Von beeden fürstlichen Fräulein, Agnes und Anna Herzoginnen zu Wirtemberg

Zwo schöner Nymfen süßer mund
hat in der süßen morgenstund
zwo göttinnen lobend vermehret,
und Filodor, der sie gehöret,
hat also bald ihr lied und lehr
mit stets frisch wachsenden buchstaben
in manchen gärten hin und her
auf der bäum rinden eingegraben.

Laura.

Sih wie liebreich, wie pur und klar
der tag sich machet offenbar,
wie den erdboden er erfreuet
und schnell mit blumen überstreuet!
jedoch nein; des tags freudigkeit
wär wol so klar nicht aufgegangen,
wan er nicht mehr holdseligkeit
von Agnes mildiglich empfangen.
Myrta.

Sih wie anmütig, schön und rein
und mit wie ungewohntem schein
jetzund die morgenröt aufgehet
und alles mit lust übersäet!
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jedoch nein; so hübsch wär sie nicht,
sie thät dan solche schönheit borgen
von Anna, deren angesicht
ist schöner dan der schönste morgen.
Laura.

Ein angesicht voll lieb und ehr
und eine stirn voll liecht und lehr,
ein haar, das kan die seelen fällen,
ein mund den göttern nachzustellen,
ein leib an zier und wolstand reich
und wert, daß er werd wol betrachtet,
die machen, Agnes, daß man euch
als eine göttin stets hoch achtet.
Myrta.

Von helfenbein ein glatte stirn,
ein funkelnd zwitzrendes gestirn,
ein mund, haar, kehl, brust, hand und wangen,
damit gern Venus selbs wolt prangen,
ein schöner leib ohn allen fehl,
der aller götter herz versehret,
die machen, daß euch meine seel
als eine göttin, Anna, ehret.
Laura.

Wie eure statur hübsch und lang,
und euer feiner danz und gang,
mit höflich wol gesetzten schritten,
mit lieblich löblich guten sitten:
Also auch die zucht eurer brust,
und eurer majestet vermögen,
die könden, Agnes bald nach lust
der götter herzen frei bewegen.
Myrta.

Wie eure götliche person
mit wunder segnend und mit wohn,
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wie euer gang, stand, danz, geberden
ein paradis auf dieser erden:
also auch eurer schönheit pracht
darab die götter sich ergetzen,
die machen, Anna, sich mit macht
die himmel selbs ab euch entsetzen.
Laura.

Solt Phöbe selbs mit vollem glanz,
wan sie der sternen klaren danz
den göttern zu gefallen führet
und einiglich an glanz prachtieret,
sich in geborgtem hellen kleid
ruhmrätig, Agnes, euch erzeigen,
würd sie, zwar nicht ohn reu und leid,
für euch bald ihren hochmut neigen.
Myrta.

Solt Venus selbs mit höchstem fleiß
der höchsten schönheit höchsten preis
zu werben, sich selbs schon beschönen,
sich mit der schönheitkron selbs krönen,
alsdan den sig von euch ganz frei
vermeinen, Anna, zu erlangen,
würd sie, zwar nicht ohn leid und reu,
schimpf und scham für den sig empfangen.
Laura.

Auch, Agnes, euer lob, preis, ehr
die Nymfen und wir mehr und mehr,
wie ihr verdienet, stets erklingen
und, unsrer schuldigkeit nach, singen;
dan ihr so schön und tugendreich,
daß mit euch kein Nymf zu vergleichen,
dan eure schwester, die euch gleich,
daß beeden alle Nymfen weichen.
Myrta.

Auch, Anna, aller schönheit blum,
wir Nymfen wollen euern ruhm,
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darab die himmel ein gefallen,
fürhin stets mehr und mehr erschallen;
dan ihr so schön und tugendreich,
daß keine Nymf, wie ihr, zu ehren,
dan eure schwester, die euch gleich,
daß beeder lob wir stets vermehren.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Weckherlin, Georg Rodolf. Gedichte. Gedichte. Agnes und Anna Herzoginnen zu Wirtemberg. Agnes und Anna Herzoginnen zu Wirtemberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9469-7