[101] Die fünfundsechzigste Fabel.
Von der Kräen und dem Schaf.

Auf einem schaf da reit ein kro,
Sie sang und war von herzen fro;
Da sprach zum selben schaf ein hund,
Der dasselbig mal bei im stund:
»Das leid, das dir die kräe jetzt tut,
Solt mir nicht kommen so zu gut;
Ich sag fürwar, wenn ich das tet,
Kein großen dank desselben het,
Bekem, halt ich wol, schleg darzu.«
Die kräe sprach: »Weiß wol, wem ichs tu.
Der frum mit gdult solchs von mir leidt;
Die bösen ich fürwar nicht reit.«
Der Schweizer singt; »Der from und grecht,
Auch der einfeltig und der schlecht
Muß allezeit dahinden bleiben
So wol bei mannen als bei weiben.«
Der schwache wird vom starken gschlagen,
Der kränkest muß das liecht auch tragen;
Der freche tut seins willens leben,
Im darf auch niemand widerstreben,
So lang biß Gott, der richter, kümt,
Die böcke von den schafen nimt,
Eim jedern gibt nach seiner tat,
Gut, bös, wie ers verdienet hat;
Denn wird des armen schad gerochen,
Des starken hoffart, troz und bochen
Muß mit im ewiglich vergan:
Kein andern trost die frommen han.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Erster Theil. Das erste Buch. 65. Von der Kräen und dem Schaf. 65. Von der Kräen und dem Schaf. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8E74-2