Die fünfundachtzigste Fabel.
Von Vögeln und irem Könige.

All vögel einst zusamen kamen,
Der meinung und in solchem namen,
Kiesen noch einen könig herr;
Dem adlar wurds allein zu schwer
Und oftmals sich beklagen tet:
Gut wers, daß man noch einen het.
Sie stimmten umbher all zumal:
Die meinung bhagt den vögeln wol.
Die krae allein solchs widerriet
Und sprach: »Tut solchs bei leibe nit!«
Sie sprachen all: »Du weist nicht drumb,
Ists nicht geraten, sag, warumb?
Weistu ein beßern rat zu geben,
So wölln wir all desselben gleben.«
Sie antwort, sprach: »In einen sack
Nicht so vil als in zwene mag;
Ir habt vil baß einen zu stillen,
Denn daß ir solt vil secke füllen.«
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Wenn man neu herrn und münz wil kiesen,
So muß man vor der hand verliesen.
Zween herrn zu gleich machens nit aus;
Dient nit, zwen narrn in einem haus,
Und wenn man sich wil oft verneuen,
Muß man zuletst am reuel keuen.
Die fliegen, welch vil zeit und stunden
Zu sitzen pflegen auf den wunden,
Daß sie sich haben voll gesogen,
Schaden nicht als die erst geflohen,
Kummen mit lerem bauch daher:
Die magern mücken beißen ser.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. 85. Von Vögeln und irem Könige. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-90D7-F