Gemälde, unvollkommenlich begreifend die unbegreifliche vollkommenheit, damit Frau Amelia Elisabeth, landgräfin zu Hessen gezieret

O Musen, die ihr mich durch eurer lieb genuß
in krankheit, arbeit, leid und des hofs überfluß
mit arznei, ruh, trost, maß erquicket und erhalten,
erweiset dieses mal durch ein besondre gunst,
die ich von euch ersuch, daß eurer lieb inbrunst,
wie mein herz gegen euch, kan nimmermehr erkalten.
Gleichwol wan ich bedenk, daß euch, wie mir, bewust
mit wie getreuer lieb und mit wie keuschem lust
[265]
ich stets euch und ihr mich geehret und gelehret,
daß ich auch eure lehr und ehr nicht gab dahin
für einiger geilheit, golds oder gelts gewin,
so weiß ich, daß ihr mich in allem gern gewehret.
Zwar die, für welche nu ich eure gunst begehr,
hat eure eigne zucht und jeder tugend lehr,
alsbald vom himmel sie zu uns herkam, empfangen,
da ihr geburtstag dan, des Teutschlands freudenfest,
weil ihr der himmel gab das schönest und das best,
war von den tugenden und euch selbs gern begangen.
Da sanget ihr zumal mit klar und wahrer stim:
»Willkom, du himmelskind, von dem des himmels grim,
welchen er wider uns, soll bald gestillet werden!
willkom der tugend seel, willkom der schönheit leib,
denen gleich keine Nymf, noch keines helden weib,
willkom des himmels lieb, willkom die zierd der erden!
Dich göttin des Teutschlands will gottes gnadenhand
mit allem seinem schatz, auf daß doch in Teutschland
die treu erhalten werd, vollkommenlich begaben:
und du, landgräfin, solt auf ganz gleichlose weis
mit wunderreicher müh, mit heldengleichem fleiß
des höchsten wort und volk handhaben und begaben.
Dan wolt schon mancher held mit deiner schönheit pracht,
mit deiner weisheit schatz, mit deiner tugend macht
sein herz, sein volk, sein land erquicken, segnen, zieren,
soll ihrer keiner doch zu seiner frechheit straf,
weil keiner deiner wert, dan allein ein landgraf,
zwar nur ein kurze zeit mit deinem schmuck prachtieren.
Dan demnach in Teutschland die fürsten mehrer theils
verachtend gottes wort, nichts achtend des volks heils,
feig, üppig, ungerecht, nur ihrem lust nachtrachten,
daher der himmel will, daß sie, wie sie dan wert,
einander, voll und doll, mit ihrem eignen schwert,
mit ihrem wein ihr blut und schand vermischend, schlachten:
Hat dich der höchst gesandt, ein fürstliches geschlecht,
das ihm sehr lieb, und dan die gotsforcht, treu und recht,
von zwang und undergang erhaltend, zu vermehren,
und soll das teutsche reich dein götlicher verstand,
[266]
den helden ein beispiel, wie auch dein mund und hand
sein alte redlichkeit und wohlfahrt wieder lehren.
Wolan, so wachs nu bald an gottes lieb und gnad
zu aller frommen trost; gewiß auf unserm pfad
soll über allen wunsch dir stets so wol gelingen
und sollen deine werk so herrlich und so vil
und unvermehrlich sein, daß unser stim und spil
wird sein zu schwach und schlecht, dich nach gebühr zu singen.«
Und dieses sangen sie mit süßer melodei
und noch vil mehr darzu, als eine prophecei,
die man mit großer freud sah ohn verzug erfüllen,
dan dieses himmelkinds geschmöll, spil und anblick
bezeugten, daß sie solt, verhindrend das unglück,
vorkommen ihrer zeit und des volks klagen stillen.
Auch kan die weite welt kein liecht, blum oder stein
des himmels, lands und meers, wie immer klar, schön, rein,
als diser unser stern, ros und perlein bereichen;
sich kan kein andre zierd mit disem höchsten schmuck
diser vollkommenheit, des himmels meisterstuck,
genant Amelia Elisabeth, vergleichen.
Der spiegel, welchen sie stets zu gebrauchen pflag,
war die fürsichtigkeit, die sie dan nacht und tag
bald ihre schuldigkeit und der welt thorheit lehret:
daher ohn anstreichfarb, ohn fürwitz und ohn kunst
ist ihr nichtfalscher pracht die höchste zierd und gunst,
mit denen die natur ihr ehr und zucht gewehret.
Der schönheit, so ihr gold, erquickend reicher glanz
krönet ihr wertes haupt mit wahrer weisheit kranz,
ihr leib von tugenden, als kleinoten, ganz glänzet;
gleich einem güldin stuck die gotsforcht um und um
ganz ihren leib und geist, gleichwie ein heiligtum,
wie dan die göttin selbs, erleuchtet und ergänzet.
Alsbald sie frölich nun ankam bei dem schiedweg,
da der ein flach, breit, gut für die weich und träg,
der ander aber hoch, rau und eng durchzukommen,
hat sie sich nicht so lang als Herkules bedacht,
[267]
sondern für ihre reis mit großem mut und macht
der tugend rauen rank zu treten fürgenommen.
Kein wollust, kurzweil, spil, gedicht, noch buhlerschrift,
und was der zeit verlust, und was der jugend gift,
kont ihren fleiß und ernst von dieser reis abwenden;
je höher die steg war, je frischer ihre reis.
und jemehr solcher paß erfordert müh und schweiß,
je mutiger ist sie, den weg wol zu vollenden.
Ihr götliche vernunft, von aller eitelkeit
und allem anstoß frei, mit kluger fertigkeit
half über ihren feind ihr mutig allzeit sigen,
bis sie, stets fahrend fort, mit lieblichem bestand,
mit angenehmer müh und götlichem beistand
den gipfel und den thron der höchsten ehr erstigen.
Daher ward mancher held von ihres werts gerücht
und ihrer schönheit kraft durch das ohr und gesicht
mit wunder und mit lieb versehret und verzehret;
doch selig ward mit ihr allein der große prinz,
dem, als der götter freind, daß sein haus und provinz,
durch sie vermehret würd, der himmel sie bescheret.
Der fürst, erkennend wol, wie köstlich sein gewin
an diesem kleinot war, zog selbs nach Hanau hin,
da sie dan über ihn, er mit ihr triumfieret;
und auf daß er fürhin mit seinem volk und land
from, frei und frölich blieb, hat mit getreuer hand
er diese göttin selbs gesegnet heimgeführet.
Zwar ihrer schwanen lied und ihrer Nymfen leid,
damit der Main und Rhein vermischten ihre freud,
ließ hochzeit noch heimfart so frölich nicht abgehen,
daß nicht, Europa gleich, das väterliche feld
verlassend, sie, die zierd des lands und aller welt,
süß seufzend sich aus lieb nach ihnen must umsehen.
Doch froh ist Hessenland, da sich dan mancher fluß,
wald, forst, feld und gebürg mit allem überfluß
an fischen, wild, vih, frucht, holz und gevögel findet;
da auch manch schöne stat, fleck, vestung und gebäu
und sonderlich ein volk, from, redlich, kühn, getreu,
sich selbs und seinen feind gemeinglich überwindet.
[268]
Zu Cassel jederman, den fürstlichen einzug
zu ehren, zeiget sich geflissen, kunstreich, klug,
beschönend jeden paß mit reichen triumfbogen,
darunder dan mit freud die göttin überklar,
von aller ritterschaft und der halbgötter schar
durch des volks herzliche glückwünschung eingezogen.
»Willkom, du unsers heils bekräftigung, willkom!«
erklangen durch die luft die Nymfen um und um
mit dem getös der Fuld und Weser laut zusammen:
»o lang begehrter trost und nu gewehrter ruhm!
des himmels süße lieb, des erdreichs schönste blum!
willkom, zu segnen uns mit deinem schönen namen!
Des weiblichen geschlechts gleichlose zier und ehr,
des fürstlichen geblüts weis und gerechte lehr,
mit deiner gegenwart kom uns nu zu erquicken!
du einiges beispil des hochgebornen stands,
du spiegel alles werts, du göttin des Teutschlands,
mit deinem süßen glanz kom uns nu zu beglücken.
Schau und erken uns nu, uns, die wir numehr dein!
laß uns, laß dises land nun deine fürsorg sein,
dan dir der feinden list und anschläg nicht verborgen;
beschau, beschütz, besitz durch unsers fürsten hand
und deinen weisen rat die kirchen und das land
und thu, wie wir für dich, du für uns freindlich sorgen!
Glückselig manches jahr wird mit dir dein gemahl,
als dem die weite welt kein würdigere wahl,
dan dich, der welt selbs wert, verleihen kont wolleben;
und göttin (dan dir ja kein weibsbild jemal gleich)
got will vil freud, hilf, glück ihm, disem land und reich
durch deine weisheit, müh und leibsfrucht endlich geben.
Wan aber mit der zeit (dan eines jeden zil
vest, unveränderlich) der held aus der welt spil
wird zu der götter zunft von dir und uns gerissen,
alsdan dein großer mut und götliche vernunft,
allzeit bereitend dich zu alles leids ankunft,
wird dich nach gottes wort schon zu bequemen wissen.
Jedoch bleib, göttin, du, wie du bist, wol zu mut,
genieß, wie wir durch dich, so du mit uns, das gut,
[269]
so der höchst beederseits freigebig uns mittheilet,
bedenkend, wan es gnug, daß ja ein jeder tag,
wan got will, mit geduld erduld sein eigen plag,
daß der allein, der uns versehret, uns auch heilet.
Wolan, bleib frölich hier und emsiglich erfüll
dein sauersüßes ampt und was got haben will,
und bleib nu des lands sonn, davon wir stark und munder,
des fürsten bester schatz, der frommen hohe freud,
der kirchen liebes liecht, der feinden tiefes leid
des rats und staats gestirn, der welt phönix und wunder.«
Hiemit in höchster freud war sie gen hof gebracht,
da mäniglich bekant, daß nicht mit größrem pracht
die göttin Cynthia in vollem glanz zu sehen;
ja, alle göttinnen, wie immer schön, weis, reich,
als die mit allem schmuck der unsrigen nicht gleich
müssen an schönheit ihr und tugent weit nachgehen.
O große mayestet! o süßer herzenzwang!
o zimliche statur! o göttingleicher gang!
o seelgewinnende bewegung, stand, geberden!
o herzeinnemende recht weise red und sprach!
o stim, errettend uns von allem ungemach!
holdselig sanfte art, daran nichts von der erden!
Von welches engels mund kan aber mein verstand,
von welcher Nymfen form kan aber meine hand
so vil vernunft und kunst zu lernen recht begehren,
davon er ihres geists und höchsten weisheit macht,
davon sie ihres leibs und höchsten schönheit pracht
gelehret, völliglich die weite welt mög lehren?
Zwar ihrer seelen schatz und ihrer tugend ruhm,
zwar ihres leibs gestalt und ihrer schönheit blum
der sterblichen gesicht natürlich fürzubringen,
muß ich, was immer gut, holdselig, schön und pur
an göttern, göttinnen, an Nymfen und natur
zu sein mit wahrer kunst gesungen, von ihr singen.
Wie an dem morgen klar der sonnen klarer schein,
also auf ihrem haupt ein haar von gold sehr rein
den himmel ihres leibs erleuchtet und bereichet,
und ihrer haaren schatz ist so unschätzlich reich
[270]
daß ihm der sonnen gold, dem es zwar nicht ungleich,
gleichwie die morgenröt auch ihrem antlitz weichet
Nächst zu des haupts gezelt ist ein glatweißer plan,
da stiften vil kurzweil die Liebelein oft an,
die doch die mayestet zu der gebühr verbindet,
und dise marberbahn ist gleichsam das gestad
des fließenden goldstroms, darauf sich straf und gnad
mit keuschheit und mit lieb stets in gespilschaft findet.
Ihr angesicht gleichlos ist ein gleichloser gart.
ein gart? nein, sondern wol ein wunderreiche chart,
darein des himmels hand der schönheit land begränzet;
jedoch mit dem geding, daß sich ein jedes glid
des leibs darzu bequem, auf das ein edler frid
in dieser schönheit reich bleib (mangellos) ergänzet.
Zwar ist es als ein gart, alda mit höchstem fleiß
der höchste gärtner wolt die blumen rot und weiß
stets unverwelklich süß vermischen und versetzen
und da mit ernst und scham die reine gilg und ros
vermählet spreissend sich in ihrer reichtum bloß,
das herz und aug zugleich verletzen und ergetzen
Ein artliches gebäu, ein hübsch erhabne zier
des gartens, streckend sich, absöndert ihn, und schier
unsichtbarlicher weis erreichet die augbrauen
darunder man dan kan der lieb und tugend stärk,
darunder man dan muß der natur wunderwerk,
zwar ohn verwundrung nicht, doch auch mit ehr, anschauen.
Gewölbet beederseits erheben sich zugleich
aus solchem marbergrund, an schein und farben reich,
zween bogen, diser welt die schönste triumfbogen,
darunder kommen dan lieb, schönheit, süßigkeit,
mit keuschheit scham und ehr, zucht mit holdseligkeit
und alle tugenden prachtierend eingezogen.
Und dises plans gewölb, der lieb und tugend schanz,
ist für der keuschheit schmuck ein doppelt halber kranz,
damit die tugend, sich beschönend, wird gekrönet.
nein, dises firmaments gedoppelter neumon
[271]
ist von liechtbraunem gold ein zwiefach reiche kron,
damit die schönheit selbs, sich krönend, mehr beschönet.
Nu zwischen diser schanz, in disem ehrensaal,
sih ich, ich weiß nicht recht, was ich sih für ein mal,
der schönheit maß und mark, der mayestet merkzeichen:
der schönen Griechin stirn hat gleiches mal und pracht,
jedoch nicht gleichen sin, noch gleicher tugend macht,
dan hier die götter selbs aus forcht und ehr verbleichen.
Wie der lieb bogen nun und wie des weisheit stirn
der schönheit wunder seind: also auch ein gestirn,
das unvermehrlich klar, ereuget sich darunder;
ereuget? nein, vilmehr mit sonnengleicher hitz
erzeiget glanzreich sich der lieb und keuschheit sitz,
der schönheit schönstes liecht, der schönsten wunder wunder.
Zween augstern, ein gestirn, ganz schein- und schönheitreich,
die, blau, dem firmament und, hell, der sonnen gleich,
bewegend götlich sich die seelen selbs bewegen;
und ihrer klarheit liecht, als unvermehrlich klar,
als ihrer wirkung kraft unwiverständlich wahr
erweckend die gotsforcht den schnöden lust bald legen.
Gleichwie ein rosengart zu frischer frühlingszeit,
erzeiget blühend sich auf ein und andrer seit
die zarte lieblichkeit gedoppelt ihrer wangen,
da dan die ros schamrot, da dan die gilg schneeweiß
vermischend ihren ruhm, der natur kunst und fleiß
beweisen, indem sie als eine blum beed prangen.
Ihr mund, süß schmollend schön, kan mit gnad oder buß
bald allen andern mund, weil ihn ein jeder muß,
doch nicht gnug loben kan, eröfnen und beschließen;
auch söndert sich niemal ihr rubinlefzenschatz,
dan nur, des himmels lehr und der weisheit gesatz
dem menschlichen gemüt durch das ohr einzugießen.
Die person, die einmal nur einen süßen blick
von diser göttin aug, das allerhöchste glück,
so das aug haben kan, kan seinem aug verleihen,
die mag dem himmel wol, wan er ihr schon mehr nicht
[272]
solt einiges gestirn, noch schönes angesicht
nach lust zu schauen an, verleihen, gern verzeihen.
Und dises liebgebäu, der tugenden lusthaus,
ergänzet seine zierd und herrlichkeit durchaus
durch ein weißglatte seul, die sich darunder strecket
an zweier hügel schnee und an der gilgen thal
die doch erbebend sanft bewegen sich zumal,
seind vor des menschen aug verhüllet und bedecket.
Wer? wer sah doch jemals ein so zart weiße hand,
die würdig nicht allein das schwürige Teutschland,
sondern den erdkreis ganz zu stillen, zaumen, zieren?
zwar ist an schönheit sie nicht einig und allein,
dieweil der himmel wolt mit gleicher schönheit schein
ein andre zwillinghand zu ihrer hilf formieren.
Auch dise werte hand für dise schwere zeit
und für die schlimme welt voll aufruhr, krieg und streit
hat got zu unserm schutz und trost so vil gelehret,
daß, nachdem sie des lands regierungszaum annam,
das land alsbald davon erleichterung bekam,
weil sie zu solchem werk geübet und bewehret.
Ach, dises lebens freud, so brüchig als ein glas
und unser leben selbs verdörrend als das gras,
will, daß wir alles schwach und nichts langwürig glauben;
kein mensch ist von geburt und von dem glück so hoch,
der sich nicht neigen muß auch under des tods joch,
den nicht ein augenblick kan seines ruhms berauben.
Des wollusts und der freud ist leid und klag die zucht,
des samens der kurzweil ist traurigkeit die frucht,
des lachens süßigkeit die thränen oft versauren;
und daß die sterblichen aus schwachheit nimmermehr
vergessen ihres stands, wird ihr ruhm, pracht und ehr
zu nichts und ihr triumf verändert sich in trauren.
Daher, als der landgraf, um den cypressenkranz
verwechslend den lorber, verdunkelt unsern glanz,
den uns die fürstin gab, kont uns kein liecht mehr taugen;
dan weil ihr haupt, brust, leib mit schwarzem wittibkleid,
als einer finstern nacht, bezeuget unser leid,
genießen wir allein des tags von ihren augen.
[273]
Zwar dieses schwarz gewand kan nicht den scharfen schein
eines so klaren liechts und feuers, das so rein
und übermenschlich uns erleuchtet, dunkel machen;
dan ja die höchste sonn hat mit so hoher kraft
begabet ihre seel, daß sie nicht mangelhaft,
sondern vollkommen gut zu allen hohen sachen.
Gleichwie, wan Progne sich mit ihrem schnellen flug,
gleichwie, wan Alcyon will künstlich, frei und klug
sich nisten auf dem meer, sie beede sich beglücken
und dan den grund mit gras, mit blumen alles feld,
mit lust, gesang und laub die vögel und die wäld
mit sanftem luft die lüft und mit freud uns erquicken.
Also alsbald nach wunsch wir diser göttin huld
erworben und sie kam von dem Main zu der Fuld,
da hat sie alle forcht und schwürigkeit gestillet:
auch hat stets ihr gemahl, nach ihrem weisen rat
fürnemend seine werk, vollführend seine that,
sie, sich selbs und sein land mit lieb, lob, lust erfüllet.
Nun aber nachdem er früh in des himmels saal
getreten und numehr der großen götter zahl
vermehret und dann ihr das regiment verlassen,
hat sie derhalb allein mit götlichem verstand
mit unverzagtem mut, mit heldengleicher hand
das steuer in dem sturm zu halten gern erfassen.
Fürsichtig, from, gerecht und weis kan sie geschwind
durch ungewitter, sturm und ungestümen wind,
wie immer groß die not, forchtlos und frei passieren;
dieweil allzeit der höchst ihr gleit, ihr stern, ihr port,
der sie mit ihrem volk, gehorchend seinem wort,
kan und will sicherlich erhalten, segnen, führen.
Die fablen melden uns, daß Cybela, mit mut
und mit geschicklichkeit der löwen grim und wut
zäumend, sie zu dem zug des wagens angerichtet:
die wahrheit weiset uns, daß diser fürstin kunst
der kriegsleut grausamkeit und, mit ernst oder gunst,
des volks halsstörrigkeit und alles unglück schlichtet.
Ihr arbeit müh und sorg ist einig und allein,
daß das gemeine gut mög wol versorget sein
[274]
und daß des volks wolfahrt bleib sicher und bedecket;
da dan die gotsforcht ihr zu solchem schweren werk
verleihet alle hilf und mehret ihre sterk,
daß under ihrem schutz sie kein gefahr erschrecket.
Daß niemand hören mög ein oder andre klag
wird ihre hand nicht müd ab dem schwert, noch der wag,
so die gerechtigkeit in ihre händ vertrauet;
daher von ihrer hand, die niemal schwach, müd, alt,
davon den tugenden ihr bester aufenthalt
ihr haus zu wehren stets wird wieder neu erbauet.
Bedenkend was sein mag zu lützel und zu vil,
erreichet ihr anschlag allzeit sein rechtes zil,
weil mit der weisheit liecht der weg sich keichtlich findet;
und ist ihr glanz so groß, daß des feinds list und lust
mit seinem frechen stolz und zorn aus seiner brust
ausbrechend, ihn selbs stracks verblindend, gar verschwindet.
Ihr urteil und gericht, scharfsichtig, ist so klar,
daß darauf andrer red gegründet allzeit wahr,
daß unverwürflich auch ihr reden und ihr schreiben:
daher die götter dan durch das ohr und gesicht
von ihres schönen munds und ihrer schrift bericht
gleichsam verzaubert, selbs ganz unbeweglich bleiben.
Stets wacker, niemal müd, und emsig ohn beschluß,
ohn ablaß arbeitsam und wachsam ohn verdruß,
doch der gemeinen ruh begirig und beflissen,
bekriegend unsern feind für des lands frid und ruh
durch ihres kriegsvolks faust, thut sie das aug nicht zu
und will vergessen nichts, vil sorgen, alles wissen.
Versehen ist ihr mut mit solcher freindlichkeit,
und ihre mayestet mit solcher höflichkeit,
mit solcher güt und gnad ihr ernst und ihr ansehen,
daß selten eine seel, rau, grob, wild, ohn ein joch,
daß selten ein gemüt, wie immer hart, stolz, hoch,
kan ihres augs befelch und willens dienst entgehen.
In krankheit, theurung, leid barmherzig, gütig, mild
ist sie der armen arzt und der bedrangten schild,
[275]
die dan durch ihre hand bald bessern und genesen;
auch pfleget freindlich sie die tugend, fromkeit, kunst
von ihrer armut frost und von des unglücks brunst,
freigebig als die sonn und das meer, zu erlösen.
Betreffend gärten, weid, feld, weinbau und viehzucht
kan in dem land und haus mit blumen, korn, wein, frucht
für ihr kein heidengot noch göttin mehr bestehen;
sie weiß des regiments und der haushaltung kunst,
der zeit vergehet ihr kein augenblick umsunst,
alles kan sie allein verstehen und versehen.
Ein solches werden stets und (dankbar) thun auch schon
vil, deren müh und lehr der Musen grüne kron
gebühret, nach gebühr unsterblich stets bezeugen:
ja jeder nation und einer jeden sprach
wär es unleugbarlich ein große schand und schmach,
wan sie ihr lob und ehr und namen solt verschweigen.
Was aber sing ich vil, wan ihr verdienst so groß,
daß mein gesang, ihm gleich zu sein, sein must endlos,
dan meinen mangel stracks ihr überfluß verhöhnet;
von nöten wär mir wol zu solchem werten werk,
daß der höchst meinen geist mit aller künsten stärk,
als ihren leib und seel mit wundern er beschönet.
Zwar ist sie an verstand und an schönheit schon gleich
und durch ihr wert und glück wie würdig also reich,
wolt ihr der himmel doch ein karges stück erweisen:
dan weil durch seine gnad sie diser welt gestirn
so lobreich als gleichlos, erschuf er doch kein hirn,
gelehrt und kunstreich gnug, sie würdiglich zu preisen.
Auch torecht wär ich wol, wan ich, wie immer gern
ich mein gesang erkling, wolt diesem klaren stern
vermehren seinen glanz durch meiner federn schatten;
villeicht, wie ich dan wünsch, vermag des himmels gunst
den schwanen ihres lands mit mehrer lehr und kunst
ein lied von ihr nach mir zu singen, wol gestatten.
Ein solches recht zu thun, den vortheil haben sie,
daß ihre fürstin gern will ihrer treu und müh
[276]
mit kaum verdienter gnad (o große gnad!) begegnen:
da ich hingegen darf und will ein solches glück
kaum wünschen, daß sie solt mit einem gnadenblick
mein lied, wie immer wahr, doch gar zu nider, segnen.
O fürstin, deren wert der weiten welt bekant,
billich der kirchen trost, der frommen schutz genant,
des sterblichen verstands unsterbliches exempel!
zierd alles fürstlichen und höchstgeehrten stands!
o spiegel aller ehr! o göttin des Teutschlands!
o aller tugenden ganz himmelischer tempel!
Ihr, deren haupt und herz schier gar ohn ruh und rast
den sehr beschwerlichen kriegs- und regierungslast
kan allein, doch mit rat, versorgen, halten, tragen:
ich wär der kirchen heil und dem gemeinen gut
zuwider, wan ich solt verhindern eure hut,
wan ich solt länger euch aufhalten und mehr sagen.
Auch find ich jetzund erst, daß ich für dise sach,
betreffend euern ruhm, vil zu gering und schwach,
und muß, daß ein maulwurf an dem liecht blind, bekennen;
ja, ich empfind numehr, zwar spat und nicht ohn zorn,
daß ein alt lahmes pferd, ob schon von gold die sporn
es stüpfen, machen es doch kaum geschwinder rennen.
So lasset, bit ich euch, o göttin, deren wir
aufopfern mit begird die herzen nach gebühr,
mein willig reiches herz und armes lied gefallen!
von eurer augen glanz wird es bald so fruchtreich,
daß nach mir mäniglich ein solches jetzund gleich
und die nachkommenschaft auch künftig wird erschallen.
Entzwischen wird, weiß ich, euch keine müh noch pein
in disem teutschen sturm trüb und verdrüßlich sein,
ihr werdet, Iris gleich, schön wetter wider führen;
so seid nu wol zu mut! dan bald der theure prinz,
aus eurer keuschen schoß entsprossen, die provinz,
des ganzen reichs wol wert, wird selig mit euch zieren.
Er weiß wol die von euch empfangne wahre lehr,
daß die bäum, deren frucht ist wahre lieb und ehr,
nur allein in dem feld der harten tugend blühen;
und wer erlangen will endloses heil und lob,
[277]
der muß from, weis und kühn, zu seines verdiensts prob,
weder beschwerlichkeit, trübsal, noch arbeit fliehen.
Wolan, so lebet lang, lang blühet, ihr und er,
stets zu der kirchen trost und zu des höchsten ehr,
die ungerechtigkeit und bosheit zu vertreiben!
doch wie weis auch der fürst kan sein, wie kühn, gut, groß,
seid ihr stets phönixgleich und ewiglich gleichlos
solt ihr, Amelia Elisabeth, verbleiben.

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