Die achtundvierzigste Fabel.
Vom Hund und Fuchs.

Es het ein baur ein treuen hunt,
Der sich auf alle sach verstunt,
Dem er zu hüten bfelhen tet
Sein haus und hof, als, was er het.
Daß er dest baß als dings het acht,
Het er im ein register gmacht,
Schaf, rinder, ochsen, kelber, schwein,
Hüner und gens und alles sein
Het er stückweis verzeichnet eben,
Von dem er all solt rechnung geben.
Derhalb der hunt verursacht wart,
Daß er tag, nacht, zu aller fart
Dest fleißiger und wacker wer,
Daß in nit bschulden könt sein herr.
Nit weit vom hof, hinder eim zaun
Da lag ein fuchs, vor alter braun,
Schlich nach den hünern alle morgen;
Für dem must sich der hunt besorgen.
Stets wenn er het im haus zu tun,
So kam der fuchs und nam ein hun.
[254]
Der hunt sprach: »Kan ich alles warten
Übral, im haus, im hof, im garten,
Und in dem stall schaf, kelber, küe?
Das braucht vil witz und hat vil müe.
Jedoch die wolf selten her traben,
Weit in dem holz ir wonung haben;
Könt ich nur vor dem fuchs die hüner,
Welch an der zal sich teglich mindern,
Schützen, so wolt ich friedsam leben
Und nit vil umb die wolfe geben«,
Und trachtet fleißig nach den sachen,
Tet mit dem fuchs ein frieden machen,
Daß er in wolt all tag, all morgen
Mit fleisch und ander speis versorgen,
Sich reichlich bhelfen mocht davon,
Daß er im ließ die hüner gon,
Mit dem beding, daß er solt warten
Außen dem zaun und umb den garten,
Daß, wenn der wolf heimlich einschlich
Bei nacht in stal und unders vich,
So solt ern schrecken mit dem hetzen
Und gleichs dem hund auch an in setzen.
Der fuchs bewilligt den contract,
Glauben und treu dem hund zusagt.
Wie solchs ein ebne zeit nu wert,
Der fuchs sich mest, mit ru sich nert
In überfluß in guten tagen
Und wust von keinem unfall zsagen;
Für völle bei dem zaun entschlief.
Ein starker wolf nach gensen lief;
Das sahe der hunt und ward bald wacker
Und folgt dem wolf nach auf den acker,
Legt sich da mit im in den streit:
Da war dem wolf das maul zu weit,
Den armen hunt so lang anzant,
Biß ern zuletsten übermant.
Der fuchs het schier ausdaut den bauch,
Lag nah hinder eim kleinen strauch;
[255]
Den hunt sahe ligen auf der seiten,
Dacht: wirst mir heut das mal nit breiten!
Zuhand ward sein gewar der hunt
Und sprach: »Gedenk jetzt an den bunt!«
Der fuchs sprach: »Wolt, daß beßer wer!
Sihe wol, gibst mir kein früstück mer;
Drumb kan ich nit mit wolfen fechten.«
Der hunt sprach: »Hettestu mir nechten
Solch deine untreu angesagt,
Ich het mich nit so weit gewagt.
O we, o we der großn untreu!«
Da sprach der fuchs: »Das ist nit neu:
Weils einem glückt, wol umb in stet,
Ein jeder freundlich zu im get;
Komt er aber in ungefell,
So heißts: kein gelt, auch kein gesell!«
Das ist der brauch jetzt in der welt:
Wer nur ist reich und hat vil gelt,
Der wird gar wert und teur gehalten
Von reich und armen, jung und alten,
Und alles, was er tut und sagt,
In alln gefellt und wol behagt,
Und tun sich fleißig zu im fügen,
Dieweil sie sein genießen mügen:
Welchs Ovidius, der poet,
In seinem leid auch klagen tet.
Da er seins glücks litt ein schiffbruch,
Schreibt tristium im ersten buch:
»Wenn dichs glück reichlich tut begaben,
So wirst vil freund zu zelen haben;
Wenns aber komt zur bösen zeit,
Denn stest allein in deinem leit.«
Zun schönen heusern mit großen summen
Allzeit vil tauben gflogen kummen;
Eim alten haus, zerrißen dach
Fliegen zwar nit vil tauben nach.
Im leren tenn, frisch gworfen auf,
Findt man selten ein ameishauf.
[256]
»Kein freund sich bei dir finden laßt,
Wenn du dein gut verloren hast.
Die sonn get auf mit großer pracht,
Mit irem glanz vil schatten macht;
Bald sich ein wolk legt überzwer,
So siht man auch kein schatten mer.
So tun die leut; weil sie das liecht
Des glücks bein freunden scheinen sicht,
So bstens; wenn abr das liecht verlescht,
Ein tropf waßers all lieb abwescht.«
Im selben buch am andern ort
Schreibt er auch dise folgend wort:
»Gleich wie man golt probieren tut
In großem feur und heißen glut,
Also siht man in böser zeit,
Wies mit dem glauben sich begeit.
Wenn eim das glück freundlich zulacht,
Mit dem ein jeder freundschaft macht,
Und denken sein all zu genießen,
Mit seinem gut irn kummer büßen.
Wenn abers glück gewinnt den sturz,
Zuhand wird alle freundschaft kurz,
Und der mit freunden war umbringt,
Umb den sich jetzt kein freund mer dringt.
Solch untreu und solch elend wesen
Hab ich vil von den alten glesen,
Welchs jetzt wird auf ein haufen gar
Mit schaden an mir selber war.
Denn jetzt sein kaum zwen oder drei,
Die mir in nöten treten bei;
Den andern hauf muß faren laßen,
Sie sein allein des glücks genoßen.
Denn da michs unglück erst anstieß,
Aus forcht ein jeder freund abließ,
Da het all freundschaft gar ein end,
Mir ward der rucken zugewendt.
[257]
Drumb wer im unfall erst abweicht,
Sich dem ungwissen glück vergleicht,
Der ist untreu; wenns glück abtrit,
So spricht er bald: ich kenn sein nit!«

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TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Zweiter Theil. Das vierte Buch. 48. Vom Hund und Fuchs. 48. Vom Hund und Fuchs. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8D13-6