Dreiunddreißigste Fabel.
Von einem Tiriakkremer.

Mitten im sommer ich einst kam
In Holland hin gen Amsterdam.
Traf sichs, daß eben jarmark war,
Wie umb dieselbig zeit all jar
Gehalten wird; daselb umbschaut:
Vil kremer hetten aufgebaut.
Gar laut von fern einr rufen tet,
Als ob einer gepredigt het.
[210]
Das volk lief zu mit großen haufen,
Ich gunt mit andern auch hinlaufen.
Da stund ein abenteurer dort
Am platz auf einem höhern ort,
Der het ein tuch, das war gemalt
Von seltzam tiern greulicher gstalt,
Würm, kroten, eigdechs, ottern, schlangen,
Das het er an ein spieß gehangen,
Und schütt aus einem ledersack
Vil kleiner büchslin mit tiriak,
Von kraut und wurzeln mancherlei;
Macht gar vil wort und groß geschrei.
Ein korb het er gesetzt dahin:
Da warn vil kleiner brieflin in,
Wie heuslin gmacht und zugedrückt,
Warn mit eim gstoßnen pulver gspickt.
»Schaut, lieben leut«, rief er gar laut,
»Hie ist ein wunder heilsam kraut,
Daß ein des nachts die flöh nit beißen;
Ja, wer sich tut desselben fleißen,
Derselb ist frei von solchen bösen,
Und kans mit einem stüver lösen.«
Das volk drang zu und war getrost;
In einer stund hets gar gelost,
Ein gute summa gelts erwischt,
Mit bösem netz gar wol gefischt.
Ich blieb besten und sah in an,
Biß daß das Volk da gar zerrann.
Sein kram begunt er bald zu sacken,
Wolt sich eilend von dannen packen.
Als er beinahe gar flüßig war,
Ein altes weib kam laufen dar,
Die er auch umb ir gelt betrogen,
Mit seiner bösen laugen zwagen,
Sie sprach: »Ich hets vergeßen schier:
Ach, lieber meister, sagt doch mir,
Wie sol ichs brauchen oder nützen,
Daß ich mich vor den flöhn mög schützen?«
[211]
Er lacht und sprach: »Ir seit gar spitzig
Und all den andern vil zu witzig.
Umb das kraut hab ich allein heut
Ghabt wol etlich hundert kaufleut;
Doch hat mich keiner fragen wolt,
Wie man das pulver brauchen solt.
Drumb sag ichs euch auch jetzt allein;
Bitt, machts den andern nit gemein:
Wenn euch ein floh begint zu stechen,
Den greift und tut ims maul aufbrechen,
Streut im das pulver auf den zan,
So stirbt er bald von stunden an.«
Die welt hat jetzt vil junger gsellen,
Die dem gelt wunderlich nachstellen;
Mit irem nücken, fatzen, liegen
Jetzt fast die ganze welt betriegen.
Man solt solch müßiggende knaben
Mit eim starken waßertrunk laben
Und in den Rhein fünf elen senken
Oder am hanf im luft ertrenken;
So müsten sie mit solchen boßen
Ir triegerei und stelen laßen.
Ich sahe des gleichen einst zu Eimbeck
Auch von eim solchen gsellen keck:
Dem llagt ein arme frau ir not
Und fragt, wie teur er geb ein lot
Bocksblut. Er sprach: »Ist klein gewin;
Umb fünf matthier nemt es hin.«
Da sprach die frau: »Es ist zu teur;
Umb ein hab ichs gekauft noch heur,
Da sich mein man verbrochen het
Und ich in damit heilen tet.«
Er sprach: »Das laß ich wol geschehen!
Desgleichen habt ir nicht gesehen,
Diß breng ich von Venedig her
Aus weiten landen über mer:
[212]
Da eßen anderst nicht die böckn
Denn süße trauben von weinstöckn,
Von edlen beumen zimetrinden:
Desgleichen wird man hie nit finden.
Drumb hat das blut vil größer kraft.«
Mit solchen worten er verschafft,
Sie nams und gab im fünf Mattheier.
Da lacht derselbig leutgeheier,
Sprach: sihe wol, solt mir sonst nit glücken,
Wenn ich die baurn nit könt benücken.

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TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Zweiter Theil. Das vierte Buch. 33. Von einem Tiriakkremer. 33. Von einem Tiriakkremer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9103-5