theorie bot oder reifliche Ueberlegung daraus folgern, respective hinzufügen konnte, war als Grundlage zu dieser Arbeit benützt worden. Die unregelmäßigen Winde, die Moussons und Strömungen waren mit solcher Genauigkeit berechnet, daß die Hauptquelle der uns zugestoßenen Widerwärtigkeiten auf die Abweichung von jenen ersten ausgezeichneten Vorschriften zu verschieben ist.«

Nach Ausrüstung eines dritten Fahrzeuges von geringem Tiefgang sollten die Reisenden, von Isle de France ausgehend, ganz Van-Diemens-Land, die Meerenge d'Entrecasteaux', Baß' und Bank's besuchen, nachher und nach Feststellung der Lage der Hunter-Inseln, hinter die Saint-Pierre und Saint-François-Inseln eindringen, den von diesen verdeckten Continent erforschen und dort der Meerenge nachspüren, welche, wie man glaubte, eine Verbindung mit dem Carpentaria-Golfe herstellte und Neu-Holland in zwei Theile schied.

Nach Vollendung dieses ersten Abschnittes der Fahrt sollten Leuwin's-, Edels'- und Endrächts-Land in Augenschein genommen werden; ferner galt es, den Schwanenstrom so weit als möglich hinauf zu fahren, eine Karte der Insel Rottnest und des dabei liegenden Küstenstriches zu entwerfen, die Erforschung der Seehunds-Bai zu vervollständigen, gewisse Punkte des Witts-Landes genauer aufzunehmen und endlich von der Küste des Nordwest-Caps aus nach Timor in den Molukken zu segeln, wo man der wohlverdienten Ruhe genießen sollte.


König der Insel Timor. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Wenn sich die Mannschaften von ihrer Anstrengung erholt, sollte die Küste [376] Neu-Guineas besucht werden, um zu sehen, ob dasselbe nicht durch einzelne Wasserstraßen in mehrere Inseln getheilt sei; ferner war vorgeschrieben, den Carpentaria-Golf bis zum Grunde zu erforschen, einige Theile des Arnheim-Landes zu besichtigen und endlich nach Isle de France zu steuern, um von da aus nach Europa heimzukehren.

In diesem weitaussehenden, wohldurchdachten Programme erkannte man leicht dieselbe Hand, welche früher schon die Instructionen für Lapérouse und[377] d'Entrecasteaux entwarf. Die Resultate mußten, wenn jene irgend mit Geschick durchgeführt wurden, jedenfalls bedeutend sein.

In Havre waren eine große Corvette von dreißig Kanonen, die »Geographe«, und ein großes Transportschiff, die »Naturaliste«, für diese Fahrt ausgerüstet worden. Für reichliche und ausgezeichnete Provisionen wurde nach Kräften gesorgt; die Instrumente für physikalische und astronomische Beobachtungen rührten von den berühmtesten Fabrikanten her; jedes Schiff erhielt eine vortreffliche Bibliothek der besten Werke, höchst schmeichelhafte Empfehlungsbriefe von allen Regierungen Europas, unbeschränkten Credit auf allen Plätzen Asiens und Afrikas. Mit einem Worte, man hatte Alles gethan, den Erfolg dieser wichtigen Expedition zu sichern.

Unter den lauten Glückwünschen einer zahllosen Menschenmenge verließen die beiden Schiffe Havre am 19. October 1800. Eine kurze Zeit verweilten die Reisenden im Hafen von Santa-Cruz auf Teneriffa, begaben sich dann ohne Aufenthalt nach Isle de France, wo sie am 25. April 1801 mehrere Officiere zurückließen, welche zu schwer erkrankt waren, um die Fahrt weiter mit fortsetzen zu können.

Dieser Anfang wirkte eben nicht ermuthigend. Die Unzufriedenheit nahm noch zu bei der Verbreitung der Nachricht, daß man nur ein halbes Pfund frisches Brot per Woche habe, daß die Weinration durch dreisechszehntel Flasche eines schlechten Tafia von Isle de France ersetzt werden würde und daß Zwieback und Pökelfleisch die Hauptnahrung der späteren Zeit bilden solle. Diese vorzeitigen Maßregeln wurden zur Quelle mancher Krankheiten der Mannschaften und der Mißstimmung der meisten wissenschaftlichen Theilnehmer der Reise.

Die Ueberfahrt von Europa nach Isle de France und der lange Aufenthalt an letzterer Insel hatten einen Theil der günstigen Jahreszeit schon geraubt. Da Baudin sich jetzt nicht nach Van-Diemens-Land zu begeben wagte, entschloß er sich, die eigentliche Forschungsreise mit der Nordwestküste Neu-Hollands zu beginnen. Er überlegte dabei freilich nicht, daß er in diesem Falle immer nach Süden zu segeln mußte und mit dem Fortschritt der rauhen Jahreszeit stets gleichmäßig in immer ungünstigere Verhältnisse gerieth.

Am 25. Mai kam die Küste Neu-Hollands in Sicht. Sie erschien niedrig, dürr und sandig. Nach und nach besuchte und benannte man die »Bai der Geographe«, das »Cap der Naturaliste«, die Depuch-Bucht und die Piquet-Spitze. An letzterem Punkte gingen die Naturforscher an's Land und brachten eine [378] reiche Ernte an Pflanzen und Muscheln zurück. Inzwischen trieb jedoch der schwere Seegang die beiden Schiffe von einander, und fünfundzwanzig Mann der Besatzung mußten mehrere Tage am Lande ausharren, ohne ein anderes Getränk als abscheuliches Brackwasser und ohne die Möglichkeit, sich Wild oder Geflügel erlegen zu können, so daß ihnen nur eine sehr elende, viel kohlensaures Natron und einen scharfen Saft enthaltende Nahrung, über deren Natur man nicht recht klar geworden ist, übrig blieb.

Man sah sich auch gezwungen, eine von den Wogen an's Ufer geworfene Schaluppe mit Gewehren, Säbeln, Cartouchen, Tauen, Hißleinen und einer Menge anderer Gegenstände im Stich zu lassen.

»Dieser Unfall wurde um so bedauernswerther, sagt der Bericht, weil dabei einer der besten Matrosen der ›Naturaliste‹, ein gewisser Vasse aus Dieppe, umkam. Dreimal von der Brandung zurückgeschleudert, wenn er im Begriff war, in ein Boot zu klettern, verschwand er zuletzt in derselben, ohne daß es uns möglich gewesen wäre, ihm helfen zu können oder uns wenigstens von seinem Tode zu überzeugen, so heftig gingen die Wogen und so undurchdringlich war die Finsterniß.

Dieses schlechte Wetter sollte leider längere Zeit andauern. Der Wind blies meist stoßweise; unaufhörlich rieselte ein seiner Regen nieder und im dichten Nebel verlor man bald die ›Naturaliste‹ aus dem Gesicht, die man erst bei Timor wiederfinden sollte.

Kaum an der Insel Rottnest angelangt, die von Kapitän Hamelin im Fall einer Trennung als Sammelplatz bezeichnet war, befahl Baudin zum Erstaunen Aller, nach der Seehunds-Bai in Endrächts-Land abzusegeln.

Dieser ganze Theil Neu-Hollands bildet nur eine Reihe niedriger, im Niveau gleicher, sandiger, unfruchtbarer, röthlich oder grau gefärbter Küsten, welche da oder dort von oberflächlichen Vertiefungen zerspalten sind, steil in's Meer abfallen und von unnahbaren Rissen vertheidigt werden, wodurch sie den, ihnen von dem Ingenieur, Hydrographen Boullanger gegebenen Namen, die ›Eisenküste‹, vollkommen rechtfertigen.

Von der Insel Dirck-Hatichs, am Anfang des Endrächts-Landes, wurden die Inseln Doore, Bernier, wo man Känguruhs in ganzen Gesellschaften begegnete, und die Dampier-Rhede in Augenschein genommen bis zur Seehunds-Bai, welche man gründlich untersuchte. Nach dem Endrächts-Land, das keinerlei Hilfsquellen bot, folgte die Expedition dem Witt-Land, in einer Ausdehnung [379] von zehn Breiten- und fünfzehn Längengraden zwischen dem Nordwest-Cap und dem Arnheim-Land, in seiner ganzen Küstenentwicklung. Dabei trafen die Seefahrer die gewöhnlichen Unfälle und drohten ihnen dieselben Gefahren wie ihren Vorgängern, während sie nach und nach die Inseln ›L'Hermite‹, ›Forestier‹, das vulkanische ›Dupuch‹, die ›Basses der Geographe‹, eine nur mühsam umgangene Untiefe, ferner die Insel ›Bedout‹, ›Lacépède‹, die Caps ›Borda‹ und ›Mollien‹, endlich die Inseln ›Champagny‹, ›d'Arcole‹, ›Freycinet‹, ›Lucas‹ und andere mehr auffanden und tauften.

Inmitten dieser zahlreichen Inseln, heißt es in dem Berichte, bietet sich nirgends ein freundliches Bild; der Erdboden ist kahl; der brennende Himmel stets rein und wolkenlos; die Wellen werden nur durch nächtliche Unwetter in Bewegung gesetzt; der Mensch scheint diese trostlosen Gestade gemieden zu haben, nirgends wenigstens begegnet man auch nur einer Spur seines Verweilens oder seiner Gegenwart.

Erschreckt von dieser sozusagen häßlichen Einöde und von fortwährenden Gefahren bedroht, wendet der Schiffer die müden Augen ab von dem unglücklichen Lande, und wenn er dann bedenkt, daß diese ungastlichen Inseln die Grenznachbarn derer des großen asiatischen Archipels sind, über den die Natur ihre Schätze und Wohlthaten mit wahrhaft verschwenderischer Hand ausstreute, so begreift er kaum, wie eine so jämmerliche Unfruchtbarkeit neben jener überschwenglichen Ueppigkeit bestehen kann.«

Die Auskundschaftung dieser trostlosen Küste endigte mit der Entdeckung des Bonaparte-Archipels unter 13°15' südlicher Breite und 123°30' östlicher Länge von Paris.

»Die erbärmlichen Nahrungsmittel, auf welche wir seit der Abfahrt von Isle de France beschränkt waren, zerrütteten allmählich auch die festeste Gesundheit. Der Scorbut begann aufzutreten und mehrere Matrosen lagen schwer an demselben darnieder. Unser Wasservorrath ging zu Ende, und wir hatten doch die Ueberzeugung gewonnen, daß an eine Erneuerung desselben an diesen traurigen Gestaden nicht zu denken sei. Dazu nahte die Zeit des Moussonwechsels, und die Stürme, welche er stets mit sich führt, durfte man an dieser Küste unmöglich erwarten; endlich mußten wir uns auch wieder eine Schaluppe verschaffen und mit der ›Naturaliste‹ zusammenzutreffen suchen. Alle diese Beobachtungen bestimmten denn auch den Commandanten nach der Insel Timor zu steuern, wo er am 22. August auf der Rhede vor Coupang vor Anker ging.«

[380] Wir übergehen hier die Einzelheiten des Empfangs, welchen die Reisenden fanden. Das Herz erquickt sich wohl immer an einem freundlichen Umgange, doch wenn die Erinnerung daran für den, der einen solchen selbst erlebte, stets werthvoll bleibt, so entbehrt die Wiedererzählung solcher Dinge doch des Reizes für den nicht interessirten Leser. Mehr in's Gewicht fällt es, zu wissen, daß die ganze Mannschaft der Ruhe gar dringend bedurfte und daß zehn, vom Scorbut heftig ergriffene Leute an's Land geschafft werden mußten. Wie viele Andere mochte es noch geben, deren geschwollenes, blutendes Zahnfleisch den bedrohten Zustand ihres Organismus verrieth!

Wenn der Scorbut aber auch den in solchen Fällen gebräuchlichen Arzneimitteln bald wich, so trat dafür leider die Dysenterie auf, welche binnen wenig Tagen achtzehn Mann auf's Lager streckte.

Am 21. December endlich erschien die »Naturaliste«; sie hatte in der Seehunds-Bai, dem von Baudin bestimmten Stelldichein, geduldig auf die, »Geographe« gewartet, welche doch nicht erschien. Die Officiere hatten aber diese lange Muße wenigstens benutzt, um specielle Pläne der Küste, der Rottnest-Inseln und des Schwanen- und Abrolhos-Stromes zu entwerfen.

Auf der Insel Dirck-Hatichs fand Kapitän Hamelin auch zwei holländische, auf Zinnteller eingravirte Inschriften. Die eine meldete das Vorüberkommen des Schiffes »Eendraght« von Amsterdam am 25. October 1616; die andere den Aufenthalt der »Geelwinck«, unter Führung des Kapitän Vlaming, im Jahre 1697.

Aus den Aufzeichnungen der »Naturaliste« geht hervor, daß die vermeintliche Seehunds-Bai eine große Einbuchtung von nahezu fünfzig Meilen Tiefe bildet, wenn man vom Cap Cuvier nördlich bis zum Ende des Freycinet-Golfs rechnet; daß ihre ganze östliche Umgebung vom Festlande gebildet wird, während die westliche aus den Inseln Koks, Bernier, Doore, Dirck-Hatichs und wiederum einem Theil des Festlandes besteht. In der Mitte dieses tiefen Einschnittes drängt sich die Halbinsel Péron vor, von der östlich und westlich die Häfen Hamelin und Henri Freycinet gelegen sind.

Die Krankheiten, deren Beute die unglücklichen Seefahrer wurden, bewirkten nur eine vorübergehende Besserung in dem gespannten Verhältnisse zwischen dem Commandanten Baudin und seinem Officierscorps. Er selbst unterlag einem so heftigen unregelmäßigen Fieber, daß man ihn einmal mehrere Stunden für todt hielt. Das hinderte ihn aber nicht, acht Tage nach seiner Wiedergenesung einen seiner Officiere, den Schiffsfähnrich Picquet, verhaften zu lassen, dem doch die [381] Stäbe beider Fahrzeuge die schmeichelhaftesten Beweise ihrer Freundschaft und Hochachtung zutheil werden ließen. Nach der Rückkehr nach Frank reich wurde Picquet zum Schiffslieutenant ernannt. Ein Beweis, daß er damals nicht schuldig war.

Kapitän Baudin hatte den ihm vom Institut übergebenen Operationsplan gerade auf den Kopf gestellt. Er mußte also jetzt nach Van-Diemens-Land segeln. Von Timor am 13. November 1801 abgefahren, bekamen die Franzosen – genau zwei Monate später – die Südküsten dieser Inseln zu Gesicht. Noch immer herrschte die genannte Krankheit in aller Strenge und es fielen ihr nicht Wenige zum Opfer.

Die beiden Fahrzeuge steuerten in die d'Entrecasteaux-Straße ein, eine Meerenge, welche Tasman, Furneaux, Cook, Marion, Hunter und Bligh entgangen war, und deren Entdeckung nur als Folge eines Irrthums zu betrachten ist, der beinahe recht unheilbringend geworden wäre.

Man hatte angehalten, um den Wasservorrath zu erneuern. Mehrere Boote waren schon zur Aufsuchung von Quellen abgefahren.

»Um neuneinhalb Uhr, sagt Péron, befanden wir uns am Eingange des Schwanen-Hafens. Von allen mir während unserer langen Reise zu Gesicht gekommenen Oertlichkeiten erschien mir dieser Platz am schönsten und angenehmsten. Sieben Bergzüge, die sich stufenweise hintereinander nach dem Innern erhoben, bildeten den Hintergrund des Hafens. Zur Rechten und Linken umgürteten ihn mäßig hohe Hügel, welche eine Menge abgerundeter Vorsprünge und romantischer Buchten darstellten. Ueberall prangten die herrlichsten Erzeugnisse der Pflanzenwelt; am Ufer standen die prächtigsten Bäume so dicht, daß man in die von ihnen gebildeten Wälder kaum einzudringen vermochte. Unzählige Schwärme von Papageien und in lebhaften Farben schimmernde Kakadus wiegten sich über ihren Gipfeln, und reizende Meisen mit lasurblauem Halse flatterten darunter im Schatten. Das Wasser im Hafen war ausnehmend ruhig und kaum gekräuselt von den zahlreichen Schwärmen schwarzer Schwäne, welche darüber hinglitten.«

Nicht alle zur Aufsuchung eines Wasserplatzes ausgesendeten Abtheilungen kehrten so befriedigt von dem Zusammentreffen mit Eingebornen zurück, wie die Péron's. So begegnete z.B. Kapitän Hamelin, begleitet von Leschenaut, Petit und verschiedenen Officieren und Matrosen, einigen Bewohnern des Landes, denen er mancherlei Geschenke machte. Als sie ihr Boot wieder besteigen wollten, wurden sie zum Dank mit einem Hagel von Steinen überschüttet, von denen[382] einer den Kapitän Hamelin ziemlich schwer verwundete. Obwohl die Wilden ihre Zagaien schwangen und überhaupt eine drohende Haltung annahmen, enthielt man sich doch der Versuchung, auf sie Feuer zu geben. Ein seltenes Beispiel von Mäßigung und Menschlichkeit!

»Admiral d'Entrecasteaux' géographische Arbeiten über Van-Diemens-Land, heißt es in dem Berichte, sind schon so vollkommen, daß es schwer sein möchte, irgend etwas zu finden, was sie überträfe, und Beautemps-Beaupré, der Verfasser derselben, hat sich damit unbestreitbare Anrechte auf die Achtung seiner Landsleute und die Dankbarkeit der Seefahrer aller Länder erworben. Ueberall, wo die Umstände dem geschickten Ingenieur nur gestatteten, eingehendere Untersuchungen vorzunehmen, hat er seinen Nachfolgern nirgends eine noch auszufüllende Lücke gelassen. Wir meinen hierbei vorzüglich den d'Entrecasteaux-Kanal und die vielen mit ihm in Verbindung stehenden Buchten und Häfen. Leider kann man nicht dasselbe sagen von dem Theil von Van-Diemens-Land, der im Nordosten jenes Kanals liegt und dem die Boote des französischen Admirals nur einen oberflächlichen Besuch abstatteten.«

Die Hydrographen ließen sich nun die Erforschung dieser Küstenstrecke besonders angelegen sein, um die eigenen Beobachtungen mit denen ihrer Landsleute in Verbindung zu setzen und so ein Ganzes zu schaffen, das nichts mehr zu wünschen übrig ließe. Diese Arbeiten, welche die früheren d'Entrecasteaux' theils berichtigten, theils vervollständigten, hielten die Schiffe bis zum 5. Februar zurück. Dann wandten sie sich zur Besichtigung der Südostküste von Van-Die mens-Land. Die Fahrt verlief unter den gewöhnlichen Verhältnissen und bietet in ihrem Ergebniß nur dem Geographen von Fach einiges Interesse.


Wasserträgerin auf Timor. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Trotz der Wichtigkeit der mit großer Sorgfalt ausgeführten Aufnahmen halten wir uns nicht weiter dabei auf, außer wo sich Gelegenheit bieten wird, einen besonderen einzelnen Vorfall zu erzählen.

Die »Naturaliste« und die »Geographe« besuchten nun die Ostküste Tasmaniens, nebst der Banks- und Baß-Straße.

»Am 26. März des Morgens kamen wir in großer Entfernung an den Taillefer-Eilanden und der Insel Schouten vorbei. Gegen Mittag befanden wir uns dem Cap Forster gerade gegenüber, als unser Ingenieur-Geograph Boullanger in einem von Maurouard befehligten Boot abstieß, um die Küste aus nächster Nähe in Augenschein zu nehmen. Das Schiff sollte in einer, der des Bootes parallelen Richtung nachfolgen und jenes niemals aus den Augen lassen; Boullanger [383] hatte uns aber kaum eine Viertelstunde verlassen, als der Commandant ohne allen erklärlichen Grund seewärts wenden ließ und sich entfernte, so daß das Boot sehr bald unseren Blicken entschwand. Erst in der Nacht hielt man wieder auf's Land zu. Inzwischen war eine kräftige Brise aufgesprungen, welche jede Minute auffrischte; wir schwankten hin und her, die Nacht sank herab und entzog unseren Blicken die Küste, an der unsere unglücklichen Gefährten zurückgelassen worden waren.«

[384] Vergeblich suchte man die drei folgenden Tage nach ihnen.

Klingt nicht durch diese so gemäßigten Worte des Berichtes ein begründeter Unwille über das Verfahren des Commandanten Baudin hindurch? Was konnte er damit beabsichtigen?


Nasurhütte in Endrachts-Land. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Was nützte ihm das Verlassen der Matrosen und zweier Officiere? Dieses Geheimniß lüftete der Bericht Péron's leider nach keiner Seite. Mit dem Eindringen in die Straße Bank's und Baß' kam man eigentlich dem Letztgenannten und Flinders in's Gehege, welche diese Gegend zu ihrer ausschließlichen[385] Domaine und zum Schauplatz wichtiger Entdeckungen gemacht hatten. Als die »Geographe« jedoch vom 29. März 1802 der Südwestküste Neu-Hollands folgte, kannte man zunächst nur den Theil derselben zwischen Cap Leuwin und den Inseln Saint-Pierre und Saint-François, d.h. der Strich zwischen der Ostgrenze des Nuyts-Landes bis zum Port Western war noch von keinem europäischen Fuße betreten worden.

Die Wichtigkeit dieser Fahrt leuchtet ein, wenn man bedenkt, daß es sich um Aufklärung darüber handelte, ob Neu-Holland eine einzige große Insel bilde und ob an dieser Seite nicht große schiffbare Flüsse in's Meer fielen.

Nach und nach wurden die Inseln Latrille, das Cap Mont-Tabor, Cap Folard, die Decartes-Bai, das Cap Boufflers, die Bai d'Estaing, die Bai Rivoli und Cap Monge entdeckt und benannt. Eben hatte man eine überraschende Menge Delphine gefangen, als am fernen Horizont ein Segel auftauchte. Zuerst glaubte man, es sei die »Naturaliste«, von der man während des heftigen Sturmes in der Nacht vom 7. zum 8. März getrennt worden war. Da das Fahrzeug gerade den entgegengesetzten Kurs einhielt, befand es sich bald der »Geographe« gegenüber. Da hißte es die englische Flagge. Es war die »Investigator«, seit acht Monaten unter dem Befehle Flinders' unterwegs von Europa, um die Entdeckung Neu-Hollands zu Ende zu führen. Seit drei Monaten schon untersuchte auch Flinders die Küste Australiens, wobei er ebensoviel wie die Franzosen von Stürmen und Unwettern zu leiden gehabt hatte; eines der letzteren hatte ihm in der Baß-Straße den Verlust eines Bootes nebst acht Mann und seinen ersten Officier gekostet.

Nun besuchte die »Geographe« Cap Crétet, die etwa zwanzig Meilen lange Halbinsel Fleurieu, den von Flinders sogenannten Saint-Vincent-Golf, die Insel der Känguruhs, die Altorpe-Inseln, den Spencer-Golf, an dessen Westseite sich der Lincoln-Hafen, einer der schönsten und sichersten Häfen befindet, die Neu-Holland überhaupt besitzt. Zur Vervollständigung dieser hydrographischen Reise wäre es nur nothwendig gewesen, hinter den Inseln Saint-Pierre und Saint-François einzudringen, wie das auch die dem Kapitän Baudin übergebenen nautischen Instructionen empfahlen; das stürmische Wetter verhinderte aber jeden derartigen Versuch, dessen Ausführung also späteren Unternehmungen überlassen bleiben mußte.

Unter den Gelehrten machte sich nun auch der Scorbut bemerkbar. Kaum die Hälfte der Matrosen war noch diensttüchtig. Nur zwei Steuerleute hielten[386] sich noch auf den Füßen. Wie konnte man das auch ohne Wein oder Branntwein anders erwarten, da zur Löschung des Durstes nichts vorhanden war als fauliges Wasser in unzureichender Menge, und als Nahrung weiter nichts als von Insecten zerfressener Schiffszwieback und halbverfaultes Pökelfleisch, dessen Geruch und Geschmack schon Ekel erzeugten.

Nun begann für die südliche Halbkugel auch die Zeit des Winters. Mehr als je bedurfte die Mannschaft der Ruhe. Der nächste sichere Platz zum Rasten war Port Jackson und der kürzeste Weg dahin führte durch die Baß-Straße. Baudin, der es sich zur Aufgabe zu machen schien, niemals bekannte Wege einzuschlagen, gab aber Befehl, die Südspitze von Van-Diemens-Land zu umschiffen.

Am 20. Mai fiel der Anker in der Bai der Aventure. Die Kranken welche sich noch fortschleppen konnten, wurden an's Land gebracht, wo man reichlich Wasser fand. Auf den stürmischen Meeren war es jetzt nicht mehr auszuhalten; ein dicker Nebel verhüllte Alles rings umher und die Nachbarschaft der Küste verrieth sich nur durch das entsetzliche Toben der Wellen, die sich an den Felsen brachen. Die Zahl der Kranken nahm zu. Jeden Tag verschlang der Ocean ein neues Opfer. Am 4. Juni konnten nur noch sechs Mann auf Deck erscheinen und es wüthete dazu ein wahrhaft unerhörter Sturm.

Noch einmal sollte indeß die »Geographe« dem Untergange entgehen.

Am 17. Juni wurde ein Schiff gemeldet, welches den Seefahrern die Nachricht brachte, daß die »Naturaliste«, nachdem sie ihr Schwesterschiff vergeblich in Port Jackson erwartet, jetzt zur Aufsuchung desselben abgesegelt, daß das verlorne Boot von einem englischen Fahrzeuge aufgefunden und dessen Mannschaft nun auf der »Naturaliste« untergebracht worden sei. Die »Geographe« hatte man in Port Jackson, wo für sie Hilfsmittel aller Art bereit gemacht worden waren, mit größter Sehnsucht erwartet.

Seit drei Tagen kreuzte die »Geographe« vor Port Jackson, ohne daß es bei der Kraftlosigkeit der Matrosen möglich gewesen wäre, daselbst einzulaufen, als eine englische Schaluppe vom Lande stieß und außer einem Lootsen die nöthige Mannschaft mitbrachte, um dieses Manöver endlich auszuführen.

»Von einer kaum zwei Meilen breiten Einfahrt, sagt der Bericht, verbreitert sich der Port Jackson zu einem geräumigen Bassin mit hinreichender Wassertiefe für die größten Schiffe und bietet so viel Raum, daß er eine ganze Flotte bergen könnte; tausend Linienschiffe müßten hier bequem manövriren können, hatte sich Commodore Phillip geäußert.

[387] In der Mitte des prächtigen Hafens und an seiner Südseite, an einer besonderen geräumigen Bucht, erhebt sich die Stadt Sydney. Am Abhange zweier benachbarter Hügel gelegen und ihrer ganzen Länge nach von einem kleinen Flusse durchschnitten, bietet diese aufblühende Stadt dem Auge einen reizenden, pittoresken Anblick.

Zuerst bemerkt man hier eine Anzahl Batterien, dann das Hospital für zwei- bis dreihundert Kranke, zu dem Alles durch den Commodore Phillip von England hergeschafft worden ist. Weiterhin erscheinen große Magazine, vor denen die größten Schiffe bequem ihre Ladung löschen können. Auf den Werften lagen im Bau begriffene Goëletten und Briggs, gezimmert aus einheimischem Holze.

Durch die Entdeckung der Meerenge zwischen Tasmanien und Neu-Holland sozusagen geheiligt, wird Baß' Schaluppe im Hafen mit einem gewissen religiösen Respect aufbewahrt; einige aus dem Holze ihres Kiels geschnitzte Tabaksdosen bilden Reliquien, auf welche deren Besitzer ebenso stolz als eifersüchtig sind, und der Gouverneur glaubte unserem Commandanten kein ehrenvolleres Geschenk machen zu können, als das eines Stückchens Holz von dieser mit einem breiten Silberstreifen eingefaßten Schaluppe, auf welch' letzterem die Hauptmomente der Entdeckung der Baß-Straße zum ewigen Gedächtnisse eingravirt sind.«

Bewunderung verdient auch das für hundert bis zweihundert Insassen berechnete Gefängniß, die Magazine für Wein und anderen Proviant, der Exercierplatz mit der Wohnung des General-Gouverneurs, die Kasernen, die Sternwarte und die Kirche, deren Grundmauern sich damals freilich kaum erst aus der Erde erhoben.

Nicht minder interessant war die Beobachtung der Veränderung, welche mit den Verbrechern vorgegangen war.

Die Bevölkerung der Kolonie bildete für uns einen neuen Grund des Erstaunens und Nachdenkens. Kaum jemals dürfte sich einem Staatsmanne oder Philosophen ein würdigerer Gegenstand für seine Studien darbieten, und kaum jemals dürfte sich der glückliche Einfluß vernünftiger Einrichtungen sprechender bemerkbar machen, als an den entfernten Gestaden, von denen wir reden. Hier finden sich die gefährlichsten Räuber, lange Zeit der Schrecken der Regierung ihrer Heimat, vereinigt; von der europäischen Gesellschaft ausgestoßen und nach dem Ende der Erdkugel verbannt, vom ersten Augenblick ihres Exils an zwischen die Gewißheit der härtesten Strafen und die Hoffnung eines glücklichen Lebens [388] gestellt, jeden Augenblick auf das strengste bewacht, sehen sie sich gezwungen, ihren gesellschaftsfeindlichen Sitten allmählich zu entsagen.

»Die meisten derselben sind nach Verbüßung ihrer Verbrechen durch eine harte Sklaverei wieder in die Reihen nützlicher Bürger zurückgekehrt. Zur Erhaltung eines erworbenen Eigenthums selbst gedrängt, auf Ordnung und Gerechtigkeit zu achten, hängen sie, nachdem sie geheirathet und wohl auch Väter geworden sind, mit den festesten Banden an ihrem neugeschaffenen Leben.

Eine gleiche, durch dieselben Mittel hervorgerufene Umänderung zeigt sich auch bei den Frauen, und verächtliche Dirnen, welche nach und nach zu einem regelmäßigen Leben gezwungen wurden, stehen heute da als intelligente und fleißige Hausfrauen....«

Der Empfang der französischen Expedition in Port Jackson gestaltete sich zu einem sehr herzlichen. Den Gelehrten sachte man zur Fortsetzung ihrer Beobachtungen alle nur denkbaren Erleichterungen zu gewähren. Gleichzeitig überhäuften sie die militärischen Behörden ebenso wie Privatleute geradezu mit Nahrungs- und Erquickungsmitteln wie mit Unterstützungen jeder Art.

Die Ausflüge in die Umgebungen erwiesen sich höchst lohnend. Die Naturforscher fanden Gelegenheit, die berühmten Weingärten von Rose-Hill zu besichtigen, nach denen man die besten Stöcke vom Cap, den Canarien, Madeira, Xeres und Bordeaux verpflanzt hatte.

»In keinem Theile der Welt, antworteten die darum befragten Winzer, gedeiht der Weinstock besser und kräftiger als hier. Alle Vorzeichen seit zwei bis drei Monaten deuten darauf hin, daß unsere Mühe durch eine reichliche Ernte belohnt werden wird; weht aber nur der leiseste Wind von Nordwesten, so ist Alles rettungslos verloren; Schößlinge, Blüthen und Blätter, nichts widersteht seiner versengenden Hitze, Alles verdorrt, Alles stirbt ab.«

Bald darauf gewann die Cultur des nach günstigeren Gegenden verpflanzten Weinstockes eine mächtige Ausdehnung, und die australischen Weinberge liefern, wenn auch nicht ein vor anderen ausgezeichnetes Gewächs, doch einen recht trinkbaren, alkoholreichen Wein.

Dreißig Meilen von Sydney erhebt sich die Kette der Blauen Berge, lange Zeit die äußerste Grenze, zu der das Wissen der Europäer reichte. Lieutenant Dawes, Kapitän Teuch Paterson, der am Hawkesburg-Flusse, dem Nil Neu-Hollands, hinauf ging, Hacking, Baß und Baraillier versuchten bisher ohne Erfolg, diese steile Gebirgsmauer zu übersteigen.

[389] Schon zu jener Zeit erkannte man aus der Vereinzelung der Bäume in den benachbarten Wäldern und dem Ueberfluß der herrlichsten Futtergewächse in denselben, daß Neu-Süd-Galles eine ausgezeichnete Weide liefern müsse. In Folge dessen wurden Hornvieh und Schafe in großer Menge eingeführt.

»Diese haben sich so sehr vermehrt, daß man allein in den Schäfereien des Staates, bald nach unserer Rückkehr nach Port Jackson, 1800 Stück Hornvieh zählte, darunter 514 Stiere, 121 Ochsen und 1165 Kühe. Die Zunahme dieser Thiere war so rapid, daß sich nach einem Zeitraum von elf Monaten die Zahl der Ochsen und Kühe von 1856 auf 2450 Häupter erhöhte, was einer jährlichen Vermehrung um 650 Stück oder um ein Drittel des ganzen Bestandes entspricht.

Berechnet man hiernach die Zunahme für eine Periode von dreißig Jahren, so sieht man, selbst bei Abzug der Hälfte der sich ergebenden Zahl, daß Neu-Holland dann mit geradezu zahllosen Heerden dieser Thiere bedeckt sein muß.

Die Schafe lieferten ein noch günstigeres Resultat; die Schnelligkeit ihrer Vermehrung an jenen entlegenen Gestaden ist eine so ungeheure, daß Kapitän Mac Arthur, einer der reichsten Bodenbesitzer von Neu-Süd-Galles, sich in einer hierüber veröffentlichten Abhandlung zu versichern getraut, daß Neu-Holland vor Ablauf von zwanzig Jahren im Stande sein werde, England alle Wolle zu liefern, die es jetzt aus benachbarten Ländern bezieht, und deren Kaufpreis sich seiner Schätzung nach jährlich auf eine Million achthunderttausend Pfund Sterling (gleich sechsunddreißig Millionen Mark) beläuft.«

Man weiß heute, daß diese wunderbar klingenden Schätzungen keineswegs übertrieben waren. Gewiß ist es aber von Interesse, die Anfänge dieser »Weide-Industrie« kennen zu lernen und das Erstaunen mit zu empfinden, das sich der französischen Seefahrer über die schon damals erlangten Resultate bemächtigte.

Die Mannschaften hatten nun zum Theil wohl ihre Gesundheit wieder erlangt; die Anzahl der zur Fortsetzung der anstrengenden Reise fähigen Matrosen war aber eine so beschränkte, daß man sich entschließen mußte, nach Uebernahme der kräftigsten Leute auf das andere Schiff, die »Naturaliste« nach Frankreich zurückzusenden. Sie wurde nun durch eine Goolette von dreißig Tonnen, die »Casuarina«, ersetzt, deren Führung Louis de Freycinet übernahm. Die niedrige Bauart und der geringe Tiefgang dieses Fahrzeuges ließen es für den Küstendienst besonders passend erscheinen.

»Nebst einem Berichte über die Expedition und deren Beobachtungs-Resultate aller Art während der beiden Fahrten, führte die ›Naturaliste‹, sagt [390] Péron, über vierzigtausend Thiere aller Klassen mit sich, die man während der verflossenen zwei Jahre an den verschiedensten Punkten gesammelt hatte. Dreiunddreißig Kisten füllten diese Schätze, die zahlreichste und kostbarste Sammlung, welche je ein Reisender nach Europa brachte, und die, als sie theilweise in dem von mir gemeinschaftlich mit Bellesin bewohnten Hause aufgestellt war, die Bewunderung aller gebildeten Engländer und vorzüglich des berühmten Naturforschers Paterson erregte.«

Die »Geographe« und »Casuarina« verließen Port Jackson am 18. November 1802. Im Verlaufe dieser Fahrt entdeckten und untersuchten die Reisenden nach und nach die Inseln King, die Hunter-Inseln, den nordwestlichen Theil von Van-Diemens-Land, womit die Geographie der Ufer dieser großen Insel ihren Abschluß fand; ferner besichtigte Kapitän Baudin vom 27. December bis 15. Februar 1803 die Südwestküste Australiens, die Känguruh-Insel und die beiden dieser gegenüberliegenden Golfe.

»Es ist eine fremdartige Erscheinung, sagt Péron, diese Einförmigkeit und Unfruchtbarkeit, welche man an verschiedenen Theilen Neu-Hollands und der dasselbe umgebenden Inseln antrifft; sie werden aber noch unbegreiflicher durch den Contrast zwischen dem Festlande und den in der weiteren Nachbarschaft liegenden Ländern. So bot z.B. im Nordwesten schon die fruchtbare Timor-Gruppe unseren Blicken das Bild von hohen Bergen, rauschenden Flüssen, zahlreichen Bächen und tiefen Wäldern, kaum achtundvierzig Stunden nach unserer Abreise von den niedrigen, dürren und kahlen Gestaden des Witt-Landes; ebenso hatten wir im Süden Gelegenheit, den üppigen Pflanzenwuchs und die quellenreichen Berge von Van-Diemens-Land zu bewundern, die es in einer großen Ausdehnung bedecken, und ganz neuerdings erlabten wir uns erst an der Frische und der Fruchtbarkeit der Insel King.


Ansicht von Sydney. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Da ändert sich die Scene; wir berühren das Gestade Neu-Hollands und an jedem beobachteten Punkte desselben wiederholt sich immer und immer wieder das trostlose Bild, das den Leser ermüdet, den Denkenden erstaunen macht und den Seefahrer betrübt.«

Die von der »Casuarina« abbeorderten Ingenieure, welche den Spencer-Golf nebst der ihn vom Golf Vincent trennenden Halbinsel York in Augenschein nehmen sollten, mußten, nachdem sie ihre Aufnahme mit größter Sorgfalt vollendet und sich überzeugt hatten, daß sich hier kein bedeutender Strom in das Meer ergieße, auf die Untersuchung des Lincoln-Hafens verzichten, weil die zur [391] Rückkehr nach der Känguruh-Insel bestimmte Zeit herannahte. Obwohl sie wußten, daß sie wahrscheinlich zurückgelassen werden würden, wenn sie die Frist versäumten, scheinen sie sich doch nicht besonders beeilt zu haben, denn als sie genannte Insel am 1. Februar erreichten, war die »Geographe« schon unter Segel gegangen, ohne auf die »Casuarina«, trotz deren geringen Proviantvorrathes, irgend welche Rücksicht zu nehmen.

Baudin setzte die Untersuchung der Küste allein fort und beschäftigte sich mit der Aufnahme des Archipels Saint-François, einer sehr wichtigen Arbeit,[392] da ihn seit der Entdeckung dieser Inseln durch Peter Nuits im Jahre 1627 kein Seefahrer gründlicher erforscht hatte. Durch Flinders war das allerdings vor kurzer Zeit geschehen, doch wußte Baudin davon nichts und hielt sich wirklich für den ersten Europäer, der seit Auffindung der Gruppe in diese Gewässer kam.

Als die »Geographe« am 6. Februar in den König Georgs-Hafen einlief, traf sie daselbst die »Casuarina« in so beschädigtem Zustande, daß man sie auf den Strand setzen mußte.


Am fernen Horizont tauchte ein Segel auf. (S. 386.)

Entdeckt von Vancouver 1791, erlangte der König Georgs-Hafen eine um so größere Wichtigkeit, als er auf einer Küstenstrecke in der Ausdehnung des [393] Weges zwischen Paris und Petersburg der einzig bekannte Punkt von Neu-Holland ist, wo man jederzeit Süßwasser haben kann.

Die ganze Umgebung der Rhede ist übrigens unfruchtbar.

»Der Anblick des Landesinnern von dieser Stelle aus, schreibt Boullanger in seinem Tagebuche, ist wirklich abschreckend; kaum einen Vogel sieht man auf demselben; es ist eine Einöde mit dem Schweigen des Todes!«

Am Grunde eines Einschnittes dieser Bai, den man als den »Unstern-Hafen« bezeichnet, fand der Naturforscher Faure einen Wasserlauf, den »Fluß der Franzosen«, dessen Mündung wohl der Seine in Paris an Breite gleichkommt. Er wagte es, längs desselben stromauf zu gehen, um so weit als möglich in das Land hineinzudringen. Kaum zwei Meilen von der Mündung aber sah sich sein Boot durch zwei solid gebaute Dämme aus festen Steinen aufgehalten, welche an eine kleine Insel anschlossen und die Passage vollständig unterbrachen.

»Diese Mauer zeigte viele, größtentheils über der niedrigsten Wasserlinie angebrachte Löcher, die nach der Seite des Meeres hin sehr weit, nach dem Lande zu aber weit enger waren. Auf diese Weise konnten die Fische, welche während der Fluth den Fluß empor schwammen, jenen Damm zwar leicht überschreiten, befanden sich nachher aber, da ihnen der Rückweg so gut wie abgeschnitten war, sozusagen in einem Behälter, aus dem die Fischer sie nach Belieben holen konnten.«

Auf einer Strecke von einer Drittelmeile traf Faure noch auf fünf ähnliche Mauern. Gewiß ein auffallendes Beispiel von Scharfsinn bei solchen wilden Volksstämmen, welche im Uebrigen nicht hoch über den Thieren stehen!

In dem König Georgs-Hafen glückte es auch einem Officiere der »Geographe«, Ransonnet, besser als Vancouver und d'Entrecasteaux, eine Zusammenkunft mit den Bewohnern der Gegend zuwege zu bringen. Es war zum ersten Male, daß ein Europäer mit ihnen in nähere Berührung kam.

»Kaum erreichten wir das Ufer, sagt Ransonnet, als acht Eingeborne, die uns schon am ersten Tage unseres Erscheinens vergeblich durch Zurufe und Gesten zum Landen eingeladen hatten, auf einer Stelle erschienen; bald entfernten sich von ihnen drei, wahrscheinlich die Frauen. Die fünf Uebrigen bemühten sich, nach Ablegung ihrer Zagaien, womit sie ohne Zweifel ihre friedlichen Absichten zu erkennen geben wollten, uns beim Aussteigen zu helfen. Die Matrosen boten [394] ihnen, meinem Beispiel folgend, verschiedene Geschenke an, die sie zwar mit Genugthuung, aber ohne besondere Freude zu äußern annahmen. Ob aus Gleichgiltigkeit oder Einbildung, jedenfalls gaben sie uns die Gegenstände bald darauf scheinbar mit Vergnügen zurück, und als wir sie ihnen noch einmal einhändigten, ließen sie dieselben auf der Erde oder den benachbarten Felsen liegen.

In ihrer Begleitung befanden sich mehrere sehr schöne, große Hunde; ich that mein Möglichstes, sie zur Abtretung eines solchen zu bewegen, und bot ihnen Alles an, was ich nur zu geben hatte, doch blieben sie unerschütterlich Es scheint, sie bedienten sich jener Thiere bei der Jagd auf Känguruhs, die sie als Nahrung benutzen, gleich wie Fische, welche ich sie selbst mittelst ihrer Zagaien im Wasser anspießen sah. Sie tranken Kaffee und aßen Zwieback und Pökelrindfleisch; schlugen aber Speck, den sie auch erhielten, aus und ließen die Stücke auf die Erde fallen.

Diese Menschen sind groß, hager und gewandt; sie haben langes Haar, schwarze Augenbrauen, eine kurze, am Ursprung flache und zurücktretende Nase, tiefliegende Augen, einen großen Mund, vorspringende Lippen und sehr schöne, weiße Zähne. Das Innere ihres Mundes erschien aber so schwarz wie ihre äußere Haut.

Die drei Aeltesten von ihnen, Männer von etwa vierzig bis fünfzig Jahren, trugen einen langen schwarzen Bart; sie hatten die Zähne ausgefeilt und die Nasenscheidewand durchbohrt; ihre Haare waren rund geschnitten und natürlich gelockt. Die beiden Anderen, welche wir für sechzehn bis achtzehn Jahre alt hielten, zeigten keine Spur von Tätowirung; das lange Haar trugen diese in einen Zopf zusammengeflochten und gepudert mit rother Erde, mit der die Aelteren sich den Bart eingerieben hatten.

Uebrigens gingen Alle nackt und bedeckten sich nur mit einer Art breitem Gürtel aus sehr vielen, aus Känguruhhaar gesponnenen Schnüren. Sie plaudern gern und singen in Intervallen, wobei sie sich mit einförmigen Gesten begleiten. Trotz des niemals unterbrochenen guten Einvernehmens zwischen uns, wollten sie doch nicht zugeben, daß wir uns dem Orte näherten, wo sich die anderen Eingebornen, wahrscheinlich ihre Frauen, aufhielten.«

Nach zwölftägiger Rast im König Georgs-Hafen stachen die Schiffe wieder in See. Sie berichtigten und vervollständigten d'Entrecasteaux' und Vancouver's Karten von Leuwin's-, Edels'- und Endrächts-Land, welche nach einander besucht und in der Zeit vom 7. bis 26. März vermessen wurden. Von hier aus wendete [395] sich Baudin nach Witt's-Land, von dem man, als er zum ersten Male daselbst landete, noch sehr wenig Kenntniß besaß. Er hoffte glücklicher zu sein als Witt, Vianen, Dampier und Saint-Allouarn, denen es nicht gelungen war, den Fuß auf dieses Land zu setzen; Untiefen, Risse und Sandbänke machten die Schifffahrt hier nämlich ganz besonders schwierig.

»Zu diesen Gefahren trat noch eine ganz eigenthümliche Täuschung, die Spiegelung. Die Wirkung derselben war derartig, daß die ›Geographe‹, welche mehr als eine Meile von der Brandung entfernt segelte, davon gänzlich eingeschlossen erschien und an Bord der ›Casuarina‹ Jedermann einen drohenden Unfall vor Augen sah. Der Täuschung wurden wir uns zuletzt nur durch die zu große Klarheit der Spiegelbilder bewußt.«

Am 5. Mai warf die »Geographe« in Begleitung der »Casuarina« zum zweiten Male im Hafen von Coupang auf Timor Anker. Genau einen Monat später und nachdem Baudin sich ausreichend frisch verproviantirt verließ er Timor wieder und steuerte nach Witt's-Land, wo er günstige Land- und Seewinde anzutreffen hoffte, um nach Osten, und zwar nach Isle de France zu steuern, wo er nach glücklicher Rückkehr am 16. September 1803 verschied. Sollte nicht der immer schwankende Gesundheitszustand des Chefs der Expedition von Einfluß auf seinen Charakter gewesen sein, und würde das Officiercorps sich ebenso über ihn zu beklagen gehabt haben, wenn Geist und Körperkräfte sich bei jenem die Waage gehalten hätten? Mögen Physiologen die Lösung dieser Frage übernehmen.

Am 23. März lief die »Geographe« in die Rhede von Lorient ein, und drei Tage später begann man mit der Ausschiffung der verschiedenen, von ihr mitgebrachten naturhistorischen Sammlungen.

»Abgesehen von einer Menge Kisten mit Mineralien, getrockneten Pflanzen, in Alkohol aufbewahrten Fischen, Reptilien und Zoophyten, ausgestopften oder zergliederten Vierfüßlern und Vögeln, hatten wir noch siebzig große Kisten mit lebenden Vegetabilien, darunter gegen zweihundert Arten Nutzpflanzen, sechshundert Sorten Sämereien und gegen hundert lebende Thiere.«

Wir vervollständigen diese Mittheilungen noch durch einen Auszug aus dem der Regierung von dem Institute übergebenen Berichte. Sie beziehen sich hauptsächlich auf die von Péron und Lesueur geordnete zoologische Sammlung.

»Sie besteht aus mehr denn hunderttausend Arten großer und kleiner Thiere und führte schon zur Kenntniß mehrerer neuen Classen; jedenfalls verspricht [396] sie nach dieser Seite noch weitere Bereicherungen und enthält z.B., nach dem vom Professor des Museums gegebenen Ueberblick, über zweitausendfünfhundert neue Arten.«

Vergleicht man hiermit die zweite Reise Cook's – die bedeutendste und erfolgreichste, welche man bis dahin kennt – so hat diese doch nur zweihundertfünfzig neue Arten geliefert, und alle Reisen Carteret's, Wallis', Furneaux', Meares' und selbst Vancouver's zusammen erreichen noch nicht ein solches Resultat; dasselbe gilt von allen französischen Entdeckungsreisen, und somit geht daraus hervor, daß Péron und Lesueur allein mehr Thiere kennen gelehrt haben als alle reisenden Naturforscher der letzten Zeiten.

Auch die geographischen und hydrographischen Ergebnisse waren ziemlich werthvoll. England hat dieselben allerdings niemals anerkennen wollen, und Desborough Cooley beliebt in seiner »Geschichte der Reisen« die Entdeckungen Baudin's denen Flinders' beiweitem unterzuordnen. Man vermaß sich sogar zu behaupten, Flinders sei auf Isle de France sechseinhalb Jahre lang gefangen gehalten worden, um den französischen Berichterstattern Gelegenheit zu geben, seine Karten zu studiren und aus denselben ihre Reise zu combiniren. Eine solche Beschuldigung ist wohl zu sinnlos, als daß wir ein weiteres Wort darüber verlieren sollten.

Der englische und der französische Seefahrer haben sich Beide bezüglich der Bekanntmachung der Küsten Australiens hinreichend ausgezeichnet, als daß es nothwendig erschiene, den Einen auf Kosten des Anderen hervorzuheben. Der Jedem derselben zukommende Antheil ist in der von Péron herausgegebenen, von Louis de Freycinet durchgesehenen und verbesserten »Entdeckungsreise im südlichen Meere« gerecht und scharfsinnig festgestellt worden. Wir verweisen also den Leser darauf, wenn dieser Streit um die Priorität jener Entdeckungen ihn interessiren sollte.

[397]
2. Capitel
Zweites Capitel.
Die Afrika-Forscher.

Shaw in Algier und Tunis. – Hornemann in Fezzan. – Adanson am Senegal. – Houghton in Senegambien. – Mungo-Park und seine beiden Reisen nach dem Djoliba oder Niger. – Sego. – Tombuktu. – Sparrman und Le Vaillant am Cap, in Natal und im Innern. – Lacerde in Mozambique und bei Cazembe. – Bruce in Abyssinien. – Die Quellen des Blauen Nils. – Der Tzana-See. – Browne's Reisen in Darfur.


Ein englischer Kaplan in Algier, Thomas Shaw mit Namen, hatte seinen zwölfjährigen Aufenthalt in den Barbareskenstaaten dazu benützt, eine reichhaltige Sammlung von naturhistorischen Seltenheiten, Münzen, Inschriften und Kunstgegenständen zu erwerben. Besuchte er die südlichen Theile Algiers auch nicht persönlich, so wußte er doch verläßliche, wohlunterrichte Männer zu gewinnen, die ihm über viele, nur wenig bekannte Oertlichkeiten genaue und werthvolle Mittheilungen machten. Seine in zwei starken Quartbänden mit illustrirtem Text veröffentlichte Arbeit verbreitet sich über das ganze alte Numidien.

Freilich verräth sich dieselbe leicht als die eines Gelehrten, nicht eines Reisenden, dessen Gelehrtheit man noch nicht einmal richtig verdaut nennen kann. Immerhin entbehrte aber dieses Erzeugniß der historischen Geographie seiner Zeit keineswegs allen Werthes, und Niemand würde besser als Shaw im Stande gewesen sein, die außerordentliche Fülle eigenartigen Materials, welche jenes enthält, zu sichten und der Allgemeinheit zugänglich zu machen.

Der folgende Auszug wird eine Vorstellung von der Art und Weise geben, in der jenes Werk verfaßt ist.

Die gewerbliche Hauptbeschäftigung der Kabylen und Araber besteht in der Herstellung von »Hykes« (so nennen sie ihre Wollendecken) und von Geweben aus Ziegenhaar, womit sie ihre Zeltgerüste überspannen. Dieser Arbeit widmen sich indeß nur die Weiber, wie ehedem Andromache und Penelope; sie bedienen sich dabei keines Weberschiffchens, sondern führen die Schußfäden mit den Händen durch die der Kette. Eine solche Hyle ist gewöhnlich sechs englische Ellen lang, fünf bis sechs Fuß breit und dient den Kabylen und Arabern während des Tages als alleinige Bekleidung und in der Nacht als Bett und Decke zugleich. Sie bildet ein zwar leichtes, aber ziemlich unbequemes Kleidungsstück, da sie immer außer Ordnung kommt und leicht herunterrutscht, [398] so daß die, welche sie tragen, unaufhörlich mit dem Emporziehen und Ordnen derselben zu thun haben. Man begreift hiernach leicht die Nützlichkeit eines Gürtels, wenn eine Arbeit verrichtet werden sollte, und folglich auch die Bedeutung des in der Heiligen Schrift so oft wiederkehrenden Ausdrucks »um die Lenden gegürtet sein«.

»Die Art und Weise, wie dieses Kleidungsstück getragen und der Gebrauch als Decke, der beim Schlafen davon gemacht wurde, erweckt den Glauben, daß wenigstens die feineren Hykes, welche die Frauen und bei den Kabylen die Männer der höheren Gesellschaftsclassen benützen, etwa dem ›Peplus‹ der Alten entsprechen könnten. Ebenso hat es viel Wahrscheinlichkeit für sich, daß die sogenannte ›Toga‹ der Römer, welche sie auch nur um die Schultern warfen und als einzige Umhüllung trugen, derselben Art angehört, denn nach der Draperie ihrer Bildsäulen zu urtheilen, wurde diese Toga oder dieser Mantel von ihnen fast genau ebenso um den Körper gelegt wie die Hyle der Araber.«

Es erscheint zwecklos, noch länger bei diesem Werke zu verweilen, das nach der Seite, die uns am meisten angeht, so gut wie gar kein Interesse bietet. Wir verbreiten uns lieber ausführlicher über die Reise Friedrich Konrad Hornemann's nach Fezzan.

Dieser junge Deutsche sollte unter der in London gegründeten Afrikaforschenden Gesellschaft seine Fahrt antreten. Nach Erlernung der arabischen Sprache und der Erwerbung einiger Kenntnisse in der Heilkunde wurde er endgiltig von der Afrikanischen Gesellschaft dazu auserwählt, die ihm Empfehlungs schreiben und Geleitbriefe mitgab und einen unbeschränkten Credit eröffnete.


Die Kranken wurden an's Land gebracht. (S. 387.)

Er verließ London im Juli 1797 und kam zunächst nach Paris. Lalande stellte ihn dem Institute vor, händigte ihm seine »Denkschrift über Afrika« ein, und Broussonet vermittelte sein Bekanntwerden mit einem Türken, der ihm an einige mit Inner-Afrika in Geschäftsverbindung stehende Kaufleute Kairos die wärmsten Empfehlungsbriefe ausstellte.


Bonaparte empfing ihn mit Auszeichnung. (S. 399.)

Hornemann benützte seinen Aufenthalt in Kairo, um sich in der arabischen Sprache zu vervollkommnen und Sitten und Gebräuche der Landesbewohner kennen zu lernen. Durch Monge und Berthollet wurde der Reisende auch dem Oberbefehlshaber der Armee von Aegypten vorgestellt. Bonaparte empfing denselben mit Auszeichnung und stellte ihm alle Hilfsmittel des Landes zur Verfügung. Um unbehelligt zu reisen, erschien es Hornemann am sichersten, in der Verkleidung als mohammedanischer Kaufmann aufzutreten. Er bemühte sich also, [399] gewisse Gebete zu erlernen und einige landesübliche Gewohnheiten anzunehmen die er hinreichend glaubte, arglose Leute zu täuschen. Er reiste übrigens mit einem Landsmanne, Josef Freudenburg, der seit zwölf Jahren zum Scheine die mohammedanische Religion angenommen, drei Reisen nach Mekka gemacht hatte und die gewöhnlichen türkischen und arabischen Dialecte ganz geläufig sprach. Dieser Mann sollte Hornemann als Dolmetscher dienen.

Am 5. September 1798 verließ der Reisende Kairo mit einer Karawane von Kaufleuten und begann mit der Untersuchung der in der Wüste östlich von[400] Aegypten gelegenen berühmten Oase des Jupiter Ammon oder Siouah. Diese bildet ein kleines, unabhängiges Staatswesen, das den Sultan als Oberherrn anerkennt, ohne ihm Tribut zu zahlen. Rings um die Stadt Siouah liegen einige Dörfer in der Entfernung von ein bis zwei Meilen. Die Stadt selbst ist auf einem Felsen erbaut, in dem sich viele Einwohner ihre Häuser einfach ausgehöhlt haben. Die Straßen derselben sind so eng und laufen so verwirrt, daß sich ein Fremder darin nicht zurechtfinden kann. Diese Oase ist von ziemlich beträchtlicher Ausdehnung. Ihren fruchtbarsten District bildet ein reichlich bewässertes Thal, [401] das Getreide und andere Nahrungspflanzen erzeugt. Das Hauptproduct derselben besteht in höchst wohlschmeckenden Datteln, deren Güte bei den Arabern der Sahara sprichwörtlich geworden ist.

Gleich anfangs hatte Hornemann einige Ruinen bemerkt, die er eingehend besichtigen wollte, da er von den Bewohnern nur unzulängliche Auskunft darüber erhalten konnte. Wenn er sich aber nach diesen Bauwerken begab, folgte ihm stets eine Menge Eingeborner, die jede gründliche Untersuchung derselben zu hindern wußten. Ein Araber sagte sogar zu ihm: »Ihr müßt im Herzen noch Christ sein, da Ihr die Werke der Ungläubigen so häufig betrachtet.«

Selbstverständlich mußte Hornemann auf jede weitere Untersuchung verzichten. Nach seiner nur oberflächlichen Kenntnißnahme glaubt er jedoch behaupten zu dürfen, daß die Ruinen der Oase Ammon ägyptischen Ursprunges sind.

Die frühere Bevölkerungs-Dichtigkeit dieser Oase beweist noch die große Zahl von Grabgewölben, denen man auf jedem Schritte, vorzüglich aber unter dem, die Stadt selbst tragenden Hügel begegnet. Vergeblich suchte sich der Reisende in diesen Nekropolen einen vollständigen Schädel zu verschaffen, an den mitgenommenen Knochentheilen erkannte er jedoch, daß dieselben mit Harz ausgefüllt (einbalsamirt) worden waren. Von Kleidungsstücken fanden sich zwar viele Reste, aber in einem solchen Zustande von Zersetzung, daß eine Bestimmung ihres Ursprunges gänzlich unmöglich war.

Nach achttägigem Aufenthalte an diesem Orte begab sich Hornemann am 29. September nach Schiacha, quer über die Bergkette, welche die Oase Siouah einschließt. Bisher blieb der Reisende noch von jeder Heimsuchung verschont. In Schiacha aber wurde er verdächtigt, das Land als christlicher Spion zu besichtigen. Hier galt es eine kecke Stirn. Hornemann ließ sich auch wirklich nicht einschüchtern. Seine Rettung verdankte er einem Exemplar des Koran, das er in das Gemach, wo man ihn verhörte, mitgenommen hatte, und aus dem er laut für sich las. Der Dolmetscher fürchtete inzwischen eine Durchsuchung des Reisegepäckes und warf deshalb alle Fragmente von Mumien, die botanische Sammlung, das ausführliche Reisebuch und alle Druckwerke in's Feuer. Ein wahrhaft unersetzlicher Verlust.

Weiterhin erreichte die Karawane Augila, eine Herodot sehr wohl bekannte Stadt, der sie zehn Tagreisen von der Oase Ammon verlegt. Es stimmt das überein mit den Angaben Hornemann's, welcher neun Tage angestrengten Marsches brauchte, um die Strecke zwischen jenen beiden Oertlichkeiten zu durchmessen.

[402] In Augila hatte sich die Karawane durch den Anschluß verschiedener Kaufleute aus Bengasi, Merote und Mojabra vermehrt, so daß sie nun mindestens hundertzwanzig Köpfe zählte. Nach langem Marsche durch eine sandige Einöde gelangte dieselbe in eine hügel- und schluchtenreiche Gegend, wo sich da und dort etwas Baum- und Graswuchs fand. Es war das die Wüste von Harutsch. Durch diese mußte man ziehen, um nach Temmissa, einer nicht unbedeutenden, wiederum auf einem Hügel erbauten und mit Mauern umschlossenen Stadt zu gelangen. In Zuila betrat man dann das Gebiet von Fezzan. Bei jedem Einzug in eine Stadt wiederholten sich die gewöhnlichen Förmlichkeiten, die endlosen Begrüßungen und Glückwünsche für dauernde Gesundheit. Diese so trügerischen Höflichkeits-Bezeugungen scheinen im Leben der Araber eine sehr hervorragende Rolle zu spielen, so daß der Reisende nicht selten über die Häufigkeit derselben erstaunte.

Am 17. November erreichte die Karawane Murzuk, die Hauptstadt von Fezzan, und damit das Ziel der Reise. Die größte Länge des cultivirteren Theiles von Fezzan beträgt nach Hornemann's Angaben gegen 300 französische Meilen, in der Richtung von Norden nach Süden, und 200 Meilen, von Westen nach Osten; dazu tritt dann noch das Gebirgsland von Harutsch im Osten und die übrigen Wüstenstriche im Süden und Westen. Das Klima ist niemals angenehm; im Sommer herrscht eine furchtbare Hitze, die sich bei Südwind selbst für die Eingebornen fast zur Unerträglichkeit steigert; im Winter bringt der Nordwind dagegen eine so empfindliche Kälte, daß die Bewohner Feuer anzünden müssen.

Datteln und andere Nährpflanzen bilden so ziemlich die einzigen Naturschätze des Gebietes und Murzuk den Haupthandelsplatz des Landes. Hier sieht man die Erzeugnisse von Kairo, Bengasi, Tripolis, Rhadames, Thoat und Sudan vereinigt. Handelsartikel sind Sklaven beiderlei Geschlechtes, Straußfedern, Raubthierfelle, Gold in Pulver- oder Körnerform. Bornu sendet hierher Kupfer, Kairo Seide, Calicot, wollene Kleidungsstücke, künstliche Korallen, Armbänder und indische Waaren. Die Händler aus Tripolis und Rhadames führen Feuerwaffen, Säbel, Messer u.dgl. dem Markte zu.

Fezzan regiert ein Sultan aus dem Stande der Sherifs mit unbeschränkter Machtvollkommenheit, doch zahlt er dem Bey von Tripolis einen Tribut von 4000 Dollars. Die Bevölkerung des Landes mochte (Hornemann nennt freilich keine Quellen für seine Schätzung) sechzigtausend Seelen betragen und bekennt sich ausnahmslos zum Islam.

[403] Man begegnet in Hornemann's Berichte noch einigen Bemerkungen über Sitten und Gewohnheiten dieser Völker. Der Reisende beschließt denselben mit der an die Afrikanische Gesellschaft gerichteten Mittheilung, daß er nach Fezzan zurückzukehren und weitere Aufschlüsse über dieses Land zu gewinnen hoffe.

Ferner weiß man, daß Hornemann's treuer Begleiter, der Renegat Freudenburg, in Murzuk mit Tode abging. Selbst von einem heftigen Fieber heimgesucht, mußte Hornemann in jener Stadt länger, als beabsichtigt, verweilen. Nach seiner Wiedergenesung ging er nach Tripolis, um auszuruhen und sich durch den Umgang mit einigen Europäern wieder zu erfrischen. Am 1. December 1799 schlug er wieder den Weg nach Murzuk ein, von wo er am 7. April 1800 mit einer Karawane abreiste. Seine Wißbegierde reizte Bornu, der Abgrund, der der so viele Opfer fordern sollte und auch ihn nicht wieder herausgab.

Im Verlaufe des 18. Jahrhunderts wird Afrika überhaupt gleich einem befestigten Platze bestürmt. Von allen Seiten dringen kühne Forschungsreisende auf denselben ein. Einigen gelingt es, wenige Schritte in das Innere zu thun, doch sofort werden sie dann zurückgetrieben oder finden daselbst ihren Tod. Erst in unseren Tagen begann der geheimnißvolle Continent sich zu offenbaren und zeigte zur allgemeinen Verwunderung ganz ungeahnte Schätze an fruchtbarem Boden.

Die durch Brue am Senegal gewonnene Kenntniß des Landes bedurfte noch sehr der Vervollständigung. Das in jenen Gegenden früher unbestrittene Uebergewicht Frankreichs erlitt inzwischen einen harten Stoß durch sehr beachtenswerthe Rivalen, die unternehmungslustigen Engländer. Diese begriffen sehr bald die Wichtigkeit, welche die fortschreitende Kenntniß dieser Gebiete für die Weiterentwickelung ihres Handels haben müsse. Bevor wir jedoch an die Schilderung der Reise des Major Houghton und Mungo Park's gehen, wollen wir mit wenigen Worten der Aufgabe erwähnen, deren Lösung sich der französische Naturforscher Michel Adanson vorgenommen hatte.

Von Kindheit auf dem Studium der Natur ergeben, strebte Adanson danach, seinen Namen durch neue Entdeckungen in diesen Zweigen der Wissenschaft zu verewigen. Europa bot ihm hierzu keine günstigen Aussichten. Wider alle Erwartungen erwählte Adanson den Senegal als Feld seiner Thätigkeit.

»Es war das, sagt er in einer handschriftlichen Anmerkung, von allen europäischen Ansiedlungen die unzugänglichste, heißeste, ungesundeste und nach[404] allen Seiten gefährlichste, dafür aber auch die den Naturforschern noch am wenigsten bekannte Gegend.«

Gewiß gehört ein guter Muth und brennender Ehrgeiz dazu, sich aus letzterem Grunde allein für eine solche Wahl zu entscheiden.

Adanson war zwar nicht der erste Naturforscher, der solchen Gefahren trotzte, doch hatte man bis jetzt noch Keinen gesehen, der das mit solchem Feuereifer, auf eigene Kosten und ohne jede Aussicht auf Belohnung und Wiedervergeltung unternahm, denn unserem Forscher fehlte es bei der Rückkehr sogar an Mitteln, seine Entdeckungen durch den Druck zu veröffentlichen.

Am 3. März 1749 schiffte sich Adanson auf der von d'Après de Mannevillette befehligten »Chevalier-Marin« ein, lief Sainte-Croix auf Teneriffa an und landete bei der Mündung des Senegal, den er für den Niger der alten Geographen hielt. Nahezu fünf Jahre lang durchstreifte er die französische Kolonie nach allen Richtungen, richtete seine Schritte nach Podor, Portudal, Albreda, nach der Mündung des Gambia und sammelte mit Eifer und unglaublicher Ausdauer aus allen drei Reichen der Natur ganz ungeheuere Schätze an.

Ihm verdankt man z.B. die erste verläßliche Kenntniß über einen Riesenbaum, den Baobab, der ja auch häufig als Adansonia bezeichnet wird; über das Leben der Heuschrecken, der Hauptnahrung gewisser wilder Volksstämme; über die weißen Ameisen, welche wirkliche Häuser erbauen, und über Muschelarten an der Gambia-Mündung, die »auf Bäume klettern«.

»Den Negern, sagt er, macht es keine besondere Mühe, sich jene zu verschaffen, denn sie schneiden einfach die von ihnen besetzten Baumstämme ab. Ein einziger trägt nicht selten deren über zweihundert, und wenn er mehrere Zweige hat, so giebt das eine Muschelernte, welche ein Mann allein kaum fortzuschaffen vermag.«

So interessant diese Beobachtungen an und für sich auch sind, so gewähren sie dem Geographen doch herzlich wenig Ausbeute und beschränken sich auf einige neue oder vervollständigte Nachrichten über die Yoloss und die Mandingos. Wenn wir Adanson bei allen seinen Besuchen schon bekannter Länder begleiten, würden wir sonst kaum etwas Neues erfahren.

Anders liegt das bezüglich der Expedition, die wir im Nachstehenden schildern wollen.

Der Major Houghton, Kapitän im 69. Regiment und englischer Gouverneur des Forts von Gorée, hatte von frühester Jugend an, während er eine englische[405] Gesandtschaft nach Marokko begleitete, Gelegenheit gefunden, Sitten und Gebräuche der Mauren und der Neger Senegambiens kennen zu lernen. Er erbot sich 1790 der Afrikanischen Gesellschaft gegenüber, nach dem Niger zu gehen, dessen Lauf zu erforschen, die Städte Tombukins und Haussas zu besuchen und quer durch die Sahara zurückzukehren. Dieser vielversprechende Plan sollte leider eine Störung erfahren, hinreichend, ihn gänzlich scheitern zu machen.

Houghton verließ England am 16. October 179o und landete am 10. November in Gillifrie, an der Mündung des Gambia. Nach feierlichem Empfange seitens des Königs von Barra fuhr er eine Strecke von dreihundert Meilen auf dem Gambia hinauf, durchmaß dann zu Fuß den Rest von Senegambien und gelangte so bis Gonka-Konda in Yani.

»Hier kaufte er von einem Neger«, sagte Walckenaer in seiner »Geschichte der Reisen«, ein Pferd und fünf Esel und traf die nöthigen Vorbereitungen, um mit den Handelswaaren, deren Erlös die Unkosten der Reise decken sollten, nach Medina, der Hauptstadt des kleinen Königreiches Woolli, aufzubrechen. Glücklicherweise verriethen ihm einige, einer Negerin in der ihm nothdürftig bekannten Mandingo-Sprache entschlüpfte Worte, daß ein Anschlag auf sein Leben geschmiedet werde. Die Kaufleute, welche auf dem Strome Handel trieben, glaubten nämlich, der Major sei auch nur einzig zu diesem Zwecke erschienen, und hatten in ihrer Befürchtung, durch seine Concurrenz bei ihren Geschäften beeinträchtigt zu werden, beschlossen, ihn meuchlings beiseite zu schaffen.

»Um sich der drohenden Gefahr zu entziehen, hielt er es für gerathen, die gewöhnliche Straße zu verlassen. Schwimmend überschritt er mit seinen Thieren den Strom und befand sich nun, an dessen südlichem Ufer, im Königreiche Cantor.«

Später setzte er noch einmal über das Wasser und drang in das Königreich Woolli ein.

Hier beeilte er sich, an den König einen Boten mit Geschenken zu schicken und jenen um seinen Schutz anzurufen. Der König empfing ihn darauf mit wohlwollender Gastfreundschaft in seiner Hauptstadt. Medina ist nach Aussage des Reisenden eine bedeutende Stadt, umgeben von fruchtbaren Feldern, auf denen zahlreiche Heerden weiden.

Major Houghton rechnete auf einen glücklichen Ausgang seines Unternehmens; mindestens deutete der bisherige Verlauf darauf hin, als ein Zwischenfall seine frohen Hoffnungen zum ersten Male erschütterte. Eine der seinigen benachbarte [406] Hütte ging nämlich in Flammen auf, welche sich bald über die ganze Stadt verbreiteten. Sein Dolmetscher, der schon wiederholte Versuche gemacht hatte, ihn zu bestehlen, nahm diese Gelegenheit wahr und entwich mit dem Pferde und drei Eseln.

Der König von Woolli ließ ihm dagegen auch ferner Schutz angedeihen und überhäufte ihn mit Geschenken, welche ihm weniger durch ihren Werth als durch die Gesinnung des Gebers, die sie verriethen, schätzbar erschienen. Dieser Europäer-freundliche König hieß Djata; gut, menschlich und aufgeklärt, wünschte er sogar, die Engländer möchten in seinem Lande eine Factorei anlegen.

»Kapitän Littleton, schrieb Houghton an seine Gattin, hat unter vierjährigem Aufenthalt hierselbst ein beträchtliches Vermögen erworben; er besitzt jetzt mehrere Schiffe, welche den Strom befahren. Man erhält, hier jederzeit und im Austausch gegen fast werthlose Kleinigkeiten Gold, Elfenbein, Wachs, Sklaven u.s.w., und es ist leicht, ein angelegtes Kapital zu verachtfachen. Geflügel, Schafe, Eier, Butter, Honig und Fische giebt es in Ueberfluß, so daß man mit zehn Pfund Sterling eine zahlreiche Familie sehr gut unterhalten kann. Der Erdboden ist trocken, die Luft gesund, und der König von Woolli hat mir versichert, daß in Fatatenda noch kein einziger Weißer gestorben sei.«

Houghton gelangte von hier aus auf der Faleme bis Cacullo, dem Cacoulon der Anville'schen Karte, und verschaffte sich in Bambuk einige Nachrichten über den Djoliba, einen Strom in Innern von Sudan. Dessen Richtung ist zuerst eine süd-nördliche bis Djenne, dann eine west-östliche bis Tombuktu – Angaben, welche durch Mungo Park später ihre Bestätigung fanden. Der König in Bambuk empfing den Reisenden mit großer Herzlichkeit, gab ihm einen Führer auf den Weg nach Tombuktu mit und versorgte ihn zur Deckung der entstehenden Reisekosten reichlich mit den landesüblichen Kauris.


Der Baobab. (S. 405.)

Während man alle Ursache hatte zu hoffen, daß der Major bis zum Niger glücklich vordringen werde, erhielt Dr. Ladley ganz unerwartet eine halb verwischte Bleistiftnotiz aus Simbing, mit der Meldung, daß der Reisende aller seiner Habseligkeiten beraubt worden sei, nichtsdestoweniger aber seinen Zug auf Tombuktu fortsetze. Einige andere, von verschiedenen Seiten darauf eingehende Nachrichten ließen sogar vermuthen, daß Houghton in Bambara ermordet worden sei. Vollständige Aufklärung über das Schicksal des Majors erhielt man übrigens erst durch Mungo Park.

[407] »Simbing, sagt Walckenaer, wo Major Houghton die letzten an ihre Adresse gelangten Worte niederschrieb, ist eine kleine, mauerumgebene Grenzstadt der Königreiches Ludamar. Hier verließen den Reisenden seine schwarzen Diener, die ihm in das Land der Mauren nicht folgen wollten. Er zog dessenungeachtet weiter, wendete sich nach Ueberwindung der mannigfachsten Hindernisse nach Norden und wollte nun quer durch das Königreich Ludamar reisen. Nach vielen Mühen erreichte er Jarra und machte daselbst Bekanntschaft mit einigen maurischen Kaufleuten, welche Salz aus Tischet holen wollten, einer nahe den Salzsümpfen [408] der großen Wüste und etwa zehn Tagemärsche im Norden von hier gelegenen Stadt. Durch das Geschenk eines Gewehres und einer geringen Menge Tabak erkaufte er sich die Zustimmung dieser Kaufleute mit ihnen nach Tischet zu reisen.

Wenn man annimmt, daß er das wirklich beabsichtigte, so muß man wohl glauben, daß die Mauren ihn entweder über den einzuschlagenden Weg oder über den Zustand des Landes zwischen Jarra und Tombuktu von vornherein zu täuschen suchten.«


Porträt von Mungo Park. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 410.)

Als dies Houghton nach zwei Tagen selbst bemerkte, wollte er nach Jarra zurückkehren; da raubten ihm die Mauren Alles, was er besaß, und entflohen. Nun mußte er zu Fuß nach Jarra zurück. Man erfuhr nie [409] mals genau, ob er daselbst Hungers gestorben oder von Mauren ermordet worden ist, doch zeigte man Mungo Park später die Stätte, wo er den Tod gefunden hatte.

Das Abhandenkommen der Houghton'schen Tagebücher und Beobachtungen hat seine Mühe und Aufopferung für die Förderung der Wissenschaften doch nahezu fruchtlos gemacht. Wegen der Einzelheiten seiner Forschungsreise ist man als einzige Quelle auf die Proceedings der Afrikanischen Gesellschaft beschränkt. Nun hörte damals Mungo Park, ein junger schottischer Arzt, der auf der »Worcester« einen Feldzug nach Ostindien mitgemacht hatte, daß die Afrikanische Gesellschaft einen Reisenden suche, der es unternähme, auf der Gambia in das Innere des Continents einzudringen. Mungo Park, den schon lange der Wunsch beseelte, die Erzeugnisse jenes Landes und Sitten und Charakter der umwohnenden Volksstämme kennen zu lernen, erbot sich zu einem Versuche, obwohl er voraussetzen konnte, daß sein Vorgänger, Major Houghton, bei einem ähnlichen umgekommen sei.

Von der Gesellschaft sofort willig angenommen, beeilte Mungo Park seine nöthigen Vorbereitungen und reiste mit den wärmsten Empfehlungsbriefen des Doctors Laidley und einem Credit von zweihundert Pfund Sterling am 22. Mai 1795 von Portsmouth ab.

In Gillissrie, an der Gambia-Mündung im Königreiche Barra gelandet, zog der Reisende auf dem Strome hinein bis Pisania, eine englische Factorei des Doctor Laidley. Hier ließ er es seine erste Sorge sein, die meistverbreitete Sprache, die der Mandingos, zu erlernen; dann sammelte er die nöthigen Unterlagen zur Ausführung seines Vorhabens.

Während seines ersten Aufenthaltes glückte es ihm auch, über die Felups, die Yoloss, Fulahs und Mandingos eingehendere und verläßlichere Nachrichten als die seiner Vorgänger zu erhalten. Darnach sind die Ersten verschlossen, streit- und rachsüchtig, aber muthig und treu; die Zweiten bilden einen mächtigen, kriegerischen Stamm mit auffallend schwarzer Haut und haben, bis auf die Hautfarbe und Sprache, große Aehnlichkeit mit den Mandingos. Letztere sind von sanfter und geselliger Natur, groß und wohlgebaut und haben recht hübsche Frauen. Die mehr hellfarbigen Fulahs endlich führen ein Hirten- und Landbauerleben. Die meisten dieser Stämme sind Mohammedaner und huldigen [410] der Vielweiberei. Am 2. December brach Mungo Park in Begleitung zweier sprachkundiger Neger und mit wenigem Gepäck nach dem Innern auf. Er durchzog zuerst das kleine Königreich Woolli, dessen Hauptstadt Medina wohl an tausend Häuser zählt. Dann besuchte er Kolor, eine bedeutende Stadt, und gelangte, nach zweitägigem Marsche durch eine trostlose Einöde, in das Königreich Bondu. Die Einwohner desselben sind Fulahs, bekennen sich zum Islam und gewinnen ziemliche Reichthümer durch den Elfenbeinhandel, wenn sie nicht Landbau und Viehzucht treiben.

Bald erreichte der Reisende die Faleme, einen aus den Bergen von Dalaba herkommenden Fluß, der nahe seiner Quelle reichhaltige Goldlager durchströmt. In Fatteconda, der Hauptstadt Bondus, ward er vom König empfangen, der auf keinen Fall glauben wollte, daß er aus bloßer Wißbegierde reise. Das Zusammentreffen des Forschers mit den Frauen des Fürsten ist ziemlich lustig, so daß wir es hier nach dem Urtexte schildern.

»Kaum hatte man mich in ihren Hof eingeführt, sagt Mungo Park, als ich mich auch schon von dem ganzen Serail umringt sah. Die einen von den Frauen verlangten Arzneien, Andere Ambra, Alle aber wünschten einen Aderlaß, das anerkannteste Universal-Heilmittel der Afrikaner, an sich vornehmen zu lassen. Es waren etwa zehn bis zwölf Frauen, meist jung und hübsch, mit Zieraten aus Gold und Ambrastückchen auf dem Kopfe.

Sie scherzten mit mir sehr heiter über das und jenes. Vorzüglich lachten sie über die weiße Farbe meiner Haut und die Länge meiner Nase und hielten die eine und die andere für künstlich hergestellt. So sagten sie z.B., man habe in meiner Kindheit die Haut durch Eintauchen in Milch gebleicht und durch wiederholtes Zupfen und Ziehen meine Nase verlängert, bis sie diese häßliche und naturwidrige Gestalt annahm.«

Von Bondu aus nach Norden ziehend, betrat Mungo Park nun Kajaaga, das die Franzosen Galam nennen. Das Klima dieses pittoresken, vom Senegal bewässerten Landes ist weit gesünder als das in den Nachbarländern der Meeresküste Die Bewohner nennen sich selbst Serawullis, während die Franzosen sie als Seracolets bezeichnen. Ihre Hautfarbe ist pechschwarz, und man vermag sie in dieser Beziehung kaum von den Yoloss zu unterscheiden.

»Gewöhnlich, berichtet Mungo Park, treiben die Serawullis Handelsgeschäfte; früher z.B. in umfänglichem Maßstabe mit den Franzosen, denen sie Goldstaub und Sklaven verkauften. Jetzt liefern sie nur noch den an der Gambia [411] errichteten englischen Factoreien einige wenige Sklaven. Sie haben sich durch die Ungezwungenheit und Rechtlichkeit ihres Geschäftsbetriebes weithin einen guten Namen erworben.«

In Joag wurde Mungo Park durch Sendlinge des Königs der Hälfte seines Gepäckes unter dem Vorgeben beraubt, daß man dasselbe als von ihm zu entrichtendes Geleitsgeld nehme. Glücklicher Weise nahm ihn da der Neffe Demba Jello Jalla's, des Königs von Kasson, der eben nach der Heimat zurückkehren wollte, unter seinen Schutz. Sie gelangten zusammen nach Gongadi, wo sich herrliche Anpflanzungen von Dattelbäumen finden, und nach Samie, am Ufer des Senegal und an der Grenze von Kasson.

Die erste Stadt, der man in diesem Lande begegnet, ist Tiesie, welche Mungo Park am 13. December glücklich erreichte. Sehr freundlich aufgenommen von den Einwohnern, die ihm alles Nothwendige zu sehr billigem Preise verkauften, mußte der Reisende nun gerade von jenem Neffen und dem Bruder des Königs allerlei Belästigungen erdulden.

Am 10. Januar 1796 verließ Mungo Park diese Stadt, um sich nach Kuniakari, der Hauptstadt von Kasson zu begeben, eines fruchtbaren, reichen, dichtbevölkerten Landes, das vierzigtausend Mann unter Waffen zu stellen vermag. Der gegen den Reisenden sehr wohlgestimmte König wollte, daß jener während des eben zwischen den Königreichen Kasson und Kajaaga ausgebrochenen Krieges in seinem Gebiete zurückbleibe. Aller Voraussicht nach mußten nämlich auch Kaarta und Bambara, die Mungo Park besuchen wollte, in jenen Krieg verwickelt werden. Dieser Rath war klug, und jener bereute mehr als einmal, ihm nicht gefolgt zu sein.

Bei seiner Ungeduld, weiter in das Innere vorzudringen, wollte der Reisende aber nichts hören und zog auf sandiger Ebene hin nach Kaarta. Unterwegs begegnete er vielen Eingebornen, die nach Kasson entflohen, um den Greueln des Krieges zu entgehen. Auch dieser Anblick konnte ihn nicht aufhalten, und er setzte ruhig seinen Weg fort bis nach der in fruchtbarer, offener Ebene gelegenen Hauptstadt von Kaarta.

Der König Daisy Kurabari empfing den Reisenden recht wohlwollend, bemühte sich, ihn von dem Besuche Bambaras abzubringen, und rieth ihm, als er das Vergebliche seiner Bemühung einsah, um die Krieger-Haufen zu vermeiden, erst nach dem von Mauren bewohnten Königreiche Ludamar zu gehen, von wo aus er dann nach Bambara gelangen könnte.

[412] Auf der Reise dahin sah Mungo Park seine Neger ein gewürzhaftes, mit Lotosbeeren gebackenes Brot verzehren. Die betreffende Pflanze, Rhamnus lotus, wächst in Senegambien, Nigritien und Tunis wild.

»Man kann also, sagt Mungo Park, gar nicht daran zweifeln, daß diese Frucht von der nämlichen Lotuspflanze herrührt, die Plinius als Nahrungsmittel der Lotophagen Lybiens erwähnt. Ich habe selbst von diesem Lotusbrote gegessen und bin der Meinung, daß sich eine Armee recht gut von demselben erhalten kann, wie Plinius bezüglich der Lybier berichtet. Der Geschmack dieses Brotes ist so mild und angenehm, daß sich die Soldaten des Alterthums gewiß nicht dar über beklagt haben werden.«

Am 22. Februar traf Mungo Park in Jarra, einer umfangreichen Stadt mit steinernen Gebäuden, ein, welche meist von aus Süden eingewanderten Negern bewohnt ist, die sich unter den Schutz der Mauren stellten und diesen dafür einen beträchtlichen Tribut entrichteten. Der Reisende erhielt von Ali, dem Könige von Ludamar, die Erlaubniß, seine Staaten unbehelligt zu durchstreifen. Trotzdem wurde Mungo Park von den fanatischen Mauren in Deena fast vollkommen ausgeplündert. In den bedeutenden Städten Sampaka und Dalli, wie in dem reizend gelegenen Dorfe Samee erfreute sich unser Forscher einer so guten Aufnahme, daß er sein Vordringen bis in das Herz Afrikas schon für gesichert ansah, als ein Haufen von Kriegern Ali's kam und ihn nach Benown, dem Lager des Herrschers, fortschleppte.

»Auf einem Kissen von schwarzem Leder sitzend, erzählt Mungo Park, traf ich Ali damit beschäftigt, seinen Schnurrbart etwas zu verschneiden, wobei eine Sklavin vor ihm einen Spiegel hielt. Es war ein Greis von arabischer Abstammung. Er trug einen langen weißen Bart und hatte ein düsteres, verstimmtes Aussehen. Voll Aufmerksamkeit ruhte sein Auge auf meiner Person. Dann fragte er meine Führer, ob ich arabisch spräche. Diese verneinten. Er schien darüber erstaunt und schwieg; nicht so die Personen seiner Umgebung und vorzüglich die Frauen. Diese überschütteten mich trotz meiner Unkenntniß mit allerlei Fragen, musterten alle Theile meiner Kleidung, durchsuchten mir die Taschen und drängten mich dazu, den Brustlatz aufzuknöpfen, um sich von der weißen Farbe meiner Haut zu überzeugen. Zuletzt zählten sie gar meine Finger und Zehen, als bezweifelten sie, ob ich wirklich zum Geschlechte der Menschen gehöre.«

Fremd, ohne Schutz, ein Christ und als Spion betrachtet, gab Mungo Park den Mauren erwünschte Gelegenheit, ihrer natürlichen Wildheit, Grausamkeit[413] und fanatischen Wuth die Zügel schießen zu lassen. Beschimpfungen und Schläge blieben ihm nicht erspart. Man wollte ihn unter Anderem auch mit Gewalt zum Barbier machen; nur daß er sich gar so ungeschickt anstellte und Ali's Sohn dabei die Kopfhaut verwundete, befreite ihn von dieser erniedrigenden Beschäftigung. Während seiner Gefangenschaft sammelte Mungo Park doch einige Auskunft über Tombuktu, die Stadt, deren Erreichung den Europäern so viele Mühe kostete, das Desideratum aller Afrika-Reisenden.

»Hussah, sagte ihm ein Sherif, ist die größte Stadt, die ich jemals gesehen habe. Walet ist größer als Tombuktu; da es aber fern vom Niger liegt und sein Haupthandel nur in Salz besteht, so sieht man dort weit weniger Fremde. Von Benown bis Walet hat man zehn Tagemärsche. Auf dem Wege zwischen diesen beiden Orten trifft man keine bemerkenswerthere Stadt und muß sich ausschließlich von Milch nähren, die man von den Arabern kauft, deren Heerden in der Nähe von Brunnen und Sümpfen weiden. Zwei Tage lang kommt man dabei durch eine sandige Gegend ohne Wasser.

Ferner braucht man dann elf Tage von Walet bis Tombuktu. Auf diesem Wege findet sich Wasser indeß häufiger, und man reist daselbst gewöhnlich mit Ochsen. In Tombuktu leben sehr viele Juden, die alle arabisch sprechen und sich der nämlichen Gebete bedienen wie die Mauren.«

Die Kriegsereignisse bestimmten inzwischen Ali, sich nach Jarra zu begeben. Mungo Park erhielt auf die Fürsprache der ihm geneigten Favorit-Sultanin Fatime Erlaubniß, den König begleiten zu dürfen. Bei dieser Annäherung an den Schauplatz der Ereignisse hoffte der Reisende eine Gelegenheit zum Entfliehen zu finden. Wirklich begann der König von Kaarta, Daisy Kurabari, einen unaufgehaltenen Siegeszug auf Jarra zu. Die meisten Einwohner ergriffen die Flucht, und Mungo Park zögerte nicht, es ihnen gleich zu thun.

Die Gelegenheit zu entwischen bot sich zwar bald, doch weigerte sich sein Dolmetscher, ihm zu folgen. Er mußte also allein und ohne Hilfsmittel nach Bambara aufbrechen.

Die erste Stadt auf seinem Wege war Wawra; diese gehörte zu Kaarta, das damals an Mansong, den König von Bambara, Tribut zahlte.

»Als ich am 7. Juli des Morgens schon reisefertig stand, berichtet Mungo Park, bat mich mein Wirth inständigst, ihm einige meiner Haare zu schenken. Man hatte ihm versichert, fügte er hinzu, daß die Haare eines Weißen ein ›Saphis‹ (Talisman) seien, die Dem, der sie bei sich trüge, alle Kenntnisse [414] und Fertigkeiten des Weißen mittheilten. Mir war zwar diese höchst einfache Bildungsmethode bisher ganz unbekannt, doch erklärte ich mich zur Erfüllung seines Wunsches bereit. Der arme Teufel hatte einen solchen Trieb, zu lernen, daß er mir schneidend und raufend fast die eine Kopfhälfte kahl schor, und es mit der anderen nicht besser gemacht hätte, wenn ich mich nicht etwas ungehalten zeigte und ihm gesagt hätte, daß ich einen Theil dieses kostbaren Materials für eine ähnliche Gelegenheit aufsparen wolle.«

Unter maßlosen Anstrengungen und herben Entbehrungen wurden Galln und später Murja, letzteres eine große, wegen ihres Salzhandels weitbekannte Stadt, erreicht. Als er sich darauf Sego näherte, bemerkte Mungo Park endlich den Djoliba.

»Vor mir, sagt er, sah ich mit großer Befriedigung nun das Hauptziel meiner Sendung, den so lange gesuchten majestätischen Niger. Breit wie die Themse bei Westminster, funkelte er jetzt in den Strahlen der Sonne und floß hier langsam nach Osten. Ich eilte an das Ufer, trank von dem Wasser des Stromes und erhob meine Hände gen Himmel zum innigen Danke gegen den Schöpfer und Regierer aller Dinge, der meine Bemühungen mit so vollständigem Erfolge gekrönt hatte.

Der Fall des Nigers nach Osten und die Umgegend nach dieser Himmelsgegend zu erregten jedoch keineswegs mein Erstaunen; denn obwohl ich bei der Abreise nach Europa hierüber noch vollständig unklar war, hatte ich mich doch im Verlaufe meiner Fahrt über diesen Strom so vielfach erkundigt und von Negern der verschiedensten Stämme die gleichmäßige Versicherung erhalten, daß sein Lauf gegen Sonnenaufgang gerichtet sei, daß ich darüber nicht mehr im Zweifel sein konnte, zumal ich wußte, daß auch Major Houghton schon dieselbe Auskunft erhalten hatte.

Sego, die Hauptstadt von Bambara, wohin ich nun gelangte, besteht eigentlich aus vier verschiedenen Städten, von denen zwei, Sego-Korro und Sego-Bu, am nördlichen Ufer des Stromes liegen. Die beiden anderen erheben sich am südlichen Ufer und heißen Sego-Su-Korro und Sego-See-Korro. Alle sind von hohen Lehmwänden umschlossen. Die Häuser bestehen meist aus thoniger Erde, haben eine viereckige Gestalt und plattes Dach, einzelne wohl auch zwei Stockwerke; mehrere sieht man weiß angestrichen.


Eingeborne vom Senegal.

Außer solchen Wohnhäusern erblickt man in allen Quartieren viele von den Mauren erbaute Moscheen. Die nach unseren Begriffen schmalen Straßen [415] sind doch breit genug für den gewöhnlichen Verkehr in einem Lande, wo man Räderfuhrwerke absolut nicht kennt. Allem Anscheine nach zählt Sego in seinem ganzen Umfange gegen dreißigtausend Bewohner.


Ein Buschmann. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Der König von Bambara residirt beständig in Sego-See-Korro; er stellt viele Sklaven auf, um die Einwohner von einer Stromseite nach der anderen zu tragen. Obgleich die Bezahlung hiefür nur zehn Kauris für die Person beträgt, so liefert das dem Könige doch im Laufe des Jahres recht beträchtliche Einkünfte.«

[416] Beeinflußt von den Mauren, wollte der König den Reisenden nicht empfangen und verbot ihm den Aufenthalt in der Hauptstadt, da er im anderen Falle nicht für etwaige Mißhandlungen des Fremdlings einstehen könne. Um diesem Verbote aber jeden Anschein böser Absicht zu benehmen, sandte er Mungo Park einen Sack mit fünftausend Kauris (etwa zwanzig Mark unserer Münze) zum Ankaufe von Lebensmitteln. Der königliche Bote sollte ihm gleichzeitig bis Sansanding als Führer dienen. Hier war kein Einspruch möglich; es galt dem Befehle nachzukommen, und Mungo Park fügte sich der Nothwendigkeit.

[417] Vor der Ankunft in Sansanding wohnte er der Einerntung vegetabilischer Butter bei, die ein Baum erzeugt, den man dort »Shea« nennt.

»Dieser Baum, heißt es in dem Berichte, gedeiht in jener Gegend von Bambara in Ueberfluß. Er wird von den Eingebornen nicht gepflanzt, sondern wächst schon wild in den Wäldern. Dabei ähnelt er sehr der amerikanischen Eiche, und die Frucht, aus deren in der Sonne getrocknetem und in Wasser gesottenem Kerne die vegetabilische Butter bereitet wird, gleicht der spanischen Olive. Den Kern umhüllt ein mildes Fleisch, das eine dünne grüne Schale bedeckt. Die daraus bereitete Butter ist, abgesehen davon, daß sie sich das ganze Jahr über ohne Salz hält, weißer, fester und, meinem Geschmacke nach, angenehmer als irgend eine Butter aus Kuhmilch, die ich jemals gegessen habe. Sie bildet einen Hauptartikel des Binnenhandels jener Gegenden.«

Sansanding, eine Stadt von acht- bis zehntausend Einwohnern, ist ein besuchter Markt der Mauren, welche dahin vom Mittelmeere Glaswaaren zuführen, die sie gegen Goldpulver und Baumwollenstoffe eintauschen. Mungo Park wurde es nicht vergönnt, sich an diesem Orte aufzuhalten, er mußte vielmehr, vertrieben von der Zudringlichkeit der Einwohner und durch die elenden Verdächtigungen der fanatischen Mauren, die Reise weiter fortsetzen. Da sein Pferd durch Strapazen und Hunger erschöpft war, schiffte er sich auf dem Niger oder dem Djoliba, wie die Landeseinwohner sagen, ein.

In Murza, einem Fischerdorfe des nördlichen Stromufers, sah sich Mungo Park genöthigt, auf jede Weiterfortsetzung seiner Entdeckungen zu verzichten. Je weiter nach Osten er den Strom hinabfuhr, desto sicherer lieferte er sich den Mauren in die Hände. Es begann jetzt die Regenzeit, während der man kaum anders als mittelst Bootes reisen konnte. Seine vollständige Entblößung von allen Mitteln hinderte ihn aber, ein Fahrzeug zu miethen, ja er sah sich sogar gezwungen, von der öffentlichen Wohlthätigkeit das Leben zu fristen. Drang er in der bisherigen Richtung noch weiter vor, so ging er nicht nur selbst einem gewissen Tode entgegen, sondern setzte auch alle Früchte seiner Arbeiten und Mühen auf's Spiel. Die Rückkehr nach Gambia bot gewiß viele Schwierigkeiten; er hatte durch unwirthliche Länder mehrere hundert Meilen zu Fuß zurückzulegen, doch er sagte sich, daß ihm die Hoffnung auf glückliche Rückkehr die nöthigen Kräfte verleihen werde.

»Bevor ich Silla verließ, schreibt der Reisende, hielt ich es für zweckmäßig, mir von maurischen Händlern und Negern alle mögliche Auskunft zu [418] verschaffen, sowohl über den weiteren Lauf des Nigers nach Osten, wie über die Lage und Ausdehnung der demselben benachbarten Reiche...

Zwei Tagereisen von Silla liegt die Stadt Djenne auf einer kleinen Strominsel, enthält aber mehr Einwohner als Sego und jede andere Stadt Bambaras. Zwei Tagemärsche weiterhin erweitert sich der Strom und bildet einen beträchtlichen See, der ›Dibby‹, der dunkle See, genannt wird. Was ich über diesen See in Erfahrung bringen konnte, beschränkt sich darauf, daß die denselben von Westen nach Osten befahrenden Boote einen ganzen Tag lang das Land aus dem Gesichte verlieren. Der See fließt durch mehrere Betten ab, welche endlich zwei große Stromarme bilden, deren einer sich nach Nordosten, der andere nach Osten wendet. Die beiden Arme vereinigen sich wieder in Kabra, eine Tagereise von Tombuktu, dem Hafen- oder Einschiffungsplatze für letztere Stadt. Das Gebiet zwischen den beiden Stromadern heißt Jinbala und wird von Negern bewohnt. Die Gesammtentfernung zu Lande zwischen Djenne und Tombuktu beträgt zwölf Tagemärsche.

Nordöstlich von Masina liegt das Königreich Tombuktu, das große Ziel der europäischen Forschungen. Die Hauptstadt desselben ist der wichtigste Platz für den Handel der Mauren mit den Negern. Die Aussicht, durch diesen Handel Schätze zu erwerben, und der Religionseifer jener Völker haben diese große Stadt mit Mauren und bekehrten Mohammedanern bevölkert. Der König selbst und seine obersten Beamten sind strenger und unduldsamer als irgend ein anderer Maurenstamm dieses Theiles von Afrika.«

Mungo Park mußte also umkehren und auf von Regen und Ueberschwemmungen erweichten Wegen dahinwandern über Murzan, Kea, Mandibu, wo er sein Pferd wiederfand, ferner über Nyara, Sansanding, Samee, das von tiefen Gräben und hohen, thurmbewehrten Mauern umgebene Sai, über Jabbee, eine nicht unbedeutende Stadt, von der aus man eine Bergkette erblickt, und endlich nach Tassara, wo er wenig gastfreundlich aufgenommen wurde.

Im Dorfe Suha versuchte Mungo Park von dem »Duty« aus Mitleid etwas Getreide zu erhalten; dieser schlug es mit der Ausflucht ab, daß er keines entbehren könne.

»Während ich das Gesicht dieses unbarmherzigen Mannes betrachtete, sagt Mungo Park, und den Grund seines mürrischen Ausdruckes zu erforschen suchte, rief er einen in der Nähe arbeitenden Sklaven an und befahl ihm, seine Schaufel mitzubringen, indem er nach einer wenig entfernten Stelle zeigte, wo jener ein [419] Loch in die Erde graben sollte. Der Sklave begann mit seinem Werkzeuge den Boden auszuhöhlen, und der Duty, anscheinend eine ziemlich ungeduldige Natur, murmelte und sprach immer für sich hin, bis das Loch beinahe fertig war. Dann ließ er zweimal hintereinander die Worte ›Dankatu‹ (zu nichts gut) und ›Jankra lemen‹ (eine wahre Pest) hören, die ich natürlich zunächst auf mich bezog.

Als das Loch so die Größe eines Grabes erreichte, hielt ich es für gerathen, mein Pferd zu besteigen, und wollte mich schon aus dem Staube machen, als der Sklave, der inzwischen nach dem Dorfe gegangen war, mit dem nackten Leichnam eines neun- bis zehnjährigen Knaben zurückkam. Der Neger schleppte den Körper an einem Arme und einem Beine und warf ihn mit einer mir noch nie vorgekommenen Gleichgiltigkeit in die Grube. Während er ihn dann mit Erde bedeckte, wiederholte der Duty die Worte: ›Naphula attiniata‹ (weggeworfenes Geld), woraus ich schloß, daß jenes Kind wohl einem seiner Sklaven angehört haben mochte.«

Am 21. August verließ Mungo Park Kulikorro, wo er sich durch Abschreiben von Talismans für mehrere Einwohner Nahrungsmittel erworben hatte, und gelangte von hier aus nach Bammaku, einem bedeutenden Markte für Salz. In der Nähe konnte er von einer erhöhten Stelle aus eine gewaltige Bergkette erblicken, gelegen in Kong, dessen Herrscher eine noch zahlreichere Armee in's Feld stellen konnte, als selbst der König von Bambara.

Von Räubern all' seiner Habe beraubt, fühlte sich der unglückliche Mungo Park inmitten einer fast endlosen Wüstenei, in der Regenzeit und nahezu fünfhundert Meilen von der nächsten europäischen Niederlassung entfernt, doch fast am Ende seiner Kräfte und seiner Hoffnung. Doch diese Krisis währte nur kurze Zeit. Allen Muth zusammenraffend, erreichte er die Stadt Sibiduin, wo der »Mansa« oder Häuptling ihm das von räuberischen Fulahs gestohlene Pferd und die Kleidungsstücke wieder verschaffte, und später Kamalia, wo Karsa Taura ihm vorschlug, nach Ablauf der Regenzeit mit einer Sklaven-Karawane nach Gambia zu ziehen. Erschöpft, ohne Mittel und geschüttelt vom Fieber, das ihn fünf Wochen an's Lager fesselte, mußte Mungo Park wohl oder übel auf diesen Vorschlag eingehen.

Am 19. April sollte die Karawane nach der Küste aufbrechen. Man kann sich leicht vorstellen, mit welcher Freude Mungo Park diesen Tag begrüßte. Nach einem Zuge durch die Wüste von Jallonka und Ueberschreitung des Hauptarmes des Senegal und später der Faleme, erreichte die Karawane endlich die [420] Ufer der Gambia und Pisania, wo Mungo Park am 12. Juni 1797 dem Doctor Laidley, der schon nicht mehr an seine Wiederkunft glaubte, in die Arme sank.

Am 22. September kehrte Mungo Park nach England zurück. Der Enthusiasmus bei dem Bekanntwerden seiner Entdeckungen, und die Ungeduld, mit der man einem Berichte über seine Reise – jedenfalls der bisher bedeutungsvollsten in dem betreffenden Theile Afrikas – entgegensah, waren so groß, daß die Afrikanische Gesellschaft ihm gestatten mußte, vorläufig eine gedrängte Erzählung seiner Abenteuer zum eigenen Vortheil herauszugeben.

Ihm verdankt man über die Geographie, die Sitten und Gebräuche jener Gebiete mehr und wichtigere Aufschlüsse als allen seinen Vorgängern zusammen. Er hatte die Quellen des Senegal und der Gambia festgestellt und den Lauf des Nigers oder Djoliba beobachtet, der also nach Osten strömte, während die Gambia nach Westen floß.

Hiermit war einem langwierigen Streite unter den Geographen ein Ziel gesteckt. Gleichzeitig konnte man nun nicht mehr jene drei Ströme verwechseln, wie 1707 der französische Geograph Delisle, der den Lauf des Nigers von Bornu aus als östlich bestimmte und doch als Senegal im Westen ausmünden ließ. Freilich hat er diesen Fehler seiner Karten zwischen 1722 und 1727 selbst berichtigt, wahrscheinlich nach den Angaben Andreas Brue's, des Gouverneurs der Handelsgesellschaft am Senegal.

Wohl hatte auch Houghton von den Eingebornen ziemlich bestimmte Angaben über die Quelle des Nigers in dem Reiche Manding erhalten, ebenso wie über die annähernde Lage von Sego, Djenne und Tombuktu; es blieb aber doch Mungo Park vorbehalten, die Lage jener beiden ersteren Städte genauer und aus eigener Anschauung zu bestimmen und uns über die Natur des Landes wie über die dasselbe bewohnenden Volksstämme weit verläßlichere Auskunft zu geben, als man vorher besaß.

Die öffentliche Meinung ging auch, wie oben gemeldet, von Anfang an in ihrer Beurtheilung der Bedeutung dieser Reise und der Geschicklichkeit, Entschlossenheit und Ausdauer desjenigen, der sie ausführte, keinen Augenblick irre.

Bald darauf wollte die englische Regierung Mungo Park die Leitung einer Expedition nach dem Innern Australiens übergeben. Dieser schlug jedoch den ehrenvollen Antrag aus.

Einige Jahre später, 1804, beschloß die Afrikanische Gesellschaft die Erforschung des Nigers zu vervollständigen und schlug Mungo Park vor, die [421] Führung einer zweiten Expedition dahin zu übernehmen. Jetzt glaubte er sich dem Antrage nicht entziehen zu dürfen und reiste am 30. Januar 1805 von England ab. Zwei Monate später landete er in Gorée.

In Mungo Park's Begleitung befanden sich diesmal sein Schwager, der Chirurg Anderson, der Zeichner Georges Scott und fünf Artilleristen. Er war übrigens ermächtigt, so viele Soldaten, wie er für wünschenswerth halten könnte, mitzunehmen; auch eröffnete man ihm einen Credit von hunderttausend Francs.

»Diese, im Vergleiche zu den durch die Privat-Subscriptionen der Afrikanischen Gesellschaft gebotenen, so großartigen Hilfsmittel, sagt Walckenaer in seiner ›Geschichte der Reisen‹, waren unserer Ansicht nach die Ursache des Mißlingens. Die habsüchtige Begierde der afrikanischen Fürsten wuchs mit den Reichthümern, die sie im Besitze unseres Reisenden wähnten, in gleichem Maße, und die Nothwendigkeit, sich den unmäßigen, auch beim besten Willen nur theilweise erfüllbaren Anforderungen zu entziehen, wurde zum Theile die Ursache der Katastrophe, welche der ganzen Expedition ein Ziel setzte.«

Vier Zimmerleute, ein Officier nebst fünfunddreißig Artilleristen und ein Mandingo-Kaufmann, Namens Isaak, bildeten mit den schon genannten Führern der Expedition eine recht ansehnliche Karawane. Am 27. April 1805 verließ Mungo Park Gorée, gelangte am nächsten Tage nach Pisania, von wo aus er vor zehn Jahren bei seiner ersten Reise ausging, und wandte sich nach Osten, der früher bis Bambaku eingehaltenen Straße nach den Ufern des Nigers zu. Als die Karawane daselbst eintraf, waren von den ganzen Europäern nur noch sechs Soldaten und ein Zimmermann am Leben. Die Uebrigen erlagen schon früher den Strapazen, dem Fieber und den durch Ueberschwemmungen erzeugten Krankheiten. Die Plackereien der kleinen Machthaber, durch deren Gebiete die Expedition zog, hatten die Vorräthe an Tauschwaaren ganz beträchtlich vermindert.

Da sollte Mungo Park auch noch eine große Unklugheit begehen. In Sansanding, einer Stadt von elftausend Seelen, bemerkte er, daß ein recht lebhafter Handel getrieben wurde, wobei man Körner gegen Halsbänder, Indigo, Antimon, Ringe, Armbänder und tausend andere Gegenstände umsetzte, welche sehr schnell Käufer fanden.

»Er eröffnete da, sagt Walckenaer, eine Art Laden in größerem Maßstabe und legte eine gewählte Sammlung europäischer Waare zum Verkauf im Ganzen und Einzelnen aus. Mungo Park glaubt, daß der große Absatz, den er damit [422] erzielte, ihm den Neid der anderen Händler zugezogen habe. Die Leute aus Djenne, die Mauren und die Kaufleute von Sansanding vereinigten sich mit denen von Sego und erboten sich, in Gegenwart Mondibinne's, der Mungo Park selbst davon benachrichtigte, Mansong Waaren von höherem Werthe, als die von dem Reisenden erhaltenen Geschenke zuzustellen, wenn er sich dessen Gepäckes bemächtigen, ihn tödten oder doch sofort von Bambara ausweisen lassen wolle. Nichtsdestoweniger öffnete Mungo Park doch tagtäglich seinen Laden und nahm an einem einzigen Markttage nicht weniger als fünfundzwanzigtausendsiebenhundertsechsundfünfzig Münzen oder Kauris ein.«

Am 28. October verschied auch Anderson nach viermonatlicher Krankheit, und Mungo Park sah sich nun zum zweiten Male in der Mitte Afrikas allein. Er hatte vom Könige Mansong die Erlaubniß erhalten, in Sansanding ein Boot zu erbauen, mit dem er den Niger hinabfahren könne; diesem Fahrzeuge gab er den Namen »Djoliba« und bestimmte den 16. November als Tag der Abreise.

Hier endigt sein Tagebuch mit einigen Angaben über anwohnende Stämme des Flusses und über die Geographie der von ihm zuerst gesehenen Gebiete. In Europa wurde dieses Tagebuch ganz in der ursprünglichen Gestalt veröffentlicht, nachdem man die Ueberzeugung erlangt hatte, daß dessen Verfasser in den Fluthen der Djoliba umgekommen sei. Im Grunde genommen, enthielt es keine neue Entdeckung, man schätzte es aber doch als nutzbringend für die Erdkunde. Der jetzt weiter ausgebildete Mungo Park hatte die Lage der bedeutendsten Städte diesmal astronomisch bestimmt, wodurch genauere Unterlagen für eine Karte von Senegambien gewonnen wurden. Die Entwerfung derselben übertrug man Arrow Smith, der in einem kurzen Vorworte sich dahin erklärte, daß es ihm bei der großen Verschiedenheit der einzelnen, nach den Tagemärschen angenommenen und durch die astronomische Beobachtung bestimmten Punkte unmöglich gewesen sei, dieselben in Uebereinstimmung zu bringen, er aber, gestützt auf die letzteren, sich veranlaßt gesehen habe, den von Mungo Park bei seiner ersten Reise gefolgten Weg weiter nach Norden zu verlegen.

Auf eine eigenthümliche Thatsache sollte erst der Franzose Walckenaer, ein Mann von vielseitig gebildetem Geiste, aufmerksam machen. Er entdeckte in Mungo Park's Tagebuche einen sonderbaren Fehler, den weder der englische Herausgeber, noch der überhaupt sehr leichtsinnig zu Werke gehende französische Uebersetzer beachtet hatte. Das Tagebuch enthielt nämlich einen Bericht darüber, [423] was Mungo Park »am 31. April« vorgenommen habe. Nun weiß ja jedes Kind, daß dieser Monat nur dreißig Tage zählt. Es ergiebt sich daraus für die ganze Reisedauer Mungo Park's ein durchlaufender Irrthum um einen ganzen Tag, so daß er bei seinen Berechnungen immer die (Magnetnadel-) Abweichungen des Vortages, statt deren des richtigen Datums zugrunde legte. Arrow Smith's Karte bedarf also nicht unwesentlicher Berichtigungen. Dennoch verdient sie, nachdem man die Ungenauigkeiten Mungo Park's berücksichtigt, die Anerkennung, als erste wirkliche Karte von Senegambien betrachtet zu werden.

Obgleich die an die englische Regierung eingelaufenen Berichte einem Zweifel kaum noch Raum gaben, sendete der Gouverneur von Senegal doch auf einzelne Gerüchte hin, daß im Innern Afrikas noch Weiße gesehen worden seien, eine Expedition dahin ab und überließ deren Leitung dem Negerkaufmanne Isaak, dem früheren Führer Mungo Park's, der dessen Tagebuch getreulich den englischen Behörden ausgeliefert hatte. Wir übergehen diesen Reisebericht, da er etwas eigentlich Neues nicht enthält, und verweilen nur bei dem Abschnitte, der von den letzten Tagen Mungo Park's erzählt.

In Sansanding hatte Isaak nämlich Amadi Fatuma, einen Neger, wiedergetroffen, der in Mungo Park's Gesellschaft war, als dieser in dem Djoliba umkam, und darüber erzählt, wie folgt:

»Wir gingen in Sansanding auf das Boot und erreichten binnen zwei Tagen Silla, den letzten Punkt der ersten Reise Mungo Park's.

Die beiden nächsten Tage brachten uns nach Djenne. Als wir Dibby passirten, kamen uns schon einmal drei Canots mit Negern nach, alle mit Lanzen und Spießen, aber ohne Feuerwaffen. Weiter kamen wir bei Racbara und Tombuktu vorüber, wo wir wiederum von drei Canots verfolgt wurden, welche mit Gewalt zurückgetrieben werden mußten, wobei mehrere Eingeborne um's Leben kamen. In Gurumo versuchten gar sieben Canots einen Angriff auf uns, der ebenfalls abgeschlagen wurde. Noch mehrmals kam es zu Scharmützeln, die den Negern stets viele Todte kosteten, bis nach Kaffo hin, wo wir einen Tag über rasteten. Dann gingen wir weiter flußabwärts bis Carmusse und ankerten da vor Gurmon. Am darauffolgenden Tage erschien dort eine Mauren-Armee, welche das Boot jedoch unbehelligt ließ.

Nun kam man in das Gebiet der Hussa und einen Tag später nach Yaur. Amadi Fatuma wurde in diese Stadt geschickt, um dem Häuptling Geschenke für den König zu überbringen und Proviant einzukaufen. Jener Neger [424] fragte vor Empfangnahme der Geschenke, ob der weiße Reisende das Land auch später wieder besuchen werde. Mungo Park, dem diese Vorfrage mitgetheilt wurde, glaubte dieselbe verneinend beantworten zu müssen. Man nimmt an, daß das die Ursache seines Todes geworden sei. In der Gewißheit, Mungo Park nie wieder zu erblicken, beschloß der Negerhäuptling, die für den König bestimmten Geschenke selbst einzuziehen.


Ein Kassernweib. [ Facsimile. Alter Kupferstich.]

Inzwischen begab sich Amadi Fatuma nach der nur wenige hundert Schritte vom Ufer entlegenen Residenz des Königs. Am folgenden Tage sendete [425] dieser Fürst auf die Nachricht von dem Vorüberkommen des Reisenden daselbst, einen Heerhaufen nach dem kleinen Dorfe Bussa am Ufer des Stromes. Beim Erscheinen des Bootes ward dasselbe von einem Regen von Steinen und Pfeilen überfallen. Mungo Park ließ alles Gepäck in's Wasser werfen und sprang mit seinen Begleitern selbst hinein, wobei diese Alle umkamen.«

So ging der erste Europäer, der den Djoliba befahren und Tombuktu besucht hatte, elend zugrunde. Es wurden zu demselben Zwecke auch noch mancherlei Anstrengungen gemacht, von denen die meisten ebenfalls erfolglos blieben.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts durchstreiften zwei der hervorragendsten Schüler Linné's Südafrika aus naturgeschichtlichem Interesse, nämlich Sparrman als Zoolog und Thunberg als Botaniker. Zuerst erschien der Bericht über die Forschungsreise Sparrmans, die, wie früher erzählt, durch eine Reise nach Oceanien im Gefolge Cook's unterbrochen und übrigens von Le Tourneur bald in's Französische übersetzt wurde. In seiner Vorrede – welche alle späteren Weiterübersetzer ruhig beibehalten haben – beklagt Le Tourneur den Verlust des gelehrten, bei Gelegenheit einer Reise an der Goldküste umgekommenen Reisenden. Als eben diese Ausgabe erschien, konnte Sparrman den guten Le Tourneur, der sich über diesen Schnitzer dennoch kein graues Haar wachsen ließ, über sein Schicksal schon vollkommen beruhigen.

Am 30. April 1772 betrat Sparrman am Cap der Guten Hoffnung zuerst den Boden Afrikas. Zu jener Zeit war die Capstadt noch klein und maß kaum zweitausend Schritte in der Länge und Breite, wobei auch noch die sie auf einer Seite begrenzenden Gärten und Weinberge mitgerechnet sind. Die Straßen waren breit, mit Eichen bepflanzt und mit weiß oder grün angestrichenen sauberen Häusern besetzt, worüber sich Sparrman nicht wenig verwunderte. Nach dem Cap berufen als Lehrer für die Kinder eines gewissen Kerste, fand er diesen erst in seiner Winterwohnung in False-Bai. Mit Eintritt des Frühjahres begleitete Sparrman Kerste nach Alphen, einer Besitzung des Letzteren in der Nähe von Constantia. Der Naturforscher benützte diese Gelegenheit zu einigen Ausflügen in die Umgegend und zu einer übrigens nicht gefahrlosen Besteigung des Tafelberges. Hierbei lernte er gleichzeitig die Lebensweise der Böers und deren Verhältnisse zu ihren Sklaven kennen. Es waren das so wenig befriedigende, daß jeder Bewohner die Nacht über seine Zimmerthür verschließen und die Waffen neben sich liegen haben mußte. Die Kolonisten selbst zeichnen sich meist durch [426] derbe Gutmüthigkeit und Gastfreundschaft aus, wofür Sparrman sehr bezeichnende Proben beibringt.

»Ich kam, schreibt er, in die Wohnung eines Farmers, Van der Spoei, eines Witwers, geboren in Afrika und Vater desjenigen, den Sie als Eigenthümer von Roth- oder Alt-Constantia kennen.

Scheinbar ohne mich zu bemerken, blieb derselbe auf dem nach dem Hause führenden Wege ruhig stehen. Als ich mich ihm weiter näherte, kam er mir mit keinem Schritte entgegen, faßte dann aber meine Hand und begrüßte mich mit den Worten: ›Guten Tag und willkommen hier! – Wie geht's Euch? – Wer seid Ihr? – Ein Glas Wein? – Eine Pfeife Tabak? – Wollt Ihr etwas essen?‹ Ich beantwortete seine Fragen ebenso lakonisch und nahm seine Einladungen an, wie er sie anbot. Seine junge, hübsche, schlank gewachsene und recht muntere Tochter von zwölf bis vierzehn Jahren setzte eine prächtige Hammelbrust mit Mohrrüben auf den Tisch; nach dem Essen bot sie mir den Thee so liebenswürdig an, daß mir die Wahl schwer gefallen wäre, ob ich der Tafel oder meiner jungen Wirthin den Preis zuschreiben sollte. Klugheit und Herzensgüte spiegelten sich gleichmäßig in den Zügen des Vaters und der Tochter wieder. Wiederholt wendete ich mich an den ersteren, um dessen gewöhnliches Stillschweigen zu brechen; seine Antworten waren kurz und gemessen; ich bemerkte aber, daß er nie selbst ein Gespräch anfing, außer als er mir zuredete, bis zum nächsten Tage bei ihm zu verweilen. Ich verabschiedete mich jedoch später, sehr erfreut über ein so seltenes Wohlwollen.«

Sparrman unternahm in der Folge mehrere Ausflüge, vorzüglich nach Hout-Bai und Paarl, wobei er sich überzeugte, wie sehr Kolbe, sein Vorläufer in dieser Gegend, in seinen Berichten so Manches übertrieben hat.

Er beabsichtigte schon, solche kleine Züge öfters zu wiederholen und hatte für die schöne Jahreszeit eine Reise in das Innere in Aussicht genommen, als die von Kapitän Cook befehligten Fregatten »Resolution« und »Aventure« am Cap eintrafen. Forster veranlaßte den jungen schwedischen Gelehrten, ihm zu folgen, wodurch Sparrman Gelegenheit fand, Neu-Holland, Van-Diemens-Land, Neu-Seeland, Tahiti, Feuerland, die Eisfelder der antarktischen Polarzone und Neu-Georgien zu besuchen, bis er am 22. März 1775 nach dem Cap zurückkehrte.

Jetzt ließ es Sparrman seine erste Sorge sein, alles Nothwendige zu einer Reise nach dem Landesinneren vorzubereiten, und betrieb, um sich mehr Geldmittel zu beschaffen, während des Winters Medicin und Chirurgie. Er sammelte [427] dabei eine ganze Ladung Samenkörner, Arzneien, Messer, Stahl und Feuerschwamm nebst Alkohol zum Conserviren von Thieren, die auf einem von fünf Paar Ochsen gezogenen Wagen untergebracht wurden.

»Der Führer eines solchen Gefährtes, sagt er, bedarf nicht allein einer gewissen Geschicklichkeit und Erfahrung im Umgange mit jenen Thieren, sondern muß auch die eigenthümliche afrikanische Peitsche zu handhaben verstehen. Diese Peitschen haben nämlich einen gegen fünfzehn Fuß langen Stiel, daran einen noch etwas längeren Riemen mit gegen drei Fuß langer Spitze aus weißgarem Leder. Von dem Wagensitze aus vermag der Kutscher dann mit diesem gewaltigen, in beiden Händen gehaltenen Instrumente auch noch das vorderste fünfte Ochsenpaar zu erreichen. Ohne Unterlaß muß er damit Schläge austheilen, diese dahin zu richten wissen, wo sie ihm nöthig erscheinen, aber so kräftig, daß den Thieren das Fell raucht.«

Sparrman ritt dabei neben seinem Wagen her und ihn sollte ein junger Ansiedler, Namens Immelman, begleiten, der schon eine Reise in's Innere blos zum Vergnügen ausgeführt hatte. Am 25. Juli 1775 brach er auf. Er setzte zuerst über den Rente-River, erklomm die Hottentot-Holland-Kloof, überschritt den Palmit und gelangte nun in ein unbebautes, von Ebenen, Bergen und Thälern erfülltes Land, in dem zahlreiche Heerden von Antilopen verschiedener Arten, und von Zebras und Straußen weideten.

Bald erreichte er die warmen Stahlquellen am Fuße des Zwarteberg, die zu jener Zeit stark besucht wurden und woselbst die Gesellschaft ein an den Berg gelehntes Badehaus errichtet hatte.

Hier schloß sich ihm der junge Immelman an und Beide reisten nach Zwellendam ab, wo sie am 2. September eintrafen und sehr schätzbare Nachrichten über die Eingebornen erhielten, die wir gern wiedergeben.

Die Hottentotten sind ebenso groß wie die Europäer; nur ihre Gliedmaßen sind kurz und die Haut bräunlich-gelb. Die wulstigen Lippen der Kaffern und Mozambique-Neger haben sie nicht. Ihr Haar ist wollig und schwarz, gekräuselt, aber nicht eben dicht. Gewöhnlich sind sie vom Kopf bis zu den Füßen mit Fett und Ruß eingesalbt. Ein Hottentot, der die Gewohnheit hat, sich anzumalen, sieht weniger nackt und sozusagen vollkommener aus, als Einer, der sich zu reinigen pflegt; so ist es auch sprichwörtlich geworden, daß »die Haut eines Hottentotten ohne Fett ein Schuh ohne Wichse sei.«

[428] Die Eingebornen tragen meist einen Mantel, »Kroß« genannt, aus mit der Wollseite nach außen gewendetem Schaffell. Die Frauen befestigen daran einen langen, sackförmigen Theil, eine Art Capuchon, in dem sie ihre kleinen Kinder tragen, denen sie die Brust über die Schulter hinweg reichen. Männer und Frauen pflegen sich mit ledernen Ringen an Armen und Beinen zu schmücken, was zu der Fabel Veranlassung gegeben hat, die Hottentotten wickelten sich zum gelegentlichen Verspeisen Würste um die Beine. Sie bedienen sich statt jener wohl auch eiserner oder kupferner Spangen, doch stehen letztere in höherem Preise.

Ein »Kraal« oder Hottentottendorf ist ein Kreis von Hütten, welche alle die gleichmäßige Gestalt von Bienenstöcken haben. Die in der Mitte derselben angebrachten Thüren sind so niedrig, daß man nur auf den Knieen hindurchkriechen kann. Im Innern nimmt der Feuerherd die Mitte des Raumes ein; das Dach hat aber keine Oeffnung für den Abzug des Rauches.

Man darf die Hottentotten nicht mit den Buschmännern verwechseln. Diese leben nur von der Jagd und vom Raube. Ihre Gewandtheit im Schießen vergifteter Pfeile, ihre Kühnheit und die Gewohnheit des wilden Lebens machen sie jedem Feinde furchtbar.

In Zwellendam sah Sparrman zuerst das »Quagga«, eine Art Pferd, das der Gestalt nach zwar dem Zebra ähnelt, aber doch weit kürzere Ohren hat.

Der Reisende besuchte hierauf Mossel-Bai, einen wegen der hier gefahrdrohenden Weststürme wenig belebten Hafen, und das Land der Hutniquas oder, nach Burchell's Karte, der Antiniquas. Es erscheint waldreich und fruchtbar, und die hier angesiedelten Landbauer gedeihen sichtlich. In dieser Gegend fand Sparrman übrigens Gelegenheit, ziemlich alle vierfüßigen Thiere Afrikas zu beobachten, nämlich Elephanten, Löwen, Leoparden, Tigerkatzen, Hyänen, Affen, Hasen, Antilopen und Gazellen.

Wir können Sparrman unmöglich nach jedem kleinen, von ihm aufgesuchten Orte folgen. Die Aufzählung der Wasserläufe, Kraals oder Dorfschaften, die er auf seinem Zuge traf, wäre für den Leser doch nutzlos. Dagegen entlehnen wir ihm einige merkwürdige und bis dahin unbekannte Beobachtungen betreffs zweier Thiere, des Cap-Schafes und des sogenannten Bienen-Kukuks.

»Will man ein Schaf schlachten, schreibt der Reisende, so wählt man stets das magerste aus der Heerde, da es fast unmöglich wäre, eines der anderen zu verspeisen. Die Schwänze derselben sind dreieckig, ein bis anderthalb Fuß [429] lang und oben oft sechs Zoll dick. Ein solcher Schwanz wiegt allein gegen acht bis zwölf Pfund; er besteht fast ausschließlich aus sehr wohlschmeckendem Fette, das einige Personen statt der Butter mit Brot essen; man bedient sich desselben sonst zur Zubereitung des Fleisches oder macht wohl auch Kerzen daraus.«

Nach einer Beschreibung des bisher unbekannten zweihörnigen Rhinozeros, des Gnus, das seiner Gestalt nach zwischen Pferd und Ochsen die Mitte hält, des »Gerbo« (indisches Kaninchen), Pavians, Flußpferdes, von dessen Lebensweise man nur erst sehr wenig wußte, erwähnt Sparrman einen merkwürdigen Vogel, der den Einwohnern recht beachtenswerthe Dienste leistet; er nennt denselben den »Bienen-Kukuk«.

»Dieser Vogel, sagt er, zeichnet sich weder durch Größe noch Farbe besonders aus; auf den ersten Blick könnte man ihn wohl für einen gewöhnlichen Sperling halten, doch ist er etwas größer, von hellerer Färbung, hat einen kleinen gelblichen Fleck auf der Schultergegend und weiß gezeichnete Schwanzfedern.

Dieser Vogel verräth den Menschen aus eigenem Interesse die Nester der Bienen; er ist nämlich selbst sehr lüstern nach dem Honig und vorzüglich nach den Eiern derselben und weiß, daß bei dem Ausnehmen eines solchen Nestes immer etwas Honig verloren wird, den er sich zueignet, oder daß die Leute ihm zur Belohnung für seine Dienste gar absichtlich eine Kleinigkeit liegen lassen.

Des Morgens und des Abends scheint sein Appetit am stärksten zu sein; wenigstens fliegt er gewöhnlich um diese Zeit aus und sucht durch seinen gellenden Schrei die Aufmerksamkeit der Hottentotten oder Kolonisten zu erregen. Es ist selten, daß Einer auf seinen Ruf nicht herankommen sollte; dann wiederholt der Vogel unaufhörlich seine Meldung und fliegt langsam von einer Stelle zur anderen bis nach dem Orte, wo sich der Bienenbau befindet... Ist er dahin gelangt, so schwebt er, ob jener nun in einer Felsenspalte, im Innern eines Baumes oder irgendwo unter der Erde zu suchen sei, einige Secunden im Kreise über demselben umher (ich selbst bin wiederholt Augenzeuge davon gewesen), setzt sich dann ruhig hin und erwartet, verborgen und schweigend, was nun geschehen werde, in der Hoffnung einen Theil der Beute zu erlangen.«

Am 12. April 1776 nach dem Cap zurückgekehrt, vernahm Sparrman, daß man neuerdings im Norden des Cantons Sneeuwberg einen größeren See, den einzigen in der Kolonie, aufgefunden habe. Bald darauf schiffte sich der Reisende mit zahlreichen, von ihm zusammengebrachten naturwissenschaftlichen Sammlungen nach Europa ein.

[430] Während desselben Zeitraumes, von 1772 bis 1775, unternahm der Schwede Thunberg, dem Sparrman am Cap begegnete, im Innern Afrikas drei, bald aufeinander folgende Reisen. So wenig wie die Sparrman's verdienen dieselben freilich die Bezeichnung als Entdeckungsfahrten, denn man verdankt Thunberg nach keiner Seite eine Erweiterung der geographischen Kenntnisse. Er sammelte nur eine ansehnliche Menge von Beobachtungen über die Vogelarten des Caplandes, und man schuldet ihm interessante Aufschlüsse über die einzelnen Völkerschaften, welche sich in dieses große, an Fruchtbarkeit die allgemeine Annahme weit übertreffende Gebiet theilen.

Thunberg's Fußspuren folgte unmittelbar ein englischer Officier, der Lieutenant William Paterson, der als Hauptzweck die Einsammlung von Pflanzen und naturhistorischen Gegenständen im Auge hatte. Er drang nördlich bis etwa über den Orange-Fluß vor, östlich bis in's Land der Kaffern, ein gutes Stück jenseits des Fisch-Stromes. Von ihm rührt auch die Beschreibung der Giraffen her, ebenso wie man in seinem Berichte werthvolle Bemerkungen über die Naturgeschichte, die Bodenbildung des Landes und über dessen Bewohner findet.

Merkwürdiger Weise bleibt die Zahl derjenigen Europäer, welche zum Zwecke geographischer Entdeckungen nach Afrika gingen, weit hinter der jener Reisenden zurück, deren Hauptzweck die Bereicherung der Naturwissenschaften im engeren Sinne bildete. An die erwähnten drei Männer, Sparrman, Thunberg und Paterson, schließt sich nun zunächst der Ornitholog Le Vaillant an.

Geboren zu Paramaribo in Holländisch-Guyana von französischen Eltern, welche einen Vogelhandel betrieben, kam Le Vaillant mit diesen nach Europa zurück und lernte in zarter Jugend schon Holland, Deutschland, Lothringen, sowie die Vogesen kennen, bevor er Paris sah. Leicht begreiflicher Weise entwickelte diese kosmopolitische Existenz in ihm zeitig den Trieb zum Wandern.


Ein Hottentotte. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 428.)

Seine Leidenschaft für die Vögel bestimmte ihn, durch die Betrachtung öffentlicher und privater Sammlungen noch mehr bekräftigt, zu dem Verlangen, die Wissenschaft durch Beschreibung und Vorführung bisher unbekannter Arten weiter zu bereichern. Welches Land versprach ihm nach dieser Seite aber die reichste Ernte? Die Nachbargebiete des Caps waren zwar durch zwei Botaniker und durch einen Gelehrten, der sich mit dem Studium der vierfüßigen Thiere beschäftigte, besucht worden, Niemand hatte sie dagegen hinsichtlich ihres Vogelreichthums durchforscht.

Am 29. März 1781 kam La Vaillant, der schauerlichen Katastrophe, bei welcher sein Schiff in die Luft sprang, glücklich entgangen, am Cap ohne weitere[431] Hilfsmittel an als die Kleider auf dem Leibe, zehn Ducaten in der Tasche und seine Flinte in der Hand.

Manche Andere wären hierdurch wohl außer Fassung gebracht worden. Le Vaillant gab die Hoffnung nicht auf, sich aus dieser verzweifelten Lage zu ziehen. Im Vertrauen auf seine Geschicklichkeit in der Handhabung des Gewehres wie des Bogens, auf seine Kraft und Gewandtheit, wie auf die Uebung. Thierhäute zu präpariren und Vogelbälge höchst naturgetreu auszustopfen, ging er eifrig an die Arbeit und stand auch bald mit den reichsten Liebhabern und[432] Sammlern am Cap im Verkehr. Einer derselben, der Fiscal Boers, lieferte ihm alles Nothwendige, um erfolgreich reisen zu können, wie z.B. Wagen, Ochsen, Mundvorräthe, Tauschartikel, Pferde, ja selbst die Diener und Führer, welche ihn begleiten sollten.


Bevor »Meister Kees« nicht sein Urtheil abgegeben hatte. (S. 434.)

Die Art der Nachforschungen, welche Le Vaillant auszuführen beabsichtigte, beeinflußte seine Reisedispositionen. Statt besuchte Orte und größere Ansiedelungen aufzusuchen, bestrebte er sich, gebahnte Wege und von Europäern schon besuchte Bezirke möglichst zu meiden, da er nur außerhalb derselben neue, den Gelehrten noch unbekannte Vogelarten zu finden hoffen [433] durfte. Hieraus folgt schon, daß Le Vaillant der Natur fast stets ihre innersten Geheimnisse ablauschte und mit Eingebornen in Berührung kam, deren Sitten und Lebensweise durch Contact mit den Weißen noch nicht verändert waren. Die Nachrichten, welche wir ihm verdanken, spiegeln auch das Leben in der Wildniß weit treuer wieder als die seiner Vorgänger und Nachfolger. Nur darin allein handelte Le Vaillant nicht recht, daß er die Zusammenstellung seiner Reisebeobachtungen einem jungen Manne anvertraute, der sie ziemlich willkürlich entstellte. Weit entfernt von der gewissenhaften Rücksicht neuerer Bearbeiter fremder Werke, übertrieb der junge Mann alle Vorkommnisse und verlieh, sich auf die Geschicklichkeit des Reisenden verlassend, die auch das fast Unglaubliche möglich erscheinen ließ, dem Berichte über diesen Forschungszug einen ihm sehr schädlichen Beigeschmack von eitler Prahlerei.

Nach dreimonatlichem Aufenthalt am Cap und in dessen Umgebungen brach Le Vaillant am 18. December 1781 zu seiner ersten Reise nach Osten in das Kaffernland auf. Sein Zug und Gefolge bestand aus dreißig Ochsen, zwanzig als gewöhnliche Bespannung von zwei Wagen, zehn zum Wechseln und zum etwaigen Ersatz für Verluste, aus drei Pferden, neun Hunden und fünf Hottentotten.

Zuerst durchstreifte Le Vaillant die holländischen Hottentottengebiete, von denen man durch Sparrman's Reisen hinlängliche Kenntniß hat; daselbst traf er unzählige Heerden von Zebras, Antilopen und Straußen und gelangte endlich nach Zwellendam, wo er noch mehr Ochsen zu einem dritten Wagen und einen Hahn kaufte, der während der ganzen Fahrt den Dienst als Morgenrufer versah. Auch ein anderes Thier gewährte ihm wesentlichen Nutzen. Es war das ein Affe, den er zu dem ebenso nützlichen wie ehrenhaften Posten eines Vorschmeckers erhoben hatte. Fand man dann eine, auch den Hottentotten noch nicht gekannte Frucht oder Wurzel, so durfte sie Niemand essen, bevor »Meister Kees« nicht sein Urtheil darüber abgegeben hatte.

Kees diente gleichzeitig als Wache, und seine durch die Gewohnheit und den fortwährenden Kampf um's Dasein geübten Sinne übertrafen beiweitem die der gewiegtesten Rothhäute. Er meldete schon vor den Hunden die Annäherung einer Gefahr. Schlich eine Schlange in der Nachbarschaft umher oder verbarg sich eine Affenbande in den nächsten Dickichten, so verrieth das Entsetzen Kees' und sein jämmerliches Geschrei bald die Natur der Friedensstörer. Von Zwellendam, das er am 12. Januar 1782 verließ, zog Le Vaillant in mäßiger Entfernung [434] vom Meere nach Osten weiter. Am Ufer des Colombier-Stromes (des Duywen-Hoek) schlug er dann zuerst ein Lager auf und unternahm mehrere ergiebige Jagdzüge in den wildreichen Umgebungen. Dann gelangte er nach Mossel-Bai, wo das heisere Bellen der Hyänen seine Ochsen nicht wenig erschreckte.

Weiterhin erreichte er das Land der Houtniquas, ein Name, der in der Hottentottensprache »mit Honig beladene Männer« bezeichnet. In diesem Gebiete kann man keinen Schritt thun, ohne auf Bienenschwärme zu treffen. Die Blumen sprießen unter dem Fuße des Reisenden; die Luft ist von ihrem Dufte erfüllt; ihre wechselnden Farben machen diese Gegend zu einem reizenden Ruheplatze. Einige Diener des Reisenden schienen nicht übel Lust zu haben, hier zurückzubleiben. Le Vaillant beeilte, um diese Versuchung zu besiegen, die Weiterreise. Das ganze Land ist bis zur Küste hin bevölkert von Kolonisten, welche Viehzucht treiben, Butter erzeugen, Zimmerholz fällen und Honig sammeln, wofür die Capstadt den gemeinsamen Markt bildet.

Ein wenig jenseits des letzten Postens der Compagnie fand Le Vaillant einen Bezirk, in dem Tausende von »Turacos« (Haubenkukuk) umherflatterten; hier wollte er der Jagd obliegen; der heftig und ohne Unterlaß herabstürzende Regen machte jedoch seine Pläne zunichte und setzte die Reisenden beinahe dem Hungertode aus.

Nach mannigfachen Kreuz- und Querzügen und zahlreichen Jagdabenteuern, deren Erzählung recht unterhaltend wäre, aber nicht in unseren Rahmen paßt, gelangte Le Vaillant nach Mossel-Bai zurück. Hier fand er zu seiner größten Freude Briefe aus Frankreich vor. Ausflüge und Jagden wurden nach allen Richtungen hin fortgesetzt, bis die Expedition das Land der Kaffern betrat. Mit den letzteren konnte man nur schwierig in Beziehungen treten, da diese jeder Begegnung mit Weißen sorgsam aus dem Wege gingen. Hatten die Kolonisten ihnen schon beträchtliche Verluste an Menschen und Thieren zugefügt, so machten sich die Tamboukis nachher deren kritische Lage zunutze, überfielen das Land und verwüsteten es nach allen Seiten; endlich setzten ihnen auch die Buschmänner sehr ernstlich zu, so daß die Kaffern, bei ihrem Mangel an Feuerwaffen von verschiedenen Seiten bedrängt, den Widerstand aufgaben und nach Norden hin auswichen.

Der erhaltenen Auskunft nach schien es unnütz, in dieser Gegend weiter vorzudringen, die je weiter je mehr bergig wurde, und Le Vaillant kehrte also um. Er besuchte noch die Schneeberge, die unfruchtbaren Ebenen von Karru [435] nebst den Ufern des Büffel-Flusses und kehrte am 2. April 1783 nach dem Cap zurück.

Die Ergebnisse dieser langen Fahrt waren recht ansehnlich. Le Vaillant brachte genaue Kunde mit von den Gonaquas, einem ziemlich großen Volke, das nicht mit den eigentlichen Hottentotten zu verwechseln ist, und das allen äußeren Zeichen nach einer Mischung der Kaffern mit jenen seinen Ursprung verdankt. Die von Le Vaillant über die Hottentotten gesammelten Nachrichten stimmen allenthalben mit denen Sparrman's überein.

»Die Kaffern, welche Le Vaillant zu sehen Gelegenheit fand, sagt Walckenaer, sind gewöhnlich größer als die Hottentotten und selbst als die Gonaquas. Ihr Gesicht ist im unteren Theile weder so eingezogen, noch hat es die so unangenehmen, stark hervortretenden Backenknochen, welche schon bei den Gonaquas schwächer erscheinen. Die ganze Gesichtsbildung ist nicht so breit und flach und die Lippen sind minder wulstig als die ihrer Nachbarn, der Neger von Mozambique; sie haben im Gegentheil ein mehr rundes Antlitz, hervorspringende, weniger breite Nase und einen mit den schönsten Zähnen besetzten Mund... Ihre Hautfarbe ist schön schwarzbraun, und wenn man von diesem Unterschied absieht, sagt Le Vaillant, würde manches Kaffernweib selbst an der Seite einer Europäerin noch für hübsch gelten.«

Sechzehn Monate Aufenthalt im Innern hatten dazu hingereicht, daß Le Vaillant die Bewohner der Capstadt kaum wieder erkannte. Bei seiner Abreise bewunderte er noch die züchtige Zurückhaltung der holländischen Frauen, jetzt dachten diese scheinbar an nichts Anderes mehr als an Vergnügungen und Putz. Straußfedern waren so in Mode, daß man solche aus Europa und Asien hieher mußte kommen lassen, der ganze Vorrath unseres Reisenden an diesen Schmuckfedern war im Handumdrehen vergriffen. Die Anzahl der von ihm mit jeder sich darbietenden Gelegenheit vorausgesandten Vögel betrug tausendachtzig Exemplare, und Boer's Haus, in dem sie einstweilen aufbewahrt wurden, verwandelte sich dadurch in ein wirkliches naturhistorisches Museum.

Le Vaillant's Reise erzielte zu schöne Erfolge, als daß er nicht hätte wünschen sollen, dieselbe zu wiederholen. Trotz der Rückkehr seines Gesellschafters Boer's nach Europa gelang es ihm mit Hilfe zahlreicher Freunde doch, das Material zu einer neuen Expedition zusammen zu bringen. Am 15. Juni 1783 brach er an der Spitze einer aus neunzehn Personen bestehenden Karawane von Neuem auf. Er nahm dabei dreizehn Hunde, einen Bock nebst zehn Ziegen, drei[436] Pferde, drei Milchkühe, sechsunddreißig Zugochsen, vierzehn solche zum Auswechseln und zwei zum Tragen der Bagage seiner hottentottischen Diener mit.

Wir können dem Reisenden natürlich nicht auf seinen Jagdzügen folgen, sondern beschränken uns auf die Mittheilung, daß es Le Vaillant glückte, eine Sammlung prächtiger Vögel zu erwerben, daß er nach Europa die erste Giraffe mitbrachte und bei seiner Fahrt das ganze ungeheure Gebiet unter dem Wendekreise des Steinbocks bis zum vierzehnten Grade östlicher Länge durchstreifte. Im Jahre 1784 nach dem Cap zurückgekehrt, schiffte er sich nun nach Europa ein und kam in den ersten Tagen des folgenden Jahres in Paris an.

Das erste wilde Volk, dem Le Vaillant bei seiner zweiten Reise begegnete, waren die Kleinen Namaquas, ein wenig zahlreicher Stamm, der schon deshalb dem Untergange preisgegeben scheint, zumal da er nur ein sehr unfruchtbares Gebiet bewohnte und den fortwährenden Angriffen der Buschmänner ausgesetzt war. Obwohl die Kleinen Namaquas noch von ziemlich ansehnlicher Erscheinung sind, stehen sie doch niedriger als die Kaffern und Gonaquas, von deren Lebensweise die ihrige sich sonst wenig unterscheidet.

Die Caminuquas oder Comeinaquas, von denen Le Vaillant dann Einiges erzählt, zeichnen sich durch ihre Körperlänge aus.

»Sie erscheinen, sagt er, fast noch größer als die Gonaquas, obgleich das in der Wirklichkeit vielleicht nicht der Fall ist; ihre feineren Knochen aber, das hagere Gesicht, die schlanke Taille, die schwächlichen, dünnen Beine, kurz Alles, bis auf den seinen, von den Schultern bis zur Erde herabhängenden Mantel, trägt zu dieser Täuschung bei. Wenn man diese, wie Baumzweige schlanken Erscheinungen sieht, kommt man auf den Gedanken, sie seien durch Locheisen gezogen worden. Von hellerer Hautfarbe als die Kaffern, haben sie auch ein hübscheres Gesicht als die Hottentotten, weil ihre Nasen minder platt und die Backenknochen weniger hervorstehend sind.«

Von allen Völkerschaften jedoch, die Le Vaillant bei seiner langen Reise besuchte, ist die merkwürdigste und älteste die der Huzuauas. Kein neuerer Reisender hat diesen Stamm wieder aufgefunden, doch glaubt man ihn in dem der Betjuanas wieder zu erkennen, obgleich der Sitz, den unser Reisender ihm zuschreibt, keineswegs mit dem jetzt von letzteren schon lange Jahre eingenommenen übereinstimmt.

»Der Huzuana, heißt es in dem Berichte, ist von sehr kleiner Gestalt; die größten erreichen kaum fünf Fuß Höhe. Die kleinen, aber vollkommen [437] proportionirten Leute vereinigen mit überraschender Kraft und Gewandtheit einen Ausdruck von Sicherheit und kühnem Muthe, der ebenso Respect einflößt, wie er für sie einnimmt. Von allen Le Vaillant bekannt gewordenen wilden Stämmen schien ihm dieser mit dem gewecktesten Geiste und der festesten Constitution bedacht zu sein. Ihr, den Hauptmerkmalen nach dem der Hottentotten ähnelnder Kopf erhielt durch das Kinn doch eine bessere Abrundung; dabei sind sie weit schwärzer... Das wollige Haar endlich ist so kurz, daß Le Vaillant glaubte, es sei abgeschoren... Den Huzuauas eigenthümlich erscheint bei deren Weibern die auffallend starke Entwicklung der Hintertheile, die als enorme Fleischmasse, bei jeder Bewegung ganz merkwürdig hin- und herschwanken. Le Vaillant sah eine Huzuana-Frau schnell mit ihrem dreijährigen Kinde laufen, das dabei auf jenem Körpertheile stand, wie ein Jockey hinter einem Wagen.«

Der Reisende verbreitet sich im Weiteren über verschiedene, hier mit Stillschweigen zu übergehende Einzelheiten betreffs der Körperbildung und Lebensgewohnheit mehrerer, heute völlig verschwundener oder unter lebenskräftigeren Stämmen aufgegangener Völkerschaften. Dieser Theil seines Werkes ist zwar gewiß nicht der mindest interessante, leider aber gleichzeitig der mindest glaubwürdige, und gerade die offenbare Uebertreibung in seinen Schilderungen ist es, die uns von der Weiterverbreitung derselben abhält.

Auf der Ostküste Afrikas trat ein portugiesischer Reisender, Francisco Jose de Lacerda e Almeida, im Jahre 1797 von Mozambique aus eine Reise in das Innere an. Ein Bericht über diesen Zug durch Gegenden, welche erst in unseren Tagen besucht worden sind, böte des Interessanten gewiß nicht wenig. Leider ist aber unseres Wissens kein Tagebuch Lacerda's veröffentlicht worden. Lacerda's Name wird zwar von den Geographen häufig genug erwähnt und man kennt den Weg, den er eingehalten; dennoch ist es, mindestens in Frankreich, unmöglich, ein Werk zu finden, das sich eingehender mit diesem Forscher beschäftigte und uns Specielleres über seine Reise mittheilte. Alles, was man von Lacerda weiß, können wir in einige Zeilen zusammenfassen, lebhaft bedauernd, daß es uns versagt bleibt, mehr von den Erlebnissen eines Mannes zu erzählen, der sehr wichtige Entdeckungen gemacht hat und gegen den die Nachwelt damit sehr ungerecht handelt, daß sie seinen Namen der Vergessenheit anheimfallen läßt.

Lacerda, von dem man Ort und Zeit seiner Geburt nicht kennt, war Ingenieur. Als solcher hatte er den Auftrag erhalten, die Grenzen zwischen den spanischen und portugiesischen Besitzungen in Südamerika festzustellen. In Folge [438] dessen verdankt man ihm eine Menge interessanter Beobachtungen aus der Provinz Mato-Grosso, welche in seinem »Revista trimensal de Brazil« niedergelegt sind. Man kennt die Gründe zwar nicht, weshalb er sich nach einer hier so erfolgreich durchgeführten Expedition den portugiesischen Ansiedlungen in Afrika zuwandte, oder welchen Zweck er mit der beabsichtigten Reise quer durch Südafrika von dessen Ostküste bis zum Königreiche Laonda eigentlich verfolgte, weiß aber, daß er 1797 von Tete, einer wohlbekannten Stadt, aus, an der Spitze einer sehr beträchtlichen Karawane nach den Staaten von Cazembe zu aufbrach.

Den Herrscher dieses Landes schmückte gleichzeitig der Ruhm des Wohlwollens und der Menschenfreundlichkeit, wie der seiner Großthaten. Seine Residenz soll er in Lunda, einer Stadt von zwei Meilen Ausdehnung, gehabt haben, die am östlichen Ufer eines Sees, Namens Moso, lag. Es wäre sehr verlockend gewesen, diese Oertlichkeiten mit den uns heute bekannten zu vergleichen und deren Uebereinstimmung nachzuweisen; der Mangel aller charakteristischen Merkmale zwingt uns jedoch einige Zurückhaltung auf, obgleich man den Namen Lunda von portugiesischen Reisenden her genug kannte; über die Lage Cazembes war man schon lange einig.

Vom Könige sehr freundlich empfangen, soll Lacerda zwölf Tage bei diesem verweilt, dann aber den Wunsch nach Fortsetzung seiner Reise zu erkennen gegeben haben. Leider wäre er, kaum zwei bis drei Tagereisen von Lunda entfernt, den Strapazen der Reise und dem ungesunden Klima erlegen.

Der Negerkönig nahm die Niederschriften und Anmerkungen des portugiesischen Reisenden einstweilen in Verwahrung und gab dann Befehl, dieselben nebst dessen sterblichen Ueberresten nach der Küste von Mozambique zu befördern. Unterwegs wurde die mit jenen kostbaren Schätzen beladene Karawane jedoch überfallen und Lacerda's Leichnam im afrikanischen Lande zurückgelassen. Die Beobachtungen desselben brachte einer seiner Neffen, der an der Expedition theilgenommen hatte, nach Europa zurück.

Wir schließen nun den Ring um den afrikanischen Continent und erwähnen noch die im Laufe des 18. Jahrhunderts von dessen oberem östlichen Theile ausgegangenen Unternehmungen. Eine der, ihren erzielten Erfolgen nach wichtigsten ist die des Chevalier Bruce.

Geboren in Irland, dem überhaupt viele Afrika-Forscher entstammen, war James Bruce von seiner Familie zum Studium der Rechte und zum Berufe des Advocaten bestimmt worden. Eine solche vorwiegend sitzende Lebensweise [439] sagte aber seinem Geschmacke gar nicht zu, so daß er die sich bietende Gelegenheit, zum Handel überzugehen, mit Freuden ergriff. Da seine Frau schon nach einer Ehe von wenigen Jahren verstarb, begab sich Bruce nach Spanien, wo er sich mit dem Studium der arabischen Denkmäler beschäftigte. Er wollte damals eine Beschreibung aller dieser Schätze aus dem Escurial veröffentlichen, doch versagte ihm die spanische Regierung dazu die Genehmigung.

Nach England zurückgekehrt, befleißigte Bruce sich des Studiums der orientalischen Sprachen und vorzüglich der äthiopischen Mundart, die man bisher nur aus den mangelhaften Arbeiten Ludolph's kannte.

Bei einer Unterredung mit Lord Halifax schlug dieser ihm, ohne seinen Worten ein besonderes Gewicht beizulegen, vor, einen Versuch zur Entdeckung der Nilquellen zu machen. Sofort erfaßt Bruce diesen Gedanken, widmet sich mit allem Eifer dem Projecte und thut alles Nothwendige zu dessen Ausführung. Alle Einwürfe widerlegt, alle Hindernisse besiegt der zähe Wille des Reisenden, und im Juni 1768 vertauscht Bruce die nebligen Gefilde Englands gegen die sonnenbeglänzten Küsten des Mittelmeeres.

In aller Eile und gleichsam zur Uebung durchstreifte Bruce schnell hintereinander einige Inseln des Archipels, Syrien und Aegypten. Von Djedda ausgehend, besucht der englische Reisende Moka, Loheia und landet bei Massaua am 17. September 1769. Er hatte nicht unterlassen, sich einen Ferman des Sultans und Briefe des Bey von Kairo und von dem Sherif von Mekka zu verschaffen. Das war von ihm sehr wohl gethan, denn der »Nayb« oder Statthalter jenes Inselstädtchens versuchte Alles, um sein Eindringen nach Abyssinien zu hindern und große Geschenke von ihm zu erpressen.


Porträt von James Bruce. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 439.)

Durch Abyssinien waren schon früher portugiesische Missionäre gezogen. Ihrem Eifer verdankte man so manche Kenntniß des Landes, die freilich hinter den Nachforschungen, wie sie Bruce anzustellen gedachte, weit zurückblieb. Obwohl man des Letzteren Wahrheitsliebe öfter in Zweifel stellte, haben doch alle Reisenden, welche dieses Land nach ihm besuch ten, einstimmig die Verläßlichkeit seiner Schilderungen und Angaben bestätigt.

Von Massaua nach Adowa steigt der Weg allmählich an und erklimmt die Bergkette zwischen Tigre und dem Rothen Meere.

Adowa war früher nicht die Hauptstadt von Tigre. Man hatte daselbst eine Manufactur jener groben Baumwollenstoffe errichtet, welche in ganz Abyssinien in Umlauf sind und zum Theile die Stelle der Münzen vertreten.

[440] In den Umgebungen der Stadt ist der Boden zum Anbau von Getreide geeignet.

»Man gewinnt in diesen Gegenden, schreibt Bruce, jährlich drei Ernten. Die erste Einsaat erfolgt im Juli und August. Zu dieser Zeit regnet es zwar oft sehr heftig, doch säet man trotzdem Weizen, ›Tocusso‹, ›Teff‹ und Gerste. Gegen den 20. November erntet man zuerst die Gerste, dann den Weizen, zuletzt den Tocusso. Gleich darauf wird an Stelle aller dieser Körnerfrüchte wieder [441] Gerste auf dasselbe Feld gesäet, die im Februar zur Reise kommt; dann säen sie ein drittes Mal Teff, noch häufiger jedoch eine Art Erbsen, dort ›Shimbra‹ genannt, und ernten noch vor den ersten Regengüssen des Aprils. Trotz der Vortheile dieser dreifachen Ernten, welche weder Düngung noch Bodenbearbeitung voraussetzen und jede Brache unnöthig machen, bleiben die abyssinischen Bauern doch immer blutarme Leute.«

In Fremona, unsern Adowa, finden sich die Ueberbleibsel eines Jesuitenklosters, die freilich mehr einer Veste, als einer Stätte der Männer des Friedens ähneln. Zwei Tagereisen weiter trifft man auf die Ruinen von Axoum, der ehemaligen Hauptstadt Abyssiniens.

»Auf einem großen Platze, den ich für den früheren Mittelpunkt der Stadt halte, schreibt Bruce, erblickt man vierzig Obelisken, aber alle ohne Hieroglyphen. Die beiden schönsten derselben sind umgestürzt; ein dritter, weniger groß als jene zwei, die anderen aber an Länge überragend, steht noch aufrecht. Sie bestehen alle aus einem einzigen Granitblock und sieht man oben auf dem erwähnten größten eine in griechischem Geschmack kunstvoll gemeißelte Opferschale...

Nachdem wir bei dem Kloster Abba Pantaleon's, das in Abyssinien Mantillas heißt, und an dem kleinen Obelisk auf einem Felsen oberhalb desselben vorübergekommen, folgten wir einem nach Süden zu führenden und durch einen Berg aus ganz rothem Marmor gebrochenen Wege, wobei wir zur Linken eine Marmorwand von fünf Fuß Höhe hatten. Von Strecke zu Strecke sieht man an dieser Mauer solide Fußgestelle, auf denen verschiedene Anzeichen darauf hindeuten, daß sie einst die Kolossalstatuen des Sirius, den Anubis oder die Canicula (d.i. der Hundsstern) anbellt, getragen haben. Solcher Fußgestelle mit den erwähnten Merkmalen finden sich noch hundertdreißig. Doch sind nur noch drei, leider sehr verstümmelte Figuren der Hundegestalt übrig, an denen man übrigens die ägyptische Arbeit leicht wieder erkennt...

Es giebt daneben auch Piedestale, auf denen eine Sphinx gestanden hat. Zwei prächtige Reihen Granitstufen von mehreren hundert Fuß Länge von ausgezeichneter Arbeit und noch gut erhalten, bilden die einzigen Reste eines herrlichen Tempels. An einer Ecke der großen Plattform desselben erhebt sich heute die kleine Kirche von Axoum. Niedrig, armselig und schlecht in Stand gehalten, ist diese Kirche über und über mit Taubenmist beschmutzt.«

In der Nähe von Axoum sah Bruce drei Soldaten, sich das Beefsteak, welches sie verzehren wollten, einer lebenden Kuh entnehmen.

[442] »Sie ließen dabei, sagt er ganz ernsthaft, die Haut der Stelle, an der sie das Fleisch ausgeschnitten, möglichst ganz und befestigten diese wieder mittelst kleiner Holzstückchen, die ihnen als Nadeln dienten. Ich weiß nicht, ob sie zwischen Haut und Fleisch etwas einlegten, doch bedeckten sie die Schnittwunde ganz mit Koth; nachher zwangen sie das Thier, sich zu erheben, und trieben es vor sich hin, jedenfalls um ihnen auch eine Abendmahlzeit zu liefern, wenn sie mit ihren Kameraden zusammengetroffen waren.«

Von Tigre wandte sich Bruce nach der Provinz Sire, die ihren Namen von der Hauptstadt hat, welche größer als Axoum, aber fortwährend von putriden Fiebern heimgesucht ist. In deren Nähe fließt der Takazze, der Siris des Alterthums, mit seinen von prächtigen Bäumen bewaldeten Ufern und fischreichen Gewässern. In der Provinz Samen, wo Bruce von Löwen und Hyänen belästigt und ein Theil seines Gepäckes von großen schwarzen Ameisen aufgezehrt wurde, hielt er sich, wenigstens in den Bergen Waldubbas, einer ungesunden, brennend heißen Gegend, in der viele Mönche zu Buß- und Betübungen zurückgezogen wohnen, nur so lange auf, bis seine Saumthiere sich ordentlich erholt hatten. Es drängte ihn nämlich, Gondar zu erreichen, denn in dem von Bürgerkriegen zerrissenen Lande war die Lage von Fremdlingen eine keineswegs gesicherte.

Als Bruce in der Hauptstadt anlangte, richtete ein typhoides Fieber daselbst eben sehr große Verheerungen an. Seine erfolgreiche Thätigkeit als Arzt gereichte ihm zu großem Vortheile. Er erlangte dadurch eine nach allen Seiten angenehme Stellung und erhielt auch ein Commando, das ihm Gelegenheit gab, an der Spitze einer Truppenabtheilung das Land in allen Richtungen zu durchstreifen. Dabei sammelte er eine Menge Beobachtungen über dasselbe und seine Verwaltung, über die Sitten der Einwohner und die merkwürdigsten geschichtlichen Ereignisse, die sein Werk über Abyssinien zu der wichtigsten der bisher darüber erschienenen Arbeiten machten.

Während eines dieser Züge entdeckte Bruce die Quellen des Blauen Nils, den er für den richtigen Nil ansah. Bei der Kirche Saint-Michel Geesch angelangt, wo der Fluß nur vier Fuß Breite und vier Zoll Tiefe hatte, vermuthete Bruce mit Recht, daß dessen Quellen in der Nähe liegen müßten; zwar versicherte ihm sein Führer, daß bis dahin noch ein Berg zu ersteigen sei, doch ließ der Reisende sich dadurch nicht beirren.

»Vorwärts! Vorwärts! rief ich, kein Wort mehr! Es ist schon spät; führt mich nach Geesch zu den Quellen und zeigt mir den Berg, der uns noch davon [443] trennt! – Er geleitete mich nach der Südseite der Kirche und sagte, als wir aus dem dieselbe umgebenden Cedernhain heraustraten, boshaft pfiffig: Da ist der Berg, der, als Ihr noch jenseits der Kirche wart, zwischen uns und den Quellen des Nils lag. Einen anderen giebt es nicht. Seht jene rasenbedeckte Erhöhung inmitten der feuchten Au. Dort sind die beiden Quellarme zu finden. Geesch liegt auf der Höhe des Felsens, wo man jene grünen Gebüsche erblickt. Wenn Ihr bis zu den Quellen geht, so legt die Schuhe ab, wie Ihr es kürzlich gethan, denn die Bewohner dieser Gegend sind Heiden und glauben an nichts von Dem, woran Ihr glaubt, außer an den Nil, den sie tagtäglich gleich einer Gottheit anrufen, wie Ihr vielleicht die Eurige.

Ich entledigte mich der Schuhe, stieg eilends den Hügel hinab und lief auf die kleine grüne Insel zu, die kaum zweihundert Schritte vor mir lag. Der ganze Hügelabhang ist von Blumen bedeckt, deren kräftige Wurzeln oft aus dem Boden herausragen. Da ich unterwegs die Rinde dieser Wurzeln oder die Schalen der Zwiebeln betrachtete, fiel ich mehrmals heftig hin, bevor ich den Rand des Sumpfes erreichte, doch näherte ich mich zuletzt der grasbedeckten Insel. Ich fand sie ähnlich einem Altar, welche Form ihr künstlich gegeben sein mag, und stand mit andächtiger Bewunderung vor der Hauptquelle, die aus der Mitte dieses Altars hervorrieselte.

Gewiß kann man leichter meine Empfindungen sich vorstellen, als diese beschreiben. Da befand ich mich nun gegenüber jenen Quellen, welche der strebsame Geist und der Muth der Menschen schon seit dreitausend Jahren vergeblich zu finden trachtete!«

Bruce's Reise bietet auch noch weitere interessante Aufschlüsse; doch müssen wir uns einige Beschränkung auferlegen. Wir geben deshalb nur noch wieder, was er über den Tzana-See mittheilt.

»Der Tzana-See ist, übereinstimmend mit allen Berichten, ohne Zweifel die größte Wasseransammlung dieser Gegenden, doch beliebte man dessen Ausdehnung etwas zu übertreiben. Seine größte Breite liegt in der Richtung von Osten nach Westen zwischen Dingleber und Lamgue und erreicht in gerader Linie wohl fünfunddreißig Meilen, doch verengert er sich nach den Enden zu beträchtlich, so daß er manchmal nur zehn Meilen in der Breite mißt. Die größte Länge von Norden nach Süden beträgt neunundvierzig Meilen und verläuft vom Bab-Baha aus eine kurze Strecke nach Südwest ein Viertel-West von der Stelle, wo der Nil, nachdem er den See in stets sichtbarer Strömung [444] durchlaufen, sich gegen Dara nach dem Gebiete von Allata wendet. Während der trockenen Jahreszeit, d.h. vom October bis zum März, nimmt der See merkbar ab; wenn die Regengüsse aber alle Wasseradern anschwellen, welche strahlenförmig, wie die Speichen eines Rades in der Nabe, in ihm zusammenlaufen, so steigt er so sehr, daß ein Theil der umgebenden Ebene überschwemmt wird.

Dürfte man den freilich sehr lügenhaften Abyssiniern glauben, so enthielte der Tzana-See fünfundvierzig bewohnte Inseln; ich meine aber, daß deren Anzahl auf elf zurückzuführen ist. Die bedeutendste derselben ist Dek, Daka oder Daga, ihr schließen sich zunächst der Größe nach an Halimoon, an der Küste von Gondar, Briguida an der von Gorgora und Galita, noch jenseit Briguida. Alle diese Inseln dienten ehemals als Gefängnisse, nach denen man die Großen Abyssiniens schickte, oder welche sie selbst, wenn sie beim Hofe mißliebig geworden waren, oder endlich in Zeiten der Gefahr als Zufluchtsorte aufsuchten, um ihre kostbarste Habe in Sicherheit zu bringen.«

Nach diesem Besuche Abyssiniens mit Bruce wenden wir uns wieder nach Norden.

Allmählich ward es Tag über der alten Civilisation Aegyptens. Nach und nach wurden die archäologischen Reisen Pococke's, Norden's, Niebuhr's, Volney's und Savary's veröffentlicht und die ägyptische Commission in Frankreich arbeitete an der Abfassung ihres großen prachtvollen Werkes. Die Anzahl der Reisenden nahm mit jedem Tage zu, und so wollte auch W. G. Browne, dem Beispiele vieler Anderer folgend, das Land der Pharaonen kennen lernen.

Sein Werk bietet gleichzeitig ein Bild der so interessanten Ruinen und Denkmäler dieses Landes, wie eine Schilderung der Sitten seiner Bewohner. Ein ganz neuer Abschnitt desselben ist der, welcher von Darfur handelt, einem Lande, nach dem noch kein Europäer vorgedrungen war. Browne sichert aber auch noch einen besonders hervorragenden Platz unter den vielen Reisenden der Umstand, daß er zuerst im Bahr-el-Abiad den wahren Nil erkannte und sich bemühte, wenn auch nicht seine Quelle zu entdecken – daran war vorläufig noch nicht zu denken – derselben doch näher zu kommen und die Richtung und geographische Breite anzugeben, in der diese voraussichtlich zu suchen sei.

In Aegypten am 10. Januar 1792 angekommen, unternahm Browne seinen ersten Ausflug nach Siouah, wobei er, gleich Hornemann, zunächst die Oase des Jupiter Ammon erreichte. Es war ihm nicht viel mehr als seinem [445] Vorgänger vergönnt, die Ruinen und Katakomben daselbst zu besuchen, wo er viele Schädel und menschliche Gebeine fand.

»Die Ruinen Siouahs, sagt er, gleichen denen Ober-Aegyptens gar zu sehr, als daß man an der Errichtung der früheren Bauwerke durch ein und dieselbe Menschenrace zweifeln könnte. Unter den Skulpturen unterscheidet man ohne Schwierigkeit die Bilder der Isis und des Anubis, und die Verhältnisse ihrer zwar kleineren Baudenkmäler sind doch dieselben wie die der ägyptischen Tempel.

Die Felsengebilde in der Nachbarschaft Siouahs bestehen meist aus einer Art Sandstein, der mit den Werksteinen jener Ruinen nicht zu vergleichen ist, so daß man zur Bauzeit das nöthige Material gewiß nicht von jenen Stellen entnommen hat. Die Bewohner Siouahs kennen in dieser Beziehung keine einzige annehmbare Ueberlieferung; sie beharren nur bei dem Glauben, daß jene Ruinen Schätze enthalten und von bösen Geistern bewohnt werden.«

In der nächsten Zeit unternahm Browne noch mehrere Streifzüge durch Aegypten und begab sich dann zur weiteren Erlernung des Arabischen nach Kairo. Diese Stadt verließ er am 10. September 1792 und besuchte nach und nach Kaw, Achmin, Girgeh, Denderah, Kous, Thebä, Assaua, Kosseïr, Memphis, Suez und den Berg Sinaï; dann reiste er, begierig, in Abyssinien einzudringen, aber überzeugt, daß das von Massaua aus unthunlich sein werde, im Mai 1793 mit der Karawane aus Sudan von Assiout nach Darfur ab. Aine, Dize, Charje, Bulak, Scheb, Seline, Leghea und Bir-el-Malha waren die Punkte, welche die Karawane vor der Ankunft in Darfur berührte.

Eine Krankheit hielt Browne lange Zeit in Sueini zurück, bevor er nach El-Fascher 'gelangen konnte. In dieser Stadt belästigte und peinigte man ihn über alle Maßen, und auch eine nachgesuchte Audienz beim Sultan war nicht zu erlangen. Er mußte den Winter in Cobbe zubringen, in Erwartung seiner, doch erst im Sommer 1794 erfolgenden Wiedergenesung. Diese gezwungene Muße sollte für den Reisenden indeß nicht verloren sein, denn er lernte dabei die Lebensgewohnheiten und den Dialect von Darfur kennen.

Mit dem Sommer kehrte Browne nach El-Fascher zurück und begann auf's Neue seine Anliegen zur Geltung zu bringen. Sie hatten leider immer dasselbe negative Resultat, bis eine letzte, die früheren alle überbietende Ungerechtigkeit ihm endlich zu der längst nachgesuchten Unterredung mit dem Sultan verhalf.

[446] »Ich fand den Monarchen (Abd-el-Raschman) auf seinem Throne unter einem hohen hölzernen Ueberbau, an dem verschiedene, planlos untermischte Stoffe aus Syrien und Indien herabhingen. Der Thron selbst war mit kleinen türkischen Teppichen bedeckt. Die Meleks (Hausofficiere) saßen zur Rechten und Linken, doch in einiger Entfernung von dem Throne. Hinter ihnen stand eine Reihe Leibgarden, deren Mützen an der Vorderseite mit einer kleinen Kupferplatte und einer schwarzen Straußenfeder geschmückt war. Die Bewaffnung dieser Krieger bestand in einer Lanze, die sie in der rechten Hand hielten, und in einem mit Flußpferdhaut überzogenen Schilde, der ihren linken Arm bedeckte. Als Kleidung trugen sie nur ein Hemd aus einheimischem Baumwollenstoffe. Hinter dem Throne sah man vierzehn oder fünfzehn reich und verschiedenartig gekleidete Eunuchen. Die Zahl der auf dem Platze vor dem Throne versammelten Bittsteller und Zuschauer belief sich wohl auf fünfzehnhundert Menschen.

Ein bezahlter Lobredner stand zur Linken des Fürsten und schrie unablässig aus Leibeskräften: ›Seht da den Stier! Den Sohn eines Stieres! Den Stier aller Stiere! Den Elephanten von außergewöhnlicher Kraft! Den mächtigen Sultan Abd-el-Raschman-el-Raschid! Mög' Allah Dein Leben behüten, o Herr! Allah stehe Dir bei und mache Dich siegreich allezeit!‹

Der Sultan sicherte Browne Gerechtigkeit zu und übergab seine Angelegenheit einem der Meleks. Doch stellte man ihm nur den sechsten Theil seiner früher entwendeten Habseligkeiten wieder zu. Der Reisende war eigentlich nach Darfur nur gekommen, um hindurchzuziehen; jetzt sah er ein, daß es ihm schwierig werden würde, daraus wieder wegzukommen und er auf jede weitere Fortsetzung seiner Forschungsreise verzichten müsse.

Am 11. December 1795, das heißt nach dreimonatlichem Aufenthalte, sagte Browne, begleitete ich den Chatib (eine der ersten Personen des Reiches) zur Audienz beim Sultan. Ich wiederholte ihm eindringlich, was ich verlangte; der Chatib unterstützte zwar mein Gesuch, doch nicht mit dem wünschenswerthen Eifer. Der Sultan ertheilte mir auf den Wunsch, mich unbehelligt weiter ziehen zu lassen, gar keine Antwort; ja dieser so ungerechte Despot, der von mir für siebenhundertfünfzig Piaster Waaren erhalten hatte, ließ sich nur herbei, mir zwanzig magere Ochsen zu überlassen, die er selbst auf kaum hundertzwanzig Piaster schätzte. Der traurige Zustand meiner Finanzen erlaubte mir nicht, diese ungerechte Bezahlung zurückzuweisen. Ich nahm sie in Empfang und sagte in der Hoffnung auf Nimmerwiederkehr El-Fascher Lebewohl.«


Ich fand den Monarchen auf seinem Throne. (S. 447.)

Browne konnte Darfur übrigens erst im Frühjahre 1796 verlassen, wo er sich einer nach Aegypten zurückkehrenden Karawane anschloß.

Die Stadt Cobbe, obgleich nicht der Sitz der Kaufleute, muß doch als die Hauptstadt von Darfur angesehen werden. Sie ist über zwei Meilen lang und dazu [447] den Straßen nach sehr eng angelegt; jedes Haus steht inmitten eines von Palissaden umschlossenen Feldes, von dem immer ein Stück brach liegen bleibt. Die Ebene, in der die Stadt sich erhebt, erstreckt sich nach Westen und [448] Südwesten gegen zwanzig Meilen weit. Fast alle Einwohner sind Kaufleute, welche mit Aegypten Handel treiben. Die Zahl derselben wird nahezu sechstausend, darunter mehr Sklaven als Freie, betragen. Die Gesammtbevölkerung Darfurs dürfte zweimalhunderttausend Seelen kaum übersteigen; zu dieser Schätzung kommt Browne jedoch nur durch die Anzahl der zu einem Kriege gegen Kordofan ausgehobenen Rekruten.

»Die Einwohner Darfurs, heißt es in dem Berichte, sind verschiedenen [449] Ursprungs; die Einen kamen von den Ufern des Nils her, die Anderen aus dem Westen; sie sind entweder Fukkaras (Priester) oder Handelsleute. Es befinden sich darunter viele, im Lande nicht seßhafte Araber von verschiedenen Stämmen. Diese führen zum größten Theil ein unstätes Leben an den Grenzen von Darfur, wo sie ihre Kameele, Pferde und Rinder weiden lassen; auch sind sie dem Sultan nicht so unbedingt unterthan, um ihm in Kriegszeiten sicher Heeresfolge zu leisten oder im Frieden Tribut zu erlegen.... Nach den Arabern kommen die Leute von Zeghawa, ein früher unabhängiges Land, dessen Häuptling, der Sage nach, tausend, aus seinen eigenen Leuten entnommene Reiter in's Feld stellen konnte. Die Zeghawas sprachen einen von dem Darfurs verschiedenen Dialect.


Der Kaiser von China. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 455.)

Der Kaiser von China. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 455.)


Endlich wären hierzu noch die Bewohner von Begu oder Dageon zu rechnen, die von einem Stamme herrühren, der Darfur einstmals beherrschte.

Die Einwohner können lange Zeit Hunger und Durst ertragen, ergaben sich aber doch mit Leidenschaft dem Genusse eines gegohrenen Liqueurs, der ›Brouza‹ oder ›Merisse‹. Diebstahl, Lüge, Betrug im Handel und alle meist damit einhergehenden Fehler bilden die Zierde der Darfurianer.

Beim Kauf und Verkauf rühmen sich Vater und Sohn, wenn sie einander übervortheilen können. Unter Anrufung des Namens Gottes und des Propheten begeht man die frechsten Betrügereien und wirst man sich die ärgsten Lügen an den Hals.

Die mohammedanische Religion gestattet bekanntlich die Vielweiberei, von der die Bewohner Darfurs den ausgedehntesten Gebrauch machen. Als der Sultan Teraub zum Kriege gegen Kordofan aufbrach, folgten ihm fünfhundert Frauen, und doch blieben noch ebenso viele im Palaste zurück. Das könnte einfach lächerlich erscheinen; man muß aber bedenken, daß diese Frauen für einen sehr großen Hofhalt das Getreide zu mahlen, Wasser zu holen, Speise zu bereiten und überhaupt Alles zu besorgen haben.«

Browne's Bericht enthält endlich noch recht interessante medicinische Beobachtungen, Rathschläge über das Verhalten auf Reisen in Afrika und Einzelheiten über die Säugethiere, Fische, Metalle und Pflanzen Darfurs. Wir übergehen das jedoch, da nichts darin enthalten ist, was heute noch der besonderen Aufmerksamkeit werth erscheint.

[450]
3. Capitel
Drittes Capitel.
Asien und seine Bewohner.

Die Tatarei nach Witzen. – China nach der Darstellung der Jesuiten und des Pater Du Halde. – Macartney in China. – Aufenthalt in Chu-Sang. – Ankunft in Nanking. – Verhandlungen. – Empfang der Gesandtschaft durch den Kaiser. – Feste und Feierlichkeiten in Zhe-Hol. – Rückkehr nach Peking und Europa. – Volney. – Choiseul Gouffier. – Le Chevalier in der Gegend von Troja. – Olivier in Persien. – Ein halbasiatisches Land. – Rußland nach Pallas.


Gegen Ende des 17. Jahrhunderts hatte Nikolaus Witzen die östliche und nördliche Tatarei durchstreift und 1692 einen recht interessanten Bericht über diese Fahrt veröffentlicht. Das in holländischer Sprache geschriebene und in keine andere mehr verbreitete übersetzte Werk erwarb seinem Verfasser jedoch nicht das Ansehen, das er wohl verdiente. Mit zahlreichen, zwar künstlerisch ziemlich werthlosen, aber in ihrer Einfalt für die beabsichtigte Treue derselben zeugenden Bildern wurde das Buch im Jahre 1705 noch einmal herausgegeben und von den letzten Exemplaren dieser zweiten Auflage im Jahre 1785 eine neue Titelausgabe veranstaltet. Ein Bedürfniß dafür war freilich kaum vorhanden, denn man besaß zu der Zeit schon weit eingehendere und umfassendere Kenntnisse.

Seit dem Tage, da die Jesuiten im Himmlischen Reiche Faß faßten, hatten sie mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln dahin gestrebt, Nachrichten aller Art über dieses ungeheure Reich zu sammeln, das vor ihnen nur durch die wunderbaren Schilderungen Marco Polo's bekannt war. Obwohl China so recht die Heimat des Stillstandes ist und die Volkssitten daselbst sich fast stets gleich bleiben, so waren doch zu viele Ereignisse eingetreten, welche es wünschenswerth erscheinen ließen, etwas genauer über ein Land unterrichtet zu sein, mit dem Europa aller Voraussicht nach in erfolgreiche Wechselbeziehungen treten konnte.

Die Erfolge der Nachforschungen der Patres der Gesellschaft Jesu, welche bisher nur in der kostbaren Sammlung der »Gelehrten Briefe« veröffentlicht waren, wurden nun durch eines der eifrigsten Mitglieder des Ordens, den Pater Du Halde, gesammelt, durchgesehen und vermehrt. Der Leser erwartet gewiß nicht, daß wir hier einen Auszug dieser ungeheueren Arbeit mittheilen; dazu würde kaum ein ganzer Band ausreichen, und überdies besitzen wir heutzutage[451] noch weit vollständigere Nachrichten als die, welche man dem Fleiße und der scharfsinnigen Kritik des Pater Du Halde verdankt, welcher allerdings das erste brauchbare Werk über China zusammenbrachte.

Gleichzeitig mit obigen, höchst verdienstvollen Arbeiten widmeten sich die Jesuiten auch astronomischen Studien, sammelten naturwissenschaftliche Gegenstände für Herbarien und zeichneten Karten, auf die man bis vor nicht langer Zeit bezüglich einiger entlegener Provinzen des Reiches einzig angewiesen blieb.

Gegen Ausgang des 18. Jahrhunderts veröffentlichte ein Stiftsherr des heiligen Ludwig vom Louvre, der Abbé Grossier, in kürzerer Form eine Beschreibung Chinas und der Tatarei. Er benutzte dabei die Arbeiten seines Vorgängers, des Paters Du Halde, die er berichtigte und zum Theile vervollständigte. Die immerhin umfangreiche Arbeit des Pater Grossier enthält nach einer Beschreibung der fünfzehn Provinzen Chinas und der Tatarei, ebenso wie der Tributärstaaten Korea, Tonking, Cochinchina und Tibet, eine weitläufige Schilderung der Bevölkerung und der Naturgeschichte Chinas. Dann geht der Verfasser zur Beschreibung der Regierungsform, der Religion, der Sitten, Literatur, der Wissenschaften und Kunst der Chinesen über.

In den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts sandte die englische Regierung zur Anknüpfung von Handelsbeziehungen mit China Georges von Macartney als außerordentlichen Gesandten dahin.

Dieser Diplomat hatte schon Europa und Rußland bereist, und als Gouverneur der englischen Antillen, als solcher von Madras und als Generalgouverneur von Indien, durch den langjährigen Umgang mit Menschen unter den verschiedensten Breiten und Klimaten, gründliche Erfahrungen über die Motive ihrer Handlungen gesammelt. Der Bericht über seine Reise enthält auch eine Menge Thatsachen und Beobachtungen, welche bei den Europäern eine genauere Vorstellung von den Chinesen erweckte.

Der Leser interessirt sich stets mehr für persönliche Abenteuer und Wahrnehmungen als für eine anonyme Arbeit. Zwar ist das Ich stets widerwärtig, sagt das Sprichwort; doch trifft das nicht in Bezug auf Reisebeschreibungen, und Der, welcher von sich sagen kann: »Ich war dabei, als das und das geschah!« wird stets ein williges Ohr und warme Theilnahme finden.

Ein Geschwader von drei Schiffen, bestehend aus der »Lion«, der »Hindostan« und der »Chacal«, segelte am 26. December 1792 mit Macartney und seinem Gefolge ab. Nach mehrfachem Aufenthalte in Rio de Janeiro, an den [452] Inseln St. Paul und Amsterdam, wo man Seekalb-Jäger traf, ferner in Batavia und Bantam und auf der Insel Java bei Pulo-Condor gingen die Schiffe bei Turon (Han-San) in Cochinchina in einer geräumigen Bai, von der man nur eine sehr unzulängliche Karte besaß, vor Anker. Das Eintreffen der englischen Schiffe erregte anfangs einige Unruhe unter den Cochinchinesen; als sie aber die Gründe erfuhren, welche das Geschwader bestimmt hatten, hier einzulaufen, sendeten sie einen hohen Würdenträger mit Geschenken an Macartney ab, der bald darauf von dem Gouverneur zur Tafel nebst darauf folgender dramatischer Vorstellung eingeladen wurde. Neben einer Beschreibung dieser Festlichkeiten besitzt man noch einige Beobachtungen die doch in zu kurzer Zeit gemacht wurden, als daß man die darin enthaltenen Schilderungen der Sitten und der verschiedenen Racen der Cochinchinesen für zuverlässig ansehen könnte.

Die Schiffe gingen auf's Neue unter Segel, sobald die Kranken ihre Gesundheit wieder erlangt und man sich die nöthigen Provisionen verschafft hatte. Nach kurzem Aufenthalt an den Diebesinseln begab sich das Geschwader nach der Straße von Formosa, wo es von einem schweren Sturme überfallen wurde, und lief in den Hafen von Chusan (Chu-Sang) ein. Man benutzte diese Rast zur Berichtigung der Karte des Archipels und zu einem Besuche der Stadt Ting-Haï, wo die Engländer ebensoviel Neugier erregten, als sie beim Anblick so vieler unbekannter Dinge selbst empfanden.

Die Häuser, die Märkte, die Kleidung der Chinesen, die Kleinheit der Füße ihrer Frauen, lauter suchen, die wir jetzt lange kennen, erweckten in hohem Grade das Interesse der Fremden. Wir verweilen jedoch bei dieser Gelegenheit nur ein wenig bei der Cultur der Zwergbäume der Chinesen.

»Diese Art verkrüppelter Vegetation, sagt Macartney, scheint von den Liebhabern in China sehr geschätzt zu sein, denn man findet solche Exemplare in jedem einigermaßen anständigen Hause. Die Gärtner verwenden alle Mühe darauf, derartige Zwerggewächse zu erzeugen, und überhaupt ist diese Kunst in China zuerst erfunden worden. Abgesehen von dem Verdienste, damit eine natürliche Schwierigkeit zu besiegen, gewährt dieselbe die Möglichkeit, Pflanzen, deren Größe das sonst nicht erlauben würde, im gewöhnlichen Zimmer zu ziehen.

Die in China gebräuchliche Methode zur Erzielung von Zwergbäumen nun ist folgende: Wenn man einen Baum ausgewählt hat, aus dem man einen Zwerg ziehen will, so bedeckt man seinen Stamm möglichst nahe der Stelle, wo er sich in Zweige spaltet, mit einer gewissen Menge Thon oder Düngererde, [453] die mit einem Stück Hanf oder Baumwollengewebe festgehalten und zur Erhaltung von Feuchtigkeit darin häufig begossen wird. Diese Düngererde bleibt an derselben Stelle oft ein ganzes Jahr über liegen, während welcher Zeit der damit bedeckte Baum zarte, wurzelähnliche Fasern treibt. Darauf wird derjenige Theil des Stammes, aus dem jene Fasern hervorgegangen, mit dem dicht darüber befindlichen Zweige vorsichtig von dem übrigen Baum getrennt und in die Erde verpflanzt, wo die Fasern sich zu wirklichen Wurzeln umbilden und der Zweig den Stengel einer neuen Pflanze vorstellt, die jetzt gewissermaßen metamorphosirt ist. Dieses Verfahren zerstört weder, noch beeinträchtigt es überhaupt die Fruchtbarkeit des Zweiges, welche dieser vor der Ablösung von der Mutterpflanze vorher etwa besaß. Wenn derselbe z.B. Blüthen oder Früchte hatte, so geht die Entwicklung derselben ungestört weiter, wenn er auch nicht mehr auf dem ersten Stamme sitzt. Man entfernt dann immer die Sprößlinge am Ende der Zweige, aus denen man Zwergbäume ziehen will, verhindert sie dadurch, sich weiter zu verlängern, und zwingt sie, andere Sprößlinge und Seitenzweige zu treiben. Diese werden endlich mit Messingdraht festgebunden und nehmen in Folge dessen jede Gestalt an, die ihnen der Gartenkünstler zu geben wünscht.

Bezweckt man dem Baume ein altes morsches Aussehen zu geben, so wird er wiederholt mit Theriak und Melasse überstrichen, wodurch eine Menge Insecten angelockt werden, welche nicht nur jene Stoffe verzehren, sondern auch die Rinde des Baumes benagen, so daß dieselbe bald die beabsichtigte Wirkung hervorbringt.«

Von Chusan aus segelte das Geschwader in das Gelbe Meer, das bisher noch von keinem europäischen Schiffe besucht worden war. In dieses Meer mündet der Hoang-Ho, der auf seinem langen, gewundenen Laufe eine ungeheuere Menge gelblichen Schlammes entführt, von dem das Meer seinen Namen erhalten hat. Die englischen Schiffe warfen dabei in der Bai von Ten-Chu-Fu Anker, gingen dann nach dem Golfe von Peking und hielten vor der Barre des Pei-Ho an. Da der Wasserstand über derselben zur Zeit der Ebbe kaum noch drei bis vier Fuß betrug, konnten sie dieselbe nicht überschreiten.

Sehr bald trafen hier zwei von der Regierung ernannte Mandarinen mit reichlichen Geschenken zum Empfange des Gesandten ein. Die als Gegengabe für den Kaiser bestimmten wurden auf Dschonken verladen, während der Gesandte in einer für ihn hergerichteten Yacht weiter reisen sollte. Die erste Stadt, bei welcher der Zug Rast machte, war Taku, wo Macartney den Besuch des [454] Vicekönigs der Provinz und des ersten Mandarinen empfing. Es waren das zwei sehr vornehme und beliebte Männer, ohne jene widerwärtige Speichelleckerei und jene Vorurtheile, denen man hier unter den anderen Classen allenthalben begegnet.

»Man hat gewiß mit dem Ausspruche recht, schreibt Macartney, daß ein Volk das ist, was man aus ihm macht, und die Engländer sahen dafür wiederholt die Beweise in der Wirkung, welche die Furcht vor der wuchtigen Hand der Gewalt auf die Leute äußert. Wenn sie sich von jener Furcht frei fühlten, schienen sie heiteren und zutraulichen Charakters zu sein; in Gegenwart ihrer Behörden aber sahen sie ungeheuer furchtsam und verlegen aus.«

Der Strömung des Pei-Ho entgegen, kam man in Folge der unzähligen Windungen des Flusses nur sehr langsam nach Peking zu vorwärts. Die höchst sorgsam angebaute Landschaft, die am Ufer des Flusses oder weiter im Lande zerstreuten Häuser und Dörfer, die Kirchhöfe, ganze Pyramiden von Salzsäcken entrollten vor dem Beschauer ein reizendes, wechselvolles Bild; als dann die Nacht herankam, warfen die vielen verschiedenen, am Top der Masten jeder Dschonke oder Yacht befestigten Laternen ein eigenthümliches Licht über die Umgebung, das ihr ein wirklich phantastisches Aussehen verlieh.

Tien-Tsing bedeutet »Himmlischer Ort«, und es verdankt die betreffende Stadt diesen Namen ihrem angenehmen Klima, dem reinen, ewig heiteren Himmel und der Fruchtbarkeit ihrer Umgebungen. Der Gesandte wurde hier von dem Vicekönig und einem Abgesandten des Kaisers empfangen. Sie meldeten Macartney, daß der Kaiser sich in seiner Sommerresidenz in der Tatarei aufhalte und dort am 13. September seinen Geburtstag begehen wolle. Der Gesandte mußte also bis Tong-Schu, zwölf Meilen hinter Peking, weiter fahren und sich dann zu Lande nach Zhe-Hol, dem Aufenthaltsorte des Kaisers, begeben. Die Geschenke folgten dem Gesandten nach.


Ein Darsteller mit der Zauberlaterne. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Wenn die erste Mittheilung Macartney auch zusagte, so war ihm die zweite dafür sehr unangenehm, denn die betreffenden Geschenke bestanden aus sehr seinen Instrumenten, die bei der Abreise auseinander genommen und in einzelnen Stücken eingepackt worden waren. Der Gesandte wollte nicht zugeben, daß diese Geschenke einstweilen an einem Orte niedergelegt würden, von wo sie vielleicht nicht wieder zum Vorschein gekommen wären. Es bedurfte des Eingreifens des Vicekönigs, um »diese Denkmäler des Geistes und der Kenntnisse Europas« zu retten. Die Flottille, welche Macartney und sein Gefolge trug, berührte Tien-Tsing. Diese Stadt erschien [455] fast ebenso ausgedehnt wie London und zählte nicht weniger als siebenhunderttausend Seelen. Am Ufer drängte sich eine große Menschenmenge, um die Gesandtschaft vorüberkommen zu sehen, und auf dem Strome tummelte sich die ganze Wasserbewohnerschaft der Dschonken auf die Gefahr hin, in den Fluß zu fallen. Die Häuser sind aus blauen Backsteinen gebaut – rothe trifft man nur selten – und einzelne haben zwei Stockwerke, entgegen der allgemeinen Gewohnheit. Die Gesandtschaft sah hier auch zum ersten Male jene Karren mit Segeln in [456] Thätigkeit, deren Vorhandensein lange Zeit geleugnet wurde. Es sind Doppelkarren aus Rohrgeflecht mit einem großen Rade in der Mitte.

»Fehlt es an dem nöthigen Wind, um den Karren fortzubewegen, heißt es in dem Berichte, so zieht ihn ein richtig daran gespannter Mann vorwärts, während ein zweiter ihn im Gleichgewicht hält und mit fortschiebt. Bei günstigem Winde wird diese Arbeit überflüssig. Das Segel besteht übrigens aus einer an zwei Stöcken befestigten Matte.«


Der Colao (Premier Minister.) [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Die Ufer des Pei-Ho sind an manchen Stellen mit Schutzmauern aus Granit eingefaßt, um den Ueber [457] schwemmungen vorzubeugen; in denselben sieht man da und dort auch mit Schleusenthoren geschlossene Durchlässe, mittelst derer man die auf der Rückseite der Steindämme gelegenen Felder bewässern kann.

Obwohl diese Gegend sehr sorgsam angebaut erschien, wird sie doch in Folge von Ueberschwemmungen zuweilen von grausamer Hungersnoth heimgesucht, welche auch nicht selten durch die Verheerungen von Heuschrecken erzeugt wird.

Bis jetzt segelte die Gesandtschaft inmitten der ungeheuren Alluvionsebenen von Pe-Tche-Li. Erst am fünften Tage nach der Abfahrt aus Tien-Tsing bemerkte man am fernen Horizont eine blaue Linie von Bergen. Man näherte sich nun Peking. Am 6. August 1793 warfen die Yachten zwei Meilen von dieser Hauptstadt und eine halbe Meile von Tong-Chu-Fu Anker.

Hier mußte man an's Land gehen, um in einem Palaste mit dem Namen »der Garten des ewigen Grün«, die Geschenke niederzulegen, welche nicht ohne Gefahr bis Zhe-Hol geschafft werden konnten. Das schon durch den Anblick der Engländer erweckte Erstaunen der Bewohner von Tong-Chu-Fu erreichte seinen Gipfel durch das Erscheinen eines schwarzen Dieners.

»Seine kohlschwarze Haut, das Wollhaar, der seiner Race eigenthümliche Gesichtsausdruck waren in diesem Theile Chinas etwas bisher ganz Unbekanntes. Man erinnerte sich nicht, jemals etwas Aehnliches gesehen zu haben. Einige Zuschauer sprachen ihre Zweifel aus, ob ein solches Wesen überhaupt zum Geschlechte der Menschen gehöre, und die Kinder schrieen jederzeit ›ein Fanker‹, das ist ein schwarzer Teufel. Die Gutmüthigkeit des Mannes versöhnte die Leute jedoch bald mit seiner fremdartigen Erscheinung, so daß sie ihn später ohne Furcht und Abscheu betrachteten.«

Am meisten fiel den Engländern an einer Mauer die Abbildung einer Mondfinsterniß auf, welche in den nächsten Tagen eintreten sollte. Sie bemerkten auch, daß das Gold für die Chinesen eine Handelswaare sei, denn sie haben keine geschlagenen Münzen und bedienen sich nur kleiner Zaine mit einem, das Gewicht derselben bezeichnenden Stempel. Die auffallende Aehnlichkeit zwischen den Ceremonien des Fo-Cultus und der christlichen Religion konnte den Engländern natürlich nicht entgehen. Macartney erinnert daran, daß einige Schriftsteller behaupten, der Apostel Thomas sei nach China gekommen, während der Missionär Premore die Ansicht ausspricht, das sei nur ein Possen, den der Teufel den Jesuiten gespielt habe.

[458] Man brauchte neunzig kleine Karren, vierundvierzig jener Segelkarren, über zweihundert Pferde und mehr als dreitausend Menschen, um die Geschenke der britischen Regierung fortzuschaffen.

Der Gesandte und drei andere Engländer folgten dem Zuge in einem Palankin; die anderen Gesandtschafts-Mitglieder, ebenso wie die Mandarinen, begleiteten die letzteren zu Pferde. Ueberall, wo dieser Aufzug vorüberkam, lief eine zahllose Menge zusammen. Bei der Ankunft an den Thoren von Peking wurde der Gesandte durch eine Geschützsalve empfangen; nach Ueberschreitung der Mauern befand er sich in einer breiten, nicht gepflasterten, aber an beiden Seiten mit ein oder zwei Stockwerke hohen Häusern besetzten Straße. In derselben erhob sich ein hübscher Triumphbogen aus Holz mit drei Durchgängen und hohen, reichlich verzierten Dächern.

Die Gesandtschaft lieferte, sagt man, den Erzählungen, welche darüber im Munde des Volkes waren, reichlichen Stoff. Man sprach z.B. aus, die Geschenke, welche dem Kaiser dargebracht wurden, umfaßten alle Seltenheiten fremder Länder, die in China noch nicht bekannt seien. Man versicherte ganz ernsthaft, unter den zu diesen Seltenheiten gehörenden Thieren befinde sich auch ein Elephant von der Größe eines Affen, aber der Wildheit eines Löwen, und ein Hahn, der sich von Kohle nähre. Alles, was von England stammte, mußte nun einmal mit den Dingen in Peking in Widerspruch stehen und den an dortigen bekannten ganz entgegengesetzte Eigenschaften besitzen.

Man gelangte so an die, durch ihre gelbe Farbe hinlänglich gekennzeichnete Wohnung des Kaisers. Jenseits des Thores sah man da künstliche Hügel, Seen, Flüsse mit kleinen Inseln und allerlei phantastische Gebäude zwischen den Bäumen verstreut.

Am Ende einer im Norden an den Mauern der Stadt endigenden Straße bemerkten die Engländer ein gewaltiges Gebäude von beträchtlicher Höhe, das eine Glocke von überraschender Größe enthielt. So durchstreiften sie die Stadt von einem Theile zum anderen. Der Gesammteindruck, den sie davon empfingen, war kein besonders günstiger, und sie gewannen die Ueberzeugung, daß ein Chinese, der etwa London mit seinen Brücken und Plätzen, seinen unzähligen Schiffen, Squares und öffentlichen Denkmälern zu Gesicht bekäme, einen besseren Eindruck von der Hauptstadt Britanniens mit hinwegnehmen müßte, als sie von Peking. Als man nach dem Palaste kam, wo die Geschenke des Königs von England aufgestellt werden sollten, verständigte sich Lord Macartney mit dem[459] Gouverneur über die Art und Weise der Anordnung und Classificirung der verschiedenen Gegenstände. Diese wurden übrigens in einem großen, reich geschmückten Saale untergebracht, in dem sich außer dem Thron nur einige Vasen von altem Porzellan befanden.

Wir gehen nicht näher auf die endlosen Verhandlungen ein, die das Verlangen der Chinesen, der Gesandte solle sich vor dem Kaiser zur Erde werfen, hervorriefen, welche beabsichtigte Demüthigung übrigens schon dadurch hinlänglich angedeutet wurde, daß sich über der Flagge der Yachten und über den Karren eine Inschrift mit den Worten befand: »Ein Gesandter, der den Tribut Englands bringt«.

In dem chinesischen Stadttheile von Peking liegt auch das Feldstück, das der Kaiser, einem althergebrachten Gebrauche gemäß, jedes Frühjahr besäet. Hier befindet sich der »Tempel der Erde«, wohin sich der Herrscher im Augenblicke des Sommersolstitiums begiebt, zur Anerkennung der Macht jenes Gestirnes, das die Welt erleuchtet, und zum Dankgebet für dessen wohlthätigen Einfluß.

Peking ist übrigens nur der Sitz der Regierung des Reiches und hat weder Fabriken, noch einen Hafen oder größere Handelsthätigkeit.

Die Bevölkerung wird von Macartney auf drei Millionen Seelen geschätzt. Die einstöckigen Häuser der Stadt scheinen aber für eine solche Volksmenge nicht zu genügen; doch darf man dabei nicht vergessen, daß hier oft ein einziges Haus das Obdach für Familien aus drei Generationen bildet. Diese Dichtigkeit der Bevölkerung erklärt sich auch durch die Sitte des frühzeitigen Heirathens. Solche vorzeitige Verbindungen betrachten die Chinesen als Maßnahme weiser Vorsicht, da die Kinder, und vorzüglich die Söhne, verpflichtet sind, für den Unterhalt der Eltern zu sorgen.

Am 2. September 1793 verließ die Gesandtschaft Peking wieder. Macartney legte den letzten Theil der Reise im Postwagen zurück, und wahrscheinlich rollte ein solches Gefährt damit zum ersten Male auf den Landstraßen der Tatarei dahin. Je mehr man sich von Peking entfernt, destomehr steigt der Weg bergan, der Boden wird sandiger und enthält weniger Thon und Dammerde. Bald sieht man dann ungeheuere Strecken bepflanzt mit Tabak; nach Macartney ist der Gebrauch dieser Pflanze nicht von Amerika hierher gekommen, und die Gewohnheit zu rauchen selbst auf asiatischem Boden entsprossen.

Mit der Verschlechterung des Erdbodens verminderte sich auch die Bevölkerung, was man bald gewahr wurde. Gleichzeitig vermehrte sich die Zahl der[460] Tataren und verwischten sich die Unterschiede in den Sitten der Chinesen und ihrer Besieger mehr und mehr.

Am fünften Reisetage bekamen die Engländer die schon fast sagenhaft gewordene große Mauer zu Gesicht.

»Alles, was mein Auge von dieser befestigten Mauer erblickt, schreibt Macartney, wie sie das Gebirge und dessen höchste Gipfel übersteigt, in die tiefsten Thäler hinabreicht, die Flüsse in schönen Bogen überspannt, wie sie sich zur Erschwerung des Uebersteigens da und dort verdoppelt, verdreifacht und von hundert zu hundert Schritten noch mit Thürmen oder wirklichen Bastionen besetzt ist, alles das, sage ich, macht den Eindruck eines über alle Maßen großartigen Unternehmens.

Erstaunen und Bewunderung erregt es vorzüglich, wenn man die unendlichen Schwierigkeiten bedenkt, welche die Herbeischaffung von Material verursachen mußte, um eine Mauer an Stellen aufzubauen, die an und für sich kaum zugänglich erscheinen. Einer der höchsten Berge z.B., welche die große Mauer überschreitet, hat nach meiner Messung eine Höhe von 5225 Fuß.

Dieses eigenthümliche Festungswerk, denn der einfache Name Mauer giebt keine rechte Vorstellung von dessen Construction, diese Befestigung hat, sage ich, eine Längenausdehnung von tausendfünfhundert Meilen; freilich ist sie nicht überall gleichmäßig stark. Diese tausendfünfhundert Meilen bezeichnen die Ausdehnung der Grenzen, welche die civilisirteren Chinesen von den umherschweifenden Tatarenstämmen trennen. Heutzutage hängt freilich das Los der Völker welche mit einander in Krieg gerathen, von derartigen Hindernissen nicht im Geringsten mehr ab.

Einige der kleineren Werke inmitten dieses ungeheuren Gürtels erliegen schon jetzt dem Zahne der Zeit und zerfallen in Ruinen; andere sind wieder ausgebessert worden, die Hauptmauer scheint aber fast überall mit solcher Sorgfalt und Geschicklichkeit hergestellt zu sein, daß sie sich, ohne weiter Hand daran zu legen, schon zweitausend Jahre erhalten konnte und ebensowenig einem baldigen Untergange entgegensieht wie die Felsenscheide, welche die Natur selbst zwischen China und der Tatarei errichtet hat.«

Jenseits der Mauer verrieth es selbst die Natur schon, daß man ein anderes Land betrat. Die Temperatur ist daselbst niedriger, die Wege werden unebener, die Berge entbehren des reichen Baumschmuckes. Die Anzahl der Kropfkranken wuchs in den Thälern der Tatarei und erreichte, nach Doctor [461] Gillan, dem Arzte der Gesandtschaft, wohl den sechsten Theil der Bevölkerung. Derjenige Theil der Tatarei, in dem diese Krankheit allgemein ist, bietet eine auffallende Aehnlichkeit mit einigen Cantons der Schweiz und Savoyens.

Endlich erreichte man das Thal von Zhe-Hol, wo der Kaiser einen Sommerpalast mit prächtigem Garten besitzt. Die Residenz heißt: »Heimat der angenehmen Frische« und der Park »der Garten der unzähligen Bäume«.

Die Gesandtschaft wurde mit militärischen Ehren empfangen inmitten einer gewaltigen Volksmenge, unter der man viel gelb gekleidete Leute erblickte. Es waren das niedere Lamas oder Mönche von der Secte Fo's, zu der auch der Kaiser selbst gehört.

Die schon in Peking beliebten Verhandlungen wegen des Niederwerfens des Gesandten vor dem Kaiser begannen hier auf's Neue. Endlich geruhte Tchien-Lung, sich mit der Ehrenbezeugung zu begnügen, welche die Engländer ihrem Herrscher gegenüber beobachten. Der Empfang geschah darauf mit allem Pompe, unter ganz unglaublichen Ceremonien und dem Beitritt unzähliger Höflinge und Beamter.

»Bald nach Anbruch des Tages, heißt es in dem Berichte, verkündete der Ton verschiedener Instrumente und ein verworrenes Getöse aus der Ferne die Annäherung des Kaisers. Bald darauf kam er zum Vorschein, und zwar von der Rückseite eines hohen, baumbekrönten Berges her, als trete er aus einem heiligen Haine, vor ihm aber eine Menge Menschen, welche mit lauter Stimme seine Tugenden und seine Macht priesen. Er selbst saß auf einem offenen, thronähnlichen Stuhle, den sechzehn Männer trugen. Seine Leibgarde, die Officiere des Hauses, Fahnenträger, Sonnenschirmträger und Musikanten bildeten sein unmittelbares Gefolge. Er war mit dunkelseidenem Rocke bekleidet und trug eine Sammetmütze, welche ihrer Form nach sehr an die der Bergschotten erinnerte. Auf seiner Stirn sah man eine große Perle, den einzigen Schmuck, den er an sich hatte.«

Beim Eintritt in das Empfangszelt begab sich der Kaiser über die nur für ihn bestimmten Stufen der Vorderseite nach dem Throne. Der Groß-Colao (etwa Premier-Minister) Ho-Choo-Taung und zwei der ersten Hausofficiere hielten sich in seiner Nähe und sprachen mit ihm nie anders, als auf den Knieen liegend. Nachdem die Prinzen des kaiserlichen Hauses, die der tributpflichtigen Länder und die hohen Staatsofficiere je nach dem Range Platz genommen hatten, führte der Groß-Ceremonienmeister Macartney bis links an [462] die Stufen des Thrones, eine Seite, welche nach heimischer Sitte als Ehrenplatz angesehen wird. Dem Gesandten folgte sein Page und sein Dolmetscher. Ein bevollmächtigter Minister begleitete ihn.

Macartney hielt nach Anordnung des Ceremonienmeisters mit beiden Händen das große, prachtvolle, viereckige und reich mit Diamanten verzierte Goldetui mit dem Schreiben des Königs von England über seinem Kopf empor. Dann bestieg er die wenigen Stufen bis zum Throne, neigte ein wenig das Knie und machte eine kurze Verbeugung, worauf er dasselbe seiner kaiserlichen Majestät darbot. Der Monarch nahm es gewandt aus seinen Händen, setzte es an seine Seite und sagte, »daß er eine lebhafte Befriedigung über den Beweis von Achtung und Wohlwollen empfinde, den ihm Seine britannische Majestät durch die Absendung einer Gesandtschaft mit einem eigenhändigen Schreiben und werthvollen Geschenken bezeuge; daß er seinerseits dieselben Gefühle für den Herrscher Britanniens hege und auf ein immerwährendes Einverständniß zwischen den Unterthanen beider Reiche hoffe«.

Nach einer kurzen persönlichen Unterhaltung mit dem Gesandten machte diesem der Kaiser, ebenso wie dem bevollmächtigten Minister einige Geschenke. Darauf wurden die Würdenträger nach Kissen geleitet, die vor großen, reichlich mit Fleisch und Früchten besetzten Tischen lagen. Der Kaiser aß selbst mit und überhäufte die Gesandten mit Zeichen seiner Achtung und Werthschätzung, welche das Ansehen der englischen Regierung in den Augen der Allgemeinheit wesentlich steigerten. Ja, Macartney und sein Gefolge wurde sogar eingeladen, die Gärten von Zhe-Ho zu besuchen. Während sie das thaten, begegneten sie dem Kaiser, der sofort stehen blieb, um ihren Gruß entgegen zu nehmen, und sie durch seinen, von aller Welt als Vice-Kaiser betrachteten ersten Minister und mehrere andere Personen führen zu lassen.

Die Chinesen unterzogen sich der Mühe, den Gesandten und sein Gefolge durch die weiten, außer dem eigentlichen Parke angelegten Lustgärten zu begleiten. Ein kleiner Theil war den weiblichen Personen der kaiserlichen Familie vorbehalten, und der Eintritt in dieselben den chinesischen Ministern ebenso wie der englischen Gesandtschaft auf's strengste untersagt.


Die große chinesische Mauer. (S. 461.)

Macartney lernte dabei ein in üppigem Grün prangendes Thal mit vielen Bäumen und vorzüglich auffallend großen Weiden kennen. Zwischen den Bäumen wucherte dichtes Gras, das weder von Vieh abgeweidet, noch von einem Mäher entfernt wurde. Am Ufer eines ansehnlichen Sees angelangt, bestiegen die[463] chinesischen Minister und die Engländer daselbst liegende Yachten und fuhren bis zu einer Brücke, die den See an seiner schmalsten Seite überspannte und auf deren anderen Seite derselbe sich in nebelgraue Fernen zu verlieren schien.

Einige Tage später, am 17. September, wohnten Macartney und sein Gefolge der Ceremonie bei, welche bei Gelegenheit des Geburtstages des Kaisers gefeiert wurde. Am nächsten und während der folgenden Tage gab es dann öffentliche, glänzende Feste, bei denen sich der Kaiser mit seinem ganzen Hofstaate betheiligte. Da producirten sich Seiltänzer, Equilibristen, Taschenspieler, [464] deren Geschicklichkeit lange Zeit nicht ihres Gleichen fand, und Kämpfer einer nach dem Anderen; dann traten Einwohner der verschiedenen Provinzen des Reiches in ihrem Nationalkostüme auf und brachten die mannigfachen Erzeugnisse ihrer Heimat dar. Hierauf ließen sich Musiker hören, bei deren Tönen flinke Tänzer die Menge ergötzten, und endlich machte ein Feuerwerk, obwohl man es am hellen Tage abbrannte, doch einen schönen Effect.

»Bekamen die Engländer hierbei auch neue Erfindungen zu sehen? heißt es in dem Berichte. Nur eine einzige. Es wurde nämlich ein großer Kasten in [465] beträchtlicher Höhe gebracht und als sich dessen Boden, wie zufällig, öffnete, entfielen demselben eine Menge Papierlaternen. Zuerst waren diese zusammengefaltet, bald aber nahmen sie ihre eigentliche Gestalt an und entfernten sich von einander.


Das Missionshaus von San-Carlos bei Monterey. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Jede zeigte zuletzt eine regelmäßige Form, und plötzlich sah man sie von Lichtern wunderbar gefärbt... Die Chinesen schienen die Kunst zu verstehen, das Feuer nach Belieben zu färben. An jeder Seite des größeren Kastens befanden sich noch kleinere ähnliche, welche sich in derselben Weise öffneten und einen Feuerregen in wechselnder Form, glühend wie geschmolzenes Kupfer und bei jedem Windhauch wie ein Blitz aufleuchtend, aussprühten. Das Ganze beschloß der Ausbruch eines künstlichen Vulcans.«

Sonst belustigte sich der Kaiser nach der Feier seines Jahrestages gewöhnlich mit der Jagd auf die wilden Thiere der Tatarei; da Tchien-Lung sein hohes Alter aber diesen anstrengenden Sport verbot, beschloß er nach Peking zurückzukehren, wohin die englische Gesandtschaft vorausgehen sollte.

Macartney sagte sich inzwischen, daß es nun Zeit sei, an die Beendigung seiner Mission zu denken. Einerseits herrschte damals noch nicht die Sitte des beständigen Aufenthaltes einer Gesandtschaft am chinesischen Hofe, andererseits veranlaßten ihn die dem Kaiser zufallenden großen Unkosten für den Unterhalt derselben, sein Verweilen möglichst abzukürzen. Er erhielt auch bald von Tchien-Lung eine Antwort auf den Brief des Königs von England, die Geschenke, welche man ihm zur Uebermittlung an denselben mitgab, ebenso wie die für ihn und alle Beamten seines Gefolges ausgewählten Gaben. Man rüstete sich also zum Aufbruch.

Auf dem Kaiser-Kanal gelangte Macartney nach Tong-chu-su zurück. Während der Reise sahen die Engländer den merkwürdigen Vogel »Leut-ze« für seinen Herrn Fische fangen. Dieser gehört zu der Gattung der Seeraben. Er läßt sich so gut abrichten, daß man ihn zuletzt nicht mehr mit einer Leine am Halse zu fesseln oder ihm einen Ring um den Hals zu legen braucht, um ihn am Verschlingen seines Fanges zu hindern.

»Auf jedem Boote oder Flosse befanden sich zehn bis zwölf solcher Vögel, die auf ein gegebenes Zeichen ihres Herrn zusammen untertauchen. Nicht ohne Erstaunen sieht man dann die gewaltigen Fische, welche diese Vögel fangen und in ihrem Schnabel geschleppt bringen.«

[466] Macartney erwähnt auch eine besondere Methode, wilde Enten oder Wasservögel überhaupt zu jagen. Man läßt dabei leere Wasserkrüge oder Kürbisflaschen mehrere Tage ruhig auf dem Wasser schwimmen, bis sich die Vögel an deren Anblick gewöhnt haben. Dann watet ein Mann in's Wasser, bedeckt den Kopf mit einem solchen Kruge, geht langsam vorwärts und erfaßt die Vögel, die er erlangen kann, an beiden Füßen, erstickt sie unter dem Wasser und setzt diese Jagd ohne jedes Geräusch so lange fort, bis er einen mitgenommenen Sack vollständig gefüllt hat.

Der Gesandte begab sich nach Canton, von da nach Macao und kehrte von hier aus nach England zurück. Wir haben indeß keine Ursache, ihn auf dieser Fahrt zu begleiten.

Wir beschäftigen uns nun mit einem anderen Theile Asiens, den man Inner-Asien nennen könnte. Der erste Reisende, der uns hier entgegentritt, ist Volney.

Es giebt unter den Gebildeten wohl nur Wenige, die sein Buch über die »Ruinen« nicht in der Hand gehabt hätten; doch steht sein Bericht über eine Reise in Aegypten und Syrien ungleich höher. In diesem findet sich nichts von pomphaften, leeren Phrasen, sondern ein klarer, bestimmter, knapper Styl; Alles in Allem eines der besten und lehrreichsten Werke, welche man nur lesen kann. Die Theilnehmer der Expedition nach Aegypten fanden darin die werthvollsten Fingerzeige neben einer verläßlichen Schilderung des Klimas, der Bodenerzeugnisse und der Sitten der Bewohner.

Volney hatte sich für seine Reise auch ganz besonders vorbereitet. Für ihn war das ein großes, gewagtes Unternehmen, bei dem er dem Zufalle so wenig als möglich Spielraum lassen wollte. Kaum in Syrien eingetroffen, überzeugte er sich, daß es ihm nie gelingen werde, das Leben des Volkes auch in seinen tieferen Schichten ordentlich kennen zu lernen, wenn er sich nicht dazu bequemte, durch Aneignung der Sprache selbst mit Jedermann verkehren zu können. Er zog sich also nach dem Kloster Mar-Hanna am Libanon zurück, um arabisch zu studiren.

Um die Lebensweise der in den Wüsteneien nomadisirenden Stämme kennen zu lernen, schloß er sich später einem Scheik an, gewöhnte sich eine Lanze zu führen, ein Pferd zu tummeln und setzte sich in den Stand, jene Stämme bei ihren Zügen durch die Wüste zu begleiten. Dem Schutze dieser Stämme verdankte er die Gelegenheit, die Ruinen der ausgestorbenen Städte Palmyra [467] und Baalbek zu besichtigen, von denen man jener Zeit kaum noch die Namen kannte.

Seine phrasenlose und deshalb freilich etwas gar zu nüchterne Ausdrucksweise, sagt Saint-Beuve, zeichnet sich durch klare Darstellung und markige Strenge aus. Wenn er uns aber die Eigenthümlichkeiten des Bodens von Aegypten und dessen Unterschied von dem der Wüste erklärt, diesen »schwarzen, fetten und doch leichten Moorboden«, den der Nil mit sich führt und absetzt; wenn er uns die Natur der heißen Wüstenwinde schildert, ihre brennende Hitze, von der man den Eindruck empfängt, »als befände man sich vor der offenen Thüre eines Backofens, wenn das Brot herausgezogen wird,« den beklemmenden Zustand der Atmosphäre, wenn sich der Wind erhebt, jener »Luft, welche nicht neblig, sondern grau, pulverartig und wirklich erfüllt ist mit seinem vertheilten Staube, der sich nirgends niederschlägt, aber Alles durchdringt;« die Sonne, »welche nur noch als eine bläuliche Scheibe leuchtet« – so erreicht Volney bei allen diesen Schilderungen, deren Objecte man eigentlich an Ort und Stelle selbst kennen lernen muß, wirklich eine gewisse Schönheit, übertrifft Andere weit nach Seiten der physikalischen und gewissermaßen medicinischen Belehrung, die er bietet und welche fast an Hyppokrates in dessen Abhandlung »von der Luft, der Erde und dem Wasser« erinnert.

Verdankt man Volney auch keine neue geographische Entdeckung, so muß man ihn doch als den ersten Reisenden ansehen, der stets das Bewußtsein von der Wichtigkeit seiner Unternehmung vor Augen hatte. Er suchte vor Allem den »wahren« Eindruck der von ihm besuchten Oertlichkeiten wiederzugeben, was als nicht geringes Verdienst anzuerkennen ist, vorzüglich zu einer Zeit, wo sich kein Forscher scheute, seinen Bericht auszuschmücken, ohne sich ein Gewissen daraus zu machen, welche Verantwortlichkeit er damit übernehme.

Durch seine Beziehungen zur besseren Gesellschaft und seine wissenschaftliche Stellung begann der Abbé Barthelemy, der im Jahre 1788 seine » Reise des jüngeren Anacharsis« veröffentlichte, Griechenland und dessen Nachbarländer wieder sozusagen in die Mode zu bringen. Offenbar erwuchs aus seinen Vorträgen auch z.B. de Choiseul's Liebe zur Geschichte und Alterthumskunde.

Zum Gesandten in Constantinopel ernannt, nahm er sich vor, die Muße, welche ihm seine Functionen ließen, zu einer Reise durch das griechische Land Homer's und Herodot's zu benützen. Dieser Versuch sollte ganz mächtig zur weiteren Ausbildung des jungen, kaum vierundzwanzig Jahre zählenden Gesandten [468] beitragen, der, wenn er sich auch selbst kannte, doch der Menschenkenntniß noch sehr entbehrte.

De Choiseul scheint auch selbst die ihm anhaftenden Mängel geahnt zu haben, denn er umgab sich mit anerkannten Gelehrten und Künstlern und zog z.B. den Abbé Barthelemy, den Hellenisten Ansse de Villoison, den Dichter Delille, den Bildhauer Fauvel und den Maler Cassas dazu heran. Die einzige Rolle, die er bei der Veröffentlichung seiner »Pittoresken Reise durch Griechenland« spielt, ist die des freigebigen Mäcens.

Als Privatsecretär hatte de Choiseul-Gouffier einen Professor, den Abbé Jean Baptiste Le Chevalier engagirt, der der Sprache Homer's vollständig kundig war. Dieser begab sich, nach einem Abstecher nach London, wo ihn persönliche Angelegenheiten de Choiseul's lange genug aufhielten, um sich auch die englische Sprache anzueignen, nach Italien, wurde hier aber von einer schweren Krankheit befallen, die ihn sieben Monate lang an Venedig fesselte, so daß er mit Choiseul-Gouffier erst in Constantinopel zusammentreffen konnte.

Le Chevalier's Studien wiesen ihn hauptsächlich auf die Gegend von Troja. Mit der Iliade sehr gründlich vertraut, suchte Le Chevalier und glaubte er auch alle in jenem Heldengedichte genannten Oertlichkeiten wiederzufinden. Diese geistvolle historisch-geographische Arbeit führte gleich nach ihrem Erscheinen zu zahlreichen Controversen. Die Einen, wie Bryant, erklärten des Verfassers Entdeckungen einfach für illusorisch, auf die Annahme hin, daß Troja und der zehnjährige Krieg nur eine Erfindung Desjenigen seien, der es so herrlich besang. Andere und vorzüglich die englischen Archäologen, stimmten den Anschauungen des Franzosen bei. Man hielt diese Frage schon lange für erstorben, bis ihr Schliemann's Ausgrabungen in unserer Zeit plötzlich wieder neues Leben einhauchten.

Guillaume Antoine Olivier, der gegen Ende des letzten Jahrhunderts einen großen Theil des Orients durchstreifte, konnte sich eines besonderen Schicksals rühmen. Von Berthier de Sauvigny zur Abfassung einer Statistik der Generalität von Paris berufen, sah er sich durch die ersten Stürme der Revolution sowohl seines Beschützers, als auch des Preises seiner Arbeit beraubt. Bestrebt, seine Kenntnisse der Naturgeschichte fern von Paris auszunützen, erhielt Olivier vom Minister Roland den Auftrag, die entferntesten und am wenigsten bekannten Gebiete des ottomanischen Reiches zu bereisen, wobei man ihm noch einen Naturforscher, Namens Bruguière, zur Begleitung gab.

[469] Von Paris gegen Ende 1792 abgegangen, warteten die beiden Freunde vier Monate lang in Marseille auf ein passendes Schiff und kamen erst Ende Mai des folgenden Jahres mit ihrem an de Semonville gerichteten Empfehlungsschreiben nach Constantinopel. Dieser Abgesandte war inzwischen jedoch abberufen worden. Sein Nachfolger, de Saint-Croix, hatte von ihrer Reise noch nichts gehört. Was sollten sie nun während der Zeit beginnen, wo de Saint-Croix erst noch einmal Instructionen von Paris einholte?

Müßig konnten die beiden Gelehrten nicht bleiben. Sie entschieden sich also dafür, die Küsten Kleinasiens, einige Inseln des Archipels und Aegypten zu besuchen. Da der französische Minister sehr triftige Gründe hatte, ihnen nur wenig Geld zur Verfügung zu stellen und ihre eigenen Mittel auch ziemlich beschränkt waren, so konnten sie jene merkwürdigen Länder nur ganz flüchtig in Augenschein nehmen.

Bei ihrer Rückkehr nach Constantinopel trafen Olivier und Bruguière wieder einen neuen Gesandten, Verminac an, der den Auftrag hatte, sie nach Persien zu senden, um womöglich bei der dortigen Regierung Sympathien für Frankreich zu erwecken und dieselbe zu einer Kriegserklärung gegen Rußland zu bestimmen.

Persien litt damals unter der trostlosesten Anarchie, bei der sich die Usurpatoren zum größten Nachtheile des Landes auf dem Fuße folgten. Zur Zeit hatte Mehemet-Khan den Thron inne. Er führte eben einen Krieg in Khorassan, als die beiden Reisenden in Teheran eintrafen. Man veranlaßte sie, den Schah in jenem Lande aufzusuchen, das noch kein Forscher betreten hatte. Der Gesundheitszustand Bruguière's hinderte sie leider an der Befolgung dieses Rathes und hielt sie volle vier Monate in einem unbekannten, im Gebirge verlorenen Dorfe zurück.

Im September 1796 kehrte Mehemet nach Teheran zurück. Seine erste Sorge war es da, hundert am Ufer des Kaspischen Meeres gefangene russische Matrosen abschlachten und deren zuckende Glieder an den Thoren seines Palastes annageln zu lassen. Wahrlich, ein eines solchen Henkers würdiges Unternehmen!

Im folgenden Jahre wurde Mehemet ermordet, und ihm folgte, wenn das auch nicht ohne neue Kämpfe abging, sein Neffe Fehtah-Ali-Schah. Bei diesem unaufhörlichen Wechsel der regierenden Personen wurde es Olivier natürlich schwer, den von der französischen Regierung erhaltenen Auftrag auszuführen Mit jedem neuen Fürsten mußte er auch neue Verhandlungen beginnen. Die [470] beiden Naturforscher und Diplomaten-Reisenden erkannten, daß bei dieser Unbeständigkeit der Dinge hier nichts auszurichten sei, da kein Schah im Stande war, die Gewalt zu behaupten; sie wandten sich also nach Europa zurück und überließen es besseren Tagen oder geschickteren Händen, eine Allianz zwischen Frankreich und Persien zustande zu bringen. Ihren Rückweg nahmen sie übrigens über Bagdad, Ispahan, Aleppo, Cypern und Constantinopel.

Welche Ergebnisse hatte aber dieser lange Aufenthalt. War deren diplomatischer Zweck auch vollständig verfehlt, bezeichnete sie auch keinerlei neue Entdeckung oder merkwürdige Beobachtung, so versichert Cuvier doch in seinem Nekrologe Olivier's, daß dieselbe bezüglich der durch sie erhaltenen naturhistorischen Aufklärungen doch nicht als werthlos zu betrachten sei. Man muß das wohl für richtig halten, denn drei Monate nach seiner Rückkehr wurde Olivier an Stelle Daubenton's zum Mitgliede des Instituts ernannt.

Was seinen in drei Quartbänden veröffentlichten Bericht angeht, sagt Cuvier in akademischem Style, so erfreut sich dieser allgemein einer ausgezeichneten Aufnahme.

»Man hat wohl ausgesprochen, fährt er dann fort, daß derselbe noch fesselnder ausgefallen sein würde, ohne die strenge daran ausgeübte Censur; doch es fanden sich zu viel Anspielungen darin vor, und es war nicht immer erlaubt, Alles zu sagen, was man wußte, nicht einmal über Thamas-Kali-Khan.

Olivier selbst legte auf diese Anspielungen auch nicht so viel Werth, um sich deshalb Verlegenheiten zu bereiten; er strich bereitwillig Alles, was man für anstößig hielt, und beschränkte sich ohne Widerspruch auf den einfachen ungeschmückten Bericht seiner Beobachtungen und Erlebnisse.«

Von Persien nach Rußland ist der Uebergang nicht gar zu schroff und war es zu Ende des 18. Jahrhunderts noch weniger als heute. Eigentlich nimmt Rußland ja erst seit Peter dem Großen eine Stelle im europäischen Concert ein. Bis dahin gehörte das Land seiner Geschichte, seinen Handelsbeziehungen und den Sitten seiner Bewohner nach vielmehr nach Asien. Erst unter Peter dem Großen und Katharina II. öffneten sich neue Wege für dasselbe, gewann sein Handel an Ausdehnung, seine Marine an Bedeutung und vereinigten sich die vereinzelten russischen Stämme zu dem Begriffe einer Nation. Schon damals erreichte das dem Czar unterworfene Gebiet eine gewaltige Ausdehnung. Noch immer erweiterten es dessen Herrscher durch wiederholte Eroberungszüge. Sie thaten auch noch mehr. Peter der Große entwarf Karten, schickte nach allen [471] Richtungen Expeditionen aus, um sich über das Klima, die Erzeugnisse und die Volksclassen seiner Provinzen genau zu unterrichten; endlich entsendete er Behring, zur Aufsuchung der Meerenge, welche den Namen dieses Seemannes erhielt.


Der merkwürdige Vogel »Leut-ze«. (S. 466.)

Katharina II. trat in die Fußstapfen des großen Kaisers, des eigentlichen Schöpfers des Reiches. Sie zog Gelehrte nach Rußland und sachte Beziehungen zu allen hervorragenden Geistern der Welt. Sie wußte zu Gunsten ihres Volkes eine mächtige Agitation anzuregen. Da erwachte in Europa die Neugier und [472] das Interesse und lenkte die Augen des Abendlandes auf Rußland. Man fühlte es, daß hier eine große Nation am Vorabend ihrer Geburt stehe und verheimlichte sich keineswegs, aber mit einiger Unruhe, die Bedeutung und die Folgen ihres vielleicht nicht abzuwendenden Eingreifens in die Angelegenheiten Europas. Schon arbeitete sich Preußen empor, und sein von Friedrich II. in die Wagschaale geworfener Degen veränderte alle früheren Grundlagen des europäischen Gleichgewichts. Rußland besaß aber noch ganz andere Hilfsquellen [473] an Menschen, Geld und theils unbekannten, theils unausgebeuteten Schätzen aller Art.

Alles, was über jene Gebiete in die Oeffentlichkeit drang, wurde dann auch mit gleichem Interesse gelesen von den Staatsmännern und allen Denen, die ein Herz für ihr Vaterland haben, wie von Denen, welche nur nach Kenntniß der von den unserigen so verschiedenen, und selbst unter einander abweichenden Sitten fremder Völker streben.

Kein bis dahin erschienenes Werk übertraf nun das des Naturforschers Pallas, dessen »Reise durch mehrere Provinzen des russischen Reiches« von 1778 bis 1793 in's Französische übersetzt wurde. Keines hatte einen solchen Erfolg, und, wir müssen das noch heute zugestehen, keines hatte ihn auch so verdient wie dieses.


Porträt von La Condamine. [Facsimile Alter Kupferstich.] (S. 477.)

Peter Simon Pallas ist ein deutscher Naturforscher, den Katharina 1768 nach Petersburg berufen und sofort ihrer Akademie zugetheilt hatte, während sie ihn überhaupt mit Wohlthaten aller Art überhäufte. Aus Erkenntlichkeit bearbeitete er sehr bald seine »Denkschrift über die fossilen Knochenablagerungen in Sibirien«. England und Frankreich rüsteten eben Expeditionen zur Beobachtung des bevorstehenden Venus-Durchganges aus. Rußland wollte nicht zurückbleiben und sendete eine ganze Gesellschaft Gelehrter, darunter auch Pallas, nach Sibirien.

Sieben Astronomen und Geometer, fünf Naturforscher und mehrere Studenten sollten das ungeheuere Gebiet durchreisen. Sechs volle Jahre mühte sich Pallas ab, durchforschte Orenburg am Jaïk, den Sammelplatz der Nomadenhorden, welche das salzige Ufer des Kaspischen Meeres umschweifen; Gouriel, an demselben Meere oder vielmehr an diesem großen See, der täglich weiter austrocknet; die Berge des Ural und die zahlreichen Eisengruben, welche er enthält; Tobolsk, die Hauptstadt von Sibirien; das Gouvernement Koliwan, am nördlichen Abhange des Altaï; Krasnojarsk, am Jeniseï; den großen Baikal-See und Daurien, das bis zu den Grenzen von China reicht. Dann setzt er seine Studien fort in Astrachan, am Kaukasus, mit seinen so verschiedenen interessanten Volksstämmen, ferner am Don und kehrt am 30. Juli 1774 nach Petersburg zurück.

Man darf Pallas nicht für einen gewöhnlichen Reisenden halten. Er reist nicht allein als Naturforscher. Stets ist er ein ganzer Mensch und nichts ist ihm fremd, was die Menschheit angeht. Erdkunde, Geschichte, Botanik, Handel, [474] Religion, schöne Künste, Wissenschaften, Alles hat für ihn Interesse; das zeigt sich so auffallend, daß man seinen Reisebericht nicht lesen kann, ohne die Vielseitigkeit seiner Kenntnisse zu bewundern, ohne seinen erleuchteten Patriotismus alle Achtung zu zollen und ohne den Scharfblick einer Herrscherin anzuerkennen, die einen Mann von solchem Werthe an ihre Seite zu fesseln wußte.

Nachdem sein Bericht geordnet, geschrieben und veröffentlicht war, dachte Pallas keineswegs daran, auf seinen Lorbeeren auszuruhen oder sich von dem Weihrauch seines sich ausbreitenden Ruhmes einschläfern zu lassen. Ihm galt die Arbeit als Erholung und er betheiligte sich sofort wieder bei den nothwendigen Vorbereitungen zum Entwurfe einer Karte von Rußland.

Bald drängt ihn sein allezeit lebhafter Geist, sich eingehender dem Studium der Botanik zu widmen, und auch in diesem Fache sichern ihm seine Arbeiten einen ehrenvollen Platz unter den Naturforschern des russischen Reiches.

Eines seiner letzten Werke enthält die Beschreibung des südlichen Rußlands unter dem Titel »Physikalisches und topographisches Bild von Tauris«, ein Band, den Pallas in französischer Schrift herausgab und selbst in's Deutsche und Russische übersetzte. Bezaubert von dem Lande, das er 1793 und 1794 besuchte, äußerte er den Wunsch, sich dort niederzulassen. Die Kaiserin schenkte ihm sofort einige der Krone gehörende Ländereien, und der gelehrte Reisende siedelte nebst Familie nach Simphcropel über.

Pallas benützte diesen Umstand zu einer wiederholten Reise in die südlichen Provinzen des Reiches, nach den Steppen der Wolga und den Gebieten zwischen dem Kaspischen Meere und dem Kaukasus; endlich durchstreifte er die Krim nach allen Richtungen hin. Vor zwanzig Jahren schon hatte er einen Theil dieser Länder gesehen und konnte jetzt tief einschneidende Veränderungen constatiren. Wenn er sich über die sinnlose Ausbeutung der Wälder beklagt, so muß Pallas doch anerkennen, daß sich an manchen Stellen der Ackerbau entwickelt hat, daß verschiedene Mittelpunkte einer industriellen Thätigkeit entstanden sind und das Land mit einem Worte in die Bahnen des Forschrittes eingelenkt ist. Die Eroberung der Krim gehört erst der jüngsten Zeit an, doch machen sich auch dort eingreifende Veränderungen bemerkbar. Was versprechen diese Gebiete nicht für die nächste Zukunft!

Der für die letztere Provinz so eingenommene gute Pallas mußte an seinem neuen Aufenthaltsorte leider allerhand Quälereien der Tataren ausstehen. Seine Frau verstarb in der Krim, und als er endlich den Geschmack an Land [475] und Leuten hier verloren hatte, kehrte er nach Berlin zurück, wo er am 8. September 1811 seine Tage beschloß.

Seine Verlassenschaft bildeten zwei Werke von hervorragender Bedeutung, aus denen der Geograph, der Staatsmann, der Naturforscher und der Kaufmann gleich verläßliche und bestimmte Nachrichten über jene, bis dahin so wenig bekannten Länder schöpfen können, deren eigene Schätze und Bedürfnisse die Verhältnisse des europäischen Marktes sichtbar verändern sollten.

4. Capitel
Viertes Capitel.
Die beiden Amerika.

Die Westküste Amerikas. – Juan de Fuca und de Fonte. – Die drei Reisen Behring's und Vancouver's. – Untersuchung der Fuca-Straße. – Besichtigung des Archipels Neu-Georgiens und eines Theiles der amerikanischen Küste. – Erforschung des Innern von Amerika. – Samuel Hearne. – Entdeckung des Kupferflusses. – Mackenzie und der Strom, der seinen Namen führt. – Der Fraser Fluß. – Mittelamerika. – Erforschung des Amazonen-Stromes durch La Condamine. – Reise A. v. Humboldt's und Bonpland's. – Teneriffa. – Die Höhle von Guacharo. – Die »Flanos«. – Die Gymnoten(Finn-Aale). – Der Amazonen-Strom, der Rio-Negro und der Orinoco. – Die Erdesser. – Ergebnisse der Reise. – Zweite Reise Humboldt's. – Die Bolcanitos. – Der Wasserfall von Tequendama. – Die Brücken des Incononzo. – Der Uebergang über den Quindiu auf den Rücken von Trägern. – Quito und der Pichincha. – Ersteigung des Chimborazo. – Die Anden. – Lima. – Der Merkur-Durchgang. – Erforschung von Mexiko. – Mexiko. – puebla und der Cofre Perote's. – Rückkehr nach Europa.


Wiederholt hatten wir Gelegenheit, gewisser Expeditionen Erwähnung zu thun, welche als Ziel die Erforschung der Gestade Amerikas verfolgten. Wir erzählten die Unternehmungen von Ferdinand Cortez, die Reisen und Untersuchungen Drake's, Cook's, Lapérouse's und Marchand's. Es empfiehlt sich wohl, hier einige Zeit zurückzugreifen und mit Fleurieu die Reisen kurz zu betrachten, welche bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nach den Westküsten Amerikas ausgeführt wurden.

Im Jahre 1537 hatte Cortez mit Francisco de Ulloa die große Halbinsel von Kalifornien entdeckt und den größten Theil dieses langen und schmalen Meerbusens untersucht, der heute auch den Namen das Purpurmeer führt.

Nach ihm gingen Vasquez Coronado zu Lande und Francisco Alarcon zu Wasser darauf aus, die vermuthete Meerenge aufzusuchen, welche man sich [476] als Verbindungsglied des Atlantischen und Pacifischen Oceans dachte; sie gelangten aber nicht über den 36. Grad der Breite hinaus.

Zwei Jahre später, 1542, erreichte der Portugiese Rodriguez de Cabrillo den vierundzwanzigsten Parallelkreis. Dort angelangt, zwangen ihn aber Kälte, Krankheiten, Mangel an Proviant und der schlechte Zustand seines Schiffes zur Umkehr. Er hatte jenen Durchgang zwar nicht entdeckt, doch aber festgestellt, daß die Küste von dem Nativitäts-Hafen unter 19°40' bis zu dem von ihm erreichten Punkte eine ununterbrochene Linie bilde. Die Meerenge schien vor den Naturforschern immer weiter zurückzuweichen.

Man muß wohl annehmen, daß diese geringen Erfolge ihrer Bemühungen die Spanier entmuthigten, denn von jener Zeit ab verschwanden sie aus der Liste der Entdeckungsreisenden. Ein Engländer, Drake, war es, der, nachdem er längs der Westküste von der Magelhaens-Straße aus hingefahren und die spanischen Besitzungen verheert hatte, bis zum achtundvierzigsten Grade vordrang, dann eine Strecke von zehn Graden rückwärts segelte und dieser ganzen, ungeheuren Küstenstrecke den Namen Neu-Albion gab.

Es folgte nun 1592 die großentheils fabelhafte Reise Juan de Fuca's, welcher die schon lange gesuchte »Anian-Straße« gefunden zu haben behauptete, während er in Wahrheit nur den schmalen Sund entdeckt hatte, der die Insel Vancouver vom Festland trennt.

Im Jahre 1602 legte Vizcaino den Grund zu dem Hafen von Monterey in Kalifornien, und vierzig Jahre später fand die vielbestrittene Expedition des Admiral de Fuente oder de Fonte – je nachdem man diesen als Spanier oder als Portugiesen betrachtet – statt, die zu so vielen gelehrten Abhandlungen und geistreichen Auslegungen Veranlassung geben sollte. Dem Genannten verdankt man die Entdeckung des Saint-Lazarus-Archipels über der Insel Vancouver; in das Gebiet des Romans gehört aber alles Uebrige, was er über große Seen, von ihm besuchte weitläufige Städte und über die Verbindung der beiden Oceane berichtet.

Im 18. Jahrhundert vertraute man schon nicht mehr blind den Aussagen der Reisenden. Man prüfte und controlirte sie und wies Alles zurück, was mit schon bekannten Thatsachen in offenbarem Widerspruche stand. Buache, Delisle und vor allem Fleurieu sind als die Bahnbrecher einer fruchtbaren historischen Kritik anzusehen und verdienen dafür den Dank der Nachwelt.

[477] Die Russen hatten, wie wir sahen, den Kreis ihrer Kenntnisse schon sehr weit ausgedehnt, und allem Anscheine nach konnte der Tag nicht mehr fern sein, wo ihre Kundschafter und Kosaken Amerika erreichten, wenn überhaupt, wie man jener Zeit annahm, im Norden eine Verbindung zwischen beiden Continenten vorhanden war. Auf keinen Fall wäre das jedoch einer ernsten Expedition gleichzuachten gewesen, und wer von ihnen hätte auch wissenschaftliche Kunde bringen sollen, welche von Seiten der gebildeteren Nationen Glauben verdiente?

Der Czar Peter I. hatte wenige Tage vor seinem Tode mit eigener Hand den Plan und die Instructionen zu einer, von ihm längst beabsichtigten Reise entworfen; er wollte darüber Gewißheit erlangen, ob Asien und Amerika verbunden oder durch eine Meerenge getrennt seien. In den Arsenalen und dem Hafen von Kamtschatka waren die hierzu nothwendigen Vorbedingungen nicht zu erfüllen. Man mußte also Kapitäne, Matrosen, Ausrüstungs-Gegenstände und Lebensmittel von Europa herbeischaffen.

Der Däne Vitus Behring und der Russe Alexis Tschirikow, Beide ihrer Kenntnisse und Gewandtheit wegen schon hinlänglich bekannt, wurden mit der Leitung dieser Expedition betraut. Die letztere bestand übrigens aus zwei in Kamtschatka gebauten Schiffen. Erst am 20. Juli 1720 waren sie bereit, in See zu gehen. Längs der Küste Asiens, das er nun aus den Augen verlor, nach Nordosten steuernd, kam Behring am 15. August unter 67°18' nördlicher Breite in Sicht eines Caps, jenseits dessen die Küste wieder nach Westen zu verlief.

Bei dieser ersten Reise sah Behring nicht einmal das Ufer Amerikas, sondern durchschiffte auch unbewußt die Meerenge, welcher die spätere Zeit seinen Namen beilegte. Die fabelhafte Anian-Straße wurde nun durch die Behrings-Straße ersetzt.

Eine zweite, im folgenden Jahre von denselben Männern unternommene Reise verlief resultatlos.

Erst am 4. Juni 1741 konnten Behring und Tschirikow auf's Neue auslaufen. Als sie nun bis zum fünfzigsten Breitengrade gekommen waren, nahmen sie sich vor, bis zur Auffindung der Küste Amerikas nach Osten weiter zu segeln. Am 20. October aber durch heftigen Wind getrennt, konnten die beiden Schiffe einander für den Rest der Fahrt nicht wiederfinden. Am 18. Juli entdeckte Behring unter 58°28' der Breite das Festland Amerikas. Die nächsten Tage widmete er der Erforschung einer weiten, zwischen den beiden Caps Sanct Elias und Sanct Hermogenes gelegenen Bai.

[478] Während des ganzen Monats August kreuzte Behring inmitten der, die Halbinsel Alaska umgebenden Inseln oder des Schumagin-Archipels, kämpfte am 24. October hart gegen schwere Winde, gelangte bis zu dem letzten Ausläufer der Halbinsel und entdeckte einen Theil der Aleuten.

Schon längere Zeit erkrankt, vermochte dieser Seemann nicht mehr, sich über den Lauf seines Schiffes im Klaren zu erhalten und strandete dabei an einer kleinen Insel, welche davon seinen Namen erhielt. Am 8. September 1741 erreichte den beherzten Mann und glücklichen Forscher hier ein elender Tod.

Der noch übrigen, durch die Strapazen und Entbehrungen bei einem Winteraufenthalt an dieser verlassenen Stelle sehr verminderten Mannschaft gelang es, aus dem Wrack des Schiffes wenigstens eine größere Schaluppe zu zimmern, mit der sie nach Kamtschatka zurückkehrte.

Tschirikow, der seinen Befehlshaber bis zum 25. Juni vergeblich wieder erwartet hatte, erreichte die Küste Amerikas zwischen dem fünfundfünfzigsten und sechsundfünfzigsten Breitengrade. Hier verlor er zwei Boote nebst der dazu gehörigen Mannschaft, ohne ermitteln zu können, was aus denselben geworden sei. Da es ihm nun an Allem fehlte, um sich mit dem Lande in Verbindung zu erhalten, war er nach Kamtschatka heimgesegelt.

Nun war der Weg eröffnet, Abenteurer, Kaufleute und Seeofficiere drangen kühn in jene Gegenden vor. Ihre weiteren Entdeckungen beschränkten sich in der Hauptsache auf die Aleuten und die Halbinsel Alaska.

Inzwischen erweckten die von den Engländern nach den Küsten Amerikas entsendeten Expeditionen und die Fortschritte der Russen doch die Eifersucht und Unruhe der Spanier. Letztere fürchteten, ihre Rivalen sich niederlassen zu sehen in Ländern, die dem Namen nach ihnen gehörten, in denen sie jedoch nicht eine einzige Ansiedelung besaßen.

Der Vicekönig von Mexiko, der Marquis de Croix, erinnerte sich da der Entdeckung eines vortrefflichen Hafens durch Vizcaino, und beschloß daselbst ein Presidio einzurichten. Zwei gleichzeitige Expeditionen, die eine zu Lande, unter dem Commando Don Gaspar de Portola's, die andere zu Wasser, bestehend aus den beiden Paquetbooten, der »San Carlos« und der »San Antonio« verließen La Paz am 17. Januar 1769, erreichten glücklich den Hafen San Diego und fanden nach einjährigem Suchen den von Vizcaino zuerst gemeldeten Hafen von Monterey wieder. Nach dieser Expedition befleißigten sich die Spanier auch, die Küsten Kaliforniens weiter zu erforschen. Die bekanntesten, zu diesem Zwecke [479] unternommenen Reisen sind die Don Juan de Ayala's und La Bodega's, im Jahre 1775, bei denen das Cap del Engano und die Bai von Guadalupa aufgefunden wurden, und ferner die Fahrten Arteaga's und Maurelle's.

Da wir die Entdeckungen Cook's, Lapérouse's und Marchand's schon früher geschildert, gehen wir nun hier sofort etwas näher auf die Expedition Vancouver's ein. Dieser Officier, ein Begleiter Cook's bei dessen zweiter und dritter Reise, erschien von vornherein als der geeignetste Mann zur Führung einer, von der englischen Regierung nach den Küsten von Amerika in der Absicht gesendeten Expedition, den mit Spanien wegen der Bai von Nootka entstandenen Meinungsverschiedenheiten ein Ende zu machen.

Georges Vancouver erhielt den Auftrag, von den spanischen Behörden eine förmliche Abtretung jenes, für den Handel mit Pelzwaaren besonders wichtigen Hafens zu erwirken. Dann sollte er die ganze Nordwestküste vom 80. Längengrade an bis zum Cookflusse unter dem 61. Grade aufnehmen. Endlich empfahl man seiner Aufmerksamkeit vorzüglich noch die Fuca-Straße und die von der »Washington« im Jahre 1789 untersuchte Bai.

Am 1. April 1791 lichteten die beiden Fahrzeuge, die »Decouverte« von dreihundertvierzig und die »Chatam« von hundertfünfunddreißig Tonnen, die letztere unter dem Befehl des Kapitäns Broughton, in Falmouth die Anker.

Nach zweimaligem Aufenthalte, einmal in Teneriffa und der Simeons-Bai, und einmal am Cap der Guten Hoffnung, wendete sich Vancouver nach Süden, lief die Insel Saint-Paul an und segelte nach Neu-Holland zu, zwischen den von Dampier und Marion gefahrenen Wegen, durch Meerestheile, welche noch Niemand besucht hatte. Am 27. September bekam er einen Theil der Küste Neu-Hollands in Sicht, ein aus hohen, steilen Uferwänden bestehendes Vorland, das den Namen »Cap Chatam« erhielt. Da nicht wenige seiner Matrosen an Dysenterie litten, beschloß Vancouver, in dem ersten sich zeigenden Hafen vor Anker zu gehen und sich daselbst Wasser, Holz, vorzüglich aber einige sehr nothwendig gebrauchte Nahrungsmittel zu verschaffen. Er lief also in den Hafen König Georg's III. ein. Hier fand er Enten, Schwäne, viele Fische und Austern; er konnte aber mit keinem Eingebornen in Verbindung treten, obwohl ein Dorf mit zwanzig, erst unlängst verlassenen Hütten in der Nähe lag.

Auf seinem Zuge längs der Südwestküste Neu-Hol lands brauchen wir Vancouver nicht zu folgen, da derselbe nichts für uns Neues bietet. Am 26. October wurde Cap Van-Diemen umschifft und am 3. November erreichte man die Gestade [480] Neuseelands, wo die beiden englischen Schiffe in der Dusky-Bai vor Anker gingen. Vancouver vervollständigte hier die Aufnahmen und Erhebungen, die Cook noch unvollendet gelassen hatte. Da trennte ein Orkan die »Decouverte« von der »Chatam«, welche erst in der Bai von Matavaï auf Tahiti wiedergefunden wurde. Bei der Fahrt hierher entdeckte Vancouver einige Felsen-Eilande, die er »die Schlingen« (the Snares) nannte, und eine beträchtliche Insel mit Namen Oparra. Seinerseits hatte Kapitän Broughton östlich von Neuseeland die Insel Chatam aufgefunden. Die den Aufenthalt auf Tahiti bezeichnenden [481] Zwischenfälle erinnern so sehr an die während des Verweilens Cook's, daß wir sie hier füglich übergehen können.

Am 24. Januar 1798 segelten die beiden Schiffe nach den Sandwichs-Inseln ab und rasteten nur kurze Zeit in Owhyhee, Waohoo und Attoway. Seit der Ermordung Cook's waren in diesem Archipel viele Veränderungen eingetreten. Allmählich begannen englische und amerikanische Schiffe sie zum Zweck des Walfischfanges oder des Pelzhandels öfter zu besuchen. Die Kapitäne derselben hatten den Eingebornen Geschmack am Branntwein beigebracht und das Verlangen nach Feuerwaffen erweckt. Streitigkeiten zwischen den kleineren Häuptlingen kamen häufiger vor, überall herrschte eine trostlose Anarchie, und die Zahl der Einwohner nahm zusehends weiter und weiter ab.


Kein Zweifel, das ist das Meer. (S. 486.)

Am 17. März 1792 verließ Vancouver die Sandwichs-Inseln und steuerte nach Amerika, wo er in kurzer Zeit den von Drake Neu-Albion genannten Theil erreichte. Dort traf er gleich anfangs den Kapitän Gray, dem man andichtete, mit der »Washington« die Fuca-Straße passirt und jenseits derselben ein weites Meer gesehen zu haben. Gray beeilte sich, die ihm so grundlos zugeschriebenen Entdeckungen von sich abzuweisen. Er war nur fünfzig Meilen weit in die von Westen nach Osten verlaufende Meerenge eingedrungen bis zu einer Stelle, wo die Eingebornen ihm versicherten, daß die Meerenge von da aus sich nach Norden hin wende. Vancouver segelte nun selbst in die Fuca-Straße ein und entdeckte darin den Hafen der »Decouverte«, den Einlauf der Admiralität, die Birch-Bai, den Desolations-Sund, die Johnston-Enge und den Broughton-Archipel. Vor Erreichung des äußersten Endes dieses langen Meeresarmes begegnete er zwei kleinen, von Quadra befehligten spanischen Schiffen. Die beiden Kapitäne theilten einander ihre Ergebnisse mit und gaben der Halbinsel jenes reichgegliederten Archipels, der als der von Neu-Georgien bezeichnet wurde, ihre beiden Namen.

Vancouver besuchte nachher Nootka, den Columbia-Strom und ging zuletzt bei San-Francisco vor Anker. Der Leser sieht wohl ein, daß wir ihm nicht in alle Einzelheiten dieser peinlich-gewissenhaften Erforschung, welche drei volle Monate in Anspruch nahm, nachfolgen können. Die ungeheuere Küstenstrecke zwischen Cap Mendocino und dem Hafen Conclusion unter 56°14' nördlicher Breite und 225°37' östlicher Länge wurde dabei von den Engländern besichtigt.

»Jetzt, da wir das Hauptziel der von dem Könige angeordneten Reise erreicht, äußert sich der Reisende, schmeichle ich mir, daß unsere sehr genaue [482] Aufnahme der Nordwestküste Amerikas alle Zweifel lösen und alle falschen Anschauungen berichtigen werde, die man bis jetzt allgemein über eine nordwestliche Durchfahrt hegte, und daß Niemand mehr an eine Verbindung des nördlichen Pacifischen Oceans mit dem Innern des Festlandes von Amerika, soweit wir es in Augenschein genommen haben, glauben wird.«

Um von Nootka aus vor der Rückkehr nach Europa die Küsten des mittleren und südlichen Amerikas kennen zu lernen, verweilte Vancouver ein wenig bei der kleinen Cocos-Insel, die, wie wir schon zu erwähnen Gelegenheit hatten, ihren Namen kaum verdient, ankerte einmal in Valparaiso, umschiffte das Cap Horn, faßte in St. Helena Wasser und lief am 12. September 1795 wieder in die Themse ein.

Die Anstrengungen der so langen Fahrt hatten jedoch die Gesundheit dieses geschickten Forschers so sehr erschüttert, daß er schon im Mai 1798 starb, noch ehe er den, später von seinem Bruder zu Ende geführten Bericht über seine Reise vollenden konnte.

Im Laufe der vier Jahre, welche die schwierige Arbeit der Aufnahme einer meist unbekannten Küstenstrecke von neuntausend Meilen beanspruchte, hatten die »Decouverte« und die »Chatam« nur zwei Mann verloren. Man erkennt daraus, daß der gelehrige Schüler Cook's die Lehren seines Meisters wohl zu benutzen verstand, und wirklich weiß man nicht recht, was man an Vancouver mehr bewundern soll, ob die Sorgfalt, die er seinen Matrosen widmete, und die Menschlichkeit, mit der er die Wilden behandelte, oder die ausgezeichnete Geschicklichkeit, von der er während des ganzen Verlaufes dieser oft sehr gefährlichen Fahrt so unzweifelhafte Proben ablegte.

Wenn nun auf der Westküste Nordamerikas die Forschungsreisenden schneller einander folgten, so blieben die Ansiedler auch nicht müßig. Während diese sich zuerst längs der Gestade des Atlantischen Oceans niederließen und bis Canada eine lange Reihe von Staaten gründeten, drangen sie doch bald bis tief in das Innere des Landes ein. Ihre Trapper, ihre Waldläufer vermittelten das Bekanntwerden ungeheuerer Gebiete kulturfähigen Bodens, den die englischen Squatters nach und nach besetzten. Freilich vermochten sie nur unter fast täglichen Kämpfen mit den Indianern, den ursprünglichen Eigenthümern des Bodens, Schritt für Schritt in das Innere des Landes vorzudringen. Doch strömten, verlockt durch die außer ordentliche Fruchtbarkeit des jungfräulichen Bodens und die liberalen Einrichtungen der Staaten, immer neue Kolonisten hinzu.

[483] Ihre Zahl wuchs dermaßen, daß die Erben des Lord Baltimore gegen Ende des 17. Jahrhunderts den Ertrag aus dem Verkaufe ihrer Ländereien zu dreitausend Pfund schätzten, während die Nachfolger William Penn's in der Mitte des nächsten Jahrhunderts, also gegen 1750, auf demselben Wege eine über zehnmal größere Einnahme erzielt hatten. Noch immer hielt man die Einwanderung jedoch für nicht zahlreich genug; deshalb begann man Verbrecher dahin abzuführen – Maryland zählte deren im Jahre 1750 schon 1981 – vorzüglich aber sachte man Auswanderer dahin zu locken, die einen Vertrag unterschreiben mußten, was bald zu scheußlichem Mißbrauch Veranlassung gab.

Obgleich die von den Indianern angekauften oder ihnen entrissenen Ländereien noch lange nicht besetzt waren, drangen die englischen Kolonisten doch immer weiter, selbst auf die Gefahr hin vor, mit den rechtmäßigen Eigenthümern des Bodens in Conflict zu gerathen.

Im Norden sucht die Hudsons-Bai-Gesellschaft, die das Monopol des Handels mit Pelzwaaren besaß, immer neue Jagdgründe auf, da die von ihr ausgebeuteten sich allmählich erschöpften. Sie schiebt ihre Trapper immer weiter vor und erhält von den Indianern, die sie ausgenutzt und ein wenig trunken macht, werthvolle Nachrichten. Sie erfährt von dem Vorhandensein eines Flusses, der sich im Norden in der Nähe ausgiebiger Kupferminen in's Meer ergießt, von denen die Indianer nach dem Fort Prince de Gallas reiche Proben gebracht hatten. Der Entschluß der Gesellschaft ist schnell gefaßt, und 1796 beauftragt sie Samuel Hearne mit der Leitung einer Forscher-Expedition dahin.

Zu einer Reise in solch' eisigen Gefilden, wo Proviant nur schwer zu erlangen ist und meist eine strenge Kälte herrscht, braucht man vor Allem abgehärtete Männer, nur eine kleine Zahl, aber solche, welche im Stande sind, die Strapazen eines beschwerlichen Marsches durch den Schnee und die Qualen des Hungers zu erdulden. So nahm Hearne auch nur zwei Weiße und einige verläßliche Indianer mit.

Trotz der wunderbaren Geschicklichkeit dieser Führer, welche das Land nach allen Seiten kannten und mit der Gegend vertraut sind, geht der Mundvorrath bald zu Ende. Kaum zwei Meilen vom Fort Prince de Gallas verlassen die Indianer Hearne und seine zwei Begleiter, welche nun gezwungen sind, umzukehren.

Der Führer des Unternehmens aber ist ein wetterfester Seemann und gewöhnt, Alles zu ertragen. Er wirst die Flinte nicht in's Korn. Wenn man [484] das erste Mal scheiterte, kann man deshalb nicht bei einem zweiten Unternehmen glücklicher sein?

Im Februar 1770 begiebt sich Hearne zum zweiten Male in jene unbekannten Gegenden. Diesmal ist er allein mit fünf Indianern, denn er hat sich überzeugt, daß die Unfähigkeit der Weißen, starke Anstrengungen auszuhalten, bei den Wilden das Gefühl der Verachtung hervorruft. Schon ist er fünfhundert Meilen weit weg, da zwingt ihn die Unbill der Jahreszeit, Halt zu machen und eine mildere Temperatur abzuwarten. Jetzt kam eine schwere Zeit. Bald mit Ueberfluß an Wild, das man nicht verzehren konnte, doch häufiger ohne etwas zwischen die Zähne zu nehmen, gelegentlich sieben Tage lang gezwungen, altes Leder zu kauen, Knochen abzunagen, die man früher weggeworfen, oder auf Bäumen nach einigen Beeren, und auch das noch meist fruchtlos zu suchen, und endlich eine unbeschreibliche Kälte mit in den Kauf nehmen – das ist das Leben eines Entdeckers in jenen eisigen Regionen.

Im Monat April bricht Hearne wieder auf, durchdringt die endlosen Wälder bis zum August und richtet sich ein, den Winter bei einem Indianerstamme zuzubringen, der ihn freundlich aufgenommen hat, als ein Zufall, bei dem er seinen Quadranten einbüßt, ihn zwingt, die Reise fortzusetzen.

Weder Mangel, Elend noch Entbehrungen aller Art erschüttern den felsenfesten Muth Samuel Hearne's. Er reist am 7. December wiederum ab, wandert unter dem 60. Breitengrade wieder nach Westen und findet da einen Fluß. Jetzt erbaut er ein Boot und fährt hinab auf jenem, der sich in eine unübersehbare Reihe größerer und kleinerer Seen verläuft. Am 13. Juli 1773 endlich erreicht er den Kupferminenfluß. Die ihn begleitenden Indianer befanden sich nun seit einigen Wochen auf einem oft von Eskimos besuchten Gebiet und gelobten sich, diese, wenn sie sie träfen, bis auf den letzten Mann niederzumetzeln.

Die Gelegenheit hierzu sollte leider bald kommen.

»Als sie einmal, sagte Haerne, alle Eskimos ruhig in ihren Zelten wußten, schlichen sich die Indianer aus einem Versteck hervor und fielen unversehens über die armen Kerle her; ich selbst war gezwungen, bei dem unmenschlichen Gemetzel neutral zu bleiben.

Nach diesem scheußlichen Blutbade, fährt Hearne fort, setzten wir uns in's Gras und verzehrten eine köstliche Mahlzeit von frischem Lachs.«

An eben dieser Stelle verbreiterte sich der Fluß sehr bedeutend. Hatte der Reisende also wohl dessen Mündung erreicht? Noch enthielt er überall Süßwasser. [485] Am Ufer zeigten sich jedoch gewisse Spuren von Ebbe und Fluth. Ganze Schaaren von Robben spielten in den Wellen. In den Zelten der Eskimos hatte man viele Walfischbarten gefunden. Alles deutete darauf hin, daß man hier das Meer vor sich habe. Hearne ergriff das Teleskop. Vor ihm breitet sich eine endlose, nur da und dort von kleinen Inseln unterbrochene Wasserfläche aus. Kein Zweifel, das ist das Meer.

Am 30. Juni 1772 kehrte Hearne wieder nach einer Abwesenheit von nicht weniger als siebzehn Monaten nach den englischen Ansiedlungen zurück.

Die Gesellschaft erkannte Hearne's großartige Verdienste durch seine Ernennung zum Gouverneur des Fort von Gallas bereitwillig an. Bei seiner Expedition in die Hudsons-Bai bemächtigte sich Lapérouse dieses Etablissements und fand das Tagebuch von Samuel Hearne's Reise. Der französische Seemann lieferte es ihm unter der Bedingung, dasselbe zu veröffentlichen, wieder aus. Wir wissen indeß nicht, welche Umstände die Erfüllung des von dem englischen Reisenden dem französischen Seemanne gegebenen Versprechens bis zum Jahre 1795 verzögert hatte.

Erst im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts wurde jene endlose Reihe von Seen, Strömen und Wasserfällen bekannt, welche, vom oberen See ausgehend, alle Wasseradern der Felsengebirge sammeln und in das Eismeer abführen. Die theilweise Entdeckung derselben verdankt man den Pelzhändlern, Gebrüder Frobisher und Pond, welch letzterer sogar bis Athabaska kam. Dank diesen Aufschlüssen, wird die Reise min der beschwerlich, die Forscher folgen einander schneller, die Niederlassungen mehren sich – das Land ist entdeckt. Bald hört man auch von einem großen Strome sprechen, der nach Nordwesten zu verlaufen soll.

Alexander Mackenzie war es, der diesem seinen Namen gab. Vom Fort Chippewayan auf dem südlichen Ufer des Sees der Hügel am 3. Juni 1789 abgereist, führt er nur einige Canadier und mehrere Indianer mit sich, deren einer schon Hearne begleitet hatte. Nach einem Punkt unter 67°45' der Breite gelangt, überzeugte sich Mackenzie, daß er vom Meere im Osten nicht weit entfernt, aber dem im Westen noch näher sei. Er zog also offenbar auf die Nordwestspitze Amerikas zu.

Am 12. Juli erreichte Mackenzie eine große Wasserfläche, die man wegen ihrer geringen Tiefe und dem Bedecktsein mit Eisschollen nicht für das Meer halten konnte, wenn auch nirgends am Horizont Land zu entdecken war. Und doch hatte Mackenzie hier das Eismeer vor sich. Er gewahrte auch das selbst, [486] als das Wasser, obwohl nur ein mäßiger Wind wehte, auffallend stieg. Das konnte nur von der Fluth herrühren. Der Reisende verfügte sich hierauf nach einer Insel, die er in einiger Entfernung von der Küste erblickte. Von da aus sah er mehrere Walfische, welche sich in den Wogen tummelten. Dieses unter 69°14' der Breite gelegene Stück Land erhielt von dem Reisenden auch den Namen Walfischinsel. Am 12. September kehrte die Expedition glücklich nach Fort Chippewayan heim.

Drei Jahre später ging Mackenzie, dessen Durst nach Entdeckungen noch nicht gelöscht war, den Friedensfluß hinauf, der seinen Ursprung in den Felsenbergen hat. Nachdem er sich 1793 mühsam einen Weg über diese schwer zugängliche Kette gebahnt, sah er auf der anderen Seite der Berge einen Strom, den Takutchetesse, der nach Südwesten verlief. Inmitten von Gefahren und Entbehrungen, die man sich leichter vorstellen als wiedergeben kann, folgte Mackenzie dem Bette dieses Flusses bis zu seiner Mündung, d.h. bis unter die Insel Prince de Gallas. Hier hinterließ er an einer Felsenwand die ebenso treffende wie lakonische Inschrift: »Alexander Mackenzie, aus Canada über Land gekommen, am 22. Juli 1793«.

Am 24. August kehrte er nach Fort Chippewayan zurück. –

In Südamerika fand während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine wissenschaftliche Reise nicht statt. Hier ist nur La Condamine zu erwähnen. Wir haben schon früher die Aufgaben geschildert, die ihn zuerst nach Amerika führten, und wie er nach Vollendung jener Vermessungsarbeiten Bouguer nach Europa zurückkehren ließ, Jussieu aber noch einen längeren Aufenthalt gewährte, der die Naturgeschichte mit einer großen Menge neuer Pflanzen und noch unbekannter Thiere bereichern sollte, während er selbst den Amazonenstrom bis zu dessen Mündung hinabfuhr.

»Man könnte La Condamine, sagt Maury in seiner ›Geschichte der Akademie der Wissenschaften‹, füglich den Alexander von Humboldt des 18. Jahrhunderts nennen. Gleichzeitig Schöngeist und Gelehrter von Beruf, lieferte er bei jener denkwürdigen Expedition rühmenswerthe Beweise seiner Opferwilligkeit für die Wissenschaft. Als die vom Könige für seine Reise ausgeworfenen Summen z.B. nicht ausreichten, legte er hunderttausend Pfund aus eigener Tasche zu; durch Unfälle und Anstrengungen verlor er Beine und Ohren. Ein Opfer seiner Leidenschaft für den Fortschritt menschlichen Wissens, erntete er dafür nach seiner Rückkehr seitens der Gesellschaft, welche sich einen Märtyrer [487] nicht vorstellen konnte, der nicht zum Himmel seufzte, nichts als Spott und boshafte Beurtheilung. Da erblickte Niemand in La Condamine den unermüdlichen, allen Gefahren trotzenden Forscher, sondern nur einen zerstreuten, stumpfsinnigen Gelangweilten, der jeden Augenblick das Hörrohr zur Hand nahm. Befriedigt durch die Anerkennung seiner Collegen, zu deren beredtem Dolmetscher sich de Buffon eines Tages machte (in der Antwort auf La Condamine's Rede beim Eintritt in die französische Akademie), suchte und fand La Condamine einen Trost darin, Lieder zu componiren und bis zum Grabe, wohin sein schweres Leid ihm den Weg abkürzte, mit gleichem Eifer über alles Mögliche Beobachtungen anzustellen, selbst über den Schmerz, was ihn sogar veranlaßte, den Henker an Damien's Schaffot noch darüber auszufragen.«

Vor La Condamine hatten nur wenig Reisende Gelegenheit gehabt, in die unermeßlichen Gebiete Brasiliens einzudringen. Der gelehrte Forscher hoffte also, seine Reise besonders dadurch nutzbringend zu machen, daß er eine Karte des Flusses (Amazonenstromes) aufnahm und in einem noch so wenig besuchten Lande alle sich darbietenden Beobachtungen über die eigenthümlichen Sitten der Indianer sammelte.

Seit der Zeit Orellana's, dessen abenteuerliche Fahrt wir geschildert haben, war Pedro de Ursua im Jahre 1559 von dem Vicekönig von Peru zur Aufsuchung des Parima-Sees und des El Dorado ausgesendet worden. Er starb aber durch die Hand eines rebellischen Soldaten, der längst des Flusses Räubereien aller Art beging und zuletzt auf der Insel Trinidad geviertheilt wurde.

Derartige Unternehmungen waren natürlich nicht geeignet, über den Lauf des Flusses besonderes Licht zu verbreiten. Die Spanier sollten darin glücklicher sein. In den Jahren 1636 und 1637 hatte Pedro de Terjeira den Amazonenstrom bis zu seinem Nebenarme, dem Napo, mit siebenundvierzig Booten und einer Abtheilung Spanier und Indianer befahren. Dann war er bis Coca, dreißig Meilen von. Quito, hinauf gewandert, welch' letztere Stadt er mit noch einigen Begleitern besuchte. Im nächsten Jahre kehrte er auf dem nämlichen Wege nach Para in Begleitung zweier Jesuiten zurück, die einen Reisebericht herausgaben, der im Jahre 1682 übersetzt wurde.

Die nach diesem Berichte von Sanson entworfene, von allen Geographen natürlich vertrauungsvoll copirte Karte litt zwar an sehr großen Mängeln, doch besaß man bis 1717 keine andere. Zu dieser Zeit wurde im zwölften Bande der »Gelehrten Briefe« – übrigens eine kostbare Sammlung, in der man eine[488] überraschende Menge für die Geschichte und Geographie interessanter Nachrichten findet – die Copie einer von dem Pater Fritz, einem deutschen Missionär, gezeichneten Karte veröffentlicht. Man ersieht aus ihr, daß der Napo nicht den eigentlichen Quellenstrom des Amazonenstromes bildet, sondern daß der letztere als Marañon dreißig Meilen östlich von Lima aus dem Guanuco-See entspringt. Der Unterlauf des Flusses war minder gut gezeichnet, weil der Pater Fritz, als er diesen befuhr, zu krank war, um genau beobachten und messen zu können.


[489]
Der Pongo von Manseriche. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 490.)

Von Tarqui, fünf Meilen von Cuenza aus, am 11. Mai 1743 abgereist, passirte Condamine zuerst Zaruma, eine früher wegen ihrer Goldminen berühmte Stadt, und überschritt mehrere Flüsse auf Brücken aus Schlinggewächsen, die sich von einem Ufer zum anderen spannten und einer riesigen Hängematte glichen. Dann kam er nach Loxa, vier Grade vom Aequator. Diese Stadt liegt hundert Toisen niedriger als Quito, was man auch an dem Unterschied der Temperatur daselbst leicht bemerkt. Die bewaldeten Berge hier erscheinen nur wie Hügel gegenüber den Riesen von Quito.

Auf dem Wege von Loxa nach Jaen-de-Bracamoros überschreitet man die letzten Vorberge der Anden. In dieser Gegend regnet es das ganze Jahr hindurch beinahe täglich, und ist es nicht gerathen, einen längeren Aufenthalt zu nehmen. Das Land hat überhaupt seine frühere Blüthe gänzlich verloren; Loyala, Valladolid, Jaen, sowie die meisten Städte Perus, die vom Meere und der Hauptstraße von Carthagena nach Lima abseits liegen, waren nur noch kleine Flecken. Und doch ist die ganze Umgebung von Jaen bedeckt mit wilden Cocosbäumen, denen die Indianer freilich nicht mehr Aufmerksamkeit schenken als dem goldhaltigen Sande, den ihre Flüsse mitführen.

La Condamine schiffte sich auf dem Chincipe ein, der an jener Stelle die Seine in Paris an Breite übertrifft, und fuhr denselben bis zu seiner Vereinigung mit dem Marañon hinab. Von diesem Punkte aus wird der Marañon selbst schiffbar, obwohl er noch häufig durch Fälle und Stromschnellen unterbrochen und an manchen Stellen so eingeschränkt ist, daß er höchstens zwanzig Toisen in der Breite mißt. Die bekannteste dieser Flußengen ist der »Pongo« oder das Thor von Manseriche, eine von dem Marañon mitten durch die Cordilleren gebahnte Oeffnung mit nahezu senkrechten Seitenwänden und einer Breite von fünfundzwanzig Toisen. Hier erlebte La Condamine, der mit einem Neger allein auf seinem Floß zurückgeblieben war, ein wohl ziemlich einzig dastehendes Abenteuer.

»Der Strom, dessen Wassertiefe binnen sechsunddreißig Stunden um fünfundzwanzig Fuß abnahm, sagt er, wurde noch immer seichter. Mitten in der Nacht drängte sich ein Stück eines unter dem Wasser verborgenen Astes durch die Hölzer meines Flosses, und zwar immer mehr und mehr, je nachdem das Niveau des Wassers sank, und wenn ich nicht bei der Hand und wach gewesen wäre, konnte der Augenblick nicht mehr fern sein, wo ich mit dem Flosse aus dem Wasser gehoben und an jenem Baumast in der Luft schwebend hängen [490] geblieben wäre. Das Geringste, was mir dabei widerfahren konnte, war der Verlust meiner Tagebücher und Beobachtungshefte, und damit die Frucht einer achtährigen Mühe. Zum Glück gelang es mir jedoch zuletzt, mich zu befreien und das Floß wieder flott zu machen.«

In der Nähe der in Ruinen liegenden Stadt Santiago, wo Condamine am 10. Juli eintraf, hausen mitten im Walde die Xibaros-Indianer, welche seit einem Jahrhundert gegen die Spanier in Aufruhr leben, um sich der Arbeit in den Goldminen zu entziehen.

Jenseits des Pongo von Manseriche eröffnete sich eine ganz neue Welt, ein Ocean von Süßwasser, ein Labyrinth von Seen, Flußarmen und Kanälen, inmitten unentwirrbarer Urwälder. Obwohl La Condamine seit sieben vollen Jahren gewöhnt war, in der freien Natur zu leben, so ermüdete ihn endlich dennoch dieses ewig gleichbleibende Bild von Wasser und Grün ohne auch nur den geringsten Wechsel. Als er Borja am 14. Juli verlassen, kam der Reisende bald an dem Einflusse des Morona vorüber, der von dem Vulcan von Sangay herabströmt, dessen Asche manchmal bis über Guyaquil hinausfliegt. Später passirte er die drei Ausflüsse der Pastaca, eines damals so sehr über seine Ufer getretenen Flusses, daß es unmöglich wurde, auch nur eine jener drei Mündungen zu messen. Am 19. desselben Monats erreichte La Condamine Laguma, wo ihn seit sechs Wochen schon Don Pedro Maldonado, der Gouverneur der Provinz Esmeralda, erwartete, der die Pastaca herabgefahren war. Laguma bildete jener Zeit eine starke Burg mit tausend bewaffneten Indianern unter dem Befehle der Missionäre verschiedener Stämme.

»Dadurch, daß ich mich befleißigte, eine Karte des Amazonenstromes aufzunehmen, gewann ich ein Mittel gegen Mangel an Thätigkeit, zu dem mich die ruhige Fahrt sonst verurtheilt hätte und welchen die stets gleich bleibende Scenerie, trotzdem mir diese noch neu war, gewiß sehr langweilig und abspannend machen mußte. Jetzt war meine Aufmerksamkeit aber stets in Anspruch genommen, um mit der Boussole und der Uhr in der Hand den Wechsel in der Richtung des Stromlaufes, wie die Zeit, welche wir von einer Windung desselben zur anderen brauchten, oder die Breite seines Bettes zu beobachten, nebst der der zahlreichen Seitenarme, die er aufnimmt, ferner die Winkel, unter denen diese einmünden, zu messen, oder ein Auge zu haben auf die in demselben befindlichen Inseln und deren Größe, auf die Schnelligkeit der Strömung und die des Bootes, manchmal vom Lande, manchmal vom Boote selbst aus unter [491] Anwendung verschiedener Methoden, deren Darlegung hier zu weit führen würde. Jeder Augenblick wurde mir kostbar. Ich habe sehr häufig sondirt, auf geometrischem Wege die Breite des Stromes und seiner Nebenflüsse gemessen, die Meridianhöhe der Sonne fast Tag für Tag bestimmt und ihre Amplitude beim Aufgang wie beim Niedergang für den Ort, an dem ich mich befand, festgestellt.«

Nachdem er am Tigerfluß vorübergekommen, erreichte La Condamine am 25. Juli eine zweite Mission der Wilden, nämlich die der Yameos, welche die Patres erst unlängst in den Wäldern aufgesucht hatten. Ihre Sprache war sehr schwierig, besonders aber die Art der Aussprache. Einzelne Worte derselben enthielten neun bis zehn Silben, während jene sonst nur bis drei zählen konnten. Sie bedienten sich mit großer Geschicklichkeit des Blaserohres, aus dem sie kleine, mit einem so scharfen Gifte versehene Pfeile schossen, daß diese schon binnen einer Minute den Tod herbeiführten.

Am nächsten Tage gelangte man zur Einmündung des Ucayale, eines der stärksten Wasserläufe, die der Marañon aufnimmt und der vielleicht als seine eigentliche Quelle anzusehen ist. Von der Vereinigung mit diesem an nimmt die Breite des Stromes sehr beträchtlich zu.

Am 27. wurde bei der Mission der Omaguas, eines in früheren Zeiten sehr mächtigen Stammes, gelandet, der die Ufer des Amazonenstromes auf einer Strecke von zweihundert Meilen unterhalb des Napo bevölkerte. Fremd im Lande, nimmt man an, daß diese längs eines Flusses hierhergekommen seien, der wahrscheinlich dem Königreiche Grenada entspringt, und daß sie ausgewandert wären, um dem Joche der Spanier zu entgehen. Der Name »Omagua« bedeutet in peruanischer Sprache so viel wie »Flachkopf«, und dieses Volk hat in der That die eigenthümliche Gewohnheit, die Stirn der Neugebornen zwischen zwei Bretter zu pressen, um diese dem Vollmond ähnlich zu machen. Sie benützen auch zwei bestimmte Pflanzen, den »Floripondio« und den »Curupa«, deren Genuß sie vierundzwanzig Stunden lang halb trunken macht und phantastische Träume hervorruft. Opium und Hatchich haben also noch einen Nebenbuhler in Peru!

Die Chinarinde, Ipecacuanha, Simaruba, Sarsaparille, der Guajac und Cacao, sowie die Vanille finden sich fast überall am Ufer des Marañon. Ebenso der Kautschuk, aus dem die Indianer Flaschen, Stiefel und Klystirspritzen herstellen, »welche keinen Stempel brauchen, sagt La Condamine. Diese haben die[492] Gestalt hohler Birnen mit einer kleinen Oeffnung am Ende, in welches eine Kanüle eingesetzt wird. Dieses Geräth ist bei den Omaguas viel im Gebrauche. Wenn sie sich zu einer Festlichkeit versammeln, wird der Hausherr nicht verfehlen, jedem seiner Gäste aus Höflichkeit ein Exemplar desselben anzubieten, das Jeder benützt, bevor er an der Mahlzeit theilnimmt.«

In San-Joaquin seine Begleitung wechselnd, kam La Condamine an der Mündung des Napo rechtzeitig an, um in der Nacht vom 31. Juli zum 1. August den Austritt des ersten Jupitermondes aus dem Schatten des Planeten zu beobachten, was ihm ermöglichte, die Länge und Breite des Ortes zu bestimmen; auf dieser wichtigen Beobachtung beruhen auch alle weiteren Aufnahmen im Verlaufe der Fahrt.

Pevas, das am folgenden Tage erreicht wurde, ist die letzte der spanischen Missionen an den Ufern des Marañon. Die hier vereinigten Indianer gehören verschiedenen Stämmen, aber nicht alle der christlichen Religion an. Sie trugen noch Knochen von Säugethieren und Fischen in der Nasenscheidewand und durch die Lippen, und ihre mit Löchern, übersäeten Wangen dienten als Behälter für Vogelfedern jeder Farbe.

Saint Paul ist die erste Mission der Portugiesen. Hier ist der Fluß wenigstens neunhundert Toisen breit und nicht selten von heftigen Stürmen bewegt. Der Reisende wurde angenehm überrascht, zu sehen, daß die Indianerweiber Leinenhemden trugen und verschließbare Kasten, eiserne Schlüssel, Nadeln, Spiegel, Scheeren und andere europäische Geräthe besaßen, die sich die Wilden in Para einkaufen, wenn sie ihre Cacao-Ernten dahin bringen. Ihre Canots sind weit bequemer eingerichtet als die der Indianer von den portugiesischen Besitzungen. Sie stellen wirklich kleine Brigantinen von sechzig Fuß Länge und sieben Fuß Breite vor, welche von vierzig Rudern fortbewegt werden.

Von Saint-Paul bis Coari fallen mehrere große und schöne Nebenströme in den Amazonenstrom, darunter der Yutay, Yuruca, Tefe und Caori auf der Südseite, der Putumayo und Yupura auf der Nordseite. Längs der letztgenannten Flüsse wohnte noch ein Stamm von Menschenfressern. Hier hatte Terjeira am 26. August 1639 einen Pfahl aufgestellt, der die Grenze bezeichnen sollte. Bis zu dieser Stelle hatte man sich im Gespräche mit Indianern der peruanischen Mundart bedient; weiterhin mußte man die brasilianische anwenden, welche in allen portugiesischen Missionen üblich ist. In der nächsten Zeit wurden der Purusstrom und der Rio Negro, letzterer von portugiesischen Missionen unter [493] Leitung der Geistlichen vom Mont Carmel besetzt und das Verbindungsglied zwischen dem Orinoco und Amazonenstrom bildend, besichtigt. Die erste wirkliche Aufklärung dieser wichtigen geographischen Frage verdankt man den Arbeiten La Condamine's und seiner scharfsinnigen Kritik der Reisen der Missionäre vor ihm. In diese Gegenden verlegte man übrigens allgemein den Goldenen See von Parime und die nur in der Einbildung existirende Stadt Manoa-del-Dorado. Sie ist die Heimat der Manoa-Indianer, welche den portugiesischen Waffen so lange siegreich widerstanden.

Weiterhin wurden nun die Mündung des Rio de la Madera – sogenannt von der großen Menge Holz, die er mit sich führt – das Fort Pauxis, von dem an der Marañon den Namen Amazonenstrom annimmt und sich die Gezeiten bemerkbar machen, obwohl man hier noch über zweihundert Meilen vom Meere entfernt ist, ferner die Festung Topayos, an der Mündung eines Flusses, der aus den brasilianischen Bergdistricten herkommt und an dessen Ufern die Tupinambas wohnen, nach und nach passirt.

Ende September gewahrte man Berge im Norden – ein neues Schauspiel, denn seit zwei Monaten fuhr La Condamine auf dem Strome, ohne auch nur einen Hügel erblickt zu haben. Es waren das die ersten Hügel der Guyana-Kette.

Am 6. September verließ man, gegenüber dem Fort von Paru, den Amazonenstrom, um durch einen natürlichen Kanal in den Xingu hinüberzufahren, den der Pater d'Acunha Paramaribo nennt. Man erreichte bald das Fort von Curupa und endlich Para, eine große Stadt mit geraden Straßen und Häusern aus Ziegeln oder Bruchsteinen. La Condamine, dem es wegen Vollendung seiner Karte darauf ankam, die Mündung des Amazonenstromes zu besuchen, schiffte sich von hier nach Cayenne ein, wo er am 26. Februar 1744 anlangte. Diese weit ausgedehnte Reise hatte besonders wichtige Resultate. Zum ersten Male wurde dabei der Lauf des Amazonenstromes auf wirklich wissenschaftliche Weise festgestellt und erlaubte sie einen nicht unbegründeten Schluß auf die Verbindung desselben mit dem Orinoco; dann brachte La Condamine von jener auch eine große Menge interessanter Beobachtungen aus den Gebieten der Naturgeschichte, Physik und Astronomie, wie endlich jener neuen, eben erst im Entstehen begriffenen Wissenschaft, der Anthropologie, mit heim.

Wir haben nun die Reise eines jener Gelehrten zu schildern, der es am besten verstand, die innigen Beziehungen zwischen der Geographie und den [494] anderen physikalischen Fächern der Wissenschaft im Auge zu behalten, nämlich die Alexander von Humboldt's. Ihm verbleibt der Ruhm, andere Reisende auf diesen höchst fruchtbringenden Weg verwiesen zu haben.

Geboren in Berlin im Jahre 1769, genoß Humboldt seinen ersten Unterricht bei Campe, dem bekannten Reiseschriftsteller. Begabt mit sehr lebhafter Neigung zur Botanik, verband sich Humboldt in Göttingen mit Forster dem Jüngeren, der mit Kapitän Cook eben eine Reise um die Welt gemacht hatte. Diese Bekanntschaft und vorzüglich auch die farbenprächtigen Schilderungen Forster's trugen gewiß das Meiste dazu bei, in Humboldt die Reiselust zu erwecken. Er betrieb nun gleichzeitig das Studium der Geologie, Botanik, Chemie und thierischen Elektricität und begab sich zur weiteren Vervollkommnung in diesen Fächern nach England, Holland, Italien und nach der Schweiz. Im Jahre 1797 kam er nach dem Tode seiner Mutter, die von seinen beabsichtigten Reisen außerhalb Europas nichts wissen wollte, nach Paris, wo er mit Aimé Bonpland, einem jungen Botaniker, bald einen Freundschaftsbund schloß und mit ihm mehrere Projecte für Forschungsreisen entwarf.

Humboldt hatte damals den Kapitän Baudin begleiten sollen, die Verzögerung aber, welche die Abfahrt jener Expedition erlitt, ermüdete seine Geduld zu sehr, und er begab sich nach Marseille in der Absicht, sich der französischen Armee in Aegypten anzuschließen. Zwei volle Monate erwartete er die Abfahrt einer Fregatte, welche den schwedischen Consul nach Algier bringen sollte; ärgerlich über alle diese Enttäuschungen, reiste er dann mit seinem Freunde Bonpland nach Spanien ab, in der Hoffnung, Erlaubniß zum Besuche der spanischen Besitzungen in Amerika zu erhalten.

Es war das keine so leichte Sache, wie man wohl glaubt; Humboldt besaß aber eine seltene Ausdauer, schöne Kenntnisse, warme Empfehlungen und außerdem erfreute er sich schon eines gewissen Rufes. So erzwang er sich also, trotz lebhaften Widerspruches der Regierungskreise, die Genehmigung zur Erforschung jener Kolonien und zur Anstellung aller ihm gutdünkenden astronomischen und geodätischen Beobachtungen und Messungen.

Die beiden Freunde reisten am 5. Juni 1799 von Corogna ab und erreichten dreizehn Tage später die Canarischen Inseln. Für Naturforscher, welche in Teneriffa an's Land gingen, wäre es eine wirkliche Sünde gewesen, den berühmten Pic nicht zu besteigen.


Porträt von A. v. Humboldt. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 495.)

»Die meisten Naturforscher, sagt Humboldt in einem Briefe an La Metterie, welche (wie ich) nach Indien gingen, haben nur Muße gehabt, bis nach dem Fuße des vulkanischen Kolosses vorzudringen und die herrlichen Gärten des Hafens von Ortova zu bewundern. Mir wurde das Glück zutheil, daß unsere [495] Fregatte, die ›Pizarro‹, hier sechs Tage lang verweilte. So bemühte ich mich, die Erdschichten, aus denen der Pic besteht, sorgfältig zu untersuchen... Wir schliefen bei vollem Mondschein in einer Höhe von tausendzweihundert Toisen. Nachts zwei Uhr begaben wir uns auf den Weg zum Gipfel, und [496] trotz des heftigen Windes, des heißen Bodens, der unsere Schuhsohlen verbrannte, und trotz der dabei herrschenden Kälte der Luft, kamen wir daselbst gegen acht Uhr an. Ich wage keine Beschreibung der majestätischen Fernsicht, der vulkanischen Inseln Lancerote, Canarien und Gomera, die zu unseren Füßen lagen; der mit Bimssteinen und Lava bedeckten Wüste von zwanzig Quadratmeilen, ohne Insecten, ohne Vögel, jener Wüste, die uns von dichten Gebüschen von Lorbeerbäumen und Haidekraut trennt, wie von den Weinbergen mit ihren Palmen, Bananen, Drachenblut-Bäumen, deren Wurzeln sich in den Wellen baden... Wir drangen [497] auch in den Krater selbst ein, der übrigens nur vierzig bis sechzig Fuß tief ist. Der Gipfel ragt 1904 Toisen über das Meer, oder genau so hoch empor, wie es Borda durch eine sehr sorgfältige geometrische Vermessung gefunden hat... Der Krater des Pics oder des eigentlichen Gipfels wirst schon seit Jahrhunderten keine Lava mehr aus (dieselbe entfließt nur den Seitenwänden), dagegen erzeugt der Krater eine ungeheuere Menge Schwefel und Schwefeleisen.«


Indische Omaguas.

Im Monat Juli kamen Humboldt und Bonpland in Cumana, d.h. in jenem Theile Südamerikas an, der als Terra firma bekannt ist. Sie verbrachten hier zunächst einige Wochen mit dem Studium der Verheerungen des großen Erdbebens von 1797. Dann bestimmten sie die Lage von Cumana, das auf allen Karten um einen halben Grad zu weit südlich angegeben ist, was jedenfalls den nördlichen, nach Trinidad zu gerichteten Strömungen, welche die Seefahrer täuschten, zuzuschreiben sein dürfte. Im December 1799 schrieb Humboldt von Caracas aus an den Astronomen Lalande:

»Eben komme ich von einer höchst lehrreichen Reise in das Innere von Paria, nach der Cordillere von Cocolar, Tumeri und Guiri zurück. Ich bringe einige mit meinen Instrumenten, auch mit getrockneten Pflanzen beladene Maulesel heim. Wir gelangten bis zu den Missionen der Kapuziner, welche noch von keinem Naturforscher besucht wurden; wir entdeckten eine große Menge Pflanzen, vorzüglich neue Palmenarten, und stehen im Begriffe, nach dem Orinoco abzureisen, um vielleicht bis San-Carlos am Rio-Negro und jenseits des Aequators vorzudringen... Wir haben über tausendsechshundert Pflanzen getrocknet, mehr als fünfhundert Vögel beschrieben und Insecten und Muscheln gesammelt; daneben habe ich gegen fünfzig Zeichnungen vollendet. In Berücksichtigung der brennenden Hitze dieser Zone glaube ich, daß Sie uns die Anerkennung tüchtig gearbeitet zu haben kaum versagen werden.«

Während dieses ersten Ausfluges hatte Humboldt die Missionen der Chaymas- und Guaraunos-Indianer besucht. Er erkletterte den Gipfel des Tumiriquiri und stieg in die Guacharo-Grotte hinab, eine ungeheure Höhle, die Wohnung Tausender von Nachtvögeln, aus deren Fett man das Oel von Guacharo gewinnt. Ihr von der üppigsten Vegetation geschmückter und bekrönter Eingang ist wahrhaft majestätisch. Aus demselben strömt ein beträchtlicher Fluß, und im Innern hallen dumpf die Stimmen der Vögel wieder. Sie stellt den Acheron der Chaymas-Indianer dar, denn die Seelen der Verstorbenen nehmen nach der Mythologie dieser Völker und der Indianer des Orinoco in dieser Höhle ihren [498] Aufenthalt. In den Guacharo hinabsteigen, bedeutet in ihrer Sprache so viel wie sterben.

»Die Indianer betreten einmal des Jahres die ›Cueva‹ des Guacharo gegen Mitte des Sommers, wo sie die meisten Nester der Vögel mit langen Stangen zerstören. Dabei kommen denn Tausende von Vögeln um, während die alten Guacharos-Bewohner, als wollten sie ihre Stammsitze vertheidigen, unter entsetzlichem Geschrei um die Köpfe der Indianer schwirren. Die kleinen, welche zur Erde fallen, werden auf der Stelle geöffnet. Ihr Bauchfell ist mit einer dicken Fettschicht bedeckt, die sich über den ganzen Unterleib bis zum After hinzieht und zwischen den Beinen der Vögel eine Art Kissen bildet. Zur Zeit der in Caripe so genannten Oelernte erbauen die Indianer am Eingange und selbst unter dem Gewölbe der Höhle Hütten aus Palmenzweigen; dann entzünden sie Feuer mit getrockneten Blättern und schmelzen in thönernen Gefäßen das Fett der eben erlegten jungen Vögel aus. Dieses unter dem Namen von Butter oder Oel von Guacharo benannte Fett ist halbflüssig, durchscheinend, geruchlos und so rein, daß man es ein Jahr über, ohne ranzig zu werden, aufbewahren kann.«

Dann fährt Humboldt fort: »Wir haben etwa vierzehn Tage in dem Thale von Caripe zugebracht, das in einer Höhe von neunhundertzweiundfünfzig ›Vares‹ (kastilianische Ellen, gleich drei Fuß) über dem Meere liegt und von ganz nackt gehenden Indianern bewohnt wird. Daselbst sahen wir schwarze Affen mit rothen Bärten; wir hatten die Genugthuung, von den Kapuzinern des Convents und allen mit den einigermaßen civilisirten Indianern vereint lebenden Missionären mit größtem Wohlwollen empfangen zu werden.«

Vom Thal von Caripe aus begaben sich die beiden Reisenden über die Berge von Santa Maria und die Mission von Catuaro nach Cumana zurück und langten am 21. November zu Caracas, in einem an Cacao, Baumwolle und Kaffee fruchtbaren Thale mit dem gemäßigten Klima Europas an.

Humboldt benützte seinen Aufenthalt in Caracas, um das Licht der südlichen Sterne zu beobachten, denn er glaubte wahrgenommen zu haben, daß einige derselben, vorzüglich in dem Sternbild des Kranichs, des Adlers, der amerikanischen Gans und in dem Fuße des Centauren dasselbe seit La Caille verändert hätten. Gleichzeitig brachte er seine Sammlungen in Ordnung, sandte einen Theil davon nach Europa und widmete sich einer eingehenden Besichtigung der Felsen, um den Bau der Erdkugel in diesen Gegenden kennen zu lernen.

[499] Nachdem sie die Umgebungen von Caracas in Augenschein genommen und die »Silla« oder Silla bestiegen hatten, bis zu deren Gipfel, trotz ihrer großen Nähe an der Stadt, noch kein Einwohner vorgedrungen war, wendeten sich Humboldt und Bonpland nach Valencia, längst den Ufern des Sees, den die Indianer Tacarigua nannten und der den Neufchateler See in der Breite übertrifft. Nichts vermag eine Vorstellung von dem Reichthum und der Mannigfaltigkeit der Vegetation hier zu geben. Und doch sind es nicht allein diese pittoresken und romantischen Reize, welche jenem See ein erhöhtes Interesse verleihen. Die gradweise Abnahme seines Wassers erregte nämlich die Aufmerksamkeit Humboldt's, der dieselbe einer unvernünftigen Ausbeutung der Wälder und folglich der Erschöpfung seiner Zuflüsse zuschreibt.

Hier konnte Humboldt sich auch von der Richtigkeit der ihm über einen eigenthümlichen Baum zu Ohren gekommenen Erzählung überzeugen; es war das der »el Palo de la vaca« oder Kuhbaum, welcher aus Einschnitten in seinen Stamm eine nahrhafte, balsamische Milch liefert.

Der schwierigere Theil der Reise begann bei Porto Cabello, am Anfange der »Ilanos«, das sind jene unübersehbaren Ebenen, die sich zwischen den Hügeln der Küste und dem Thale des Orinoco hinziehen.

»Ich weiß nicht, sagt Humboldt, ob der erste Anblick der ›Ilanos‹ weniger Erstaunen hervorruft als der der Anden.«

In der That giebt es kaum etwas Frappanteres als dieses Meer von Gräsern, über dem, ohne daß man den leisesten Wind spürt, immer seine Staubwirbel schweben. In der Mitte dieser ungeheuren Ebene, in Calabozo, prüfte Humboldt zum ersten Male die Kraft der Gymnoten oder elektrischen Aale, die man auf jedem Schritt in allen Nebenflüssen des Orinoco antrifft. Die Indianer, welche sich vor deren elektrischen Schlägen fürchten, machten den Vorschlag, einige Pferde in einen Sumpf zu treiben, in dem sich Gymnoten aufhielten.

»Das ungewohnte Geräusch der Pferdefüße, sagt Humboldt, lockt die Gymnoten aus dem Schlamme herauf und reizt sie zum Kampfe. Die blaß gelblichen Aale gleichen etwa Schlangen, schwimmen an der Oberfläche des Wassers und schlüpfen unter den Bauch des Thieres, das ihre Ruhe stört. Der zwischen Thieren von so verschiedener Organisation entstehende Kampf bietet einen überraschenden Anblick. Die mit Wurfspießen und langen Stöcken bewaffneten Indianer umringen den Teich von allen Seiten und klettern selbst auf überhängende Bäume, während sie mit wildem Geschrei und ihren langen [500] Stöcken die Pferde verhindern, zu entfliehen und an das Ufer zu klettern Die durch das Geräusch erschreckten Aale vertheidigen sich mittelst wiederholter Entladung ihrer natürlichen elektrischen Batterien; lange Zeit scheinen sie siegreich zu bleiben; einige Pferde unterliegen der Heftigkeit dieser Erschütterungen, die sie von allen Seiten an den lebenswichtigsten Organen erhalten, und ihrerseits erschreckt über die Kraft und die Anzahl dieser Schläge, werden sie allmählich gelähmt und verschwinden unter dem Wasser.

Andere suchen schnaufend, mit aufrechtstehender Mähne, entsetzten Blicken und unter dem Ausdruck des empfindlichsten Schmerzes dem Schlachtfelde zu entkommen, doch treiben die Indianer sie unbarmherzig in das Wasser zurück. Nur sehr wenigen gelingt es dabei, die Wachsamkeit derselben zu täuschen, indem sie das Ufer erreichen und sich dort erschöpft in den Sand niederwerfen, da alle ihre Glieder von den elektrischen Berührungen der Gymnoten gelähmt sind...

Ich erinnere mich nicht, jemals von einer Leydener Flasche einen so heftigen Schlag erhalten zu haben, als hier, wo ich unvorsichtiger Weise den Fuß auf einen, aus dem Wasser herausgekrochenen Gymnotes setzte.«

Nach Bestimmung der astronomischen Lage von Calabozo, zogen Humboldt und Bonpland auf ihrem Wege längs des Orinoco weiter. Der Uritucu mit zahlreichen furchtbaren Krokodilen, und der Apure, einer der Nebenflüsse des Orinoco, dessen Ufer mit herrlicher, luxuriöser Vegetation, wie man es nur in den Tropen findet, bedeckt sind, wurden überschritten oder sie gingen längs derselben hin. Die Ufer dieses Flusses waren mit dichtem Gebüsch besetzt, und in diesem da und dort Gänge ausgebrochen, durch welche Bisamschweine, Tiger und andere wilde Thiere zur Stillung ihres Durstes an das Wasser gelangen konnten. Wenn die Nacht ihren Schleier über den Wald ausbreitet, hallt dieser, während er vorher gänzlich unbewohnt schien, von dem Brüllen, Schreien der Raubthiere und dem Gesange der Vögel wider, die mit einander zu wetteifern scheinen, wer den meisten Lärm machen könne.

Hat der Uritucu seine gefräßigen Krokodile, so besitzt der Apure dafür einen kleinen Fisch, den »Carabito«, der Badende mit solcher Gier anfällt, daß er ihnen oft ziemlich große Stücke Fleisch ausreißt. Dieser, wenn auch nur vier bis fünf Zoll lange Fisch, ist fast noch mehr zu fürchten als das größte Krokodil. Deshalb wagen auch die Indianer nie in das von ihm besuchte Wasser zu tauchen, trotz ihrer Liebhaberei für das Baden und trotz des Bedürfnisses, das sie empfinden, ihre von Musquitos und Ameisen oft gräulich zerstochene [501] Haut zu erfrischen. Die Reisenden gingen nun längs des Orinoco hinab bis zum Temi, der durch ein seichtes, wenig umfangreiches Stück Wasser mit dem Cano-Pimichin, einem Nebenflusse des Rio-Negro, in Verbindung steht.

Der Temi überschwemmt die Wälder an seinen Ufern oft auf weite Strecken. Die Indianer eröffnen sich dann mitten durch die Bäume Wasserwege von kaum zwei Meter Breite. Es giebt nichts Merkwürdigeres und Imposanteres, als inmitten dieser riesigen Bäume unter üppigem Blätterdache dahinzufahren. Hier findet man auch, drei- bis vierhundert Meilen im Innern des Landes, ganze Gesellschaften von Süßwasser-Delphinen, welche ihre Strahlen von Wasser und comprimirter Luft emportreiben, wovon sie den Namen »Bläser« erhalten haben.

Vier volle Tage waren nothwendig, die Canots vom Temi nach dem Cano-Pimichin zu befördern, wobei man sich erst mit dem Hackmesser einen Weg bahnen mußte.

Der Pimichin fällt in den Rio-Negro, der selbst ein Nebenfluß des Amazonenstromes ist.

Humboldt und Bonpland folgten nun dem Schwarzen Flusse bis San Carlos und fuhren dann den Casiquiare, einen mächtigen Arm des Orinoco hinauf, der die Verbindung des letzteren mit dem Rio-Negro darstellt. Die Ufer des Casiquiare sind von den Ydapaminores bewohnt, welche nichts als im Rauch getrocknete Ameisen verzehren.

Endlich gingen die Reisenden den Orinoco hinauf bis nahe zu dessen Quellen am Fuße des Vulcans von Duida, wo sich die wilden Guaharibos und die sehr gewandten Bogenschützen, die Guaicas-Indianer, aufhielten. Hier findet man die berühmte Lagune von El Dorado, auf welcher sich einige Talk-Eilande spiegeln.

Nun war also die Streitfrage über die Verbindung des Orinoco mit dem Marañon endgiltig gelöst und nachgewiesen, daß dieselbe an der Grenze der spanischen und portugiesischen Besitzungen, etwa zwei Grade über dem Aequator, statt habe.

Die beiden Reisenden ließen sich nun von der reißenden Strömung des Orinoco wieder hinabtreiben, mit der sie über fünfhundert Meilen in weniger als sechsundzwanzig Tagen zurücklegten, dann rasteten sie drei Wochen lang in Angostura, um die Zeit der größten Hitze und der herrschenden Fieber vorbei zu lassen, und gelangten endlich im October 1800 nach Cumana zurück.

[502] »Meine Gesundheit, schreibt Humboldt, widerstand den Strapazen einer Reise von über tausenddreihundert Meilen vortrefflich, mein armer Gefährte Bonpland aber wurde gleich nach der Rückkehr von einem mit Erbrechen verbundenen Fieber befallen, von dem er nur sehr langsam genas. Es bedurfte auch eines Organismus von ungewöhnlicher Spannkraft, um den Anstrengungen, Entbehrungen und fortwährenden Belästigungen zu widerstehen, denen Reisende in jenen mörderischen Gegenden ausgesetzt sind. Die Anzahl Derjenigen ist nicht groß, welche es ertragen können, stets von Tigern und Krokodilen umgeben zu sein, sich den Körper von den Stichen der Musquitos und Waldameisen durchlöchern zu lassen, drei Monate lang keine andere Nahrung zu haben als Wasser, Bananen, Fische und Manioc, das Land der erdessenden Ottomaquen zu durchwandern, und unter dem Aequator die Ufer des Casiquiare hinabzuziehen, wo man auf einer Strecke von hundertdreißig Meilen keinem menschlichen Wesen begegnet; noch geringer aber wird die Zahl Derjenigen ausfallen, welche, nachdem sie einen solchen Kampf siegreich bestanden, noch Muth und Kraft genug besitzen, ihn noch einmal zu wagen.«

Wir haben gesehen, welche wichtige geographische Entdeckung die Ausdauer unserer Reisenden belohnte, die das ganze nördliche Land vom Amazonenstrom, zwischen Popayan und den Bergen von französisch Guyana durchmessen hatten. Auch die auf anderen Gebieten der Wissenschaft erzielten Erfolge waren ebenso zahlreich als neu. Humboldt hatte nachgewiesen, daß es unter den Indianern am Orinoco und Rio-Negro auffallend weiße Stämme giebt, die sich von denen der Küste sehr wesentlich unterscheiden. Ebenso lernte er den merkwürdigen Stamm der Ottomaquen näher kennen.

»Dieses, durch seine den ganzen Körper entstellenden Malereien so häßliche Volk, sagt Humboldt, genießt, wenn der Orinoco Hochwasser hat und sie keine Schildkröten mehr finden können, drei Monate hindurch nichts, oder doch fast nichts als Thonerde. Es giebt Einzelne darunter, welche ein bis eineinhalb Pfund dieser Erde zu sich nehmen. Einige Mönche stellten zwar die Behauptung auf, sie vermischten dieselbe mit dem Fette aus Krokodilschwänzen; doch ist das ganz irrig. Wir haben dagegen bei den Ottomaquen Vorräthe von ganz reiner Erde gefunden, die sie verzehrten, während sie dieselbe nicht weiter als durch leichtes Rösten und Anfeuchten zubereiten.«

Unter den denkwürdigsten Entdeckungen Humboldt's ist auch die des »Curare« zu erwähnen, jenes heftigen Giftes, das er von den Catarapeniund [503] Maquiritares-Indianern bereiten sah und von dem er eine Probe für das Institut mitbrachte, sowie des »Dapi che«, das etwa als ein bisher unbekannter Zustand des Gummi elasticum zu betrachten ist. Dasselbe besteht aus einem freiwillig aus den Wurzeln zweier Bäume, des »Jacio« und des »Curcuma«, abfließenden und auf der Erde eingetrockneten Milchsafte.

Diese erste Reise Humboldt's endigte übrigens mit der Erforschung der südlichen Theile von San Domingo und Jamaika und mit einem längeren Aufenthalte auf Cuba, wo die beiden Reisenden verschiedene Versuche zur Verbesserung der Fabrikation des Zuckers anstellten, die Küsten aufnahmen und astronomische Beobachtungen lieferten.

Diese Arbeiten erlitten eine Unterbrechung durch die Anzeige der Abreise des Kapitän Baudin, der das Cap Horn umschiffen und die Küste von Chili und Peru aufnehmen wollte. Humboldt, der schon versprochen hatte, mit der Expedition zusammenzutreffen, reiste sofort von Cuba ab, um durch Mittelamerika zu gehen und sich zur Zeit des Eintreffens des französischen Seemannes an der Küste Perus zu befinden. Erst in Quito hörte Humboldt, daß Baudin, statt jene Route einzuhalten, vielmehr in den Pacifischen Ocean einfahren und das Cap der guten Hoffnung umsegeln wollte. Der berühmte Reisende hatte nun schon Alles dem Wunsche untergeordnet, zur richtigen Zeit an der Stelle zu sein, wo er Baudin zu finden hoffte.

Im März 1801 landete Humboldt, immer in Begleitung des treuen Bonpland, in Carthagena, von wo aus er sich nach Santa Fe de Bogota und nachher in die Hochebene von Quito begeben wollte. Die beiden Reisenden verweilten zuerst, um die Hitze vorüber zu lassen, in dem hübschen Dorfe Turbaco, auf den die Küste beherrschenden Höhen, und beschäftigten sich mit den Vorbereitungen zu ihrer Weiterreise. Bei einem Ausfluge in die Umgebungen besuchten sie eine höchst merkwürdige Gegend, welche ihre indianischen Führer wiederholt erwähnten.

Es ist das ein sumpfiger Bezirk inmitten eines Urwaldes von Palmen und »Tolu«-Bäumen, zwei Meilen östlich von Turbaco. Eine verbreitete Legende erzählt, das ganze Land habe früher einmal in Feuer gestanden, das ein Heiliger jedoch durch Bespritzen mit wenig Tropfen Weihwasser löschte.

Humboldt fand inmitten einer ausgedehnten Ebene gegen zwanzig, etwa fünfundzwanzig Fuß hohe Kegel aus grauem Thon, deren Mündung an der Spitze mit Wasser gefüllt war. Nähert man sich denselben, so vernimmt man [504] in regelmäßigen Intervallen einen hohen Ton und sieht einige Minuten später einen starken Gasstrom herausdringen. Diese Kegel befinden sich, den Aussagen der Indianer nach, schon seit Jahren ganz in demselben Zustande.

Humboldt überzeugte sich, daß das jenen kleinen Vulcanen entströmende Gas Stickstoff, aber weit reiner sei, als man denselben bisher in chemischen Laboratorien herzustellen vermochte.


Inmitten dieser riesigen Bäume. (S. 502.)

Santa-Fe liegt in einem Thale, achttausendsechshundert Faß über dem Meere und rings von hohen Bergen umschlossen, die früher einen nicht unbedeutenden [505] See begrenzt zu haben scheinen. Der Rio-Bo gota, der alle Wasseradern dieses Thales aufnimmt, hat sich südwestlich von Santa-Fe, nahe der Farm von Tequendama, einen Weg gebrochen; nachdem er die Ebene dann durch einen engen Kanal verlassen, fällt er in das Becken der Magdalena. Es ergiebt sich hieraus, daß man durch Verschließung dieses Abflusses die ganze Ebene von Bogota überschwemmen und den früher vorhandenen See wieder herstellen könnte. Sowie in den Pyrenäen die Legende von der Bresche Roland's im Schwange ist, so erzählen die Indianer, daß einer ihrer Helden, Bochica, die Felsen, welche den Durchgang versperrten, gespalten und dadurch das Thal von Bogota trocken gelegt habe. Nachher soll sich dieser Wohlthäter, zufrieden mit seinem Werke, nach der sehr gesunden Stadt Eraca zurückgezogen und dort unter Bußübungen und freiwilligen Entbehrungen aller Art noch zweitausend Jahre gelebt haben.

Der Wasserfall von Tequendama bietet, wenn er auch keineswegs der bedeutendste der Welt ist, doch einen recht großartigen Anblick. Der durch alle Gewässer des Thales vergrößerte Fluß hat noch kurz vor den Fällen eine Breite von hundertsiebzig Fuß; wenn er aber in die Spalte eintritt, welche durch ein Erdbeben entstanden zu sein scheint, übersteigt seine Breite nicht mehr vierzig Fuß. Die Tiefe des Abgrundes, in den der Rio-Bogota hinabstürzt, ist gewiß nicht geringer als sechshundert Fuß. Ueber diesem merkwürdigen Fall erhebt sich stets eine Wolke von dichtem Wasserstaub, welche herniedersinkend zu der Fruchtbarkeit des Thales nicht wenig beitragen soll.

Es giebt nichts Ueberraschenderes als den Unterschied zwischen dem Thale dieses Flusses und dem der Magdalena. Auf der Höhe herrscht das Klima Europas und gedeihen das Korn, die Eiche und überhaupt die Bäume unserer Breiten; unten wuchern Palmen, Zuckerrohr und alle Erzeugnisse der Tropenzone.

Eine der interessantesten natürlichen Merkwürdigkeiten, die unsere Reisenden auf ihrem Wege fanden, ist die Brücke des Icononzo, welche Humboldt und Bonpland im September 1801 überschritten. Im Grunde einer jener Schluchten, jener »Cañons«, wie man sie gleich tief nur in den Anden findet, hat sich ein kleiner Bach, der Rio-de-Suma-Paz, durch eine enge Spalte einen Weg gebahnt. Es wäre ganz unmöglich, darüber zu gelangen, wenn die Natur nicht selbst für zwei übereinander liegende Brücken Sorge getragen hätte, welche mit Recht als Wunder der Umgegend betrachtet werden.

[506] Drei, von einem der Berge durch das Erdbeben, welches diese Riesenspalte erzeugte, abgetrennte Felsblöcke sind nämlich so gefallen, daß sie sich gegenseitig halten und einen natürlichen Bogen bilden, über welchen man, auf einem kleinen Fußstege, längs des Abgrundes gehen kann. In der Mitte der Brücke ist noch eine Oeffnung übrig geblieben, durch die man die Tiefe des unermeßlichen Abgrundes wahrnehmen kann, an dessen Boden der Gebirgsstrom mit entsetzlichem Geräusch und unter dem unaufhörlichen Geschrei Tausender umherflatternder Vögel dahineilt. Sechzig Fuß über jener Brücke findet man noch eine zweite von fünfzig Fuß Länge bei vierzig der Breite, deren Dicke in der Mitte acht Fuß nicht übersteigt. Die Eingebornen haben an ihrem Rande ein schwaches Geländer von Schilfrohr errichtet, von dem aus der Reisende die majestätische Scenerie unter seinen Füßen überschauen kann.

Die unaufhörlichen Regen und andere Hindernisse hatten den Weg bis Quito recht beschwerlich gemacht. Humboldt und Bonpland rasteten hier indeß nicht länger, als sie nothwendig brauchten, um einmal auszuruhen, dann begaben sie sich wieder nach dem Thale der Magdalena und nach den prächtigen Wäldern, welche die Abhänge des Quindiu in den Central-Anden schmücken.

Der Weg über diesen Berg wird als einer der schwierigsten der ganzen Kette betrachtet. Selbst während der günstigsten Jahreszeit braucht man nicht weniger als zwölf Tage, um seine Wälder zu durchwandern, in denen man keinem Menschen begegnet und nichts findet, was als Nahrung dienen könnte. Die höchste Spitze steigt zwölftausend Fuß über das Meer empor; der einzig gangbare Weg ist oft nicht über einen Fuß breit. Man passirt diese Stelle meist auf einem Stuhle festgebunden, den die Indianer wie ein Reff auf dem Rücken tragen.

»Wir zogen es vor, zu Fuße zu gehen, sagt Humboldt, in einem Briefe an seinen Bruder, und da die Witterung sehr schön blieb, brauchten wir nur siebzehn Tage durch diese Einöde, wo keine Spuren darauf hindeuten, daß sie jemals bewohnt gewesen wäre. Man schläft hier in Hütten aus Blättern der Heliconia, die man deshalb eigens mitführt.

Auf dem westlichen Abhange der Anden finden sich Sümpfe, in die man nicht selten bis zum Knie einsinkt. Jetzt schlug auch das Wetter um und es regnete Tag für Tag; die Stiefel verfaulten uns beim Gehen und wir kamen mit nackten und wunden Füßen, aber bereichert mit einer schönen Sammlung neuer Pflanzen in Carthago an.

[507] Von Carthago aus gingen wir über Buga nach Popayan durch das schöne Thal des Cauca-Flusses, zu unserer Seite immer die Berge von Choca und die Platinminen, welche diese enthalten.

Den Monat November des Jahres 1801 verweilten wir in Popayan und suchten von da aus die Basaltberge von Julusuito und die Krater des Vulcans von Purace, welche mit schrecklichem Getöse schwefelwasserstoffhaltiges Wasser und die porphyritischen Granite von Pische auswerfen...

Die größte zu besiegende Schwierigkeit stand uns nun noch zwischen Popayan und Quito bevor. Da mußten die Paramos de Pasto, und zwar während der eben begonnenen Regenzeit überschritten werden. ›Paramo‹ nannte man in den Anden die Oertlichkeiten, wo in einer Höhe von 1700 bis 2000 Toisen alle Vegetation aufhört und eine markdurchdringende Kälte herrscht. Um die Hitze im Thale von Patia zu vermeiden, wo man sich in einer Nacht ein Fieber holen kann, das drei bis vier Wochen andauert und unter dem Namen ›Calenturas de Patia‹ bekannt ist, überkletterten wir die Cordillere auf steilen Abhängen, um von Popayan nach Almager und von da nach Pasto, am Fuße eines furchtbaren Vulcans, zu gelangen...«

Das ganze, oberhalb der Linie des Pflanzenwachsthums gelegene Gebiet von Pasto ist eine in Eis erstarrte Hochebene, umgeben von Vulcanen und Solfataren, welche ununterbrochen Rauchwirbel ausstoßen. Die Einwohner haben als Nahrung fast nur Pataten, und wenn ihnen diese ausgehen, müssen sie sich von einem, »Achupalla« genannten Zwergbaume zu sättigen suchen, den ihnen überdies die Bären der Anden streitig machen. Nachdem sie zwei volle Monate hin durch Tag und Nacht durchnäßt dahingezogen und nahe der Stadt Ibarra noch eine von Erderschütterungen begleitete Ueberschwemmung mit in den Kauf nehmen mußten, kamen Humboldt und Bonpland am 6. Januar 1802 in Quito an, wo sie der Marquis de Selva-Alegre mit herzlicher, glänzender Gastfreundschaft empfing.

Die Stadt Quito selbst ist schön zu nennen; die schneidende Kälte aber und die kahlen Berge der Umgebung verleiden Jedem den Aufenthalt daselbst. Seit dem starken Erdbeben vom 4. Februar 1797 hatte die Temperatur hier merklich abgenommen, und Bouguer, der früher eine gewöhnliche Temperatur von fünfzehn und sechzehn Graden beobachtete, würde nicht wenig erstaunen, jetzt nur constant vier bis höchstens zehn Grad Réaumur anzutreffen. Der Cotopaxi, Pinchincha, Antisana und Ilinaça, lauter Riesenkamine eines und [508] desselben unterirdischen Feuerherdes, wurden von den beiden Reisenden, welche auf jedem gegen vierzehn Tage verweilten, eingehend untersucht.

Zweimal kam Humboldt bis an den Krater des Pinchincha, den, mit Ausnahme La Condamine's, noch kein Mensch erblickt hatte.

»Meinen ersten Ausflug, schreibt er, unternahm ich allein mit einem Indianer. Da sich Condamine dem Krater einst an dessen niedrigem, schneebedecktem Rande genähert, folgten wir beim ersten Versuche seiner Fährte. Dabei wären wir jedoch bald umgekommen. Der Indianer versank plötzlich bis an die Brust in eine Spalte, und wir überzeugten uns mit Entsetzen, daß wir auf einer Brücke von gefrorenem Schnee dahin gegangen waren, denn wenige Schritte von uns entfernt, befanden sich Oeffnungen in derselben, durch welche wir das Tageslicht darunter sehen konnten. Somit befanden wir uns unbewußt auf einer Art Wölbung, welche schon dem Krater selbst angehörte. Erschreckt, doch nicht entmuthigt, änderte ich meinen Plan. An dem Kraterrande springen nämlich drei Pics, drei Felsen ohne Schneedecke hervor, da die aus dem Vulcan aufsteigenden Gase dieselben immer wegschmelzen. Ich erklomm einen der Felsen und fand auf seinem Gipfel einen Stein, der, nur auf einer Seite festsitzend und auf der unteren ausgehöhlt, balkonartig über den Abgrund vorsprang. Dieser Stein maß freilich nur zwölf Fuß in der Länge auf sechs in der Breite und zitterte unter fortwährenden Erschütterungen, deren wir achtzehn in kaum dreißig Minuten zählten. Um den Grund des Kraters ordentlich besichtigen zu können, legten wir uns lang auf den Leib hin, und ich glaube nicht, daß die menschliche Einbildungskraft sich etwas Traurigeres, Düstereres und Entsetzlicheres vorzustellen vermag als das, was wir hier unter uns sahen. Die Vulcanöffnung bildet ein trichterförmiges Loch von etwa einer Meile Umfang, dessen oben steil abfallende Wände mit Schnee bedeckt sind. Im Innern herrscht tiefe Dunkelheit; der Schlund ist aber so groß, daß man in demselben die Gipfel mehrerer aus dem Grunde aufsteigender Berge wahrnehmen konnte, die bis etwa dreihundert Toisen unter uns heraufreichten; wer sagt nun, wie tief ihr Fuß eingebettet sein mochte?

Ich glaube, daß der Kratergrund mit der Stadt Quito in gleichem Niveau liegen möge. La Condamine hatte den Vulcan für erloschen angesehen und mit Schnee bedeckt gefunden; wir mußten den Bewohnern Quitos leider die weniger angenehme Nachricht bringen, daß dieser unheimliche Nachbar noch heute in vollem Brande steht.«

[509] Auf dem Vulcan Antisana kam Humboldt bis 2773 Toisen hinauf, da drang den Reisenden aber das Blut aus den Lippen, Augen und dem Zahnfleische heraus und hinderte sie, noch höher zu steigen. Auch bis an den Kratermund des Cotopaxi vermochten sie unmöglich vorzudringen.

Am 9. Juni 1802 brach Humboldt, immer in Begleitung Bonpland's, von Quito auf, um den Chimborazo und den Tunguragua zu besuchen. Es gelang ihnen, sich dem Gipfel des ersten dieser Vulcane bis auf 250 Toisen zu nähern, doch zwangen sie dann dieselben Zufälle wie auf dem Antisana zur Umkehr. Der Gipfel des Tunguragua ist seit dem Erdbeben von 1797 zusammengebrochen, und seine von La Condamine auf 2620 Toisen bestimmte Höhe erreichte bei Humboldt's Messungen nur noch 2531 Toisen.

Von Quito aus begaben sich die Reisenden nach dem Amazonenstrome über Lactacunga, Hambato und Rio-Bameba, ein vom Erdbeben des Jahres 1797 arg verheertes Gebiet, in dem mehr als vierzigtausend Menschen unter Schlamm- und Wassermassen den Tod gefunden hatten. Beim Herabsteigen von den Anden konnten Humboldt und seine Begleiter noch die Ueberreste der Chaussee von Yega bewundern, welche, von Cusco nach Assuay führend, als »Inka-Straße« bezeichnet wird. Sie war durchweg aus behauenen Steinen hergestellt und sehr gut geebnet. Man glaubte wirklich, eine der schönsten altrömischen Straßen vor sich zu haben. In derselben Gegend finden sich die Palastruinen des Inka Tupayupangi, von denen schon La Condamine in den Berichten der Berliner Akademie eine Beschreibung lieferte.

Nach zehntägigem Aufenthalte zu Cuenca wandte sich Humboldt nach dem Bezirke von Jaen, nahm eine Karte des Marañon bis zum Rio-Negro auf und erfüllte durch seine astronomischen Beobachtungen das von La Condamine's Karte noch übrig gebliebene Desideratum vollständiger Verläßlichkeit. Am 23. October 1802 gelangte Humboldt nach Lima, wo er den Merkur-Durchgang durch die Sonnenscheibe unter den günstigsten Umständen beobachten konnte.

Einen Monat lang hielt er sich in dieser Hauptstadt auf und reiste dann nach Guayaquil, von wo aus er sich zur See nach Acapulco in Neu-Spanien begab. Die erstaunliche Menge von Beobachtungen, welche Humboldt während seines einjährigen Aufenthaltes in diesem Lande zusammenbrachte und die ihn veranlaßten, seine »Politisch-statistische Abhandlung über Neu-Spanien« herauszugeben, würde, wenn das nach dem, was wir über seine früheren Unternehmungen gesagt haben, noch nöthig wäre, den Beweis liefern, von welchem [510] Wissensdrange er beseelt und mit welch' unbezähmbarer Energie und unermüdlicher Arbeitskraft er begabt war.

Er beschäftigte sich gleichzeitig mit den Alterthümern und der Geschichte Mexikos, studirte Charakter, Sitten und Sprache der Bewohner und stellte daneben noch naturhistorische, physikalische, chemische, astronomische und geographische Untersuchungen an.

Die Bergwerke von Tasco, Moran und Guanajuato, welche jährlich mehrere Millionen Piaster liefern, erregten zunächst die Aufmerksamkeit Humboldts, dessen erste Studien ja die Geologie betrafen. Dann nimmt er den Vulcan von Jerullo in Augenschein, der am 29. September 1759, mitten in endloser Ebene, sechsunddreißig Meilen vom Meere und mehr als vierzig Meilen von jedem vulcanischen Herde entfernt, plötzlich aus der Erde hervorbrach und einen siebzehnhundert Fuß hohen Bergkegel von Asche und Schlacken bildete.

In Mexiko fanden die beiden Reisenden alle Hilfsmittel, ihre ungeheuren Sammlungen zu ordnen, ihre Beobachtungen zu classificiren und die Vorarbeiten zu einem herauszugebenden geologischen Atlas zu vollenden.

Diese Stadt verließen sie erst im Januar 1804, um den Ostabhang der Cordilleren kennen zu lernen und die beiden Riesenvulcane von Puebla zu messen.

»Der Popocateptl, sagt Desborough Cooley, ist in beständiger Thätigkeit, obwohl sein Krater seit Jahrhunderten nichts als Rauch und Asche ausgeworfen hat. Er übertrifft alle Berge Europas an Höhe um zweitausend Fuß und ist selbst der höchste Berg Neu-Spaniens. Die eben gefallene große Menge Schnee verhinderte Humboldt nicht an einer Besteigung des Cofre, der den Pic von Teneriffa um dreitausend Faß überragt. Vom Gipfel dieses Berges genießt man eine ebenso ausgedehnte als wechselreiche Aussicht über die Ebene von Puebla bis zu dem Ostabhang der Cordilleren Mexikos, die mit dichten Wäldern von Ambrabäumen, baumartigem Strauchwerk und vielerlei Pflanzen bedeckt sind. Unsere Reisenden konnten auch den Hafen von Veracruz, die Burg Saint-Jean d'Ulloa's und die Küste des Meeres erkennen.

Dieser Berg verdankt seinen Namen ›Cofre‹ (der Koffer) einem nackten, pyramidenförmigen Felsen, der sich auf seinem Gipfel noch zu einer Höhe von vier- bis fünfhundert Fuß erhebt.«

Nach diesem letzten Abstecher stieg Humboldt nach Veracruz hinab, entging glücklich dem damals wüthenden gelben Fieber, reiste von hier aus nach Habana, wo er im Jahre 1800 den werthvollsten Theil seiner Sammlungen zurückgelassen [511] hatte, widmete in Philadelphia einige Wochen dem, nothwendiger Weise nur summarischen Studium der politischen Zustände in den Vereinigten Staaten und kehrte im August 1804 nach Europa zurück.

Die Resultate der Reisen Humboldt's waren so umfassender Natur, daß man diesen Heroen der Wissenschaften als den eigentlichen Entdecker des äquinoctialen Amerikas ansehen muß. Vor ihm beutete man dieses Land wohl aus, doch ohne es selbst zu kennen, und ganz unermeßliche Schätze desselben blieben völlig unbeachtet liegen. Man muß es laut verkündigen, daß noch kein Reisender die physische Geographie und alle damit verwandten Wissenschaften um eine so große Strecke vorwärts brachte, als Humboldt. In ihm ist der ausgebildete Typus des gelehrten Reisenden verkörpert.


Notes
• Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts
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TextGrid Repository (2012). Verne, Jules. Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-7587-5