[122] 11.

Ich hab' es hundertmal erfahren,
Daß mir die reinsten Herzensfreuden
Ein blut'ger Quell von Schmerzen waren.
Mit Herz und Leib, mit Geist und Sinnen,
Als Schönheit und Genuß versuchte
Den Blick mir Liebe zu umspinnen,
Als höchste Kraft und Gluth im Leben,
Als Drang nach That und Ruhm und Ehre
Die Freundschaft meinen Muth zu heben.
Ich schlang mit glühendem Vertrauen
Den Arm um manchen schönen Nacken,
Sah manches Aug' in Thränen thauen.
Mit mir zu streben und zu handeln
Schwur manches Heldenherz, und manches
Den rauhen Pfad des Ruhms zu wandeln.
Doch weil ich hier auf unsrer Erden
Kein Heil'ger bin und kein Apostel
Und erst im Himmel möcht' es werden,
So war es leicht mich zu bethören,
Denn aus dem Kelch, den sie mir reichten,
Konnt' ich den Satan nicht beschwören.
So schlürft' ich denn, ein trunk'ner Zecher,
Von Freund und Mädchen süß umlispelt,
Der Hölle Gift aus vollem Becher.
Drum muß ich jetzt alleine bleiben,
Und ohne Freund, und ohne Liebchen
Im öden Strom des Lebens treiben.
[123]
Und siehst du einst noch halb erschlossen
Aus gift'gem Boden manches Veilchen
In meines Lorbeers Schatten sprossen,
So sei dir eben nicht verhehlet,
Daß jenen Blumen ihre Seele,
Der schöne Duft, der Glaube fehlet.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Waiblinger, Wilhelm. Gedichte. Oden und Elegien aus Rom, Neapel und Sicilien. Oden aus Neapel und Lieder aus Capri und Sorrent. Lieder aus Capri. 11. [Ich hab' es hundertmal erfahren]. 11. [Ich hab' es hundertmal erfahren]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8A65-6