Amor betrogen

Cupido einmal sehr verdrossen,
daß er hat so vil pfeil umsunst
auf meine Myrta los geschossen,
die niemals achtet seiner kunst,
erwählet, ihre zarte schoß
zu wunden, zornig, ein geschoß.
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Also flog er bald in den garten,
da er dieselb zu sein gedacht,
und nehmend war von fern der zarten,
die ihn in dise welt gebracht,
»wolan, sprach er, nu soll dein blut
recht büßen, Myrta, deinen mut.«
Er spannet, unweis, seinen bogen,
und, zilend auf das herz ohn gnad,
schoß er ihn plötzlich los, betrogen,
in seiner mutter brust gerad,
darauf dan ein elender schmerz
vergiftet bald der göttin herz.
»Ach weh! was magst du wol gedenken,
sprach sie, undankbar böser knab?
wie kanst so tödlich du bekränken
die, welche dir das leben gab?
und sparest gleichwol deine macht
noch wider die, die dich verlacht.«
Die red so sehr das kind erschrecket,
daß es bald seine wängelein
mit heißen zähern überdecket
und schrie: »Ach, liebes mütterlein,
verzeihet mir, dan ich nam euch
für Myrta, deren ihr gar gleich.«

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Weckherlin, Georg Rodolf. Gedichte. Gedichte. Amor betrogen. Amor betrogen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9286-6